VG Augsburg, Urteil v. 28.05.2020 – Au 2 K 20.460
Titel:
Fortgeltung einer für verfassungswidrig erklärten Zweitwohnungssteuersatzung
Normenketten:
BayKAG Art. 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
BVerfGG § 31 Abs. 1
Leitsatz:
Die durch das BVerfG angeordnete Fortgeltung einer für verfassungswidrig erklärten Satzung ist trotz des zwischenzeitlichen Ablaufs der seitens des Bundesverfassungsgerichts gesetzten Fortgeltungsfrist weiterhin beachtlich, denn die angeordnete Fortgeltung der Satzung hat zur Folge, dass diese Satzung auf alle bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichten Steuertatbestände weiterhin anzuwenden ist (vgl. BFH BeckRS 1997, 23000030). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Satzung, verfassungswidrig, Unvereinbarkeitserklärung, Fortgeltung, Veranlagungszeitraum, Zweitwohnungssteuer
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 08.01.2021 – 4 BV 20.1775
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 20.12.2021 – 9 B 12.21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 40213
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer.
2
Der Kläger unterhält im Gemeindegebiet des Beklagten eine Wohnung (D. straße 2 WE Nr. 005). Seine Hauptwohnung hat der Kläger in Frankfurt am Main.
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Die Beklagte erließ am 29. Oktober 2004 eine „Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer“, die durch Änderungssatzung vom 19. Dezember 2008 geändert wurde (ZwStS 2004/2008). Die Satzung in dieser Form sieht ein Anknüpfen der Steuer an den jährlichen Mietaufwand vor (§ 4 Abs. 1 ZwStS 2004/2008). Als Mietaufwand gilt die sog. „Jahresrohmiete“ (§ 4 Abs. 2 Satz 1 ZwStS 2004/2008). Ferner sieht die Satzung einen sog. „degressiven“ Steuersatz vor (§ 5 ZwStS 2004/2008).
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Am 18. Juni 2018 erließ die Beklagte eine neue „Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer“ (ZwStS 2018), welche rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft trat. Diese Satzung sieht nunmehr in § 5 Abs. 1 ZwStS 2018 einen sog. linearen Steuertarif in Höhe von 13 v.H. an. Steuermaßstab ist wiederum der Mietaufwand in Anknüpfung an die „Jahresrohmiete“.
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Mit Bescheid vom 27. Januar 2009 zog der Beklagte den Kläger zur Zweitwohnungssteuer für den Veranlagungszeitraum 2009 in Höhe von 520,00 EUR heran. Dabei fand sich in den Hinweisen des Bescheids der Vermerk, dass der Bescheid auch für kommende Jahre gelte, solange bis er durch einen neuen Steuer- bzw. Berichtigungsbescheid ersetzt werde (Art. 12 Abs. 2 KAG). Mit Bescheid vom 28. September 2018 erließ der Beklagte aufgrund der Zweitwohnungssteuersatzung 2018 für das Steuerjahr 2018 einen neuen Zweitwohnungssteuerbescheid.
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2015, eingegangen bei dem Beklagten am 15. Dezember 2015, beantragte der Kläger die Aufhebung des Zweitwohnungssteuerbescheids vom 27. Januar 2009 unter dem Hinweis darauf, dass dieser auch für die Folgejahre Gültigkeit gehabt habe. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten rechtswidrig sei, weil er nicht auf eine wirksame Satzungsgrundlage gestützt werden könne. Die ZwStS 2004/2008 sei verfassungswidrig, weil sie einen degressiven Steuersatz vorsehe. Dies sei mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren.
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Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass es sich bei seinem Antrag vom 12. Dezember 2015 nicht um einen zulässigen und möglichen Rechtsbehelf handle, da ein Antrag auf Aufhebung eines Steuerbescheids gesetzlich nicht vorgesehen sei. Der Steuerbescheid vom 27. Januar 2009 sei bestandskräftig, was auch für die weiteren Zweitwohnungsbescheide der Folgejahre bis einschließlich des Bescheids vom 3. Februar 2015 gelte. Ferner sei auch die Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer rechtmäßig.
