LG München I, Endurteil v. 07.10.2020 – 1 S 9173/17 WEG
Titel:

Betretungs- und Nutzungsverbot bezüglich Gemeinschaftseigentum durch Wohnungseigentümergemeinschaft - "Zerstörung" des Gebäudes

Normenketten:
WEG § 10 Abs. 4, Abs. 6 S. 3 Hs. 1, § 13 Abs. 1, § 16 Abs. 2, § 21 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2, § 22 Abs. 4
BGB § 903, § 1004
Leitsätze:
1. Die Bestimmung des § 22 Abs. 4 WEG erfasst Fälle der "Zerstörung" unabhängig von ihrer Ursache und damit auch infolge Überalterung oder unterlassener Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes. (Rn. 37 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Wohnungseigentümern ist es möglich, mit Stimmenmehrheit ein Betretungs- und Nutzungsverbot bezüglich des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile auszusprechen, wenn und soweit eine vom Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums ausgehende Gefährdung von Personen auf andere Weise nicht effektiv abgewendet werden kann. Dies gilt allerdings nur, soweit es das Betreten und Benutzen des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudes durch Dritte betrifft, nicht hingegen ein Betreten und Benutzen durch die Wohnungseigentümer selbst. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wohnungseigentümer sind im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in erster Linie dazu verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum in einen mangelfreien Zustand zu versetzen, so dass von diesem keine Gefahren für Personen oder Sachen ausgehen. Eine Nutzungsuntersagung kommt als ultima ratio nur in Betracht, wenn und solange der gefährdende Zustand nicht behoben werden, die Gefahr auch durch andere geeignete Maßnahmen nicht hinreichend sicher beseitigt werden kann und daher eine Nutzungsuntersagung im das Interesse einzelner Wohnungseigentümer an einem ungehinderten Gebrauch des Sondereigentums gem. § 13 Abs. 1 WEG und Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums überwiegenden Interesse an der Verhinderung von Schäden Dritter und einer sich daraus ergebenden Haftung der Eigentümer geboten ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Anfechtungsklage, Parkhaus, Brandschutz, Prüfsachverständiger, Verkehrssicherungspflicht, ordnungsgemäße Verwaltung, Nutzungsverbot, Hausrecht, Beschlusskompetenz
Vorinstanz:
AG Augsburg, Endurteil vom 24.05.2017 – 31 C 4282/16 WEG
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 15.10.2021 – V ZR 225/20
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
BeckRS 2020, 41675
ZWE 2021, 170
LSK 2020, 41675

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 24.05.2017, Az. 31 C 4282/16 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a. Der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu TOP 10 gefasste Beschluss wird in Ziffer IV, 1. Absatz sowie in Ziffer IV, 2. Absatz, Satz 2 insoweit für ungültig erklärt, als es dort heißt:
„und auch ein für die Standsicherheit hinzugezogener Sachverständiger für Statik (zugelassen in Bayern) bestätigt, dass weiterhin im Hinblick auf die Standsicherheit keine Bedenken gegen die Nutzung der Ebenen 1 und 2 des Parkhauses und die Durchfahrt über die Ebene 3 zur Nutzung dieser Ebenen bestehen.“ (Ziffer IV, 1. Absatz)
und
„sowie eines Prüfsachverständigen für Statik“ (Ziffer IV, 2. Absatz, Satz 2)
b. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
c. Von den Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagten 1/4.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagten 1/4.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Augsburg ist im Kostenpunkt, soweit es nicht abgeändert wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts Augsburg abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts Augsburg abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien sind die Mitglieder der WEG. Das gemeinschaftliche Grundstück ist mit einem Parkhaus bebaut, welches über 11 Ebenen verfügt, die in ihrer Höhenlage um ein halbes Geschoss gegeneinander versetzt sind. In den Ebenen 1 bis 9 befinden sich Pkw-Stellplätze. Die Klägerin, die Eigentümerin eines neben dem gemeinschaftlichen Grundstück gelegenen Hotels ist, ist Inhaberin des mit Teilungserklärung vom 20.12.2000 gebildeten Miteigentumsanteils von 61/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan der Stadt A. vom 21.11.2000 mit Abgeschlossenheitsbescheinigung mit Ziffer 1 (Ebene 1 bis 3 und die in diesen Ebenen gelegenen Nebenräume) bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage 2 vorgelegte Ablichtung der Teilungserklärung vom 20.12.2000 verwiesen. Die Teilungserklärung wurde durch mehrerer Nachträge abgeändert, mit denen das dort gebildete Teileigentum Nr. 2 (Ebene 4 bis 11 und die in diesen Ebenen liegenden Nebenräume), welches über einen Miteigentumsanteil von 939/1000 verfügte, in weitere Sondereigentumseinheiten unterteilt wurde. Die Beklagten zu 2) und 3) sind dabei Eigentümer von Einheiten, die zusammen über Miteigentumsanteile von rund 75% verfügen. Die Beklagten zu 2) und 3) gehören zur selben Unternehmensgruppe und haben dieselbe Komplementärin. Die Klägerin hat das Hotel sowie die in ihrem Sondereigentum stehenden Parkebenen des Parkhauses (im Folgenden auch bezeichnet als Hotelparkhaus) als einheitlichen Gewerbebetrieb vermietet. Aufgrund eines in der Eigentümerversammlung vom 15.10.2013 mehrheitlich gefassten Beschlusses, werden die Parkplätze in den Ebenen 4 bis 9 des Parkhauses seit Ende des Jahres 2013 nicht mehr genutzt.
2
Nachdem die Stadt A. durch den Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 1) und 2) mit einer E-Mail vom 03.10.2016 (vorgelegt als Anlage 11) auf mögliche Mängel beim Brandschutz des Parkhauses hingewiesen worden war, kam es am 12.10.2016 zu einer Ortsbegehung der Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses durch Mitarbeiter des Bauordnungsamtes sowie des Amts für Brand- und Katastrophenschutz der Stadt A. Mit einem Schreiben vom 19.10.2016 wandte sich das Bauordnungsamt im Anschluss an die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft. Hierin führte es abschließend aus:
„Aufgrund des baulichen Zustands und der Aussagen des o.g. Gutachtens, hier insbesondere zur Problematik der Betonüberdeckung von Bewehrungsstählen, die in Hinblick auf die Feuerwiderstandsdauer tragender Bauteile im Stahlbetonbau einen wesentlichen Faktor darstellen, ist ein Nachweis durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu erbringen, dass die brandschutztechnischen Mindestanforderungen an die Feuerwiderstandsdauer der jeweiligen tragenden Bauteile (Decken, Stützen, Wände) der genutzten Bereiche eingehalten sind und die Standsicherheit auch im Brandfall ausreichend lange gewährt ist.
Die Nachweise sind durch hierfür zugelassene Prüfsachverständige zu prüfen und zu bescheinigen. Die Bescheinigungen über die Vollständigkeit und Richtigkeit sind dem Bauordnungsamt bis spätestens 09.12.2015 vorzulegen, andernfalls werden wir ohne weitere Ankündigung einen kostenpflichtigen Bescheid erlassen.“
3
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die als Anlage 3 vorgelegte Ablichtung des Schreibens der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 verwiesen.
4
In der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 stimmten die Eigentümer unter TOP 10 mehrheitlich, nämlich mit den Stimmen der Beklagten zu 2) und 3) und gegen die Stimmen der übrigen in der Versammlung anwesenden Eigentümer, dem folgenden Beschlussantrag zu:
„I.
Die Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses dürfen, insbesondere aufgrund der im Schreiben der Stadt A. (Bauordnungsamt) vom 19.10.2016 dargestellten Bedenken im Hinblick auf den nicht eingehaltenen Brandschutz, aus Gründen der Verkehrssicherheit ab sofort nicht mehr genutzt werden.
II.
Die Hausverwaltung wird namens und im Auftrag der WEG als Verband beauftragt und bevollmächtigt, die unverzügliche Schließung der Ebenen 1 bis 3 zu erwirken. Diesbezüglich ist die Hausverwaltung berechtigt, die Eigentümer und Nutzer des Parkhauses zur unverzüglichen Beendigung der Nutzung und der weiteren Unterlassung der Nutzung aufzufordern und im Übrigen - soweit die Nutzung nicht freiwillig beendet wird oder nicht unterlassen wird - unter Hinzuziehung eines namens der WEG beauftragten Anwalts gerichtliche Schritte einzuleiten, um das unter Ziffer 1 dargestellte Nutzungsverbot durchzusetzen.
