Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.12.2020 – 20 NE 20.2870
Titel:

Begrenzung der Kundenhöchstzahl im Einzelhandel aufgrund der Corona-Pandemie

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
11. BayIfSMV § 12 Abs. 1 S. 4, S. 5
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 28a Abs. 1 Nr. 14, § 32 S. 1, S. 2
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 11. BayIfSMV genügt voraussichtlich den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelungen zum Mindestabstandsgebot von 1,5 m (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 i.V.m. Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV) und zur zulässigen Anzahl von Kunden, bezogen auf eine bestimmte Fläche (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 i.V.m. Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV) erweisen sich voraussichtlich als notwendig im Sinn des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG und als verhältnismäßig. (Rn. 34 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ebenso wenig liegt der angegriffenen Bestimmung bei summarischer Prüfung ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zugrunde. (Rn. 38 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch eine Folgenabwägung ergibt, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Schutzgüter, auf die sich die Antragstellerin beruft (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG), überwiegen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Einzelhandel, Einkaufszentrum, Gleichheitssatz, Gleichbehandlung, Mindestabstand, Normenkontrollantrag, Ungleichbehandlung, Einkaufsfläche, Begrenzung, Bestimmtheit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36582

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
1. Die Antragstellerin, die ein Einkaufszentrum mit rund 50 Einzelhandelsgeschäften betreibt, wendet sich gegen die Begrenzung der Kundenhöchstzahl im Einzelhandel sowie gegen die unterschiedlichen Maßstäbe bei der Festlegung der zulässigen Anzahl von Kunden in Ladengeschäften und Einkaufszentren.
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2. Der Antragsgegner hat am 15. Dezember 2020 die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737) erlassen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
§ 12
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Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
4
(1) Die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und zugehörige Abholdienste sind untersagt. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel, der Verkauf von Weihnachtsbäumen und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. Der Verkauf von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinne von § 3a SprengG und von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt. Für nach Satz 2 zulässigerweise geöffnete Betriebe und den Großhandel gilt:
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1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann.
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2. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 10 m2 für die ersten 800 m2 der Verkaufsfläche sowie zusätzlich ein Kunde je 20 m2 für den 800 m2 übersteigenden Teil der Verkaufsfläche.
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3. Für das Personal, die Kunden und ihre Begleitpersonen gilt Maskenpflicht in den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände, in den Eingangs- und Warteflächen vor den Verkaufsräumen und auf den zugehörigen Parkplätzen; soweit in Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften durch transparente oder sonst geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet ist, entfällt die Maskenpflicht für das Personal.
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4. Der Betreiber hat für den Kundenverkehr ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
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Für Einkaufszentren gilt:
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1. Hinsichtlich der einzelnen Ladengeschäfte gelten die Sätze 1 bis 4.
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2. Hinsichtlich der Einkaufszentren gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass sich die zugelassene Kundenhöchstzahl nach der für Kunden zugänglichen Gesamtfläche des Einkaufszentrums bemisst und das Schutz- und Hygienekonzept die gesamten Kundenströme des Einkaufszentrums berücksichtigen muss.
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…“
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3. Zur Begründung ihres Antrags trägt die Antragstellerin vor, sie betreibe ein Einkaufszentrum, das rund 50 in sich abgeschlossene Einzelhandelsgeschäfte beherberge, u.a. auch solche, die der Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV unterfielen und daher weiterhin geöffnet seien. Die Gesamtfläche betrage rund 18.000 m² die Verkaufsfläche etwa 12.000 m². Viele der Ladengeschäfte wiesen eine Verkaufsfläche von deutlich unter 800 m² auf.
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Die angegriffene Verordnung verstoße gegen die Begründungspflicht. Der Begriff der „Gesamtfläche“ in § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 11. BayIfSMV sei zu unbestimmt. Es bleibe unklar, was darunter zu verstehen sei, die gesamte Verkaufsfläche im Einkaufszentrum oder die Bruttogeschossfläche. Vor allem werde nicht ersichtlich, ob in einem Einkaufszentrum die Verkehrsfläche zwischen den Läden hinzugerechnet werden dürfe oder nicht. Widersprüchlich sei, dass einerseits nach § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 11. BayIfSMV ein grundsätzlich einzuhaltender Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden als ausreichend angesehen werde, andererseits aber geregelt werde, dass sich auf 10 m² oder sogar auf 20 m² lediglich ein Kunde aufhalten dürfe (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 11. BayIfSMV). Dadurch ergebe sich ein weit größerer Abstand als eigentlich für erforderlich gehalten werde.