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2016 teilte der Kläger mit, dass sein Schreiben vom 12. Dezember 2015 als Widerspruch gegen den Steuerbescheid vom 27. Januar 2009 anzusehen sei. Ferner gab er an, die Bescheide der Folgejahre einschließlich des Bescheids vom 3. Februar 2015 nicht erhalten zu haben.
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Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Widerspruch nicht zulässig sei, da dieser zwar formaber nicht fristgerecht eingegangen sei, sodass der Bescheid vom 27. Januar 2009 bereits Bestandskraft erlangt habe.
Ferner wurde mitgeteilt, dass der Widerspruch auch materiell unbegründet sei, da die Zweitwohnungssteuer rechtmäßig sei.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. März 2016 gab der Kläger an, dass er einen Antrag auf Aufhebung des Steuerbescheides nach Art. 12 Abs. 2 KAG gestellt, nicht jedoch einen Widerspruch gegen den Steuerbescheid vom 27. Januar 2009 eingelegt habe. Gleichzeitig wurde angeregt, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Parallelverfahren (Az.: BVerwG 9 C 3.17) abzuwarten.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 27. April 2018 wurde der Antrag des Klägers auf Aufhebung des Steuerbescheids vom 27. Januar 2009 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich weder die Berechnungsgrundlagen des Ausgangsbescheids gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG geändert hätten, noch eine sachliche Unrichtigkeit gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG vorläge. Der Zweitwohnungssteuerbescheid finde eine gültige Rechtsgrundlage in der Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008. Der degressive Steuertarif der Satzung verstoße nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Satzung halte den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ein.
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Hiergegen legte der Kläger durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 8. Mai 2018 Widerspruch ein und führte aus, dass ein Anspruch auf Aufhebung des Steuerbescheids für die Jahre 2016 und 2017 bestünde, nachdem die dem Bescheid zugrundeliegende Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 aufgrund des darin enthaltenen unzulässigen Steuermaßstabs und unzulässigen degressiven Steuersatzes nichtig sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2018 wies das Landratsamt ... den Widerspruch zurück.
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Hiergegen ließ der Kläger am 17. Dezember 2018 Klage erheben (Au 2 K 18.2074) und beantragen,
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1. Der Bescheid des Beklagten vom 27. April 2018 über die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Aufhebung des Zeitwohnungssteuerbescheids vom 27. Januar 2009 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes ... vom 3. Dezember 2018 werden aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, seinen Zweitwoh nungssteuerbescheid vom 27. Januar 2009 gemäß dem Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2015 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 9. April 2020 im Wesentlichen vorgetragen, dass der Beklagte über keine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Zweitwohnungssteuer verfüge. Sowohl die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten vom 29. Oktober 2004 in der Fassung der Satzung zur 1. Änderung der Zweitwohnungssteuersatzung vom 19. Dezember 2008 als auch die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten vom 18. Juni 2018 seien nichtig. Die Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 sei nichtig, da diese Satzung sowohl einen unwirksamen Steuermaßstab als auch einen unwirksamen Steuersatz enthalte. Die Zweitwohnungssteuersatzung 2018 enthalte ebenfalls einen unwirksamen Steuermaßstab, da jeweils an die sog. „Jahresrohmiete“ angeknüpft werde. Bei der Bemessung der Jahresrohmiete stelle der Beklagte auf eine Feststellung des Finanzamts zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 ab, auf Basis dessen eine Hochrechnung erfolge. Hierdurch könne insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer bereits teilweise die Vermögenssubstanz besteuert werde. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits festgestellt, dass ein Abstellen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen führe und damit verfassungsrechtlich unzulässig sei. Zudem enthalte die Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 eine unzulässige Regelung des Steuersatzes, der ebenfalls zur Nichtigkeit der gesamten Satzung führe. Die Regelung enthalte einen degressiven Steuersatz, der mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei, da dieser gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoße. Dieser Verstoß sei auch nicht durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt. Zwar steige der Betrag der vom Steuerschuldner zu zahlenden Zweitwohnungssteuer mit zunehmender Jahresmiete in Stufen an. Auf den jeweiligen Stufen sinke jedoch der aus dem jährlichen Mietaufwand als Steuermaßstab und dem zu zahlenden Steuerbetrag errechnete Steuersatz mit steigendem Mietaufwand wieder ab. Die in dieser Degression des Steuersatzes liegende Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Der Kläger habe daher sowohl gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG als auch gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 130 Abs. 1 AO einen Rechtsanspruch auf Aufhebung des Zweitwohnungssteuerbescheids des Beklagten vom 27. Januar 2009.