Diesbezüglich wird eine Sonderumlage in einer gesamten Höhe von 10.000,00 € beschlossen, welche nach Miteigentumsanteilen aufzubringen ist.
III.
Die Eigentümergemeinschaft hat einen bestandskräftigen Beschluss darüber gefasst, dass eine Sanierung des Parkhauses insgesamt nicht stattfindet. Vor diesem Hintergrund wird den Eigentümern der Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses gestattet, die im Bereich des Brandschutzes nachzurüstenden notwendige baulichen Maßnahmen auf eigene Kosten durch einen Fachkundigen prüfen zu lassen und die erforderliche Ertüchtigungsmaßnahmen auf eigene Kosten und im eigenen Namen zu beauftragen.
IV.
Die Hausverwaltung ist bevollmächtigt, den Eigentümern der in den Ebenen 1 bis 3 befindlichen Stellplatzeinheiten die Nutzung der Stellplätze auf den Ebenen 1 und 2 wieder zu gestatten, sobald ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Brandschutz sowie Prüfsachverständiger bzw. die Feuerwehr bestätigt, dass die sich für eine Nutzung der Ebenen ergebenden Erfordernisse des Brandschutzes vollständig erfüllt sind und gegen die Wiederaufnahme der Nutzung keine Bedenken bestehen und auch ein für die Standsicherheit hinzugezogener Sachverständiger für Statik (zugelassen in Bayern) bestätigt, dass weiterhin im Hinblick auf die Standsicherheit keine Bedenken gegen die Nutzung der Ebenen 1 und 2 des Parkhauses und die Durchfahrt über die Ebene 3 zur Nutzung dieser Ebenen bestehen.
Die Gutachter sollen auch Stellung hierzu nehmen, inwieweit Zwischenlösungen oder Notmaßnahmen durchgeführt werden können, so dass gegen die Nutzung keine Bedenken mehr bestehen und die Hausverwaltung den Eigentümern der in den Ebenen 1 bis 3 befindlichen Stellplatzeinheiten die Nutzung der Stellplätze auf den Ebenen 1 und 2 wieder gestatten kann - bis zum Abschluss der gesamten bzw. weitreichenderen Maßnahmen gemäß vorstehendem Absatz. Abweichend zu vorstehenden Absatz - d.h. schnelle Freigabe zur Nutzung - reicht ein Gutachten eines Sachverständigen für Brandschutz sowie eines Prüfsachverständigen für Statik aus.
Auch insoweit haben die Eigentümer der Ebenen 1 bis 3 die hierfür anfallenden Kosten der Sachverständigen zu tragen.“
5
Auf das in Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 30.10.2018 zur Akte gereichte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 wird ergänzend Bezug genommen.
6
Mit Beschluss des Landgerichts München I, Az: 36 T 18693/16 wurde der Klägerin aufgrund eines von ihr gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Setzung einer Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage, hilfsweise zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des in der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu TOP 10 gefassten Beschlusses, „nach Umsetzung der Ersatzmaßnahmen für die Notunterstützung … gemäß der … statischen Berechnung des Sachverständigen … vom November 2016 … zur Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 1 ermächtigt, solange und soweit keine öffentlichrechtliche Nutzungsuntersagung erfolgt“, wobei die Nutzungsermächtigung mit der Maßgabe erfolgte, dass sämtliche Nutzer darauf hinzuweisen sind, dass zwischen den Teileigentümern Streit besteht, ob die erforderlichen brandschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten sind und insoweit lediglich Notunterstützungsmaßnahmen erfolgt sind. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die als Anlage 6 zur Akte gereichte Abschrift des Beschlusses des Landgerichts München I vom 21.11.2016, Az: 36 T 18693716, verwiesen.
7
Die Klägerin hat den unter TOP 10 der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 gefassten Beschluss angefochten. Zur Begründung ihrer Klage hat sie vorgetragen, der Beschluss sei bereits mangels Beschlusskompetenz nichtig. Insbesondere liege keine Gebrauchsregelung für das Sonder- und Gemeinschaftseigentum i. S. des § 15 II WEG vor, vielmehr würde der Gebrauch durch den gefassten Beschluss vollständig entzogen. Auch betreffe der Beschluss die Nutzung des Sondereigentums der Klägerin. § 21 III, IV WEG würde jedoch nur eine Beschlusskompetenz hinsichtlich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, nicht auch des Sondereigentums begründen. Der Beschluss entspricht nach Ansicht der Klägerin darüber hinaus nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, weil bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen der Wohnungseigentümer nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, dass von den Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses keine Gefahr ausgehe und die Klägerin die Parkplätze in diesen Ebenen für ihren Hotelbetrieb benötige. So seien die Ebenen 1 bis 3 seit dem Jahr 2008 wiederholt von technischen Sachverständigen begutachtet worden, ohne dass diese eine Notwendigkeit der Schließung dieser Ebenen aus Sicherheitsgründen gesehen hätten. Ebenso wenig hätten die Fachleute der Bauordnungsbehörde und des Amtes für Brand- und Katastrophenschutz einen akuten Handlungsbedarf gesehen, daher keine Nutzungsuntersagung ausgesprochen, sondern nur eine Überprüfung des Brandschutzes und die Durchführung der ggf. zu dessen Herstellung erforderlichen Maßnahmen angeordnet. Tatsächlich sei auch die Wahrscheinlichkeit eines Unglücksfalles in Folge eines Brandes äußerst gering. Denn nachdem in den Ebenen 1 und 2, die als einzige in Benutzung seien, eine Brandmeldeanlage installiert und die nächste Feuerwehr nur 2,3 km entfernt sei, sei es unwahrscheinlich, dass ein Brand, wenn es überhaupt zu einem solchen kommen sollte, so lange unentdeckt bleibe, dass er ausreichend Zeit habe, die Substanz des Gebäudes anzugreifen. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Parkhaus nicht für einen längerfristigen Aufenthalt von Menschen vorgesehen und ein solcher auch nicht zu erwarten sei. Der Beschluss sei schließlich auch nicht aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums gerechtfertigt. Denn sofern die Beklagten eine Haftung aus Gründen unzureichender Verkehrssicherheit fürchten sollten, hätte ihnen die Durchführung entsprechender Maßnahmen zur Wiederherstellung einer verkehrssicheren Situation oblegen. Die Klägerin ist weiter der Meinung, die Beklagten, insbesondere die Beklagten zu 2) und 3), hätten aufgrund der in der Teilungserklärung vom 20.12.2000 unter Ziffer IV im 7. Absatz getroffenen Regelung, wonach den jeweiligen Eigentümern der Teileigentumsreche 1 bzw. 2 gegenseitig kein Stimmrecht zusteht, soweit es Dinge betrifft, die die ausschließliche Angelegenheit der jeweiligen einzelnen Teileigentumsrechte sind, bei der streitgegenständlichen Beschlussfassung nicht mit abstimmen dürfen. Denn der Beschluss betreffe nur die Ebenen 1 bis 3 und damit das Teileigentum der Klägerin. Nach Auffassung der Klägerin verstößt der Beschluss gegen das Schikaneverbot, weil es den Beklagten zu 2) und 3) als Mehrheitseigentümern stets nur darum gegangen sei, um jeden Preis die Stilllegung der Ebenen 1 bis 3 zu erreichen. Hintergrund sei, dass den Beklagten zu 2) und 3) das Recht zustehe, auf dem Parkhaus Wohnungen zu errichten, was aus statischer und wirtschaftlicher Sicht jedoch nicht sinnvoll sei. Daher wollten die Beklagten zu 2) und 3) das gesamte Parkhaus in einen Zustand der Nutzlosigkeit versetzen, um auf diese Weise einen vollständigen Abriss des Parkhauses zu erwirken. Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass sie zwischenzeitlich sämtliche Vorgaben des Bauordnungsamtes betreffend den Brandschutz erfüllt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 21.12.2016 Bezug genommen.
