Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 05.03.2020 – Vf. 65-VI-18
Titel:

Verfassungsbeschwerde wegen Berufungsurteil des OLG wegen willkürlicher Nichtzulassung der Revision erfolgreich

Normenkette:
BV Art. 86 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
Aufhebung eines zivilgerichtlichen Berufungsurteils wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV).
Ist die Entscheidung des Berufungsgerichts mit einer von gefestigten und unbestrittenen Rechtsprechung des Revisionsgerichts, auf die eine Partei hingewiesen hat, unvereinbar, so ist die Nichtzulassung der Revision unhaltbar und verletzt das Recht auf den gerichtlichen Richter. (Rn. 21 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gesetzlicher Richter, Nichtzulassung, Revision, unhaltbar, Willkür
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 12.07.2018 – 8 U 3459/17
LG München I, Beschluss vom 12.06.2018 – 20 O 5738/15
Fundstellen:
BeckRS 2020, 3627
NZM 2020, 509
LSK 2020, 3627
NJW 2020, 3510

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12. Juni 2018 Az. 8 U 3459/17 verstößt gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV). Er wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
2. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12. Juni 2018 Az. 8 U 3459/17, mit dem seine Berufung gegen ein Teilurteil des Landgerichts München I gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wurde. Er wendet sich außerdem gegen den im selben Verfahren ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 12. Juli 2018, mit dem seine Gehörsrüge gegen den Beschluss vom 12. Juni 2018 zurückgewiesen wurde.
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1. Der Beschwerdeführer macht im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht München I gegen den Beklagten Auskunfts-, Herausgabe- und Zahlungsansprüche aus abgetretenem Recht geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts München vom 26. Januar 2010 wurde dem Rechtsanwalt M. (Nebenintervenient im Ausgangsverfahren) in einem Zwangsversteigerungsverfahren das Eigentum an einer Wohnung zugeschlagen. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht auf Antrag einer Gläubigerin gemäß § 94 ZVG die gerichtliche Verwaltung der Wohnung bis zur Zahlung oder Hinterlegung des zur Befriedigung der Ansprüche der Gläubigerin benötigten Geldbetrags an. Zum Verwalter der Wohnung wurde der Beklagte bestellt. Mit Beschluss vom 28. September 2012 hob das Amtsgericht die gerichtliche Verwaltung auf. In der Folgezeit warf der Nebenintervenient dem Beklagten vor, er habe keine nachvollziehbare Abrechnung über die Verwaltung der Wohnung vorgelegt, eingenommene Fremdgelder nicht ausgekehrt, keine Auskünfte über die Verwaltung erteilt und die im Rahmen seines Amtes als Verwalter erlangten Unterlagen nicht herausgegeben.
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In einer Vereinbarung vom 24. September 2014 trat der Nebenintervenient seine Ansprüche gegen den Beklagten im Zusammenhang mit der gerichtlichen Verwaltung der Wohnung an den Beschwerdeführer ab. Mit Stufenklage vom 12. Oktober 2014 machte dieser gegen den Beklagten folgende Ansprüche geltend:
- Erteilung verschiedener Auskünfte (Klageanträge 1 bis 3),
- Herausgabe einiger bestimmt bezeichneter Unterlagen (Klageantrag 4),
- Auskunftserteilung über die Korrespondenz des Beklagten mit Dritten betreffend die gerichtliche Verwaltung der Wohnung (Klageantrag 5),
- Herausgabe von Dokumenten, die der Beschwerdeführer nach Erteilung der Auskunft gemäß Klageantrag 5 im Einzelnen spezifizieren wird (Klageantrag 6),
- Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt (Klageantrag 7),
- Bezahlung eines Geldbetrags, den der Beschwerdeführer nach Erteilung der Auskünfte gemäß den Klageanträgen 1 bis 3 und 5 beziffern wird (Klageantrag 8).
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Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2014 begehrte der Beschwerdeführer ferner die Feststellung, dass der Beklagte ihm den Schaden ersetzen müsse, der dem Nebenintervenienten dadurch entstanden sei, dass der Beklagte den vormaligen Eigentümer S. ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung in der Wohnung habe wohnen lassen (Klageantrag 9).
