VG München, Urteil v. 10.12.2020 – M 10 K 18.3292
Titel:

Anscheinsbeweis für Richtigkeit eines gemessenen Wasserverbrauchs

Normenkette:
MessEV § 43 Abs. 2
Leitsätze:
1. Nach einer Nachprüfung bei einer staatlich anerkannten Prüfstelle besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der geprüfte Wasserzähler die tatsächliche Durchflussmenge anzeigt, ohne dass weitere Gutachten eingeholt werden müssten. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es existiert keine gesetzliche Regelung, die eine Überprüfung eines Wasserzählers beim Herstellerunternehmen ausschließt. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allein der Umstand, dass sich Betroffene einen gemessenen erhöhten Verbrauch nicht erklären können, genügt nicht zur Erschütterung des Anscheinsbeweises. (Rn. 40 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wassergebühren, Funktionsfähigkeit des Wasserzählers, Anscheinsbeweis für Richtigkeit des gemessenen Verbrauchs, Geeichter und überprüfter Wasserzähler, Befangenheit der Prüfstelle, Bedingter Beweisantrag (abgelehnt), Wasserversorgung, Wasserzähler, Anscheinsbeweis, Befangenheit, Verbandssatzung, Verbrauchswerte
Fundstelle:
BeckRS 2020, 42253

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.  
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Wassergebühren durch den Beklagten.
2
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Eigentümerin eines Grundstücks im Verbandsgebiet des Beklagten.
3
Der Beklagte ist ein Zweckverband. Er handelt auf Grundlage der Verbandssatzung des Zweckverbands Wasserversorgungsgruppe …-West vom 20. Dezember 2016 (Verbandssatzung) und betreibt danach eine gemeinsame Wasserversorgungseinrichtung einschließlich der Ortsnetze im Gebiet seiner Mitgliedsgemeinden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Verbandssatzung versorgt der Beklagte die Endverbraucher mit Trink- und Brauchwasser, welches den einschlägigen DIN-Vorschriften entsprechen muss. Gemäß § 5 Abs. 5 Verbandssatzung hat der Beklagte das Recht, an Stelle der Verbandsmitglieder Satzungen und Verordnungen zu erlassen, soweit es das ihm übertragene Aufgabengebiet erfordert. Nach § 24 Abs. 1 Verbandssatzung erhebt der Beklagte von seinen Wasserabnehmern Gebühren und Beiträge nach den Vorschriften des Kommunalabgabenrechts.
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Im streitgegenständlichen Jahr 2017 betrieb der Beklagte nach § 1 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung des Zweckverbands Wasserversorgungsgruppe …-West vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (Wasserabgabesatzung - WAS) eine öffentliche Einrichtung zur Wasserversorgung für das Gebiet seiner Mitgliedsgemeinden sowie für einzelne Grundstücke im Gebiet der angrenzenden Gemeinde … Nach § 3 Abs. 1 Buchst. g) WAS sind Wasserzähler Messgeräte zur Erfassung des durchgeflossenen Wasservolumens. Laut § 21 Abs. 1 Satz 1 WAS kann der Grundstückseigentümer jederzeit die Nachprüfung der Wasserzähler durch eine Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle im Sinne des § 40 Abs. 1 „Maß- und Eichgesetz“ verlangen.
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Der Beklagte erhob für das streitgegenständliche Jahr 2017 auf Grundlage seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung des Zweckverbandes Wasserversorgungsgruppe …-West vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (BGS/WAS) Beiträge und Gebühren. Nach § 1 BGS/WAS werden Grundgebühren und Verbrauchsgebühren erhoben. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BGS/WAS wird die Verbrauchsgebühr nach der Menge des aus der Wasserversorgungseinrichtung entnommenen Wassers berechnet. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BGS/WAS beträgt die Gebühr 1,16 EUR pro Kubikmeter entnommenen Wassers. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BGS/WAS wird der Wasserverbrauch durch geeichte Wasserzähler ermittelt. Laut § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGS/WAS ist er durch den Zweckverband zu schätzen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wasserzähler den wirklichen Wasserverbrauch nicht angibt.