8
Die Klägerin hat in 1. Instanz beantragt,
1.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu Tagesordnungspunkt 10 nichtig ist.
2.
Hilfsweise: Der unter Klageantrag zu 1) bezeichnete Beschluss wird für ungültig erklärt.
9
Die Beklagten haben beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
10
Sie sind der Meinung, es fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, da die Klägerin nach eigenem Vortrag den im Beschluss geforderten Nachweis für die Ertüchtigungsmaßnahmen erbracht habe, so dass nach dem Vortrag der Klägerin die Beschlussanfechtung für sie keinen Nutzen erbringen könne. Die Beklagten sind weiter der Ansicht, dass sich die Beschlusskompetenz aus der Verkehrssicherungspflicht der Wohnungseigentümer ergebe, für die eine geborene Wahrnehmungsberechtigung des Verbandes bestehe. Da das Parkhaus zu mehr als der Hälfte des Wertes zerstört sei, könne eine Sanierung gem. § 22 IV WEG nicht stattfinden und könne die Gemeinschaft nur durch eine sofortige Nutzungsuntersagung ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommen. Der Beschluss beinhalte auch nicht eine Regelung über die Nutzung des Sondereigentums, da die betroffenen Wände, Decken und Stützen, deren Brandschutz seitens des Bauordnungsamtes in Frage gestellt wurde, zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören würden. Es gehe bei dem Beschluss nicht um eine ausschließliche Angelegenheit der Teileigentumseinheit 1, sondern um das gesamte Gebäude. Die Beklagten bestreiten, dass ein Verstoß gegen das Schikaneverbot vorliege. Vielmehr habe das von der Klägerin aufgrund des Schreibens der Stadt A., Bauordnungsamt, vom 19.10.2016 in Auftrag gegebene und als Anlage 8 zur Akte gereichte Gutachten der …, welches das Vorhandensein von Brandschutzmängeln bestätigt habe, den Eigentümern bei Beschlussfassung vorgelegen, so dass bei Beschlussfassung das Bestehen von Mängeln beim Brandschutz festgestanden habe.
11
Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.05.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Beschlusskompetenz aus §§ 10 VI Satz 3, 1. Halbsatz, 21 III WEG ergebe. Der Beschluss diene der Erfüllung der den Wohnungseigentümern obliegenden Verkehrssicherungspflicht, wobei für die mit der Erfüllung dieser Pflicht zusammenhängenden Maßnahmen eine geborene Wahrnehmungskompetenz des Verbandes bestehe. Die beschlossene befristete Nutzungsuntersagung bis zum Nachweis der Brandschutzertüchtigung stelle eine geeignete Sicherungsmaßnahme dar. Die Klägerin werde durch den Beschluss auch nicht deshalb unangemessen benachteiligt, weil ihr die Durchführung und die Kostentragung der zur Wiedereröffnung notwendigen Maßnahmen auferlegt wurden. Denn nachdem das Parkhaus zu mehr als der Hälfte zerstört sei, könne eine Wiederrichtung von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht gemäß § 22 IV, 21 IV WEG verlangt werden. Die Mehrheitseigentümer seien auch nicht gem. Ziffer IV Absatz 7 von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen, weil der Beschluss auf einer von dem Gemeinschaftseigentum ausgehenden Gefährdungslage und einer damit zusammenhängenden Verkehrssicherungspflicht aller Wohnungseigentümer beruhe, so dass von einer ausschließlichen Angelegenheit der Teileigentumseinheit 1 keine Rede sein könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
12
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie sind der Ansicht, dass sich eine Beschlusskompetenz nicht aus § 10 VI S. 3, 1. Halbsatz, § 21 III WEG ergebe, da es den Wohnungseigentümern nicht gestattet sei, Beschlüsse zu fassen, die die vollständige Entziehung der Nutzung einer einzelnen Sondereigentumseinheit ermöglichten. Jedenfalls entspreche der vollständige Entzug der Nutzung des Sondereigentums nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Entgegen den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, sei der Wegfall der Nutzungsmöglichkeit des Sondereigentums auch nicht lediglich ein Reflex des Beschlusses, sondern der eigentliche Zweck. Denn den Mehrheitseigentümern sei es nicht um die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht gegangen, sondern darum, aus schikanösen, sachfremden Erwägungen gezielt der Klägerin die Nutzungsmöglichkeit zu entziehen. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wohnungseigentümer hätten die Gefahrenlage und dabei auch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nach objektiven Maßstäben festgestellt werden müssen. Ebenso hätten die durch die Schließung des Hotelparkhauses (der Ebenen 1 bis 3) bedrohten Interessen der Klägerin berücksichtigt werden müssen. Die Klägerin bestreitet zudem, dass das Parkhaus zu mehr als der Hälfte zerstört ist. Sie ist der Ansicht, dass die Wohnungseigentümer, wenn sie eine Haftung aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht vermeiden möchten, das Parkhaus sanieren müssen und nicht einfach schließen können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 01.03.2018 und die weiteren von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
13
Die Klägerin beantragt,
1.
Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 12. April 2017, Az: 31 C 4282/16 WEG, wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu Tagesordnungspunkt 10 nichtig ist.
2.
Hilfsweise: Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 12. April 2017, Az: 31 C 4282/16 WEG, wird der unter vorstehendem Klageantrag zu 1) bezeichnete Beschluss für ungültig erklärt.
14
Die Beklagten beantragen,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
15
Sie sind weiterhin der Ansicht, dass sich die Beschlusskompetenz aus der den Wohnungseigentümern obliegenden Verkehrssicherungspflicht ergebe. Das Handeln der Eigentümer sei allein aufgrund des Schreibens des Bauordnungsamtes, welches dieses aufgrund eigener Feststellungen und unabhängig vom Agieren einzelner Wohnungseigentümer verfasst habe, notwendig geworden. Anders als dies die von der Klägerin beauftragten ... in ihrer gutachterlichen Stellungnahme (Anlage 8) zugrunde legen würden, bestehe bezüglich des Brandschutzes bei dem streitgegenständlichen Parkhaus auch kein Bestandsschutz. Dass die Wohnungseigentümer nicht ihrerseits die Instandsetzung des Parkhauses beschlossen, sondern lediglich der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt hätten, die erforderlichen Arbeiten zur Herstellung der Anforderungen an den Brandschutz durchzuführen und den Nachweis der Einhaltung der Brandschutzanforderungen zu erbringen, habe die Klägerin nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des § 46 I Satz 2 WEG zur Begründung der Anfechtungsklage gerügt. Vielmehr habe die Klägerin ausdrücklich keine Instandsetzungsmaßnahmen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt. Dass der Klägerin im Beschluss die Möglichkeit eingeräumt worden sei, die Mängel selbst zu beseitigen, sei letztlich die Konsequenz daraus, dass das Parkhaus zu mehr als der Hälfte zerstört sei. Wenn die Miteigentümer nämlich nicht verpflichtet werden könnten, entsprechende Sanierungsmaßnahmen zu beschließen, sei es Sache des nutzungswilligen Sondereigentümers, die Sanierung auf eigene Rechnung durchzuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird auf die Berufungsbegründungen vom 20.09.2018 und vom 21.09.2018 sowie die weiteren von Beklagtenseite im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze verwiesen.
16
Die Kammer hat am 12.12.2018 einen Beschluss gefasst, wonach das im Zwangsversteigerungsverfahren des Amtsgerichts Augsburg, Az: K 225/13 gerichtlich erholte Verkehrswertgutachten des Sachverständigen ... vom 15.05.2014 im hiesigen Verfahren gem. § 411a ZPO verwertet wird. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 12.12.2018 sowie das als Anlage B 5 bzw. B 2-5 zur Akte gereichte Gutachten des Sachverständigen ... vom 15.05.2014 Bezug genommen. Aufgrund Beschlusses der Kammer vom 08.05.2019 hat der Sachverständige ... am 16.10.2019 eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 08.05.2019 und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 16.10.2019 Bezug genommen.
17
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und alle sonstigen Aktenbestandteile verwiesen.
II.
18
Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet.