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Die angegriffenen Regelungen verletzten den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in zweifacher Hinsicht. Einkaufszentren würden zum einen zu Unrecht wie Kaufhäuser und größere Ladengeschäfte behandelt. Dies sei durch infektionsschutzrechtliche Gründe nicht begründbar. Ein Einkaufszentrum beherberge nämlich eine Vielzahl einzelner Ladengeschäfte, die jeweils gesondert zu betrachten seien, auch in Bezug auf die Ladengröße. Die Einhaltung der Abstände sei bei abgeschlossenen Läden mit eigenen Zugängen viel leichter zu kontrollieren. Daher könne die unterschiedliche Behandlung der ersten 800 m² der Verkaufsfläche und des diese Größe übersteigenden Teils der Verkaufsfläche nur bei Kaufhäusern gerechtfertigt werden. Zum anderen seien Einkaufszentren mit kleineren Ladengeschäften in einer Einkaufs straße oder einer belebten Fußgängerzone vergleichbar. Die zulässige Zahl an Kunden sei bei einem Einkaufszentrum aber viel geringer, weil die Zahl der in den einzelnen Geschäften höchstens zulässigen Kunden nicht aufaddiert werden dürfe. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. Die Ladengeschäfte seien in Bezug auf Geschäftstypen und Anziehungskraft vergleichbar. Allerdings könne es in Einkaufsstraßen zu ungewollten Ansammlungen mit einer Unterschreitung des Mindestabstands und somit zu erheblichen Infektionsrisiken kommen, weil die Kundenzahl auf den Verkehrsflächen vor den Geschäften nicht reglementiert werde. Derartige Situationen könne der Betreiber eines Einkaufszentrums als Inhaber des Hausrechts verhindern. Er verfüge zudem über ein Hygienekonzept für die gesamte Einrichtung. Nicht begründbar sei auch die Bevorzugung von Läden bis 800 m². Die Größenordnung markiere eine Schwelle im Baurecht, sei aber infektionsschutzrechtlich nicht begründbar.
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Es liege auch ein Verstoß gegen das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG vor. Die Begrenzung der Kundenströme in einem Einkaufszentrum sei in dem angeordneten Umfang nicht erforderlich, um die bezweckte Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus zu erreichen. Die besonderen Zugangs- und Hygienemaßnahmen, wie sie von der Antragstellerin bereits umgesetzt worden seien, etwa durch die Einhaltung von Mindestabständen und die Anordnung einer Maskenpflicht, seien vielmehr ausreichend. Die Begrenzung der Kundenzahl könne sogar dazu führen, dass sich vor den Läden oder vor dem Einkaufszentrum Ansammlungen bildeten, sodass die Einhaltung von Mindestabständen weniger gut zu kontrollieren sei. Die Maßnahmen beeinträchtigten das Betreiberkonzept der Antragstellerin in erheblicher Weise und führten zu massiven Umsatzausfällen. Bei Wegfall der Begrenzungen der Kundenzahl sei nicht zu befürchten, dass sich die Gefährdung erhöhe.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 und Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag vorläufig außer Vollzug zu setzen sowie
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hilfsweise § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 11. BayIfSMV vorläufig nur mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich die zugelassene Höchstzahl nach der Ladenfläche des einzelnen Ladens in einem Einkaufszentrum bemisst.
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4. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
22
Der zulässige Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO hat weder im Hauptantrag noch im Hilfsantrag Erfolg.
A.
23
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 i.V.m. Satz 5 11. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (2.). Unabhängig davon ginge auch eine Folgenabwägung zulasten der Antragstellerin aus (3.).
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragstellerin günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).
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Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
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2. Nach diesen Maßstäben ist der Eilantrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 und Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV) abzulehnen, weil ein in der Hauptsache zu erhebender Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat.
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Die Regelung findet ihre Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 28a Abs. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der durch Art. 1 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) geänderten Fassung. Sie ist voraussichtlich formell und materiell rechtmäßig. Entgegen der Einwendungen der Antragstellerin ist sie bestimmt genug und verletzt weder den Gleichheitssatz noch das Übermaßverbot.
