VG Ansbach, Urteil v. 01.03.2020 – AN 15 K 20.00755
Titel:
Wiederheirat des Elternteils, bei dem das Kind lebt, Keine Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, Anforderung an das Getrenntleben des Elternteils
Normenketten:
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 2
UVG § 1 Abs. 2
UVG § 5 Abs. 1
BGB § 1567 Abs. 1
Schlagworte:
Wiederheirat des Elternteils, bei dem das Kind lebt, Keine Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, Anforderung an das Getrenntleben des Elternteils
Fundstelle:
BeckRS 2020, 44544
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
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Die Klägerin erhielt vom 1. Dezember 2009 bis 30. November 2015 Leistungen nach dem UVG. Ab dem 1. Dezember 2017 wurden erneut UVG-Leistungen für ihren Sohn … bewilligt. Am 21. Dezember 2018 heiratete die Klägerin. Dies teilte sie dem Beklagten im jährlichen Überprüfungsbogen, eingegangen beim Beklagten am 29. Oktober 2019, mit. Auf ihre Pflicht zur Mitteilung leistungsrelevanter Änderungen, so etwa auch einer Heirat, war die Klägerin, ebenso wie auf eine Rückerstattungspflicht zu Unrecht bezogener Unterhaltsvorschussleistungen, im Antragsformular, unterschrieben von der Klägerin persönlich am 20. Dezember 2017, im Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2018, im Änderungsbescheid vom 16. Januar 2019 sowie im Änderungsbescheid vom 21. Juni 2019 hingewiesen worden. Am 1. September 2019 bezog die Klägerin eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Ehegatten.
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Am 8. November 2019 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Einstellungs- und Rückforderungsbescheid, der Klägerin zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 12. November 2019. Mit diesem wurde der Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2018 zum 30. November 2019 aufgehoben (Ziffer 1) und die für die Zeit vom 22. Dezember 2018 bis 30. November 2019 zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 3.133,90 EUR nach § 5 Abs. 1 UVG zurückgefordert (Ziffer 2). Voraussetzung für die Leistungsgewährung sei unter anderem nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebe, ledig, verwitwet oder geschieden sei oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebe. Dies sei bei der Klägerin nicht gegeben, da diese am 21. Dezember 2018 geheiratet habe. Die Leistungseinstellung erfolge in Übereinstimmung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Rückforderung gründe auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG, da es die Klägerin gem. § 6 Abs. 4 UVG unterlassen habe mitzuteilen, dass sie geheiratet habe, und auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG, da sie gewusst habe, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht mehr erfüllt gewesen seien.
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Am 19. November 2019 überwies die Klägerin einen Betrag von 272,00 EUR an die Staatsoberkasse Bayern in … Der Rückforderungsbetrag reduzierte sich somit auf 2.861,90 EUR. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 8. November 2019 Widerspruch. Sie führte hierzu aus, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass ihr ab dem Tag der Heirat kein Unterhaltsvorschuss mehr zustehe. Da sie erst am 1. September 2019 mit ihrem Mann zusammengezogen sei, habe sie bis zu diesem Zeitpunkt dieselben Kosten gehabt, wie zuvor. Da der Unterhaltsvorschuss fest in den laufenden Haushalt mit eingeplant gewesen sei, seien die Unterhaltsvorschusszahlungen auch schon ausgegeben. Durch die Wochenendbeziehung hätten ihr Mann und sie bis zum 1. September 2019 auch zusätzliche Fahrtkosten gehabt. Erst durch die Versetzung ihres Mannes in den bayerischen Schuldienst hätten sie eine gemeinsame Wohnung in … beziehen können. Sie bitte darum, von einer Rückforderung abzusehen.
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 3. April 2020 zurückgewiesen. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheids wird verwiesen.
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Durch ein am 29. Mai 2020 gestelltes Aufrechnungsersuchen an das Finanzamt … konnte mit Wertstellung vom 6. November 2020 ein Betrag von 801,79 EUR vereinnahmt werden. Zum 9. November besteht somit noch ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 2.060,11 EUR gegen die Klägerin.