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Der Wasserbezug des klägerischen Anwesens wird mittels Wasserzähler ermittelt. Im Jahr 2016 wurde eine Undichtigkeit einer Sanitärkomponente behoben.
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Weil der Stand des eingebauten Wasserzählers im Jahr 2017 einen im Vergleich zu den Vorjahren stark erhöhten Verbrauch anzeigte, beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Überprüfung des eingebauten Wasserzählers. Am 14. Juni 2017 wurde der Wasserzähler von einem Mitarbeiter des Beklagten ausgebaut und ein neuer Zähler eingebaut. Vor dem Wechsel stand der Wasserzähler still. Die Überprüfung des Wasserzählers fand durch die … GmbH …, einer staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Wasser, statt. Ausweislich des Prüfscheins vom 22. August 2017 hat der Zähler der Marke „…“, dessen Eichfrist noch nicht abgelaufen war, die Befundprüfung bestanden. Die Messabweichungen lagen danach innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen.
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Der durchschnittliche Wasserverbrauch der Klägerin liegt bei ca. 160 m³ pro Jahr.
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Am 30. Oktober 2017 ließ die Klägerin die Dichtheit ihrer Sanitärkomponenten von einem Sanitärunternehmen überprüfen. Dabei wurde keine Undichtigkeit festgestellt.
10
Mit Bescheid vom 31. Dezember 2017, unstreitig versandt Ende Januar 2018, setzte der Beklagte für das Jahr 2017 insgesamt eine Frischwassergebühr i.H.v. 3.082,97 EUR brutto (2.881,28 EUR netto) fest. Diese setzt sich aus einer Grundgebühr i.H.v. 30 EUR zzgl. Mehrwertsteuer sowie einer Verbrauchsgebühr für den Bezug von insgesamt 2.458 m³ Frischwasser i.H.v. 2.851,28 EUR zzgl. Mehrwertsteuer zusammen. Von der angesetzten Wassermenge entfielen dabei 2.377 m³ auf den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zur Ablesung des Zählers zum 15. Juni 2017.
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Mit Schreiben vom 2. Februar 2018, bei dem Beklagten eingegangen am 5. Februar 2018, legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 8. Februar 2018 bestätigte der Beklagte den fristgerechten Eingang des Widerspruchs, half diesem nicht ab und legte ihn der Widerspruchsbehörde vor.
12
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2018, der Klägerin zugegangen am 4. Juni 2018, wies das Landratsamt … … … den Widerspruch zurück. Aus Sicht der Widerspruchsbehörde bestanden keine Zweifel an der Richtigkeit des erstellten Gutachtens der Prüfstelle. Den Gegenbeweis, dass der Wasserzähler nicht die tatsächliche Durchflussmenge angezeigt habe, habe die Klägerin nicht führen können.
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Am 4. Juli 2018 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragt zuletzt,
14
I. Der Bescheid des Beklagten vom 31. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … … … vom 23. Mai 2018 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Verbrauchsgebühr über 215,60 EUR netto festgesetzt worden ist.