19
1. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist allerdings das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegeben, die Klage daher zulässig. Soweit die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit des in der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu TOP 10 gefassten Beschlusses und hilfsweise dessen Ungültigerklärung beantragt hat, handelt es sich tatsächlich um einen einheitlichen Klageantrag. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage betreffen denselben Streitgegenstand, weil mit beiden Klagearten dasselbe Ziel, nämlich die verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten Wohnungseigentümerbeschlusses verfolgt wird (vgl. Roth in Bärmann, 14. Aufl., Rn 6 - 8 zu § 46 WEG; Elzer in BeckOK zum WEG, 42. Edition, Stand 01.08.2020, Rn 14, 15 zu § 46 WEG). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Beschlussmängelklage ergibt sich grundsätzlich aus dem Interesse sämtlicher Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2011, Az: V ZR 202/10, juris Rn 16; Roth in Bärmann, 14. Aufl., Rn 112 zu § 46 WEG; Elzer in BeckOK zum WEG, 42. Edition, Stand 01.08.2020, Rn 43 zu § 46 WEG). Nicht erforderlich ist insbesondere, dass der klagende Wohnungseigentümer durch den Beschluss nachteilig betroffen ist (vgl. Roth in Bärmann, 14. Aufl., Rn 32 zu § 46 WEG). Vielmehr entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nur ausnahmsweise, wenn der Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft keinen Nutzen mehr bringen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2011, Az: V ZR 202/10, juris Rn 16). Davon kann vorliegend jedoch schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil zwischen den Parteien streitig ist, ob die nach dem Beschluss verlangten Nachweise für die Einhaltung des Brandschutzes durch die Klägerin erbracht wurden.
20
2. In der Sache hat die Klage nur zu einem geringen Teil Erfolg. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Beschluss nicht nichtig und rechtfertigen die von der Klägerin innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 46 I Satz 2 WEG von zwei Monaten zur Begründung der Klage vorgetragenen Tatsachen und erhobenen Einwände gegen den in der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu TOP 10 gefassten Beschluss dessen Ungültigerklärung nur zum Teil.
21
2.1. Auch wenn der Beschluss hinsichtlich der darin im Einzelnen getroffenen Regelungen verschiedene Unklarheiten aufweist, lässt sich sein Inhalt im Wege der Auslegung anhand des Beschlusstextes und der sonstigen Ausführungen im Versammlungsprotokoll vom 25.10.2016 zu TOP 10 noch hinreichend bestimmen, so dass der Beschluss nicht mangels eines erkennbaren oder durchführbaren Regelungsinhaltes nichtig ist (vgl. Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand 28.02.2020, Rn 85 zu § 23 WEG; Bartholome in BeckOK zum WEG, 42. Edition, Stand 01.08.2020, Rn 124 zu § 23 WEG; Schutzky in Jennißen, 6. Aufl., Rn 168 zu § 23 WEG; Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 163 zu § 23 WEG). Ob der gefasste Beschluss wegen der teilweise unklaren und mehrdeutigen Formulierung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann dagegen dahingestellt bleiben. Denn dies wurde von Klägerseite innerhalb der zweimonatigen Frist des § 46 I WEG nicht gerügt.
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Die Auslegung des Beschlusses hat dabei, weil Beschlüsse gem. § 10 IV WEG ohne Eintragung im Grundbuch für und gegen Sondernachfolger wirken, die die subjektiven Vorstellungen der Abstimmenden nicht kennen und auf das objektiv Erklärte vertrauen müssen, „aus sich heraus“ - objektiv und normativ - zu erfolgen. Auszugehen ist daher von dem protokollierten Wortlaut des Beschlusses. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen dagegen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem - übrigen - Versammlungsprotokoll ergeben (BGH, Urteil vom 18.03.2016, Az: V ZR 75/15, juris Rn 20; Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 62 zu § 23 WEG).
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Nach dem für die Auslegung des Beschlusses maßgeblichen Beschlusstext und dem sonstigen Inhalt des Versammlungsprotokolls vom 25.10.2016 sollte durch die getroffenen Regelungen einer möglichen Gefährdung von Nutzern des Parkhauses durch Nichteinhaltung der Anforderungen an den Brandschutz begegnet und eine Schädigung der Nutzer verhindert werden. Damit sollte der Beschluss der Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten dienen. Dazu sollte nach der in Ziffer I. des Beschlusses getroffenen Regelung die Nutzung, also das Betreten und Befahren der Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses bis auf Weiteres untersagt werden.
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Mit den in Ziffer II. des Beschlusses enthaltenen Bestimmungen sollte bei nächstliegendem Verständnis die unter Ziffer I. beschlossene Nutzungsuntersagung durchgesetzt werden. Soweit gemäß Satz 1 die Hausverwaltung beauftragt und bevollmächtigt wird, die unverzügliche Schließung der Ebenen 1 bis 3 zu erwirken, ergibt sich daraus zwar nicht, was genau die Hausverwaltung hierzu veranlassen soll. Satz 2 der in Ziffer II. des Beschlusses enthaltenen Bestimmung, wonach die Hausverwaltung diesbezüglich berechtigt ist, die Eigentümer und Nutzer des Parkhauses zur unverzüglichen Beendigung der Nutzung und der weiteren Unterlassung der Nutzung aufzufordern und ggf. gerichtliche Schritte einzuleiten, lässt jedoch darauf schließen, dass die Hausverwaltung hier lediglich mit der Aussprache und Bekanntgabe des in Ziffer I. beschlossenen Nutzungsverbotes im Namen der Gemeinschaft gegenüber den Nutzern beispielsweise durch Anbringung eines geeigneten Aushangs am Eingang des Parkhauses, beauftragt und bevollmächtigt werden sollte und bei bekannt werdenden Verstößen hiergegen mit der Einleitung gerichtlicher Schritte zu dessen Durchsetzung.
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Mit den in Ziffer III. und IV. des Beschlusses getroffenen Regelungen wollten die Wohnungseigentümer der Klägerin als Sondereigentümerin der in den Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses befindlichen Räume bei nächstliegendem Verständnis des Beschlusswortlautes und der sonstigen Ausführungen unter TOP 10 im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 gestatten, auf eigene Kosten den im Schreiben der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 geforderten Nachweis durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, dass die brandschutztechnischen Mindestanforderungen an die Feuerwiderstandsdauer der jeweiligen tragenden Bauteile (Decken, Stützen, Wände) der genutzten Bereiche eingehalten sind und die Standsicherheit auch im Brandfall ausreichend lang gewährt ist, nebst der Prüfung und Bescheinigung dieser Nachweise durch einen hierfür zugelassenen Prüfsachverständigen, wie dies ebenfalls im Schreiben der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 gefordert wurde, zu erbringen. Darüber hinaus sollte der Klägerin auch gestattet werden, eventuell erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zum Erhalt der vorgenannten Nachweise und Bescheinigungen auf eigene Kosten durchzuführen. Bei Vorlage des von der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 geforderten Nachweises nebst Bescheinigung des Prüfsachverständigen bzw. einer entsprechenden Bestätigung durch die Feuerwehr sowie einer zusätzlichen Bestätigung eines Sachverständigen für Statik, dass weiterhin im Hinblick auf die Standsicherheit keine Bedenken gegen die Nutzung der Ebenen 1 und 2 des Parkhauses und die Durchfahrt über die Ebene 3 bestehen, sollte das in Ziffer I. ausgesprochene Nutzungsverbot wieder aufgehoben werden, wobei die Hausverwaltung damit beauftragt und bevollmächtigt wurde, die Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit der geforderten Nachweise zu überprüfen und bei deren Bejahung das in Ziffer I. beschlossene Betretungs- und Nutzungsverbot wieder aufzuheben.
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Die Regelung im zweiten und dritten Absatz von Ziffer IV. des gefassten Beschlusses sind schließlich nach dem Sinn, wie er sich als nächstliegende Bedeutung des Wortlautes des Beschlusses unter Berücksichtigungen der sonstigen Ausführungen im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu TOP 10 ergibt, dahingehend auszulegen, dass die Hausverwaltung auch dann mit der Aufhebung des in Ziffer I. beschlossenen Betretungs- und Nutzungsverbotes beauftragt und bevollmächtigt wird, wenn ein von Klägerseite beauftragter Sachverständiger für Brandschutz sowie ein Prüfsachverständiger für Statik bestätigen, dass aufgrund seitens der Klägerin ergriffener vorläufiger Maßnahmen und Notmaßnahmen eine Gefährdung der Nutzer des Parkhauses im Brandfall weitgehend ausgeschlossen werden kann und daher gegen eine Nutzung der Ebenen 1 bis 3 auch bis zu einer Herstellung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen an die Feuerwiderstandsdauer der jeweiligen tragenden Bauteile (Decken, Stützen, Wände) keine Bedenken bestehen.
