Inhalt

OLG München, Beschluss v. 11.03.2020 – 34 AR 235/19
Titel:

Keine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses bei bewusster Verfahrtensentledigung

Normenkette:
ZPO § 32, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Leitsätze:
1. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses kann entfallen, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht gleichwohl über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist und weitere Anhaltspunkte vorliegen, die erkennen lassen, dass der Richter sich bewusst des Verfahrens entledigen wollte. (Rn. 16)
2. Solche Anhaltspunkte können vorliegen, wenn dem verweisenden Gericht am Wohnsitz des Käufers in einer Klage gegen den Hersteller in vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Verfahren bereits in einer früheren Bestimmungsentscheidung eine vertiefte Prüfung der Ermittlung der Belegenheit des Vermögens nahegelegt wurde und es wiederum, ohne darauf einzugehen, mit derselben Begründung verweist. (Rn. 17)
Schlagworte:
Verweisung, Beschluss, Bindungswirkung, Verfahrensentledigung
Fundstellen:
MDR 2020, 753
MDR 2020, 907
BeckRS 2020, 3497
LSK 2020, 3497

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht München II.

Gründe

I.
1
Mit seiner zum Landgericht München II (Az. zunächst: 2 O 5565/18) erhobenen Klage vom 21.12.2018 begehrt der im Bezirk dieses Landgerichts wohnhafte Kläger von der im Bezirk des Landgerichts Braunschweig ansässigen Beklagten u.a. Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückgabe eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Diesel-Fahrzeugs. Das Fahrzeug hatte er im Dezember 2011 bei einem Autohändler im Bezirk des Landgerichts München I erworben. In der, der Klage als Anlage beigefügten, verbindlichen Bestellung vom 27.12.2011 ist bei Zahlungsbedingungen angekreuzt „Barzahlung“.
2
Der Kläger führt aus, die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs unter Verschweigen der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB begangen. Der Kläger hätte das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben, wenn er gewusst hätte, dass dieses nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Die Beklagte habe auch mit Schädigungsabsicht gehandelt. Bei einer Aktiengesellschaft müsse der Vorsatz gemäß § 31 BGB beim Vorstand, einem Mitglied des Vorstands oder einem anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter vorliegen. Insoweit sei die Lehre vom Organisationsmangel anwendbar, wonach die juristische Person verpflichtet sei, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabegebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig sei, der die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen habe. Entspreche die Organisation dem nicht, sei die juristische Person so zu behandeln, als wäre der tatsächlich eingesetzt Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter. Der Gesetzgeber verpflichte den Vorstand dafür Sorge zu tragen, dass er in wichtige Entscheidungen eingebunden ist. Tue dies der Vorstand nicht, so sei er so zu behandeln, als sei er eingebunden gewesen. Die Entscheidung die Öffentlichkeit über die Einhaltung von Abgasgrenzwerten zu täuschen sei eine solche Entscheidung. Des weiteren hafte die Beklagte §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
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Mit Verfügung vom 28.1.2019 hat das Landgericht München II die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und darauf hingewiesen, dass gegen seine örtliche Zuständigkeit Bedenken bestünden; dies hat es nochmals mit Verfügung vom 16.4.2019 den Parteien mitgeteilt.
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Mit Schriftsatz vom 22.5.2019 beantragte der Kläger, mit dem Hinweis, dass er weiterhin von der Zuständigkeit des Landgerichts München II ausgehe, Verweisung an das Landgericht München I. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 14.6.2019 mit einer Verweisung an das Landgericht München I einverstanden.