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Mit Endurteil vom 30. Oktober 2015 wies das Landgericht die Klage insgesamt mit der Begründung ab, für die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ansprüche bestehe keine Anspruchsgrundlage. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München erklärten der Beschwerdeführer und der Beklagte die Klageanträge 1 bis 4 für erledigt. Mit Endurteil vom 22. September 2016 hob das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts vom 30. Oktober 2015 auf und verwies den Rechtsstreit zur Entscheidung über die noch anhängigen Anträge an das Landgericht zurück.
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Im Termin zur (erneuten) mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 9. Mai 2017 stellte der Beschwerdeführer den ursprünglichen Klageantrag 5 aus der Stufenklage vom 12. Oktober 2014 in folgender Fassung:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger im Wege einer geschlossenen systematischen nach Daten geordneten Aufstellung mitzuteilen, welche Korrespondenz (insbesondere Schreiben, Telefaxschreiben, E-Mail-Verkehr) zwischen dem Beklagten und den nachfolgend aufgeführten Personen in Bezug auf die gerichtliche Verwaltung Amtsgericht München - Vollstreckungsgericht, Az. 1510 K 199/08, vom Zeitpunkt der Anordnung der gerichtlichen Verwaltung bis heute existiert:
- dem Beklagten und der A. Bank AG, in deren Namen die gerichtliche Verwaltung betrieben worden ist,
- dem Beklagten und der (neuen) Mieterin Frau R.,
- dem Beklagten und dem Mieter des Garagenstellplatzes, Herrn D.,
- dem Beklagten und der WEG-Verwalterin der Wohnanlage, der jetzigen B.-GmbH,
- dem Beklagten und dem früheren Vollstreckungsschuldner, Herrn S.,
- dem Beklagten und der Stadtkasse M., Abteilung Grundsteuer,
- dem Beklagten und dem vom Beklagten beauftragten Makler,
- dem Beklagten und den (früheren) Mietern, Herrn K. und Frau U.
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Er stellte ferner die ursprünglichen Klageanträge 6, 7 und 8 aus der Stufenklage sowie den Klageantrag 9 aus dem Schriftsatz vom 31. Dezember 2014 und erklärte, nach seiner Auffassung sei zunächst nur über den Klageantrag 5 zu entscheiden. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und erklärte, er sei nicht bereit, die Auskünfte gemäß Klageantrag 5 zu erteilen. Mit Teilurteil vom 29. September 2017 wies das Landgericht die Klage in der Auskunftsstufe bezüglich des Klageantrags 5 ab. Im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren stehe dem Erwerber kein Anspruch auf Rechnungslegung und Herausgabe der für die Grundstücksverwaltung erforderlichen Originalunterlagen zu. Der gerichtlich bestellte Verwalter sei nur dem Gericht gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet.