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2.2. Die Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten gehört zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung i. S. der §§ 20 I, 21 I, III WEG, über die die Wohnungseigentümer nach diesen Vorschriften grundsätzlich durch Stimmenmehrheit beschließen können (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2019, Az: V ZR 43/19, juris Rn 14; Engelhardt in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Rn 67 zu § 21 WEG).
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In diesem Zusammenhang muss es den Wohnungseigentümern auch möglich sein, ein Betretungs- und Nutzungsverbot bezüglich des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile auszusprechen, wenn und soweit eine vom Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums ausgehende Gefährdung von Personen auf andere Weise nicht effektiv abgewendet werden kann. Das kann allerdings nur gelten, soweit es das Betreten und Benutzen des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudes durch Dritte betrifft, nicht hingegen ein Betreten und Benutzen durch die Wohnungseigentümer selbst. Denn das Hausrecht, welches letztlich die Grundlage eines solchen Betretungs- und Benutzungsverbot ist, beruht auf dem Grundstückseigentum (§§ 903, 1004 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2012, Az: V ZR 115/11) und besteht daher nur gegenüber Dritten und nicht auch gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern, die als Miteigentümer bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums selbst Inhaber des Hausrechtes sind. Die Wohnungseigentümer können vielmehr, wenn vom Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums eine Gefahr für Personen und Sachen ausgeht, die sich nicht anderweitig durch geeignete Maßnahmen abstellen lässt, hierauf nur deutlich im Wege einer mehrheitlichen Beschlussfassung und durch Anbringung geeigneter Aushänge sowie entsprechender Informationsschreiben seitens der Verwaltung hingewiesen werden. Eine darüber hinaus gehende Berechtigung und Verpflichtung der Wohnungseigentümer, einzelne Wohnungseigentümer durch eine Untersagung der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums vor einer bewussten Selbstgefährdung zu schützen, besteht dagegen nicht.
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Bei nächstliegendem Verständnis beinhaltet der streitgegenständliche Beschluss nach seinem erkennbaren Sinn und Zweck und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die Wohnungseigentümer im Zweifel keinen Beschluss fassen wollen, der außerhalb ihrer Regelungskompetenz liegt, aber keine verbindliche Untersagung der Nutzung und des Betretens bzw. Befahrens des Parkhauses auch durch die Eigentümer selbst. Anderes ergibt sich insbesondere auch nicht daraus, dass nach der Bestimmung in Ziffer II. des Beschlusses die Hausverwaltung berechtigt ist, nicht nur die Nutzer des Parkhauses, sondern auch die Eigentümer zur unverzüglichen Beendigung der Nutzung und der weiteren Unterlassung der Nutzung aufzufordern. Dies ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass es den Eigentümern untersagt werden sollte, Dritten den Zugang zum Parkhaus zu gewähren. Dafür spricht auch, dass die Klägerin, der das Sondereigentum innerhalb der von dem Beschluss betroffenen Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses gehört, das Sondereigentum nebst dem auf dem Nachbargrundstück befindlichen Hotel als einheitlichen Gewerbebetrieb vermietet hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Klägerin bzw. ihr Geschäftsführer ein Interesse daran hätten, das Parkhaus in eigener Person zu betreten und zu nutzen.
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Auch wenn die Untersagung des Betretens und Benutzens des gemeinschaftlichen Eigentums im Bereich der Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses durch Dritte zwangsläufig dazu führt, dass diese auch das Sondereigentum der Klägerin innerhalb dieser Ebenen nicht mehr betreten und benutzen können, weil sie dorthin nur über das gemeinschaftliche Eigentum, nämlich die im Gemeinschaftseigentum stehende Einfahrt und die im Gemeinschaftseigentum stehenden Eingänge, gelangen können, beinhaltet der Beschluss keine Nutzungsuntersagung in Bezug auf das Sondereigentum der Klägerin, für die die Wohnungseigentümer mangels eines Hausrechtes hieran keine Beschlusskompetenz hätten.
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2.3. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren die Beklagten zu 2) und 3) nicht aufgrund der Regelung in Ziffer IV der Teilungserklärung, wonach den jeweiligen Eigentümern der Teileigentumsrechte 1 bzw. 2 gegenseitig kein Stimmrecht zusteht, soweit es Dinge betrifft, die ausschließlich Angelegenheiten der jeweiligen einzelnen Teileigentumsrechte sind, von der Abstimmung ausgeschlossen. Wie dargelegt, gehört die Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung i. S. der §§ 20 I, 21 I und III WEG über die nach den genannten Vorschriften grundsätzlich sämtliche Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit beschließen. Ob aufgrund der vorgenannten Regelung der Teilungserklärung etwas anderes gelten würde, wenn nach der Teilungserklärung allein die Klägerin als Eigentümerin des in den Ebenen 1 bis 3 belegenen Teileigentums für die Instandhaltung und Instandsetzung der im Bereich dieser Ebenen befindlichen Bestandteile des Gemeinschaftseigentums zuständig wäre oder ob aufgrund der wegen einer Verletzung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten bestehenden Haftung des Verbandes im Verhältnis zu außenstehenden Dritten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.12.2019, Az: V ZR 43/19, juris Rn 7) es sich bei der Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten weiterhin um eine Angelegenheit sämtlicher Wohnungseigentümer handeln würde, über die auch sämtliche Wohnungseigentümer gem. §§ 20 I, 21 I und III WEG zu beschließen haben, muss nicht entschieden werden. Denn in der Teilungserklärung findet sich keine klare und eindeutige Regelung, wonach für die Instandhaltung und Instandsetzung des im Bereich der Ebenen 1-3 befindlichen Gemeinschaftseigentums, insbesondere der tragenden Bauteile (Decken, Stützen, Wände), hinsichtlich derer der Nachweis der brandschutztechnischen Mindestanforderungen an die Feuerwiderstandsdauer nach dem Schreiben der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2018 zu erbringen ist, ausschließlich der Eigentümer der Einheit Nr. 1, also die Klägerin, zuständig wäre. Vielmehr ist vereinbart, dass die Kosten für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums für die gesamte bestehende Anlage von den Eigentümern im Verhältnis der Miteigentumsanteile getragen werden.
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2.4. Das im Beschluss ausgesprochene Nutzungsverbot war im konkreten Fall, soweit dessen Aufhebung nicht zusätzlich von der Bestätigung eines hinzugezogenen Prüfsachverständigen für Statik abhängig gemacht wurde, dass weiterhin im Hinblick auf die Standsicherheit keine Bedenken gegen die Nutzung der Ebenen 1 und 2 des Parkhauses und die Durchfahrt über die Ebene 3 zur Nutzung dieser Ebenen bestehen, rechtmäßig.
33
2.4.1. Nachdem seitens der Stadt A., Bauordnungsamt im Schreiben vom 19.10.2016 aufgrund der bei der Ortsbegehung gewonnenen Erkenntnisse Bedenken bezüglich der Einhaltung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen an die Feuerwiderstandsdauer der jeweiligen tragenden Bauteile (Decken, Stützen, Wände) der genutzten Bereiche des Parkhauses geäußert wurden und auch aus der von der Klägerin erholten gutachterlichen Stellungnahme der ... vom 24.10.2016, welche nach den Angaben der Beklagten und den Ausführungen im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 den Eigentümern bei Beschlussfassung vorlag, hervorging, dass zur Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz zunächst weitere Betonsanierungsarbeiten durchgeführt werden mussten, konnten die Eigentümer nicht einfach untätig bleiben. Dabei ist es unerheblich, auf wessen Veranlassung das Bauordnungsamt der Stadt A. die Ortsbegehung am 12.10.2016 durchgeführt hatte. Denn öffentlichrechtlich statuierte Pflichten legen in der Regel einen auf jeden Fall einzuhaltenden Mindestumfang an Verkehrssicherungspflichten fest, der nicht unterschritten werden darf (vgl. Spindler in BeckOGK zum BGB, Stand 01.08.2020, Rn 417 zu § 823 BGB). Gleiches gilt für technische Normen (vgl. Spindler in BeckOGK zum BGB, Stand 01.08.2020, Rn 422 zu § 823 BGB; Sprau in Palandt, 79. Aufl., Rn 51 zu § 823 BGB). Da die Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten aber, wie dargelegt, zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung i. S. des §§ 20 I, 21 I und III WEG gehört, mussten die Wohnungseigentümer Maßnahmen beschließen, die sicherstellen, dass es aufgrund mangelhaften Brandschutzes zu keiner Schädigung Dritter kommt.