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a) Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG sind eingehalten. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen. Die Begründungspflicht hat den Zweck, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen und dient damit insbesondere der Verfahrensrationalität wie auch der Legitimationssicherung (vgl. dazu auch BVerwG, B.v. 30.3.2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 4 m.w.N.). Sie gewährleistet als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren. Innerhalb der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen. Die Begründung ist möglichst zeitnah nach Erlass der Rechtsverordnung zu veröffentlichen (BT-Drucksache 19/24334 S. 81). Diese Voraussetzungen sind bei summarischer Prüfung durch die Begründung der Verordnung (BayMBl. 2020 Nr. 738 vom 15.12.2020) gewahrt.
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b) Die von der Antragstellerin beanstandete Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 11. BayIfSMV genügt voraussichtlich den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. Danach müssen die Normbetroffenen in zumutbarer Weise selbst feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen; die Gerichte müssen in der Lage sein, die normative Entscheidung zu konkretisieren (BayVerfGH, E.v. 29.4.1983 - Vf. 16-VII-80 - VerfGHE 36, 56/68). Sieht eine Rechtsverordnung - wie hier § 28 Nr. 11 11. BayIfSMV - die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor, muss die Bußgeldvorschrift auch gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG hinreichend bestimmt sein, wobei der grammatikalischen Auslegung bzw. Wortlautgrenze in einem solchen Fall herausgehobene Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 29.2.2012 - 9 C 8.11 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 8 ZB 19.2200 - juris Rn. 14).
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Nach diesen Maßstäben bestehen bei summarischer Prüfung keine Bedenken gegen die Regelungen in § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 i.V.m. Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV über die jeweilige Berechnung der zulässigen Kundenzahlen. Der Normgeber hat in § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV durch die Aufspaltung in zwei Nummern und durch den Wortlaut klar zum Ausdruck gebracht, dass bei der Bestimmung der höchstens erlaubten Anzahl von Kunden zu differenzieren ist: Hinsichtlich des gesamten Zentrums kommt es gemäß § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 i.V.m. Satz 4 Nr. 2 11. BayIfSMV nicht auf die Verkaufsfläche(n) an (in Abwandlung von § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 11. BayIfSMV), sondern auf die für die Kundschaft zugängliche Gesamtfläche des Einkaufszentrums (vgl. zu diesem Begriff BayVGH, B.v. 4.5.2020 - 20 CE 20.951 - juris Rn. 11), also der gesamten Anlage, einschließlich der einzelnen Ladengeschäfte. Wortlaut und systematische Auslegung (durch Vergleich mit § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 i.V.m. Satz 4 Nr. 2 11. BayIfSMV) ergeben, dass die Verkehrsflächen und die sonst für Kunden zugänglichen Bereiche (einschließlich der zugänglichen Flächen in den einzelnen Läden) zu summieren sind. Maßgebliches Abgrenzungskriterium stellt dabei die Zugänglichkeit dar. Auf die Gründe, warum bestimmte Bereiche für Kunden gesperrt worden sind oder faktisch nicht betreten werden können, kommt es dagegen nicht an. Entgegen dem Einwand der Antragstelllein können von den Besuchern betretbare Ladenbereiche sowie die ihnen zur Verfügung stehenden Treppen, Verkehrsflächen, Sanitäranlagen und Aufenthaltsbereiche ohne Weiteres unter den Begriff der für Kunden zugänglichen Gesamtfläche subsumiert werden. Dass die Regelung in Einzelfällen möglicherweise Abgrenzungs- und Auslegungsfragen aufwerfen kann, ändert nichts an der hinreichenden Bestimmtheit. Diese können vielmehr mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden gelöst werden. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bei der Formulierung von Rechtsnormen ist allgemein anerkannt und stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar (vgl. BVerfG, U.v. 18.12.1953 - 1 BvL 106/53 - juris Rn. 41; B.v. 17.12.2019 - 1 BvL 6/16 - juris Rn. 22 m.w.N.). Dass die Antragstellerin die genaue Fläche möglicherweise nicht ohne erheblichen tatsächlichen Aufwand berechnen kann, ändert ebenfalls nichts an der Bestimmtheit. Soweit in früheren Verordnungen lediglich von der „Gesamtfläche“ die Rede war, mag dies nicht nur Auslegungsprobleme aufgeworfen, sondern auch zu Bestimmtheitszweifeln Anlass gegeben haben. Der Normgeber hat mit der 11. BayIfSMV aber klargestellt, dass es auf die Zugänglichkeit durch die Kunden ankommt.