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Der Beklagte wandte sich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2019 gegen die Klage. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde u.a. mit Schreiben vom 30. April 2020 vorgetragen, dass der streitgegenständliche Zweitwohnungssteuerbescheid rechtmäßig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe im Rahmen seiner Entscheidung vom 18. Juli 2019 eine Übergangsfrist für die weitere Anwendbarkeit der streitgegenständlichen Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 bis 31. März 2020 eingeräumt. Diese Weitergeltungsregelung sei für die Gerichte verbindlich, sodass die Rechtsgrundlage für den Bescheid insoweit nicht zu beanstanden sei. Der Umstand, dass die Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 durch die weitere Satzung von 2018 aufgehoben wurde, ändere nichts am Ergebnis der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Zweitwohnungssteuerbescheids. Der Bescheid bleibe wirksam, auch wenn die Satzungsgrundlage mittlerweile geändert worden sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die aktuelle Satzung von 2018 überhaupt wirksam sei und daher die Rechtswirkung zu entfalten vermochte, die streitgegenständliche Satzung von 2004/2008 aufzuheben. Maßgeblich sei das Entstehen der Steuerpflicht, was nach § 6 Abs. 2 ZwStS 2004/2008 der 1. Januar sei. Für die streitgegenständlichen Jahre 2016 und 2017 sei diese daher bereits entstanden. Allein der Umstand, dass die Satzung vor Eintritt der Bestandskraft möglicherweise außer Kraft getreten sei, entziehe dem Bescheid nicht die Rechtsgrundlage. Sofern sich ein Bescheid nämlich auf bestimmte Erhebungszeiträume beziehe, könne auch ein späteres Außerkrafttreten der Satzung mit Wirkung für die Zukunft nichts daran ändern, dass sie für davorliegende Zeiträume gegolten habe und demgemäß auch der gerichtlichen Überprüfung zugrunde zu legen sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG auf Aufhebung des Zweitwohnungssteuerbescheids. Art. 12 Abs. 2 KAG umfasse lediglich die Verpflichtung Fortgeltungsbescheide zu ersetzen oder zu ändern, nicht aber deren Aufhebung mit Wirkung ex tunc. Auch scheide eine Rücknahme nach § 130 Abs. 1 AO hier aus, da schon kein rechtswidriger Verwaltungsakt vorliege. Der streitgegenständliche Bescheid könne sich auf eine (fortgeltende) Rechtsgrundlage stützen.
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Auf Antrag der Beteiligten wurde durch Beschluss vom 28. Februar 2019 das Ruhen des Verfahrens gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO angeordnet und mit Verfügung vom 12. März 2020 unter dem jetzigen Aktenzeichen wiederaufgenommen.
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Mit Schreiben vom 12. Februar 2020 sowie 9. April 2020 haben die Parteien auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte und der Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
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Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Zweitwohnungssteuerbescheid ist - soweit streitgegenständlich - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 27. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes ... vom 3. Dezember 2018. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2015 auf Aufhebung des Zweitwohnungssteuerbescheids vom 27. Januar 2009 für die Jahre 2016 und 2017 zutreffend abgelehnt.
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1. Der Kläger kann sich für die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids be züglich der Jahre 2016 und 2017 nicht auf Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) berufen.
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Nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG sind Bescheide, die für mehrere Zeitabschnitte gelten, von Amts wegen oder auf Antrag des Schuldners durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, wenn sich die Berechnungsgrundlagen ändern.