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2.4.2. Dabei sind auch nach Auffassung der Kammer die Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, zu der gem. § 21 V Nr. 2 WEG die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehört, in erster Linie dazu verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum in einen mangelfreien Zustand zu versetzen, so dass von diesem keine Gefahren für Personen oder Sachen ausgehen. Eine Nutzungsuntersagung kommt vor diesem Hintergrund als ultima ratio nur in Betracht, wenn und solange der gefährdende Zustand nicht behoben werden, die Gefahr auch durch andere geeignete Maßnahmen nicht hinreichend sicher beseitigt werden kann und daher eine Nutzungsuntersagung im das Interesse einzelner Wohnungseigentümer an einem ungehinderten Gebrauch des Sondereigentums gem. § 13 I WEG und Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums überwiegenden Interesse an der Verhinderung von Schäden Dritter und einer sich daraus ergebenden Haftung der Eigentümer geboten ist. Letzteres ist vorliegend aber der Fall, weil die Wohnungseigentümer gem. § 22 IV WEG, wonach der Wiederaufbau nicht gemäß § 21 III WEG beschlossen oder gemäß § 21 IV WEG verlangt werden kann, wenn das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört ist und der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt werden kann, dran gehindert, zumindest aber nicht dazu verpflichtet sind, die Durchführung von Maßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung und gegebenenfalls Herstellung der technischen Mindestanforderung an den Brandschutz hinsichtlich der Feuerwiderstandsdauer der tragenden Bauteile zu beschließen.
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2.4.2.1. Umstritten ist allerdings, ob die Vorschrift des § 22 IV WEG auch Fälle der Überalterung und/oder unterlassener Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes, wie den vorliegenden, erfasst.
36
Eine Ansicht schließt aus der Verwendung des Begriffs „Zerstörung“, dass hierunter nur plötzlich eintretende unvorhersehbare (Teil-) Beschädigungen des Gebäudes, wie Beschädigungen durch einen Brand, ein Erdbeben oder eine Überflutung fallen, nicht hingegen eine Verschlechterung des Gebäudezustandes infolge mangelnder Instandsetzung und Überalterung (vgl. T. Spielbauer in Spielbauer/Then, 3. Aufl., Rn 27 zu § 22 WEG; Hogenschurz in Jennißen, 6. Aufl., Rn 77 zu § 22 WEG; Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand 16.09.2020, Rn 142 zu § 22 WEG; Karkmann in BeckOGK, Stand 01.03.2020, Rn 203 zu § 22 WEG). Die Auffassung wird auch damit begründet, dass bei einer laufenden Abnutzung des Gebäudes grundsätzlich keine finanzielle Überforderung, vor der § 22 IV WEG schützen solle, drohe, weil jeder Wohnungseigentümer über § 21 IV WEG eine ständige Erhaltung verlangen könne, die es verhindere, dass mit einem Schlag eine große Sanierung anstehe und § 22 IV WEG nicht dazu dienen solle, vorangegangene Pflichtverletzungen zu privilegieren (Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand 16.09.2020, Rn 142 zu § 22 WEG; Karkmann in BeckOGK, Stand 01.03.2020, Rn 203 zu § 22 WEG).
37
Nach anderer Ansicht kommt es nicht auf die Ursache, sondern auf die Wirkung der Zerstörung an, weil insoweit kein substantieller Unterschied bestehe, so dass § 22 IV WEG auch Fälle der Überalterung oder unterlassener Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes (Baufälligkeit) erfasse (vgl. Elzer in BeckOK zum WEG, 42. Edition, Stand: 01.08.2020, Rn 329 und 330 zu § 22 WEG; Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 371 zu § 22 WEG; Vandenhouten in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., Rn 216 zu § 22 WEG; Engelhardt in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Rn 89 zu § 22 WEG).
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Die Kammer hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend. Zwar könnte der Begriff „zerstört“ in der Tat eher dafür sprechen, dass Ursache ein von außen auf das Gebäude einwirkendes Ereignis sein muss. Wenn die Vorschrift des § 22 IV WEG aber dem Schutz der Wohnungseigentümer dienen soll, kann es letztlich nicht auf den Grund der Zerstörung, sondern nur auf dessen Wirkung für die Eigentümer ankommen. Insoweit überzeugt es auch nicht, wenn die Vertreter der zuerst genannten Auffassung damit argumentieren, dass bei einer laufenden Abnutzung des Gebäudes keine finanzielle Überforderung drohe. Wenn nämlich der Schaden einmal eingetreten ist, nützt es den Eigentümern nichts, dass dieser durch Maßnahmen in der Vergangenheit möglicherweise hätte verhindert werden können. Es trifft auch nicht zu, dass bei Anwendung des § 22 IV WEG auf Fälle unterlassener Instandsetzung vorangegangene Pflichtverletzungen privilegiert würden. Denn für die Instandsetzung des Gebäudes bzw. den Wiederaufbau müssen grundsätzlich gem. § 16 II WEG oder dem hierfür vereinbarten Verteilungsschlüssel sämtliche Wohnungseigentümer aufkommen und nicht nur diejenigen, die für die Unterlassung erforderlicher Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in der Vergangenheit verantwortlich sind. Schadensersatzansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer wegen Verletzung der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestehenden gegenseitigen Rücksichtnahme- und Treuepflichten sowie der Mitwirkungspflichten gem. § 21 IV WEG bleiben durch die Vorschrift des § 22 IV WEG ohnehin unberührt, wobei es im Einzelfall äußerst schwierig sein kann, im Nachhinein festzustellen, wer letztlich für die Unterlassung erforderlicher Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen die Verantwortung trägt. Die einzelnen Wohnungseigentümer werden bei Anwendung der Vorschrift des § 22 IV WEG auf Fälle der Überalterung des Gebäudes und/oder unterlassener Instandsetzung auch deshalb nicht schutzlos gestellt, weil sie es selbst in der Hand haben, durch Geltendmachung ihres Anspruchs auf ordnungsmäßige Verwaltung nach § 21 IV, V Nr. 2 WEG für eine rechtzeitige Instandsetzung und Instandhaltung des Gebäudes zu sorgen und dadurch den Eintritt einer Zerstörung des Gebäudes um mehr als der Hälfte seines Wertes zu verhindern.
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Schließlich erscheint es fraglich, ob § 22 IV WEG tatsächlich das Ziel verfolgt, die Eigentümer vor einer finanziellen Überforderung zu schützen. Denn ob ein Eigentümer finanziell überfordert ist, hängt weniger vom Grand der Verschlechterung der Gebäudesubstanz als von den finanziellen Verhältnissen des einzelnen Wohnungseigentümers, ebenso von der Art des Gebäudes und der Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft (Anzahl der Eigentümer, Verteilungsschlüssel etc.) ab. Naheliegender erscheint es daher, dass durch die Regelung des § 22 IV WEG die Eigentümer vor wirtschaftlich nicht sinnvollen Ausgaben bewahrt werden sollen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 14.06.2007, Az: V ZB 18/07, juris Rn 17). Wenn nämlich das Gebäude zu einem erheblichen Grad zerstört ist, ist es in der Regel aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoller, dieses abzureißen und ein neues Gebäude zu bauen oder das Grundstück anderweitig zu verwerten, als das alte Gebäude zu sanieren. Zwar erscheint es durchaus möglich, auch einen Abriss und den Neuaufbau des Gebäudes unter den Begriff der Instandsetzung i. S des § 21 III, V Nr. 2 WEG subsumieren. Es spricht jedoch viel dafür, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 21 IV WEG den Eigentümern im Falle eines ohnehin erforderlichen oder zumindest aus wirtschaftlicher Sicht sinnvollen Abrisses des Gebäudes die Möglichkeit eröffnen wollte, sich grundsätzlich neu zu überlegen, wie sie das Grundstück verwerten wollen, anstelle sie an der Verpflichtung festzuhalten, das Gebäude in exakt gleicher Weise wieder aufzubauen. Versteht man die Vorschrift des § 21 IV WEG aber in diesem Sinn, kann es letztlich keinen Unterschied machen, was Ursache der Zerstörung ist.