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2. Mit seiner Berufung gegen das Urteil des Landgerichts verfolgte der Beschwerdeführer den auf Auskunftserteilung gerichteten Klageantrag 5 weiter. Das Landgericht habe verkannt, dass er keine Auskunft oder Rechnungslegung über Unterlagen begehre, die das gerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren vor der Zuschlagserteilung beträfen. Ihm gehe es ausschließlich um Unterlagen aus der Zeit nach der Zuschlagserteilung, als die ersteigerte Wohnung unter gerichtlicher Verwaltung nach § 94 ZVG gestanden habe. Hinsichtlich dieser Unterlagen seien die geltend gemachten Auskunfts- bzw. Rechnungslegungsansprüche des Erwerbers zu bejahen. Das Oberlandesgericht wies die Parteien mit Beschluss vom 13. April 2018 darauf hin, dass es erwäge, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts habe der Beschwerdeführer zwar grundsätzlich einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten. Dies ergebe sich aus § 94 Abs. 2 und § 154 ZVG. Dem Auskunftsbegehren gemäß Klageantrag 5 stehe jedoch entgegen, dass die Stufenklage kein Mittel zur Erlangung beliebiger Auskünfte sei, sondern akzessorisches Hilfsmittel zur Ermöglichung einer Leistungsklage auf der dritten Stufe. Der Beschwerdeführer besitze bereits alle Informationen, um eine Zahlungsklage in der dritten Stufe zu erheben. Er könne anhand der ihm vorliegenden Unterlagen insbesondere prüfen, ob und in welcher Höhe ihm Einnahmen dadurch entgangen seien, dass die Wohnung zu einem - aus seiner Sicht - nicht marktüblichen Mietpreis vermietet worden und der vormalige Eigentümer S. ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung zunächst in der Wohnung verblieben sei. Der Nebenintervenient wandte sich in mehreren Schriftsätzen gegen eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss. Er machte u. a. geltend, gegen den Beklagten bestehe gemäß § 667 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des gesamten im Rahmen der gerichtlichen Verwaltung der Wohnung angefallenen Schriftverkehrs. Das Auskunftsbegehren gemäß Klageantrag 5 diene der Vorbereitung dieses Herausgabeanspruchs und werde rechtlich auf § 666 Alt. 2 und § 667 i. V. m. § 260 Abs. 1 Alt. 1 BGB gestützt. Der Beschwerdeführer benötige die mit dem Auskunftsbegehren verfolgten Informationen, um einen den prozessualen Anforderungen genügenden bestimmten Leistungsantrag auf Herausgabe der Unterlagen stellen zu können. Der (bislang noch unbestimmte) Antrag auf Herausgabe von Unterlagen (Klageantrag 6) sei ein eigener Leistungsantrag, der unabhängig vom (bislang noch unbestimmten) Zahlungsantrag (Klageantrag 8) geltend gemacht werde.
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Mit dem angegriffenen Beschluss vom 12. Juni 2018 wies das Oberlandesgericht die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Teilurteil des Landgerichts gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Es nahm dabei im Wesentlichen auf den Hinweisbeschluss vom 13. April 2018 Bezug. Der Beschwerdeführer überspanne die Möglichkeiten einer Stufenklage. Er verfolge mit dem Auskunftsbegehren außerdem verfahrensfremde Ziele, da er - wie er selbst eingeräumt habe - die herausverlangten Unterlagen auch zur Abwehr von Strafanzeigen des Beklagten und zur „Unterfütterung“ von Gegenanzeigen einsetzen wolle.
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3. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2018 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO gegen den Beschluss vom 12. Juni 2018. Er machte u. a. geltend, das Oberlandesgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es nicht auf sein Vorbringen eingegangen sei, er benötige die Auskünfte gemäß Klageantrag 5, um einen bestimmten Leistungsantrag hinsichtlich der Herausgabe der Unterlagen stellen zu können (Klageantrag 6). Mit dem angegriffenen Beschluss vom 12. Juli 2018 wies das Oberlandesgericht die Gehörsrüge als unbegründet zurück. Auch die herausverlangten Unterlagen (Klageantrag 6) müssten Bezug zum Schadensersatzanspruch (Klageantrag 8) aufweisen. Weil der Beschwerdeführer schon alle Informationen habe, die er zur Bezifferung eines Schadensersatzspruchs benötige, bestehe kein Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen.
II.
12
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) und des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz.
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1. Art. 91 Abs. 1 BV sei verletzt, weil das Oberlandesgericht die Berufung mit dem Argument zurückgewiesen habe, er benötige die mit Klageantrag 5 begehrten Auskünfte nicht, um das Zahlungsbegehren gemäß Klageantrag 8 schlüssig begründen zu können. Das Oberlandesgericht habe insoweit übersehen, dass er in der dritten Stufe zwei unbestimmte Leistungsanträge gestellt habe, nämlich das Herausgabebegehren hinsichtlich der Unterlagen (Klageantrag 6) und das Zahlungsbegehren (Klageantrag 8). Sein Vorbringen, er benötige die Auskünfte gemäß Klageantrag 5 für das Herausgabebegehren hinsichtlich der Unterlagen, habe das Oberlandesgericht offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen.