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Zwar handelte es sich bei dem im Jahr 2009 erlassenen Zweitwohnungssteuerbescheid um einen Bescheid, der für einen bestimmten Zeitabschnitt galt - das jeweils nach der Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 festgesetzte Steuerjahr - und der nach dem Willen des Beklagten auch für die kommenden Zeitabschnitte gelten sollte. Der Bescheid war ausdrücklich mit dem Hinweis versehen worden, dass er solange gelten solle, bis er durch einen neuen Steuer- bzw. Berichtigungsbescheid ersetzt werde.
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Ein Fall der Änderung der Berechnungsgrundlagen liegt jedoch für die Jahre 2016 und 2017 als den jeweils neuen Zeitabschnitten nicht vor. Ein solcher nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG zu beachtender Fall liegt dann vor, wenn sich die Berechnungsgrundlagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ändern, mithin die tatsächlichen Verhältnisse oder die Rechtsgrundlagen, die dem Bescheid für den ersten Zeitabschnitt zugrunde gelegt worden sind, nicht unverändert fortbestehen bleiben (vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand August 2018, Art. 12 Rn. 13).
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a. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach dem Erlass des Zweitwohnungssteuerbescheids vom 27. Januar 2009 ist in Bezug auf die Veranlagungszeiträume 2016 und 2017 nicht eingetreten.
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Eine solche ist beispielsweise anzunehmen, wenn der veranlagte Zweitwohnungsbesitzer die Zweitwohnung aufgibt oder dort seine Hauptwohnung nimmt, sich die Miete für eine der Zweitwohnungssteuer unterliegende Wohnung verändert (vgl. VG München, U.v. 26.3.2012 - Az. M 10 K 11.5179 - juris) oder seitens der Gemeinde neue Steuersätze festgesetzt werden. Vorliegend hat der Beklagte erst in der Zweitwohnungssteuersatzung 2018 einen neuen Steuertarif festgelegt, welcher jedoch nach dem Inhalt der Zweitwohnungssteuersatzung 2018 erst ab dem 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt wurde. Auf die Jahre 2016 und 2017 hatte dies noch keine Auswirkung.
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b. Ferner hat sich vorliegend auch nicht die Rechtsgrundlage, die dem Bescheid zu grunde gelegt wurde, geändert. § 12 Abs. 1 ZwStS 2018 bestimmt, dass die Satzung zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt. Eine weitere Rückwirkung bemisst sich die Satzung nicht bei, sodass für die Jahre 2016 und 2017 noch die Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 in Kraft war. Damit hat der Beklagte gerade zum Ausdruck gebracht, dass bis zum 31. Dezember 2017 weiterhin die ZwStS 2004/2008 Anwendung finden soll. Daran ändert vorliegend auch der Umstand nichts, dass das Bundesverfassungsgericht die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten mit Beschluss vom 18. Juli 2019 (BVerfG, B.v. 18.7.2019 - 1 BvR 807/12 - juris) für verfassungswidrig erklärt hat. Denn die Satzung gestaltet sich zwar hinsichtlich der Anknüpfung an die indizierte Jahresrohmiete und im Hinblick auf den dort angewandten degressiven Steuersatz als verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings die Fortgeltung der Satzung bis längstens 31. März 2020 (a.a.O.) angeordnet. Diese Fortgeltungsanordnung ist für das Verwaltungsgericht in entsprechender Anwendung des § 31 BVerfGG verbindlich (vgl. etwa BFH, B.v. 12.5.2011 - II B 126/10 - juris Rn. 7 f. m.w.N. zur Fortgeltungsanordnung bzgl. eines Gesetzes), sodass es seiner Entscheidung die Weitergeltung der Satzung 2004/2008 zugrunde zu legen hat.