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Daneben gilt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 i.V.m. Satz 4 Nr. 2 11. BayIfSMV eine zweite Begrenzung der Kundenzahl für die einzelnen, im Einkaufszentrum gelegenen Ladengeschäfte. Abhängig von der Größe des jeweiligen in sich abgeschlossenen Ladens darf diesen wiederum nur eine bestimmte Zahl von Kunden betreten. Maßgeblich ist dabei - anders als auf der Ebene des Einkaufszentrums als Ganzem - die Verkaufsfläche des einzelnen Ladengeschäfts. Zur Auslegung dieses Begriffs kann auf baurechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 139. EL August 2020, § 11 BauNVO Rn. 53d m.w.N.).
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Im Ergebnis bestehen somit auch keine Unklarheiten darüber, ob die begünstigte (Verkaufs-)Fläche von 800 m² nur einmal oder mehrfach zu berücksichtigen ist (vgl. Nds. OVG, B.v. 17.12.2020 - 13 MN 552/20 - juris Rn. 17 ff., dem eine anders formulierte Regelung zugrunde lag). Die Begünstigung gilt hinsichtlich des Einkaufszentrums nur einmal und zudem auf der Ladenebene für jedes einzelne Ladengeschäft, bei der Berechnung der für dieses maßgeblichen (individuellen) Kundenhöchstzahl.
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c) Entgegen der Einwände der Antragstellerin liegt in den Regelungen zum Mindestabstandsgebot von 1,5 m (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 i.V.m. Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV) einerseits und zur zulässigen Anzahl von Kunden, bezogen auf eine bestimmte Fläche (§ 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 i.V.m. Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV) andererseits kein Widerspruch. Das Abstandsgebot verhindert, dass es - trotz Einhaltung der zulässigen Kundenhöchstzahl - dazu kommt, dass Personen zu engen Kontakt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich in den jeweiligen Bereichen auch Mitarbeiter aufhalten. Die Begrenzung der höchstzulässigen Kundenzahl soll flankierend dazu verhindern, dass sich zu viele Personen in einem bestimmten Einkaufszentrum bzw. in einem Ladengeschäft aufhalten. Eine zu starke Frequentierung könnte nämlich dazu führen, dass sich der Mindestabstand nicht mehr einhalten lässt, weil Besucherströme sich nicht mehr ausweichen können. Beide Regelungen verfolgen dasselbe Ziel, wirken dabei aber auf verschiedenen Ebenen und ergänzen sich so.
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d) Die Maßnahmen erweisen sich voraussichtlich als notwendig im Sinn des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG und als verhältnismäßig (vgl. Nds. OVG, B.v. 16.12.2020 - 13 MN 552/20 - juris Rn. 49 ff.).
35
Ziel ist die Eindämmung des Infektionsgeschehens und damit die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitswesens. Ausweislich der Begründung der streitgegenständlichen Verordnung (BayMBl. 2020 Nr. 738 vom 15.12.2020) liegt den fortdauernden Untersagungen sowie der Verschärfung einzelner Regelungen die sich fortsetzende Zuspitzung des Infektionsgeschehens zugrunde. Die zuvor ergriffenen Maßnahmen hatten keinen Rückgang der Fallzahlen herbeigeführt. Vielmehr überschreitet seit dem 21. Oktober 2020 die Zahl der neuen Fälle nach Meldedatum beinahe täglich den Höchstwert vom 1. April 2020 (damals 1988 Fälle nach Meldedatum). Die gestiegenen Fallzahlen spiegeln sich in der überdurchschnittlich hohen Sieben-Tage-Inzidenz für Bayern wider. Am 15. Dezember 2020 lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 193 und damit auf einem sehr hohen Niveau und über dem Bundesdurchschnitt (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-15-de.pdf? blob=publicationFile). Das Ziel des „Lockdown Light“, eine Sieben-Tage-Inzidenz von höchstens 50 (Schwellenwert) zu erwirken, wurde und wird nicht erreicht (Inzidenzwert am 20.12.2020 bundesweit 192, in Bayern 218, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-20-de.pdf? blob=publicationFile). Dies ist der Wert, bei dem erfahrungsgemäß eine Kontaktpersonennachverfolgung durch die Gesundheitsämter noch gewährleistet werden kann und der in § 28a Abs. 3 Satz 5, 9 und 10 IfSG als Orientierungswert für die Abgrenzung