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2. Die angegriffenen Beschlüsse verstießen gegen den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, den Anspruch auf rechtliches Gehör und den Anspruch auf den gesetzlichen Richter, weil das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen habe, ohne die Revision zuzulassen. Aufgrund der Zurückweisung des Auskunftsanspruchs gemäß Klageantrag 5 sei es ihm unmöglich geworden, einen hinreichend bestimmten Klageantrag hinsichtlich der begehrten Herausgabe von Unterlagen zu stellen. Sollte das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen sein, die herauszugebenden Unterlagen müssten im Klageantrag 6 nicht im Einzelnen bezeichnet werden, weiche es von der bisher einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ab und hätte die Revision zulassen müssen.
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3. Das Oberlandesgericht hätte die Revision auch hinsichtlich der Frage zulassen müssen, ob der Umfang des materiellrechtlichen Auskunftsanspruchs gemäß § 666 Alt. 2 BGB eingeschränkt sei, wenn die Auskunft nicht isoliert, sondern in der ersten Stufe einer Stufenklage begehrt werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setze der Anspruch gemäß § 666 Alt. 2 BGB nicht voraus, dass die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt werde. Da das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen von dieser Rechtsprechung offenbar abweichen wolle, wenn der Auskunftsanspruch in der ersten Stufe einer Stufenklage verfolgt werde, hätte es die Revision zulassen müssen. Die Nichtzulassung der Revision verstoße gegen den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV.
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4. Die angegriffenen Beschlüssen verstießen außerdem gegen Art. 91 Abs. 1 BV, weil das Oberlandesgericht die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen habe, obwohl eine mündliche Verhandlung geboten gewesen sei (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Eine mündliche Verhandlung müsse stets durchgeführt werden, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung - wie im vorliegenden Fall - auf andere rechtliche Erwägungen stütze als das Gericht der ersten Instanz.
III.
17
1. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen.
18
2. Dem Beklagten des Ausgangsverfahrens wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
IV.
19
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verstoßen gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV).
20
Gerichtliche Entscheidungen können im Verfassungsbeschwerdeverfahren nur in engen Grenzen überprüft werden. Der Verfassungsgerichtshof ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde ist nur zu prüfen, ob das Gericht gegen die vom Beschwerdeführer bezeichneten Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen hat, die ein subjektives Recht verbürgen. Gegenüber der Anwendung von Bundesrecht, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat (Art. 118 Abs. 1 BV). In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das - wie z. B. das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) - mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.2.2019 - Vf. 67-VI-17 - juris Rn. 17 m. w. N.).
21
1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beschwerdeführers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und dementsprechend die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Hierdurch hat es gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen.
22
Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV gewährleistet zum einen, dass die Zuständigkeit des Gerichts rechtssatzmäßig festgelegt sein muss, untersagt aber auch jede willkürliche Verschiebung innerhalb der Justiz. Es darf kein anderer als der Richter tätig werden und entscheiden, der in den allgemeinen Normen der Gesetze und in den Geschäftsverteilungsplänen dafür vorgesehen ist (VerfGH vom 15.11.2018 - Vf. 10-VI-17 - juris Rn. 18 m. w. N.). Das Recht auf den gesetzlichen Richter kann auch dann verletzt sein, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren ein Rechtsmittel nicht zulässt und dadurch eine Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz verhindert. Eine Grundrechtsverletzung liegt insoweit vor, wenn einer Partei der gesetzliche Richter durch eine willkürliche, offensichtlich unhaltbare Entscheidung entzogen wird (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.7.2010 VerfGHE 63, 119/126; vom 7.2.2019 - Vf. 60-VI-17 - juris Rn. 42 m. w. N.). Das ist hier der Fall.