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Mit Beschluss vom 2.7.2019 hat sich das Landgericht München II für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Landgericht München II sei nicht zuständig, da der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO nicht gegeben sei. Der Tatort einer unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO liege überall, wo auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden sei. Beim Betrugsvorwurf liege folglich ein Begehungsort jedenfalls auch da, wo die Täuschungshandlung einen Irrtum erregt und/oder die - schädigende - Vermögensverfügung ausgelöst habe. Nach der Darstellung in der Klage sei dies in München geschehen. Aus der als Anlage vorgelegten verbindlichen Bestellung gehe hervor, dass der Vertrag in München geschlossen wurde, die Zahlung des Kaufpreises in München erfolgte, ebenso die Übergabe des Fahrzeugs. Damit habe sich also eine etwaige Täuschung, ein etwaiger Irrtum, eine etwaige Vermögensverfügung und ein etwaiger Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB in München ereignet. Die Unterzeichnung des Kaufvertrages stelle eine Vermögensverfügung dar. Vermögensverfügung sei jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn führt. Dazu gehöre auch die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung. Der Kläger habe den nach seinem Vorbringen nicht der kaufvertraglichen Vereinbarung entsprechenden Pkw auch in München übereignet erhalten, was den Vermögensschaden darstelle. Maßgeblich für die Schadensbeurteilung sei der Kaufgegenstand, nicht das sonstige Vermögen des Klägers. Damit sei in München der Vermögensschaden eingetreten. Das am Wohnort des Klägers befindliche Vermögen sei davon nicht betroffen.
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Das Landgericht München I (Az.: 34 O 10737/19) hat nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 3.9.2019 die Übernahme abgelehnt und das Verfahren an das Landgericht München II zurückverwiesen. Der Beschluss des Landgerichts München II entfalte keine Bindungswirkung, da die Verweisung objektiv willkürlich erscheine. Verneint werde die Bindung bei einer Verweisung durch ein nach Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verweisung zuständiges Gericht unter Übergehung einer eindeutigen Zuständigkeitsvorschrift. Vorliegend habe das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 23.1.2019, dessen Grundlage ein Verfahren des Landgerichts München II (Az.: 2 O 401/18) gewesen sei, entschieden, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO der Begehungsort der deliktischen Handlung sei, mithin sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort. Es sei allgemeine Meinung, dass bei Ansprüchen aus Delikt, bei denen der Eintritt eines Schadens als Erfolg der Handlung ein Teil des Haftungstatbestandes sei, auch der Erfolgsort, d.h. der Wohnsitz des Geschädigten, als Handlungsort im Sinne des § 32 ZPO anzusehen sei. Weiterhin habe das Bayerische Oberste Landesgericht entschieden, dass in dem gegen den Hersteller gerichteten Verfahren über Individualklagen aus Anlass des sogenannten Abgasskandals eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO sowohl bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers als auch am Wohnsitz des Käufers zu bejahen sei. Dieser Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts sei dem Landgericht München II vor Erlass des Verweisungsbeschlusses in diesem Verfahren bekannt gewesen. Mithin habe das Landgericht München II in Kenntnis der Zuständigkeit am Wohnsitz des Käufers seine Zuständigkeit dennoch abgelehnt und das Verfahren in das Landgericht München I verwiesen.
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Mit Entscheidung vom 2.10.2019 hat das Landgericht München II (Az. nunmehr: 2 O 3426/19) beschlossen, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorzulegen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Landgericht München II habe sich mit seiner etwaigen Zuständigkeit nach § 32 ZPO auseinandergesetzt. Es fehle daher an einer willkürlichen Entscheidung. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe es in der vom Landgericht München II zitierten Entscheidung dahinstehen lassen, ob der Verweisungsbeschluss rechtsfehlerhaft gewesen sei, und weiter ausgeführt, das Landgericht München II habe mit vertretbarer Begründung seine Zuständigkeit verneint. Eine gegebenenfalls unzutreffende rechtliche Subsumtion im Rahmen der Prüfung der einzigen in Betracht kommenden Zuständigkeitsnorm begründe keinen derart schwerwiegenden Rechtsfehler, dass der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden könne.
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Mit Verfügung vom 2.12.2019 hat das Landgericht München II die Akten dem Oberlandesgericht München (Az.: 34 AR 235/19) vorgelegt.
II.
9
Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Oberlandesgericht München, zu dessen Bezirk beide Landgerichte gehören, liegen vor. Das Landgericht München II und das Landgericht München I haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt; das Landgericht München I durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 2.7.2019 (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das Landgericht München II durch Zurückverweisungsbeschluss vom 3.9.2019. Eine solche Zuständigkeitsleugnung genügt den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (vgl. BGH NJW-RR 2013, 764; OLG Hamm NJW 2016, 172; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 40. Aufl. § 36 Rn. 23 m. w. N.).