zwischen breit angelegten Schutzmaßnahmen und umfassenden Schutzmaßnahmen gesetzlich verankert ist. Die zunehmend kritische Situation zeigt sich auch an dem starken Anstieg der COVID-19-Patienten, die in den bayerischen Krankenhäusern behandelt werden müssen. Während am 28. Oktober noch 133 COVID-19-Patienten in Intensivbetten mit der Möglichkeit zur invasiven Beatmung behandelt wurden, waren es am 15. Dezember 2020 bereits 727. Einzelne Krankenhäuser und Leitstellen meldeten bereits, dass in ihrem Einzugsgebiet nur noch wenige Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit zur Verfügung stehen. Anders als in der ersten Welle im Frühjahr 2020 ist auch die Zahl der COVID-19-Patienten auf den Allgemeinpflegestationen in den Krankenhäusern stark angestiegen. Am 28. Oktober 2020 waren es 869 Patienten, die wegen einer SARS-CoV-2-Infektion im Krankenhaus auf einer Normalstation behandelt werden mussten; Stand 15. Dezember 2020 waren es bereits 3.483 Patienten (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 738, S. 1 f.).
36
Die Regelung ist zur Zielerreichung geeignet und auch erforderlich. Bei prognostischer Beurteilung zeigt sich kein gleich wirksames, die Normbetroffenen weniger belastendes (milderes) Mittel. Zwar können auch Hygienekonzepte im Einzelhandel zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der gegenwärtigen Phase der Pandemie, die von einem starken, diffusen Ausbruchsgeschehen mit zahlreichen regionalen Hotspots geprägt ist und in der ein Großteil der Infektionen nicht (mehr) zurückverfolgt werden kann, ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass vordringlich auf Einhaltung von Abstand und Hygiene ausgerichtete Maßnahmen nicht mehr genügen, sondern dass die Kontakte der Bevölkerung in bestimmten Bereichen insgesamt unterbunden werden müssten, um das Infektionsgeschehen einzudämmen (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 2 f.), nicht fehlerhaft. Hintergrund der Beschränkungen ist die nachvollziehbare (typisierende) Erwägung des Normgebers, dass es sich beim Einzelhandel um kontaktintensive Bereiche handelt, in denen unterschiedlichste Personen zufällig aufeinandertreffen können. Durch die Regelungen sollen zahlreiche Zufallskontakte vermieden und die Infektionsdynamik dadurch eingegrenzt werden (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 4).
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Gegen die Angemessenheit bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Die Regelungen zur Zugangsbeschränkung ermöglicht den betroffenen Geschäften weiterhin die Öffnung, anders als in vielen anderen Bereichen des Einzelhandels. Zwar führt sie dessen ungeachtet zu nicht unerheblichen Grundrechtseigriffen bei den Betroffenen, die aber - angesichts des gravierenden Anstiegs des Infektionsgeschehens in den letzten Wochen sowie der Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems - nicht außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe stehen.
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e) Ebenso wenig liegt der angegriffenen Bestimmung bei summarischer Prüfung ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zugrunde.
39
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, B.v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. - BVerfGE 98, 365/385 - juris Rn. 63; B.v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 - juris Rn. 40).
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Es sind aber nicht jegliche Differenzierungen verwehrt. Für die Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sein müssen, gilt grundsätzlich ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, B.v. 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris Rn. 10; B.v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 - BVerfGE 132, 179 - juris Rn. 30 f. m.w.N.). Der Umstand, dass ein Normgeber zur Bewältigung neuartiger Gefahrenlagen und Entwicklungen, die ein schnelles Eingreifen erfordern, für die es aber bisher an einem zuverlässigen Erfahrungswissen fehlt, Massenentscheidungen trifft, kann dabei Rückwirkungen auf die Maßstabsbildung entfalten (vgl. BayVerfGH, E.v. 21.10.2020 - Vf. 26-VII-20 - juris Rn. 24 m.w.N.).