40
2.4.2.2. Nach Überzeugung der Kammer ist vorliegend das Gebäude, nämlich das auf dem gemeinschaftlichen Grundstück errichtete Parkhaus zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört.
41
Für die Bestimmung, ob das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört ist, ist auf den Wert des Gebäudes nach dessen Fertigstellung bzw. auf den Wert des intakten (d. h. sanierten) Gebäudes jeweils unter Berücksichtigung einer etwaigen Wertminderung wegen seines Alters auszugehen und dieser mit dem aktuellen Verkehrswert zu vergleichen (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 375 zu § 22 WEG; Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., Rn 213 zu § 22 WEG). Dabei ist, wenn es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines gefassten Beschlusses auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 IV WEG ankommt, für die Bestimmung des aktuellen Verkehrswertes des Gebäudes auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen (vgl. LG München I, Urteil vom 15.03.2017, Az: 1 S 10106/16 WEG, ZWE 2017, 325, Rn 21; Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 375 zu § 22 WEG; Vandenhouten in Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., Rn 213 zu § 22 WEG). Auf die umstrittene Frage, ob für die Wertberechnung ausschließlich auf den Wert des gemeinschaftlichen Eigentums abzustellen oder auch der Wert des Sondereigentums einzubeziehen ist (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 374 zu § 22 WEG; Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, 13. Aufl., Rn 213 zu § 22 WEG; Hogenschurz in Jennißen, 6. Aufl., Rn 81 zu § 22 WEG; Elzer in BeckOK zum WEG, 42. Edition, Stand: 01.08.2020, Rn 332 zu § 22 WEG), kommt es vorliegend nicht entscheidend an. Denn ein Parkhaus besteht im Wesentlichen nur aus konstruktiven Gebäudeteilen, so dass den zum Sondereigentum gehörenden Gebäudebestandteilen ohnehin kein ins Gewicht fallender Wert zukommen kann. Insbesondere zählen die Außenwände, die Geschossdecken, die Stützen und der Fahrbahnaufbau zu den konstruktiven Gebäudebestandteilen und sind daher gem. § 5 II WEG zwingendes Gemeinschaftseigentum (vgl. Armbrüster in Bärmann, 14. Aufl., Rn 31 zu § 5 WEG). Der Wert von Grund und Boden ist nach übereinstimmender Auffassung für die Frage, ob das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört ist i. S. des § 22 IV WEG unerheblich, er ist bei der Berechnung des Grads der Zerstörung nicht zu berücksichtigen (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl, Rn 374 zu § 22 WEG; Hogenschurz in Jennißen, 6. Aufl., Rn 81 zu § 22 WEG; Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand 16.09.2020, Rn 144 zu § 22 WEG; Karkmann in BeckOGK, Stand 01.03.2020, Rn 204 zu § 22 WEG).
42
Der Verkehrswert des auf dem gemeinschaftlichen Grundstück befindlichen Parkhauses ist und war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 25.10.2016 mit null anzusetzen. Dies sieht die Kammer aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... . im Gutachten vom 15.05.2014, welches er im Auftrag des Amtsgerichts Augsburg, Vollstreckungsgericht, im Zwangsversteigerungsverfahren K 225/13 erstellt und dessen Verwertung die Kammer im hiesigen Verfahren gem. § 411a ZPO beschlossen hat sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen ... vom 16.10.2019 als erwiesen. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 15.05.2014 nachvollziehbar dargelegt, dass der Wert des Parkhauses bezogenen auf den Bewertungsstichtag 10.04.2014 nach einer Sanierung mit € 3.631.094,00 anzusetzen wäre, die Sanierungskosten dagegen € 4,9 Millionen (netto) betragen würden, so dass nach Abzug der Sanierungskosten kein Gebäudewert mehr gegeben sei. An dieser Einschätzung hat er auch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 16.10.2019 festgehalten und ausgeführt, er habe am 10.10.2019 vor Ort eine kurze Außenbesichtigung des Parkhauses durchgeführt und den Eindruck gewonnen, dass sich seit 2014 nichts verändert habe und das Parkhaus offensichtlich nach wie vor in einem schadhaften Zustand sei. Es sei zu vermuten, dass sich der Zustand des Gebäudes aufgrund der Feuchtigkeitseinwirkung seit 2014 weiter verschlechtert habe (sofern keine Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden seien) und es sei bei einer aktuellen Wertermittlung bzw. einer Wertermittlung zum 25.10.2016 zu erwarten, dass der Wert des intakten Parkhauses wegen der verstrichenen Zeit etwas niedriger sei als im Jahr 2014, während die Sanierungskosten wegen der Preissteigerung höher anzusetzen seien als im Jahr 2014. Richtig ist zwar, dass der Sachverständige, wie er in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 16.10.2019 nochmals erläutert hat, seiner Bewertung auch das im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft erholte Gutachten des Sachverständigen ... vom 18.09.2012 (Anlage B 2-6) sowie das im Auftrag der Eigentümer/Beklagten Daniela und O. S1. GmbH & Co. KG erholte Gutachten des Sachverständigen ... vom 23.09.2013 (Anlage BE 1) zugrunde gelegt hat. Er hat hierzu allerdings auch ausgeführt, dass insbesondere das Schadensgutachten des Sachverständigen .... nach seiner Einschätzung detailliert ist, Angaben zur Statik, zu Bauschäden, zu Sanierungsmaßnahmen und Kosten enthält und die von dem Sachverständigen ... im Gutachten vom 18.09.2012 ermittelten Sanierungskosten auch deshalb plausibel seien, weil das Parkhaus bei der Bewertung ein Alter von 42 Jahren hatte und nach den vorliegenden Unterlagen nie ordnungsgemäß saniert wurde. Da der gerichtlich beauftragte Sachverständige die vorliegenden Schadensgutachten für die Ermittlung des Gebäudewertes somit als ausreichend ansah und die Gründe hierfür auch nachvollziehbar dargelegt hat, sah die Kammer keine Veranlassung zur Erholung weiterer Sachverständigengutachten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vom Sachverständigen ... ermittelten Sanierungskosten erheblich über den vom gerichtlich beauftragten Sachverständigen ... ermittelten Wert des Gebäudes nach einer erfolgten Sanierung liegen und sogar über dem sich aus dem vom Sachverständigen ... erholten Richtpreisangebot ergebenden Kosten für einen vergleichbaren Neubau, die € 4,03 Millionen betragen. Selbst wenn der Sachverständigen ... die Sanierungskosten, die er nach eigenen Angaben im Gutachten ohnehin nur anhand einer Grobkostenschätzung ermittelt hat, da - wie auch der Kammer aus verschiedenen anderen Gutachten bekannt ist - genaue Angaben erst nach einer eingehenden Planung möglich sind, die im Rahmen einer Begutachtung zur Höhe der Sanierungskosten aber nicht erfolgen kann, zu hoch eingeschätzt haben sollte, hält es die Kammer angesichts der Differenz zu dem vom gerichtlich beauftragten Sachverständigen ... ermittelten Wert des Gebäudes nach einer erfolgten Sanierung für ausgeschlossen, dass die Sanierungskosten wesentlich unterhalb oder gar nur auf der Hälfte dieses Wertes oder darunter liegen könnten. Soweit von Klägerseite bemängelt wurde, dass durch den Sachverständigen keine Baugrunduntersuchung, keine Untersuchung zu den Grundwasserverhältnissen durchgeführt und keine Erkundigungen zur Altlastensituation angestellt wurden, kommt es, wie bereits dargelegt, auf den Wert von Grund und Boden für die Frage, ob das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört ist i. S. des § 22 IV WEG nicht an und bedurfte es daher solcher Untersuchungen nicht. Zudem bestehen, wie der Sachverständige ausgeführt hat, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein schlechter Baugrund oder hoher Grundwasserstand vorliegt, ebenso wenig, dass Altlasten vorhanden sein könnten.