10
1. Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten unanfechtbar. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (st. Rechtspr.; BGHZ 102, 338/340; BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger ZPO 33. Aufl. § 281 Rn. 16). Die Bindungswirkung entfällt nicht schon dann, wenn der ergangene Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist, sondern nur dann, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (BGH NJW 2002, 3634/3635; NJW-RR 2013, 764/765; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 m. w. N.). Dies ist der Fall, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich erachtet werden muss. Jedoch lässt bloßer Rechtsirrtum die Bindungswirkung nicht entfallen (BGH NJW-RR 1992, 902; NJW-RR 2011, 1364; Zöller/Greger § 281 Rn. 17). Nur bei groben Rechtsirrtümern (z.B. BGH NJW 2002, 3634/3635) fehlt es an der Bindung.
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2. Das Landgericht München I ist nicht aufgrund des Verweisungsbeschlusses Landgerichts München II vom 2.7.2019 als zuständig zu bestimmen, da dieser Beschluss keine Bindungswirkung entfaltet.
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aa) Zur Begründung des besonderen Gerichtsstands nach § 32 ZPO ist erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bzw. unerlaubten Handlung ergibt (Zöller/Schultzky § 32 Rn. 21 m. w. N.). Ob die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich bestehen, hat der Senat nicht zu prüfen. Der Ort, an dem im Sinne des § 32 ZPO eine unerlaubte Handlung begangen ist (Begehungsort), ist sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort), sowie, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestandsmerkmal der Rechtsverletzung gehört, der Ort des Schadenseintritts (BGH NJW 1996, 1411; BayObLG MDR 2003, 893; BayObLG NJOZ 2004, 2528; OLG Düsseldorf NJW-RR 2018, 573; Touissant in BeckOK ZPO 30. Edition § 32 Rn. 12.1; Rn. 13; Zöller/Schultzky § 32 Rn. 19). Bei der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB ist die Zufügung eines Schadens - einschließlich aller Arten von Vermögensschäden (Palandt/Sprau BGB 79. Aufl. § 826 Rn. 3 m. w. N.) - Tatbestandsmerkmal. Hier dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt einen Vermögensschaden gemäß § 826 BGB dar (BayObLG BeckRS 2019, 15058; BGH NJW-RR 2015, 275; BGH NJW 2014, 383). In diesen Fällen ist der Ort, an dem in das Vermögen als geschütztes Rechtsgut eingegriffen wird, regelmäßig der Wohnsitz des Geschädigten, da sich der Eingriff unmittelbar gegen das Vermögen als Ganzes richtet (BGH NJW-RR 2019, 238; BayObLG BeckRS 2019, 15058).
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Bei mehreren Begehungsorten hat der Kläger grundsätzlich die Möglichkeit der Wahl zwischen den einzelnen Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO (Zöller/Schultzky § 32 Rn. 21), die durch Klageerhebung ausgeübt wird. Die einmal getroffene Wahl ist für den Prozess endgültig und unwiderruflich (Hüßtege in Thomas/Putzo § 35 Rn. 2).
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bb) Der Kläger hat die erforderlichen Tatsachen für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bzw. aus unerlaubter Handlung schlüssig behauptet. In den gegen Hersteller gerichteten Verfahren über Individualklagen aus Anlass des sogenannten Dieselskandals wird eine Zuständigkeit grundsätzlich wahlweise bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers oder am Wohnsitz des Käufers bejaht (BayObLG BeckRS 2019, 15058; OLG Hamm NJW-RR 2019, 186; OLG Düsseldorf NJW-RR 2018, 573; OLG Stuttgart BeckRS 2018, 10638; Vossler in NJW 2018, 2201 [Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 6.6.2018, X ARZ 303/18]; Longrée in MDR 2018, 1348), in letzterem Fall dann, wenn sich der Eingriff unmittelbar gegen das Vermögen als Ganzes richtet. Nach dem Vorbringen des Klägers ist die Annahme des Erfolgsorts der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB an seinem Wohnsitz schlüssig dargetan. Denn durch die Eingehung einer Verbindlichkeit, die er in Kenntnis des Vorliegens der Manipulation nicht eingegangen wäre und die deshalb „ungewollt“ war, hat er sich mit seinem gesamten Vermögen insgesamt dem Anspruch des Vertragspartners auf Kaufpreiszahlung ausgesetzt. Bereits dadurch ist der Vermögensschaden i.S.d. § 826 BGB am Wohnsitz des Klägers eingetreten. Die Begleichung des Kaufpreises hat diesen Schaden nur perpetuiert.