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II. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
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Zur Begründung trägt sie vor, dass, würde der im ersten Halbjahr 2017 gemessene Verbrauch zutreffen, dies im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 14. Juni 2017 einen zusätzlichen Verbrauch von täglich 12.765 Litern über dem normalen Verbrauch von 160 m³/Jahr bedeutet hätte. Dieser hätte nur erreicht werden können, wenn ein üblicher Wasserhahn im Haus täglich 24 Stunden lang voll geöffnet gewesen wäre. Dies hätte den Bewohnern in jedem Fall auffallen müssen. Nachdem sich nach Austausch des Zählers auch wieder der normale Verbrauch feststellen habe lassen, sei ein unbemerkter Wasserrohrbruch als Ursache für den enorm abweichenden Wasserverbrauch logisch ausgeschlossen. Der gemessene Wasserverbrauch könne nur auf Unregelmäßigkeiten bei der Messung zurückgeführt werden. Die Vermutung der Rechtsprechung, dass die von einem eichrechtlichen Vorschriften entsprechenden Zähler gemessene Wassermenge der tatsächlich bezogenen Wassermenge entspreche, wenn eine ordnungsgemäße Überprüfung des Zählers zu keiner Beanstandung geführt habe, könne widerlegt werden, wenn, wie hier, keine andere logische Erklärung für den durch den Wasserzähler gemessenen Verbrauch bestehe und damit feststehe, dass der gemessene Verbrauch nicht richtig ermittelt sein könne. Trotz der Überprüfung des Wasserzählers müsse von einer fehlerhaften Messung ausgegangen werden. Die Überprüfung sei durch den Hersteller des zu prüfenden Wasserzählers erfolgt. Zwar handle es sich hierbei um eine staatlich anerkannte Prüfstelle, dennoch sei seitens der Klägerin zu bezweifeln, ob hier eine objektive Überprüfung erfolgt sei. Der Prüfbericht könne wegen der konkreten Besorgnis der Befangenheit der eingeschalteten Prüfstelle nicht verwertet werden. Zudem seien laut Prüfschein keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob sich Fremdpartikel, insbesondere Rostpartikel, in dem Gehäuse oder vorgelagerten Filtern befunden hätten. Damit sei die richtige Durchführung der vorgenommenen Untersuchung zu bestreiten. Außerdem sei keine Prüfung des Zählers vor Ort in seiner konkreten Einbausituation durchgeführt worden. Zudem könnten auch andere Faktoren für eine unzutreffende Anzeige des Zählers ausschlaggebend sein, etwa auch technische Fehlregulierungen an der Wasseranlage des Beklagten. Der Beklagte habe nachzuweisen, dass solche nicht vorlägen. Der Beweis der ordnungsgemäßen Funktion des Wasserzählers und damit der Anscheinsbeweis der Richtigkeit des Zählerstands durch den Beklagten sei damit nicht gelungen. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Untersuchung zu einem zutreffenden Ergebnis gekommen sei, sei der damit begründete Anscheinsbeweis erschüttert. Letztlich beweise die Tatsache, dass nach Austausch des Wasserzählers im zweiten Halbjahr 2017 exakt der übliche Wasserverbrauch gemessen worden sei, dass es sich bei dem im ersten Halbjahr angezeigten Verbrauch nur um einen Messfehler handeln könne. Es sei damit Sache des Beklagten, die Richtigkeit des angesetzten Wasserverbrauchs nachzuweisen. Die Wassergebühren seien daher mit einer Schätzung anhand des langjährigen durchschnittlichen Wasserverbrauchs neu festzusetzen.
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Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 beantragt der Beklagte:
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Die Klage wird abgewiesen.
19
Zur Begründung führt er aus, dass der klägerische Vortrag nicht geeignet sei, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Nach ständiger Rechtsprechung erschüttere der Umstand, dass ein ungewöhnlich hoher Verbrauch gemessen worden sei, nicht den Anschein, dass der Wasserzähler den Wasserverbrauch richtig angezeigt habe.
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Auf Nachfrage des Gerichts legte der Beklagte mit E-Mail vom 9. Dezember 2020 Fotos des überprüften Zählers vor dessen Ausbau vor, die bei der Prüfstelle archiviert waren.
21
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2020 führte der Bevollmächtigte der Klägerin aus, es könne, nachdem ein derart erhöhter Wasserverbrauch logisch ausgeschlossen sei, abgesehen von einer technischen Fehlregulation an der Wasseranlage vor dem Zähler, nur so sein, dass die Wasseruhr infolge eines bei der durchgeführten Prüfung nicht feststellbaren Fehlers des Zählwerks doch falsch angezeigt habe. So könnten Veränderungen, Beschädigungen und besonderer Verschleiß zu einer zu hohen Zähleranzeige infolge eines „Rollenspringens“ führen. Bei der Prüfung des Zählers gehöre eine Zerlegung des Zählwerks nicht zum Prüfumfang. Insoweit könnten Fehlerquellen, die zu einem Rollenspringen führen könnten, bei der normalen Befundprüfung nicht festgestellt werden. Den Schriftsatz übermittelte der Bevollmächtigte dem Gericht aufgrund der bevorstehenden mündlichen Verhandlung vorab per E-Mail und äußerte dabei, dass ihm die Möglichkeit des Rollensprungs erst bei der Sitzungsvorbereitung am 9. Dezember 2020 bekannt geworden sei.