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Die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte verstößt nicht schon dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Normgeber Differenzierungen, die ihm möglich wären, nicht vornimmt. Vielmehr erfährt der normative Gehalt der Gleichheitsbindung auch insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs. Es kommt darauf an, ob ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt und ob die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfG, B.v. 23.3.1994 - 1 BvL 8/85 - BVerfGE 90, 226/239 - juris Rn. 54; U.v. 16.3.2004 - 1 BvR 1778/01 - BVerfGE 110, 141/167 - juris Rn. 92 f., jew. m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit dem Normgeber bei der Beurteilung der Ausgangslage und der möglichen Auswirkungen der von ihm getroffenen Regelung eine Einschätzungsprärogative zukommt. Maßgeblich dafür sind vor allem die Eigenart des jeweiligen Sachbereichs und die Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter. Außerdem hängt der Prognosespielraum auch von der Möglichkeit des Normgebers ab, sich im Zeitpunkt der Entscheidung ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden (BVerfG, U.v. 16.3.2004 - 1 BvR 1778/01 - a.a.O. m.w.N.).
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bb) Eine Ungleichbehandlung durch die Begrenzung der zulässigen Kundenzahl auf Ebene des gesamten Einkaufszentrums ist im Vergleich zu Fußgängerzonen oder Geschäftsstraßen, bei denen der Zugang zu Läden grundsätzlich uneingeschränkt möglich ist, nach summarischer Prüfung nicht gegeben. Ladengeschäfte in Einkaufszentren bzw. vergleichbaren Einrichtungen müssen zwar angesichts der vorgelagerten Zutrittsbeschränkung um ein begrenztes Kundenkontingent konkurrieren, dies hängt aber mit ihrer besonderen Lage zusammen. Bei Verkehrsflächen in Einkaufszentren handelt es sich um Bereiche innerhalb eines Gebäudes, die in der Regel gut beheizt sind und zum Verweilen einladen sollen. Zum Konzept gehört es u.a., eine bequeme Erreichbarkeit der einzelnen Ladengeschäfte zu gewährleisten, ohne das Zentrum verlassen zu müssen, und Kunden so länger in der Einrichtung zu halten, vor allem in den kalten Wintermonaten. In der deutlich höheren Ansteckungsgefahr bei einem Aufenthalt in geschlossenen Räumen (vgl. auch Nds. OVG, B.v. 16.12.2020 - 13 MN 552/20 - juris Rn. 54) liegt daher ein wesentlicher Unterschied zu Geschäften, die außerhalb von Einkaufszentren liegen und durch öffentliche Straßen erschlossen werden (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 11.12.2020 - OVG 11 S 124/20 - juris Rn. 62 f.). Bei hoher Frequentierung eines Einkaufzentrums kann es auf den Verkehrsflächen zu vermehrten Zufallsbegegnungen innerhalb geschlossener Räume kommen, die noch dazu kaum nachverfolgbar sind. Die 11. BayIfSMV zielt aber gerade darauf ab, Ansammlungen in Gebäuden zu vermeiden und derartige Zufallskontakte zu minimieren.
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Der Einwand der Antragstellerin, aufgrund des Hausrechts könnten Ansammlungen durch wartende Kunden vor einzelnen Läden besser verhindert werden als in Fußgängerzonen, verfängt nicht. Ein längeres Warten im Freien dürfte gerade in der kalten Jahreszeit wenig attraktiv sein. Vor allem erscheint dies aber aus Sicht des Infektionsgeschehens deutlich ungefährlicher als das Warten und der Aufenthalt in geschlossenen Räumlichkeiten. Im Übrigen kann durch Anordnung einer Maskenpflicht auf zentralen Begegnungsflächen in Innenstädten oder an sonstigen öffentlichen Orten, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, das Infektionsrisiko in den entsprechenden Bereichen von Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen weiter gesenkt werden (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 11. BayIfSMV).
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cc) Die Gleichbehandlung von Einkaufszentren (in Bezug auf die zulässige Zahl an Kunden in der gesamten Einrichtung) und Kaufhäusern (soweit einzelne Abteilungen derzeit noch geöffnet haben dürfen) erscheint ebenfalls nicht sachwidrig. Es handelt sich bei beiden um großflächige Verkaufsstätten, die naturgemäß in der Lage sind, eine größere Anzahl an Kunden aufzunehmen, die wiederum aufgrund von Zufallskontakten zu einer Ausbreitung der Infektion beitragen können.