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cc) Dies hat das Landgericht München II rechtsfehlerhaft nicht beachtet, was zu einer Bewertung der Entscheidung als willkürlich führt.
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Da eine Verweisung die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichts voraussetzt, kann die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfallen, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht gleichwohl über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist. Zwar genügen bloße inhaltliche Unrichtigkeit oder sonstige Fehlerhaftigkeit grundsätzlich nicht, um Willkür zu bejahen (BGH NJW-RR 2002, 1498). Es bedarf zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen. Objektive Willkür kann aber durchaus anzunehmen sein, sofern weitere Anhaltspunkte vorliegen, die erkennen lassen, dass der Richter sich bewusst des Verfahrens entledigen wollte, was vorliegend nicht auszuschließen ist.
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Denn das Landgericht München II hätte Anlass zu einer vertieften Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit gehabt, insbesondere im Hinblick auf die ihm bekannte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22.1.2019 (= BeckRS 2019, 5991), die ebenfalls ein Verfahren der auch hier zuständigen 2. Zivilkammer des Landgerichts München II betraf. In dieser Entscheidung bejaht das Bayerische Oberste Landesgericht eindeutig eine Zuständigkeit bei gegen den Hersteller gerichteten Individualklagen auch am Wohnsitz des Käufers. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in dem betreffenden Beschluss explizit darauf hingewiesen, dass das Landgericht München II ohne vertiefte Prüfung davon ausgegangen sei, dass der Gerichtsstand des Delikts nicht am Wohnsitzgericht des Verletzten gegeben sei, weil lediglich auf den Ort der Vermögensschädigung durch Übereignung eines minderwertigen Fahrzeugs, nicht aber auf das Vermögen und dessen - nicht weiter ermittelte - Belegenheit insgesamt abzustellen sei. Den Gründen der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist zu entnehmen, dass das Landgericht München II in der damaligen Entscheidung die Verweisung mit den gleichen Argumenten wie im vorliegenden Verfahren begründet und demzufolge bei dem erneuten Verweisungsbeschluss vom 2.7.2019 die Entscheidung des Bayerischen Oberste Landesgerichts völlig unberücksichtigt gelassen hat. Denn eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts, insbesondere zu der ausdrücklich angesprochenen fehlenden Ermittlung der Belegenheit des Vermögens, lässt der Verweisungsbeschluss vom 2.7.2019 vermissen. Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht die damalige Verweisung noch nicht als willkürlich angesehen, wie auch das Landgericht München II in seiner Vorlageverfügung vom 2.12.2019 bemerkt hat. Derartige Bewertungen können sich aber durchaus ändern (Fischer MDR 2020, 75), insbesondere wenn man berücksichtigt, dass, wie auch der Senat bereits in der Entscheidung vom 13.8.2019 (Az.: 34 AR 111/19 = NJW-RR 2019, 1369) angemerkt hat, mittlerweile in einer Vielzahl veröffentlichter obergerichtlicher Entscheidungen sowie in der Literatur die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 32 ZPO bei Klagen gegen den Hersteller in vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Verfahren ausführlich erörtert wird. Dabei ist einhellige Meinung, dass grundsätzlich wahlweise die Zuständigkeit an jedem Begehungsort (Handlungs-, Erfolgs- oder Schadensort) begründet sein kann (BayObLG BeckRS 2019, 5991; Senat vom 13.8.2019, Az.: 34 AR 111/19 = NJW-RR 2019, 1369; OLG Hamm NJW-RR 2019, 186; OLG Hamm BeckRS 2018, 38057; OLG Düsseldorf NJW-RR 2018, 573; OLG Stuttgart BeckRS 2018, 10638; Vossler NJW 2018, 2201 - Anm. zu BGH NJW 2018, 2200; Longrée MDR 2018, 1348). Eine Verweisung, die dies negiert ist daher als objektiv willkürlich anzusehen.
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Demzufolge ist das Landgericht München II als örtlich zuständig zu bestimmen.