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Mit Schreiben vom 18. April 2020, eingegangen bei Gericht am 22. April 2020, hat die Klägerin gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage erhoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen das Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt. Sie sehe die Eheschließung nicht als maßgebliche Änderung für die UVG-Leistung an, da ihre Situation mit der von dauernd getrennt Lebenden vergleichbar gewesen sei, auch wenn das Gesetz dies anders vorsehe. Sie bitte darum, diese Fakten in ihrem speziellen Fall zu berücksichtigen und von der Forderung abzusehen.
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Einen konkreten Klageantrag stellt die Klägerin nicht.
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Der Beklagte beantragt mit Schreiben vom 20. November 2020,
Klageabweisung.
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Für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG komme es nicht darauf an, dass die Klägerin mit ihrem neuen Ehegatten (noch) keine gemeinsame Wohnung bezogen gehabt habe. Voraussetzung sei vielmehr ein dauerhaftes Getrenntleben, wobei in objektiver Hinsicht keine gemeinsame häusliche Gemeinschaft bestehen dürfe und in subjektiver Hinsicht auch nicht beabsichtigt sei, eine solche herzustellen. So liege der Fall nicht. Nach eigenem Bekunden habe die Klägerin nach der Heirat am 21. Dezember 2018 die häusliche Gemeinschaft mit ihrem Ehemann am 1. September 2019 hergestellt und nicht dargelegt, dass dies jemals nicht beabsichtigt gewesen sei. Mithin fehle es am subjektiven Element des Getrenntlebens. Es sei von mindestens Fahrlässigkeit seitens der Klägerin auszugehen. Auf ihre Pflicht zur Mitteilung leistungsrelevanter Änderungen sei die Klägerin vermehrt hingewiesen worden.
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Klägerin und Beklagter erklärten mit Schreiben vom 9. Februar 2021 bzw. 12. Januar 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
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Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gerichtssowie auf die Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die Klägerin besitzt auch die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Dahinstehen kann, ob die Klägerin selbst Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids ist, sich eine Klagebefugnis mithin schon aus der Adressatentheorie ergibt. Zwar steht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss dem Kind und nicht dem alleinerziehenden Elternteil zu (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2016 - 12 C 15.2382 - juris), allerdings kann ein eigenständiges Klagerecht des Elternteils, in dessen Obhut das Kind lebt, aus § 9 Abs. 1 UVG abgeleitet werden, der diesem Elternteil ein eigenständiges Antragsrecht im Hinblick auf die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gibt (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2014 - 12 C 13.2488 - juris).
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Die Klage ist allerdings unbegründet.
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Der angefochtene Einstellungs- und Rückforderungsbescheid vom 8. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte hat die weitere Unterhaltsvorschussleistung zu Recht zum 30. November 2019 eingestellt und die Klägerin hat die in der Zeit vom 22. Dezember 2018 bis 30. November 2019 für ihr Kind … vom Beklagten erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 UVG zu erstatten.
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Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin richtige Adressatin des Einstellungs- und Rückforderungsbescheids ist. Die besondere Nähebeziehung, in der der Ersatzanspruch wurzelt, ermächtigt die zuständige Stelle im Zuge der „Rückabwicklung“ der hoheitlichen Leistungsgewährung dazu, den Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, beziehungsweise dessen gesetzlichen Vertreter durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmen (BVerwG, U.v. 11.10.2012 - 5 C 20/11 - juris Rn. 14).
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Lagen die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vor, so hat gem. § 5 Abs. 1 UVG der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er entweder die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat (Nr. 1), oder gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren (Nr. 2).
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Die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistungen lagen in den Kalendermonaten, in denen sie gezahlt wurden und für die nun eine Rückforderung geltend gemacht wurde, nicht vor.