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In der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2020 hat der Gesellschafter der Klägerin erklärt, dass im Frühjahr 2017 die Abwasserleitung saniert und im Zuge dessen die Hausabwasserleitung bis zum Kanal mit einem Volumen von ca. drei bis vier Kubikmetern zwei- bis dreimal mit Wasser befüllt worden sei. Zudem hat der Bevollmächtigte der Klägerin - bedingt auf den Fall der Klageabweisung - zum Beweis der Tatsache, dass der ausgebaute Wasserzähler durch Rollensprünge zu dem angezeigten exorbitanten Wasserverbrauch geführt habe, die Einholung eines Sachverständigengutachtens, hilfsweise die Anhörung des die Befundprüfung durchführenden Sachverständigen der Firma … GmbH als sachkundigen Zeugen beantragt. Zudem hat er bedingt beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass im fraglichen Zeitraum keine Leitungsschäden oder sonstige Undichtigkeiten im Anwesen bestanden hätten und auch kein ungewöhnlicher, über dem normalen Wasserverbrauch liegender Verbrauch stattgefunden habe, die Einvernahme von Frau … … als Zeugin.
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Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
25
Der Bescheid des Beklagten vom 31. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … … … vom 23. Mai 2018 ist, jedenfalls insoweit als er vorliegend angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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I. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Gebührenbescheid ist Art. 8 KAG i.V.m. §§ 10, 12 BGS/WAS, letztere in der Fassung vom 5. Dezember 2016.
27
Soweit sie für den hier streitgegenständlichen Bescheid maßgeblich sind, bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit der Wasserabgabesatzung und der Beitrags- und Gebührensatzung.
28
Der beklagte Zweckverband war für den Erlass der Satzungen zuständig. Nach § 5 Abs. 5 Zweckverbandssatzung besteht für den Beklagten, weitgehend in Übereinstimmung mit § 22 Abs. 2 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit, ein Satzungsrecht, soweit das übertragene Aufgabengebiet dies erfordert. Für den vorliegend maßgeblichen Teil der Wasserabgabesatzung folgt das Satzungsrecht damit aus der ausdrücklichen Aufgabenübertragung hinsichtlich der Versorgung der Endverbraucher in § 5 Abs. 1 Satz 1 Zweckverbandssatzung. Im Hinblick auf die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung fehlt zwar eine ausdrückliche Aufgabenübertragung hinsichtlich der Beitrags- und Gebührenerhebung in § 5 Zweckverbandssatzung. Allerdings bestimmt § 24 Abs. 1 Zweckverbandssatzung, dass der Beklagte von seinen Wasserabnehmern Gebühren und Beiträge nach den Vorschriften des Kommunalabgabenrechts erhebt. Auch wenn sich diese Regelung im dritten Abschnitt der Verbandssatzung („Wirtschafts- und Haushaltsführung“) befindet, zeigt sie, dass der Beklagte anstelle seiner Mitglieder sowohl die Versorgung der Endverbraucher, als auch die hierfür erforderliche Finanzierung durch Gebühren- und Beitragserhebung übernehmen sollte. Damit war er auch insoweit für den Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zuständig.
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Dass § 21 WAS wörtlich auf § 40 „Maß- und Eichgesetz“ verweist, obwohl das maßgebliche bundesdeutsche Gesetz in der amtlichen Überschrift als „Mess- und Eichgesetz“ bezeichnet wird, ist unschädlich. Insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Bezeichnungsfehler des Satzungsgebers.
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II. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 31. Dezember 2020 ist rechtmäßig.
31
1. Der für das Jahr 2017 insgesamt gemessene Verbrauch i.H.v. 2.458 m³ konnte der Gebührenberechnung rechtmäßig zugrunde gelegt werden. Der Beklagte hatte den Wasserverbrauch nicht anhand des durchschnittlichen Verbrauchs zu schätzen.