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a) Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Danach ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts insbesondere in den Fällen einer Divergenz geboten, also wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts (BGH vom 27.3.2003 NJW 2003, 1943/1945 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund hätte das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall die Revision gegen seine die Berufung zurückweisende Entscheidung zulassen müssen:
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aa) Das Oberlandesgericht ist bei seinem Beschluss vom 12. Juni 2018 - anders als das Landgericht in seinem klageabweisenden Teilurteil - davon ausgegangen, dass Auskunftsansprüche des Beschwerdeführers gegen den Beklagten grundsätzlich in Betracht zu ziehen sind. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach zwischen einem durch Hoheitsakt bestellten Verwalter fremden Vermögens und dem Vermögensinhaber ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht, das eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat (BGH vom 24.6.1957 NJW 1957, 1361). Hiervon ausgehend ist es folgerichtig, dem Vermögensinhaber Auskunfts- und Herausgabeansprüche in entsprechender Anwendung der §§ 666, 667 BGB zuzubilligen. Der Bundesgerichtshof hat Herausgabeansprüche des Erwerbers eines Grundstücks gegen den Zwangsverwalter in analoger Anwendung des § 667 BGB ausdrücklich bejaht, wenn die Zwangsverwaltung über den Zuschlag hinaus fortgeführt wird (BGH vom 11.10.2007 NZM 2008, 100/101; vgl. auch BGH vom 17.11.2011 NZI 2012, 255 Rn. 16).
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bb) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts soll der geltend gemachte Auskunftsanspruch im vorliegenden Fall jedoch deswegen ausgeschlossen sein, weil der Beschwerdeführer bereits über alle Informationen verfüge, um eine Schadensersatzklage auf der dritten Stufe der erhobenen Stufenklage zu beziffern. Mit dieser Rechtsauffassung setzt sich das Oberlandesgericht in Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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(1) Ausweislich der Begründung des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses vom 12. Juli 2018 hat das Oberlandesgericht nicht verkannt, dass das Auskunftsbegehren gemäß Klageantrag 5 dazu dienen soll, dem Beschwerdeführer die erforderlichen Informationen für die Konkretisierung des Herausgabeanspruchs gemäß Klageantrag 6 (Herausgabe des Schriftverkehrs) zu verschaffen. Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Beschwerdeführers, das Oberlandesgericht habe übersehen, dass er in der dritten Stufe zwei unbestimmte Leistungsanträge gestellt habe (Klageantrag 6 sowie Klageantrag 8), und dadurch gegen Art. 91 Abs. 1 BV verstoßen.
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(2) Das Oberlandesgericht hat auch nicht in Abrede gestellt, dass ein Anspruch des Beschwerdeführers gegen den Beklagten auf Herausgabe des im Rahmen der Verwaltung nach § 94 ZVG angefallenen Schriftverkehrs mit Dritten (Klageantrag 6) in analoger Anwendung des § 667 BGB grundsätzlich besteht und dass der Beschwerdeführer zur Vorbereitung des Herausgabeantrags einen Auskunftsanspruch (Klageantrag 5) in analoger Anwendung des § 666 BGB geltend machen kann. Insoweit besteht ebenfalls kein Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH vom 30.11.1989 NJW 1990, 510/511 Rn. 19; vom 23.5.1989 NJW-RR 1989, 1206).
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(3) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts soll der Auskunftsanspruch (Klageantrag 5) im vorliegenden Fall jedoch daran scheitern, dass der herausverlangte Schriftverkehr mit Dritten (Klageantrag 6) nicht benötigt werde, um einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu beziffern. Da der Beschwerdeführer schon alle Unterlagen habe, die er brauche, um die Klage auf der dritten Stufe (Klageantrag 8) zu beziffern, bestehe kein Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen gemäß Klageantrag 6. Mit dieser Rechtsauffassung setzt sich das Oberlandesgericht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren in seinen Schriftsätzen vom 4. Mai 2017 (dort Seite 2 = Bl. 310 der Akten des Ausgangsverfahrens), vom 5. Januar 2018 (dort Seite 12 = Bl. 376 der Akten des Ausgangsverfahrens) und vom 2. Juli 2018 (dort Seite 9 = Bl. 455 der Akten des Ausgangsverfahrens) wiederholt angeführt hat. Weder der Auskunftsanspruch nach § 666 BGB noch der Herausgabeanspruch nach § 667 BGB setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Anspruchsteller die benötigten Informationen oder Unterlagen zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt (vgl. z. B. BGH vom 28.2.1989 BGHZ 107, 104/108; vom 30.1.2001 NJW 2001, 1486; vom 3.11.2011 NJW 2012, 59 Rn. 13). Der Bundesgerichtshof erklärt die weitreichenden Informations- und Herausgabepflichten des Beauftragten damit, dass dieser seine Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers ausübe. Für die Geltendmachung der Ansprüche genüge daher das allgemeine Interesse des Auftraggebers, die Tätigkeit des Beauftragten zu kontrollieren (BGH NJW 2012, 59 Rn. 12, 13). Mit dieser gefestigten und - soweit ersichtlich - unbestrittenen Rechtsprechung ist es nicht in Einklang zu bringen, dass das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall sowohl den Auskunftsanspruch als auch den Anspruch auf Herausgabe der begehrten Unterlagen davon abhängig machen will, dass sie „Bezug auf den Schadensersatzanspruch haben“.