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Schließlich begegnet es auch keinen Bedenken, dass für die einzelnen Ladengeschäfte gemäß § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 11. BayIfSMV die Begrenzungen des § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 11. BayIfSMV eingreift, weil diese regelmäßig über abgeschlossene Räumlichkeiten verfügen. Es gilt zu verhindern, dass sich - unabhängig von der zulässigen Anzahl an Kunden im gesamten Einkaufszentrum - zu viele Personen in einem einzelnen Ladenlokal befinden.
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dd) Die unterschiedliche Behandlung der ersten 800 m² Verkaufsfläche eines Einzelhandelsbetriebs gegenüber der darüber hinausgehenden Fläche bei der Regelung der Zugangsbeschränkung erscheint nicht sachwidrig. Solange keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen vorliegen - was für die genauen Übertragungswege im Bereich des Einzelhandels nicht der Fall ist - vermag sich der Normgeber kein hinreichend sicheres Urteil über die Gefahren zu bilden, die eine bestimmte Personendichte in geschlossenen Räumen nach sich zieht. Daher erscheint es nachvollziehbar, mit der Verkaufsfläche von 800 m² eine auch für die Betroffenen gängige und ohne erheblichen Aufwand bestimmbare Größenordnung zu wählen. Dass diese dem Bauplanungsrecht entnommen wurde und mit ihr an sich andere Zielsetzungen verfolgt werden, ist dagegen unschädlich. Es ist nicht ersichtlich, dass dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht zu sachwidrigen Ergebnissen führen würde. Die Regelung dient letztlich der Steuerung von Kundenströmen und der Begrenzung von Ansammlungen in geschlossenen Räumen.
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3. Auch eine Folgenabwägung ergibt, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Schutzgüter, auf die sich die Antragstellerin beruft (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG), überwiegen.
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a) Das pandemische Geschehen ist weiterhin sehr angespannt. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 21. Dezember 2020 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-21-de.pdf? blob=publicationFile) ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Seit dem 4. Dezember 2020 ist ein starker Anstieg der Fallzahlen zu beobachten. Die Inzidenz der letzten sieben Tage liegt deutschlandweit bei 197 Fällen pro 100.000 Einwohner. In Sachsen und Thüringen liegt sie sehr deutlich über der Gesamtinzidenz. Seit Anfang September nimmt der Anteil älterer Personen unter den COVID-19-Fällen wieder zu. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Personen ≥ 60 Jahre liegt bei aktuell 194 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen, mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten sowie in Alten- und Pflegeheimen, aber auch in beruflichen Settings, in Gemeinschaftseinrichtungen und ausgehend von religiösen Veranstaltungen. Für einen großen Anteil der Fälle kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden. Nach dem starken Anstieg der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle bis Mitte November (von 879 Fällen am 20.10 [abrufbar unter https://www.divi.de/divi-intensivregister-tagesreport-archiv] auf 3.615 Fälle am 20. November 2020), hat sich dieser mittlerweile etwas verlangsamt, die Gesamtzahl steigt aber derzeit weiter an (5.216 am 22.12.2020, abrufbar unter https://www.intensivregister.de/ …aktuelle-lage/reports). Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein (vgl. Risikobewertung vom 11.12.2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/
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InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.htm).
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b) In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung - im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten - schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Rechte der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verpflichtet ist, müssen die Interessen der Betreiber von Einkaufszentren derzeit zurücktreten (vgl. auch BVerfG, B.v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 - juris Rn. 25; B.v. 11.11.2020 - 1 BvR 2530/20 - juris Rn. 12 ff.). Dabei ist sowohl zu berücksichtigen, dass der Bund den von den Maßnahmen betroffenen Unternehmen einen Ausgleich wirtschaftlicher Verluste in Aussicht gestellt hat (vgl. BayMBl. 2020 Nr. 738, S. 4 f.) als auch, dass wegen der Schließung wesentlicher Teile des Einzelhandels während der Geltungsdauer der 11. BayIfSMV die (weitere) Beschränkung des Kundenverkehrs in Einkaufszentren durch § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 und 2 11. BayIfSMV nur geringe praktische Bedeutung erlangen dürfte.
B.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 10. Januar 2021 außer Kraft tritt (§ 29 Abs. 1 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).