32
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BGS/WAS wird die Verbrauchsgebühr nach der Menge des aus der Wasserversorgungseinrichtung entnommenen Wassers berechnet, wobei der Wasserverbrauch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BGS/WAS durch geeichte Wasserzähler ermittelt wird. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGS/WAS ist der Wasserverbrauch durch den Zweckverband zu schätzen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wasserzähler den wirklichen Wasserverbrauch nicht angibt.
33
Für Funktionsmängel des geeichten Wasserzählers ist die Klägerin beweispflichtig. Nach einer Nachprüfung bei einer staatlich anerkannten Prüfstelle besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der geprüfte Wasserzähler die tatsächliche Durchflussmenge anzeigt, ohne dass weitere Gutachten eingeholt werden müssten (VG München, B.v. 21.1.2019 - M 10 S 18.3458 - nicht veröffentlicht; U.v. 17.9.2010, M 10 K 09.6085 - juris m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 15.10.2013 - W 2 K 13.268 - juris Rn. 23). Dieser Anscheinsbeweis für die Richtigkeit der Anzeige kann durch den Nachweis von Tatsachen erschüttert werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass der Wasserzähler doch falsch angezeigt hat. Hierfür reicht es grundsätzlich aber nicht aus, dass sich aus der angezeigten Durchflussmenge eine ungewöhnlich hohe Verbrauchsmenge ergibt (Thimet in Wuttig/dies., Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil II, Frage 10, 4.1.2. unter Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 23.4.2014 - OVG 9 N 45.13 - juris).
34
a) Vorliegend hat der am 14. Juni 2017 ausgebaute Zähler die von der Klägerin beantragte und von einer staatlich anerkannten Prüfstelle durchgeführte Befundprüfung ohne Beanstandung bestanden. Damit besteht nach der genannten Rechtsprechung ein Anscheinsbeweis dafür, dass der angezeigte Verbrauch auch dem tatsächlichen Verbrauch entspricht.
35
Eine Befangenheit der Prüfstelle, die Zweifel am Ergebnis der Befundprüfung erzeugen und damit die Entstehung des Anscheinsbeweises für die korrekte Anzeige verhindern könnte, ist nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich. So trifft es zwar zu, dass der streitgegenständliche Wasserzähler von der Marke … stammt und die Befundprüfung von der Prüfstelle bei der … GmbH … durchgeführt wurde. Dafür, dass das Ergebnis dieser Befundprüfung in Zweifel zu ziehen wäre, bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. So ist zunächst zu beachten, dass keine gesetzliche Regelung existiert, die eine Überprüfung bei dem Herstellerunternehmen ausschließen würde. Stattdessen sieht § 43 Abs. 2 der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung - MessEV) Regelungen vor, die die Unparteilichkeit der Prüfung auf anderem Weg sicherstellen sollen. So hat etwa die oberste Leitung des Trägers der Prüfstelle eine Verpflichtungserklärung zur Unparteilichkeit des Prüfpersonals abzugeben. In der einschlägigen Fachliteratur wird zudem davon ausgegangen, dass das Prüfpersonal zur Sicherstellung der Unabhängigkeit im Normalfall nicht am Fertigungsprozess der Messgeräte beteiligt sein darf (Schade in Hollinger/ders., MessEG/MessEV, 1. Aufl. 2015, § 43 MessEV Rn. 6). Dass die Prüfung nicht im Betrieb des Herstellerunternehmens durchgeführt werden dürfte, lässt sich daher nicht begründen (so auch VG Düsseldorf, U.v. 22.6.2020 - 5 K 6662/19 - juris Rn. 68). Zudem sind gerade im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass die Befundprüfung nicht korrekt durchgeführt worden wäre, weder vorgetragen noch ersichtlich. Anzumerken ist auch, dass der alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter der Klägerin im Rahmen der Beantragung der Zählerüberprüfung unter dem 14. Juni 2017 ein Formular der Beklagten unterzeichnet hat, womit er sich mit der Weiterleitung des Zählers an die … GmbH einverstanden erklärt hat. Es wäre ihm damit möglich gewesen, bereits von vornherein die Prüfung durch eine andere Prüfstelle zu verlangen. Dass Zweifel an der Unabhängigkeit der Prüfstelle erst im vorliegenden Klageverfahren geltend gemacht wurden, erscheint daher prozesstaktisch motiviert und nicht auf konkrete Anhaltpunkte gestützt.