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2.4.2.3. Da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Sanierungskosten durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt wären, kann gem. § 22 IV WEG der Wiederaufbau nicht gem. § 21 III WEG beschlossen oder gem. § 21 IV WEG verlangt werden. Ein dennoch gefasster Beschluss über den Wiederaufbau wäre wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB i. V. mit § 22 IV WEG nichtig (vgl. Elzer in BeckOK zum WEG, 42. Aufl., Stand: 01.08.2020, Rn 337 zu § 22 WEG; a. A. nur ordnungswidrig: Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand: 16.09.2020, Rn 139 zu § 22 WEG). Jedenfalls kann es im Hinblick auf die Vorschrift des § 22 IV WEG nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen und rechtswidrig sein, wenn die Eigentümer einen Wiederaufbau nicht beschließen, wenn das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt ist. Gleiches muss dann aber auch für Maßnahmen der teilweisen oder auch nur behelfsmäßigen Instandsetzung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft gelten. Denn andernfalls würde der Sinn des § 22 IV WEG, die Eigentümer gegen ihren Willen nicht zu unwirtschaftlichen Ausgaben zu verpflichten, unterlaufen. Daher waren die Wohnungseigentümer vorliegend daran gehindert, zumindest aber nicht gem. § 21 IV, V Nr. 2 WEG dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Überprüfung und gegebenenfalls Herstellung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen an die Feuerwiderstandsdauer der jeweiligen tragenden Bauteile (Decken, Stützen, Wände) zu beschließen.
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2.4.3. Auch wenn einer mehrheitlichen Beschlussfassung über die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen die Vorschrift des § 22 IV WEG entgegen steht, müssen die Wohnungseigentümer, solange eine einvernehmliche Lösung zwischen ihnen über die weitere Vorgehensweise nicht gefunden wurde und soweit hierdurch nicht die berechtigten Belange der anderen Wohnungseigentümer über das hinnehmbare Maß beeinträchtigt werden, zur Wahrung der Rechte derjenigen Wohnungseigentümer, die das Gebäude weiterhin nutze wollen, diesen die Möglichkeit geben, das Gebäude auf eigene Kosten in einen Zustand zu versetzen, der eine weitere gefahrlose Nutzung erlaubt.
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Das haben die Wohnungseigentümer vorliegend aber berücksichtigt und der Klägerin durch die in Ziffer III. und IV. des Beschlusses getroffenen Regelungen, wie dargelegt, gestattet, auf eigene Kosten die erforderlichen Arbeiten zum Erhalt der im Schreiben der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 geforderten Nachweise betreffend die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Brandschutz durchzuführen. Weiterhin haben sie die Hausverwaltung beauftragt und bevollmächtigt, bei Vorlage der entsprechenden Nachweise das im Beschluss ausgesprochene Betretungs- und Benutzungsverbot wieder aufzuheben, ebenso wenn ein von Klägerseite beauftragter Sachverständiger für Brandschutz sowie ein Prüfsachverständiger bestätigen, dass aufgrund seitens der Klägerin ergriffener vorläufiger Maßnahmen und Notmaßnahmen eine Gefährdung der Nutzer des Parkhauses im Brandfall weitgehend ausgeschlossen werden kann und gegen die Nutzung der Ebenen 1 bis 3 keine Bedenken bestehen. Soweit sie allerdings die Aufhebung der Nutzungsuntersagung durch die Hausverwaltung im 1. Absatz der unter Ziffer IV. des Beschlusses getroffenen Regelung außer von der Vorlage der im Schreiben der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 geforderten Nachweise betreffend die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Brandschutz auch davon abhängig machen, dass ein für Standsicherheit bzw. Statik hinzugezogener Prüfsachverständiger (zugelassen in Bayern) bestätigt, dass weiterhin im Hinblick auf die Standsicherheit keine Bedenken gegen die Nutzung der Ebenen 1 und 2 des Parkhauses und die Durchfahrt über die Ebene 3 zur Nutzung dieser Ebenen bestehen und soweit sie in Ziffer IV, 2. Absatz, Satz 2 des Beschlusses neben dem Gutachten eines Sachverständigen für Brandschutz ein Gutachten eines Prüfsachverständigen für Statik verlangt haben, war dies zu weitgehend und entsprach der Beschluss nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Denn im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 25.10.2016 wird zu TOP 10 ausdrücklich ausgeführt, dass der Sachverständige ... in seinen Begehungen bisher bestätigt habe, dass aus Gesichtspunkten der Standsicherheit die Nutzung der Parkebenen 1 und 2 zugelassen werden könne, ebenfalls das Befahren der Ebene 3 zu den Ebenen 1 und 2. Es ist weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich, dass sich die Sachlage insoweit geändert haben könnte und konkrete Anhaltspunkte bestanden, die die erneute Erholung eines Sachverständigengutachtens allein zur Statik des Gebäudes zusätzlich zu den im Schreiben der Stadt A., Bauordnungsamt vom 19.10.2016 geforderten Nachweisen und Bescheinigungen erfordert hätten. Aufgrund der rechtswidrigen Forderung auch einer Bestätigung eines Prüfsachverständigen für Statik betreffend die Unbedenklichkeit der Nutzung der Ebenen 1 und 2 und die Durchfahrt über die Ebene 3 im Hinblick auf die Standsicherheit als Voraussetzung für die Aufhebung des Nutzungsverbotes ist der Beschluss jedoch nicht insgesamt für ungültig zu erklären, sondern nur hinsichtlich dieser zusätzlichen Voraussetzung für die Aufhebung der Nutzungsuntersagung. Denn es ist davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, die Aufhebung der Nutzungsuntersagung auch von dieser Voraussetzung abhängig zu machen, sie den Beschluss auch unter Weglassung dieser zusätzlichen Voraussetzungen zur Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten gefasst hätten. Der Beschluss ist daher analog § 139 BGB nur bezüglich dieser zusätzlichen Voraussetzung für ungültig zu erklären.
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2.4.4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Beschlussfassung nicht gegen das Schikaneverbot gem. § 226 analog BGB verstößt. Selbst wenn es, wie die Klägerin behauptet, das eigentliche Ziel der Beklagten zu 2) und 3) ist, die Stilllegung der Ebenen 1-3 und in deren Folge den Verkauf der Einheit der Klagepartei zu erzwingen, könnte dies nicht dazu führen, dass der in der Sache ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende Beschluss wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) oder die sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis ergebenden gegenseiteigen Rücksichtnahme- und Treuepflichten rechtswidrig wäre. Denn für § 226 BGB genügt es nicht, dass jemand subjektiv aus verwerflichen Gründen von seinem Recht Gebrauch macht. Es muss vielmehr feststehen, dass die Rechtsausübung dem Berechtigten objektiv keinen Vorteil bringen kann und lediglich zur Schädigung eines anderen taugt (vgl. Ellenberger in Palandt, 79. Aufl., Rn 2 zu § 226 BGB). Davon kann hier nach dem zuvor Gesagten aber nicht ausgegangen werden. Auch kann der Beschluss, da der Schutz von Rechtsgütern Dritter und damit die Verkehrssicherungspflichten nicht zur Disposition der Eigentümer stehen, nicht als treuwidrig angesehen werden.
III.
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1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz beruht auf § 92 I ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens auf §§ 97 I, 92 I ZPO.
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2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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3. Die Revision war vorliegend gem. § 543 II ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen, da umstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob mit Zerstörung i. S. des § 22 IV WEG auch Fälle der Überalterung und/oder unterlassener Instandhaltung und Instandsetzung gemeint sind und ebenso wenig geklärt ist, welche Folgen die Vorschrift des § 22 IV WEG für eine etwaige fortbestehende Verkehrssicherungspflicht der Wohnungseigentümer bzw. des Verbands hat.
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4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde bereits durch verkündeten Beschluss auf € 48.000,00 festgesetzt.