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Der Sohn … der Klägerin ist geboren am 12. Dezember 2006. Da er mithin zum streitgegenständlichen Anspruchszeitraum das 12. Lebensjahr (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG) schon vollendet hatte, kommt als Anspruchsgrundlage nur § 1 Abs. 1a UVG in Frage, wobei neben den in dieser Norm genannten Voraussetzungen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UVG erfüllt sein müssen. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss hat nur, wer unter anderem im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Als dauernd getrennt lebend im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG gilt ein Elternteil gem. § 1 Abs. 2 UVG dann, wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben im Sinne des § 1567 BGB vorliegt oder wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner wegen Krankheit oder Behinderung oder auf Grund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. Getrennt leben Ehegatten gem. § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt.
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Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss lagen hinsichtlich des Sohnes der Klägerin nicht vor, da ihr Sohn nicht bei einem Elternteil lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt. Denn die Klägerin ist nach eigenen Angaben seit dem 21. Dezember 2018 wiederverheiratet. Zwar trägt die Klägerin insoweit vor, dass sie erst am 1. September 2019 mit ihrem Ehegatten eine gemeinsame Wohnung bezogen habe. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstands ergibt sich jedoch keine andere Beurteilung. Ein Getrenntleben liegt gem. § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann vor, wenn (kumulativ) zwischen den Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Eine häusliche Gemeinschaft hat zwar nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin bis zum Zusammenziehen der Eheleute am 1. September 2019 nicht bestanden. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dies daher rührte, dass ein Ehegatte diese erkennbar nicht herstellen wollte, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnte. Die Klägerin hat vielmehr hierzu mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 mitgeteilt, dass sie im Zeitraum 21. Dezember 2018 bis 31. August 2019 eine Wochenendbeziehung mit ihrem Ehemann geführt habe und sie erst durch die Versetzung ihres Mannes in den bayerischen Schuldienst eine gemeinsame Wohnung in … hätten beziehen können. Den Willen, die häusliche Gemeinschaft nicht herzustellen, weil einer der Eheleute die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt, vermag das Gericht hierin nicht zu erkennen. Eine wie hier nicht aus ehefeindlichen Motiven erfolgte räumliche Trennung ist für die Annahme einer dauernden Trennung im Sinne des § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ausreichend mit der Folge, dass dem Sohn der Klägerin, da er nicht bei einem getrenntlebenden Elternteil i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UVG lebte, im streitgegenständlichen Zeitraum kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zustand.
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Auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UVG liegen vor. Zu Lasten der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie die ungerechtfertigte Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass sie zumindest fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat.
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Fahrlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 UVG bedeutet, dass die Pflicht zur Beachtung der nach den persönlichen Verhältnissen zu fordernden Sorgfalt verletzt wurde. Bei Aushändigung eines Merkblatts wird jede Nichtbeachtung einer im Merkblatt festgehaltenen Verpflichtung als eine die Rückzahlungspflicht begründende Fahrlässigkeit angesehen (OVG des Saarlandes, U.v. 23.4.2008 - 3 A 307/07 - juris Rn. 139f.).
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Hieran gemessen hat die Klägerin zumindest fahrlässig nicht über ihre Eheschließung vom 21. Dezember 2018 informiert und somit ihrer Plicht zur unverzüglichen Anzeige leistungsrelevanter Änderungen nach § 6 Abs. 4 UVG zuwider gehandelt mit der Folge einer Rückzahlungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG. Die Klägerin war wiederholt auf ihre Pflicht zur Mitteilung leistungsrelevanter Änderungen, so etwa ausdrücklich auch einer Heirat, hingewiesen worden (vgl. Antragsformular vom 20. Dezember 2017, Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2018, Änderungsbescheid vom 16. Januar 2019 und Änderungsbescheid vom 21. Juni 2019). Dennoch hat die Klägerin es bis zur Angabe im Überprüfungsbogen, eingegangen am 29. Oktober 2019, unterlassen, ihre Heirat dem Beklagten mitzuteilen. Weiterhin hat die Klägerin auch gewusst bzw. zumindest infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren, so dass sich auch hieraus eine Rückzahlungspflicht ergibt, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG.