36
Das Ergebnis der Befundprüfung ist entgegen des klägerischen Vortrags auch nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil in dem Befundbericht keine Feststellungen dazu getroffen wurden, ob sich Fremdpartikel wie beispielsweise Rostpartikel im Gehäuse oder in Filtern befunden haben. So erschließt sich bereits nicht, weshalb eine derartige Feststellung im Bericht aufzuführen sein sollte. Entscheidend bei der Überprüfung eines geeichten Wasserzählers ist die Frage, ob der Zähler nach wie vor die für die Eichung erforderlichen Merkmale aufweist. Ergebnis der Prüfung kann daher nur ein „bestanden“ oder „nicht bestanden“ sein.
37
Der Einwand der Klägerin, bei der Überprüfung des Zählers sei dessen konkrete Einbausituation nicht berücksichtigt worden - was einen Verstoß gegen § 39 Abs. 2 MessEV bedeuten hätte können - wurde von der Beklagten durch Vorlage der bei der Prüfstelle archivierten Fotos des Zählers vor dessen Ausbau entkräftet. Auch insoweit lässt sich kein Verfahrensfehler im Rahmen der Überprüfung feststellen.
38
Da der ausgebaute Wasserzähler ausweislich des Prüfscheins zum Zeitpunkt der Prüfung noch geeicht war, besteht damit ein Anscheinsbeweis dafür, dass die angezeigte Wassermenge der tatsächlichen Durchflussmenge entspricht.
39
b) Diesen Anscheinsbeweis konnte die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht erschüttern. Konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen würden, dass der gemessene Verbrauch nicht dem tatsächlichen Verbrauch entspricht, konnte die Klagepartei nicht nennen.
40
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Umstand, dass sich die Betroffenen den gemessenen erhöhten Verbrauch nicht erklären können, nicht zur Erschütterung des Anscheinsbeweises genügt. Auf die Kenntnis der Klägerin oder Dritter über die Ursache für den gemessenen erhöhten Verbrauch kommt es nicht an (BayVGH, B.v. 2.4.2008 - 20 CS 08.607 - juris Rn. 26; B.v. 4.10.2011 - 20 ZB 11.1968 - juris Rn. 5; VG Würzburg, U.v. 15.10.2013 - W 2 K 13.268 - juris Rn. 23; VG Augsburg, U.v. 31.5.2005 - Au 1 K 05.34 - juris Rn. 19). Aus diesem Grund war auch der in der mündlichen Verhandlung bedingt beantragten Beweiserhebung durch Einvernahme von Frau … … nicht nachzugehen. Die Kenntnis von Frau … über Leitungsschäden und sonstige Undichtigkeiten sowie darüber, dass kein über dem normalen Verbrauch liegender Verbrauch stattgefunden habe, ist vorliegend unbehelflich. Auf ihre Kenntnis über Gründe für den gemessenen erhöhten Verbrauch kommt es nach der genannten Rechtsprechung nicht an.
41
Dass der Wasserzähler vor seinem Ausbau unstreitig stillgestanden hat und ein unbemerkter Wasserrohrbruch damit nach Vortrag der Klägerin ausgeschlossen sei, führt nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit der Messung. Ein Wasserrohrbruch wäre nur eine von mehreren möglichen Erklärungen für einen erhöhten Verbrauch.
42
Auch, dass ein Sanitärunternehmen die Dichtigkeit der Sanitärkomponenten am 30. Oktober 2017 festgestellt hat, führt nicht zu der Annahme, dass der in der ersten Jahreshälfte 2017 gemessene Verbrauch nicht dem tatsächlichen Verbrauch entspricht. So ist auch hier anzuführen, dass es sich bei einer Undichtigkeit nur um eine von mehreren möglichen Erklärungen für einen erhöhten Verbrauch handelt. Zudem ist sowohl unstreitig, dass nach Tausch des Wasserzählers am 14. Juni 2017 der übliche Verbrauch gemessen wurde, als auch, dass der Wasserzähler unmittelbar vor dem Tausch stillgestanden hat. Zu dem erhöhten Verbrauch können daher ohnehin nur Ereignisse und Gegebenheiten vor dem Zählertausch geführt haben, sodass es auf den Zustand des klägerischen Anwesens im Oktober 2017 nicht ankommt. Gleiches gilt für die Tatsache, dass bereits im Jahr 2016 eine Undichtigkeit beseitigt wurde.