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Diese Fortgeltungsanordnung ist aber trotz des zwischenzeitlichen Ablaufs der seitens des Bundesverfassungsgerichts gesetzten Fortgeltungsfrist, die am 31. März 2020 endete, für das Gericht weiterhin beachtlich. Denn die angeordnete Fortgeltung der Zweitwohnungssteuersatzung 2004/2008 hat zur Folge, dass diese Satzung auf alle bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichten Steuertatbestände weiterhin anzuwenden ist und nicht etwa nach diesem Zeitpunkt eine Anwendung des Gesetzes auf vor diesem Zeitpunkt verwirklichte Tatbestände ausgeschlossen werden sollte (vgl. BFH, B.v. 18.6.1997 - II B 33/97 (Saarland) - juris). Dies folgt aus Sinn und Zweck einer bloßen Unvereinbarkeitserklärung der geprüften Rechtsnorm mit dem Grundgesetz verbunden mit der Anordnung ihrer befristeten Weiteranwendung gegenüber einer Nichtigkeitserklärung. Folge einer Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht wäre es u.a. gewesen, dass die Satzung ab Entscheidungszeitpunkt nicht mehr hätte angewendet werden können. Im Ergebnis hinge die endgültige steuerliche Belastung der einzelnen Steuerpflichtigen vom jeweiligen zufälligen Verfahrensstand zum Zeitpunkt des Ergehens der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ab. Sinn und Zweck der bloßen Unvereinbarkeitserklärung verbunden mit der Anordnung einer befristeten Weiteranwendung der geprüften Rechtsnorm und zugleich deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist es jedoch gerade, diese unerwünschte Folge einer Nichtigkeitserklärung zu vermeiden und durch eine verfassungsnähere, insbesondere auch den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stärker berücksichtigende Folge zu ersetzen. Dies wird jedoch nur dadurch erreicht, dass alle innerhalb eines bestimmten Zeitraums verwirklichten Sachverhalte im Ergebnis rechtlich gleich behandelt werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn die befristete Anordnung der Weiteranwendung des für verfassungswidrig erkannten Rechts als eine Regelung über dessen zeitlichen Geltungsbereich zu beurteilen ist mit der Folge, dass die für verfassungswidrig erkannte Rechtsnorm für innerhalb dieses zeitlichen Geltungsbereichs verwirklichte Sachverhalte noch Rechtswirkung erzeugt. Eine andere Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Unvereinbarkeitserklärung, die mit einer befristeten Weiteranwendung der beanstandeten Rechtsnorm verbunden ist, widersprechen. Die Satzung wurde auch bis zum 31. März 2020 durch eine verfassungsgemäße Norm ersetzt, sodass auch insoweit keine (rückwirkende) Nichtigkeit eingetreten ist.
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2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Bescheid vom 27. Januar 2009 in Bezug auf die Veranlagungszeiträume 2016 und 2017 nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG aufgehoben wird.
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In Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG ist der Fall geregelt, dass ein Bescheid gemäß Art. 12 KAG von Anfang an sachlich unrichtig war. Dies betrifft Fälle, in welchen sich nicht die Berechnungsgrundlage geändert hat, sondern die Berechnungsgrundlage in dem Bescheid nicht richtig verarbeitet worden ist (vgl. Engelbrecht a.a.O., Art. 12 Rn. 16). Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Umsetzung der Berechnungsgrundlage sind hingegen nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Der Bescheid vom 27. Januar 2009 wurde zwar aufgrund einer für nichtig erklärten Satzungsgrundlage erlassen. Allerdings wirkt sich dies vorliegend jedoch aufgrund der durch das Bundesverfassungsgericht angeordneten Fortgeltung nicht aus (s.o.). Damit ist der Bescheid auch nicht von Anfang an als sachlich unrichtig und damit als rechtswidrig anzusehen.
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3. Auch ein Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung für die Jahre 2016 und 2017 aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 130 der Abgabenordnung (AO) besteht nicht.
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Insofern wurde der Bescheid zwar aufgrund einer nichtigen Satzungsgrundlage erlassen. Dies wirkt sich jedoch - wie bereits aufgezeigt - nicht aus, da das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung der Satzungsgrundlage angeordnet hat (s.o.).
38
Sonstige Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids in Bezug auf die Regelung der Jahre 2016 und 2017 sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
II.
39
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
41
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).