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Auf Vertrauensschutz oder darauf, dass sie die Leistungen verbraucht hat, kann sich die Klägerin nicht berufen, da die diesbezüglichen Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X neben der abschließenden Sonderregelung in § 5 Abs. 1 UVG für die Modalitäten einer Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Unterhaltsvorschussleistungen nicht anzuwenden sind (VG des Saarlandes, U.v. 12.1.2018 - 3 K 1016/17 - juris Rn. 41 m.w.N.).
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Verfassungsrechtliche Bedenken an der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bestehen nicht (vgl. hierzu ausführlich VG Ansbach, U.v. 15.5.2018 - AN 15 K 17.02205 - nicht veröffentlicht; BayVGH, B.v. 11.8.2020 - 12 ZB 18.1572 - juris; BVerwG, U.v. 7.12.2000 - 5 C 42/99 - juris; BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvL 13/00 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht nahm insbesondere den Willen des Gesetzgebers in den Blick, wonach nach einer Heirat des bisher alleinstehenden Elternteils in aller Regel nicht die prekäre Lage wie bei alleinstehenden Elternteilen und somit kein hinreichender Grund gegeben ist, für diesen Fall Unterhaltsvorschussleistungen vorzusehen. Auch das Bundesverfassungsgericht konnte in seiner Entscheidung eine Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht feststellen und betonte unter Bezugnahme auf die maßgeblichen Gesetzesmaterialen, dass sich im Fall der Wiederverheiratung zwar nicht die unterhaltsrechtliche, wohl aber die faktische Gesamtlage verbessert, da das Kind nunmehr in eine vollständige Familie eingebettet ist und im Allgemeinen auch an deren sozialem Stand teilnimmt.
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Ergänzend ist anzuführen, dass der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit eine größere Gestaltungsfreiheit besitzt als innerhalb der Eingriffsverwaltung (vgl. BVerfG, B.v. 5.4.1960 - 1 BvL 31/57 - juris). Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtsinn als gleich ansehen will, sowie darüber zu entscheiden, welche Elemente er für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung als maßgeblich ansieht (vgl. VG Hannover, U.v. 1.2.2011 - 3 A 5791/07 - juris). Grenzen bestehen insoweit, als der Gesetzgeber keine Differenzierung vornehmen darf, für die sachlich einleuchtende Gründe nicht auffindbar sind (vgl. BVerfG, U.v. 17.12.1953 - 1 BvR 323/51 - juris). Wie vorstehend ausgeführt wurde, bewegt sich der Gesetzgeber aufgrund der dargestellten sachlichen Gründe im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Der Gesetzgeber ist auch nicht daran gehindert, in typisierender Weise den hier im Streit stehenden Ausschluss von den Unterhaltsvorschussleistungen zu regeln, sodass vorliegend es auch nicht darauf ankommen kann, ob der Ehemann der Klägerin einen tatsächlichen Beitrag zur Betreuung und Erziehung des Sohnes der Klägerin leistete.
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Dass sich an der vorstehenden verfassungsrechtlichen Bewertung aufgrund der zum 1. Juli 2017 erfolgten Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes etwas geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich. Aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 18/12589, S. 154) lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes weiterhin darin besteht, alleinerziehende Elternteile und ihre minderjährigen Kinder in der besonders schweren Lebenssituation, in der der alleinerziehende Elternteil die Kinder in der Regel unter erschwerten Bedingungen erziehen muss, zu unterstützen (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2020 - 12 ZB 18.1572 - juris Rn. 15f.).
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Aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage ist eine Auslegung des Gesetzes nicht möglich, bei der dem Sohn der Klägerin trotz der Wiederverheiratung seiner Mutter ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zukommt.
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Nach alldem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.