43
Keine konkreten Anhaltspunkte bestehen zudem dafür, dass eine Fehlregulierung an der Wasserversorgungsanlage des Beklagten zu der vergleichsweise hohen Verbrauchsmessung geführt hätte. Ein Beweis für das Fehlen von Faktoren aus der Sphäre des Beklagten war von diesem entgegen des klägerischen Vortrags daher nicht zu verlangen.
44
Ebenfalls nicht durchdringen kann die Klägerin mit dem Argument, es bestehe die Möglichkeit von sogenannten Rollensprüngen, die bei der Befundprüfung nicht festgestellt worden wären. Die abstrakte Möglichkeit von Rollensprüngen stellt gerade keinen konkreten Anhaltspunkt dafür dar, dass der gemessene Verbrauch nicht dem tatsächlichen Verbrauch entspricht. Nach eigenen Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin ist ihm die Möglichkeit eines Rollensprungs erst im Rahmen der Terminsvorbereitung am Vortag der Sitzung bekannt geworden. Dass konkrete Anzeichen für das Vorliegen eines oder mehrerer Rollensprünge festgestellt worden wären, äußerte die Klägerin dagegen nicht. Stattdessen erscheint dieser Einwand aus der Luft gegriffen und findet keine Grundlage in den tatsächlichen Gegebenheiten.
45
Auch der in der mündlichen Verhandlung bedingt auf den Fall der Klageabweisung beantragten Beweiserhebung zur Feststellung von Rollensprüngen war daher nicht nachzugehen. Eine Beweiserhebung ist bei Behauptungen ins Blaue hinein, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht bzw. für willkürliche, aus der Luft gegriffene Behauptungen grundsätzlich nicht angezeigt (vgl. BayVGH, U.v. 16.5.2017 - 15 N 15.1485 - juris Rn. 25; bestätigt von: BVerwG, B.v. 24.8.2017 - 4 BN 35/17 - juris Rn. 13; Schenke in Kopp/ders., VwGO, 24. Aufl. 2018, § 86 Rn. 18a; vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v. 18.6.1993 - 2 BvR 231/93 - juris Rn. 21). Dies gilt auch für den bedingt gestellten Beweisantrag. Dass sich die Klagepartei den erhöhten Verbrauch nicht erklären kann und im Vorfeld der mündlichen Verhandlung von der Möglichkeit von Rollensprüngen erfahren hat, begründet vorliegend keine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich solche im Fall der Klägerin ereignet hätten.
46
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass es abgesehen von einem Messfehler keine andere logische Erklärung für den im Vergleich zum üblichen Verbrauch stark erhöhten Verbrauch geben könne. So lässt sich etwa nicht ausschließen, dass es im streitgegenständlichen Zeitraum zu mehreren, jeweils für sich gesehen zu einem erhöhten Verbrauch führenden, Ereignissen gekommen ist, die in ihrer Kombination zu dem gemessenen Verbrauch geführt haben. Zudem hat die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass im Zuge der Sanierung der Abwasserleitung im Frühjahr 2017 das ausführende Unternehmen Zugriff auf die Frischwasserleitung der Klägerin hatte um die Abwasserleitung mehrmals aufzufüllen. Dass es hierbei zu einem wesentlich höheren Verbrauch als von der Klagepartei angenommen gekommen ist, kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt konnte die Klagepartei den bestehenden Anscheinsbeweis nach Auffassung der Kammer damit nicht erschüttern.
47
2. Im Übrigen sind Einwände gegen den streitgegenständlichen Bescheid weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte hat die Verbrauchsgebühr zutreffend berechnet.
48
Die Klage war daher abzuweisen.
B.
49
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.