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cc) Die angegriffenen Beschlüsse enthalten keinerlei Begründung dafür, weshalb die oben dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Fall des Beschwerdeführers nicht zur Anwendung kommen soll. Das Argument des Oberlandesgerichts, die Stufenklage sei „kein Mittel zum Erlangen beliebiger/beliebig vieler Auskünfte, sondern [ist] akzessorisches Hilfsmittel zum Ermöglichen einer Klage (meist Zahlungsklage) auf der dritten Stufe“, greift ersichtlich zu kurz. Der Beschwerdeführer hat sein Auskunftsbegehren gemäß Klageantrag 5 ausdrücklich damit begründet, dass er die Informationen benötige, um auf der dritten Stufe einen den prozessualen Anforderungen genügenden Herausgabeantrag (Klagantrag 6) hinsichtlich der Unterlagen formulieren zu können, die der Beklagte im Rahmen der Verwaltung nach § 94 ZVG erlangt hat. Das Oberlandesgericht zieht diese Argumentation nicht in Zweifel und hätte dementsprechend - ausgehend von seinem Verständnis der Stufenklage als „akzessorisches Hilfsmittel zum Ermöglichen einer Klage“ - zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass das Auskunftsbegehren gemäß Klageantrag 5 dazu dient, eine Klage auf der dritten Stufe (nämlich das Herausgabebegehren gemäß Klageantrag 6) zu ermöglichen, und somit im Rahmen der Stufenklage geltend gemacht werden kann. Weshalb das Oberlandesgericht hiervon abgehen und den Herausgabeanspruch hinsichtlich der Unterlagen als Klageanspruch der dritten Stufe nur zusprechen will, wenn er „Bezug auf den Schadensersatzanspruch“ hat, den der Beschwerdeführer als weiteren Klageanspruch der dritten Stufe geltend macht, erschließt sich nicht.
30
dd) Die Nichtzulassung der Revision ist im vorliegenden Fall als unhaltbar anzusehen. Das Oberlandesgericht hat ohne nachvollziehbare Begründung entgegen der ersichtlich einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden, obwohl der Beschwerdeführer in seinen Schriftsätzen an das Oberlandesgericht mehrfach ausdrücklich auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Bezug genommen hatte. Bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze ist nicht mehr verständlich, weshalb das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist, ohne dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Revision zum Bundesgerichtshof zu eröffnen. Eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO war vor diesem Hintergrund offensichtlich sachwidrig. Die angegriffenen Beschlüsse vom 12. Juni und 12. Juli 2018 beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof im Fall der Zulassung der Revision einen Auskunftsanspruch des Beschwerdeführers bejaht hätte.
31
2. Ob die angegriffenen Beschlüsse auch gegen Art. 91 Abs. 1 BV oder andere Grundrechte der Bayerischen Verfassung verstoßen, bedarf keiner Erörterung.
32
3. Mit der Aufhebung des Beschlusses vom 12. Juni 2018 wird der Beschluss vom 12. Juli 2018 gegenstandslos (VerfGH vom 14.7.2014 VerfGHE 67, 175 Rn. 26). Eine gesonderte Aufhebung ist nicht geboten.
V.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 VfGHG).