VGH München, Urteil v. 02.12.2020 – 12 BV 20.1951
Titel:
Kostenerstattung für heilpädagogische Wohnheimunterbringung
Normenketten:
SGB VIII § 10
SGB IX § 16 Abs. 1, § 49 Abs. 7 Nr. 1
Leitsätze:
1. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (SGB III) und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) kommt es aufgrund des Fehlens einer eindeutigen gesetzlichen Regelung maßgeblich auf die überwiegende Zielsetzung der konkreten Maßnahme - deren Schwerpunkt - an. (Rn. 30)
2. Die Zuständigkeit der Jugendhilfe ist demnach dann gegeben, wenn als Leistungszweck die psychosoziale Betreuung dominiert, es sich mit anderen Worten um eine in jeder Hinsicht eigenständige psychologische, pädagogische oder sonstige, von der beruflichen Rehabilitation unabhängige, isolierte erzieherische Maßnahme handelt. In diesem Fall hat das Jugendamt die Kosten für die aus erzieherischen und (sozial-) rehabilitativen Gründen erforderliche auswärtige (heilpädagogische) Unterbringung auch dann zu tragen, wenn daneben berufliche Maßnahmen gewährt werden; nur speziell für diese hat die Bundesagentur aufzukommen. (Rn. 31 – 32)
3. Erfolgt die auswärtige Unterbringung hingegen zum Zweck der schulischen oder beruflichen Eingliederung, so sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III gegenüber Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch VIII vorrangig. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn eine auswärtige Unterbringung Verhaltens- bzw. Reifedefizite des Hilfeempfängers reduzieren soll, um die Berufsvorbereitung zu unterstützen und insoweit den Erfolg der Teilhabeleistungen und der beruflichen Eingliederung zu ermöglichen. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Maßnahme oder den jeweils zugrunde gelegten Betreuungsschlüssel, sondern auf den tatsächlich befriedigten Bedarf des Hilfeempfängers an. (Rn. 33 und 37)
Schlagworte:
Unterbringung in heilpädagogischem Wohnheim, Kostenerstattung, Eingliederungshilfe, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Behinderung, Unterbringung, Wohnheim, Arbeitsleben, Zuständigkeitsabgrenzung, Jugendhilfe, Bundesagentur für Arbeit
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 07.07.2020 – Au 3 K 18.1900
Fundstellen:
BayVBl 2021, 233
LSK 2020, 34834
BeckRS 2020, 34834
NVwZ-RR 2021, 412
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Verfahrenskosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt Erstattung von Kosten, die sie im Zeitraum zwischen dem 1. September 2014 und dem 29. Februar 2016 für die heilpädagogische Wohnheimunterbringung des am 20. Februar 1998 geborenen Hilfeempfängers G. aufgewandt hat, einschließlich der in diesem Zusammenhang entstandenen Fahrtkosten.
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1. Am 20. Mai 2014 stellte die Mutter des Hilfeempfängers bei der Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Unter dem 4. August 2014 meldete die Bundesagentur den Hilfeempfänger für eine Berufsvorbereitung mit Internatsunterbringung ab 1. September 2014 an.
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In einer kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme vom 26. August 2014 wurde festgestellt, der Hilfeempfänger leide an ADHS, einer Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung, ängstlichen und depressiven Zügen in gemischter Form, einer spezifischen emotionalen Krise des Jugendalters sowie einer emotionalen Störung mit Geschwisterrivalität. Ferner bestünden grob- und feinmotorische Defizite. Bereits zweimal habe der Hilfeempfänger eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung in Fachkliniken durchgeführt. Zuhause sei er allerdings wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Aufgrund der zunehmenden Anstrengungsverweigerung hätten sich seine Noten verschlechtert. Die 9. Klasse der Mittelschule habe er wiederholen müssen. In mehreren Krisengesprächen habe er suizidale Gedanken geäußert. Es hätten sich auch dissoziale Züge gezeigt. So sei er wegen Diebstählen mehrfach in Kontakt mit der Polizei gekommen. Aus psychiatrischer Sicht reichten ambulante Maßnahmen nicht mehr aus. Empfehlenswert sei eine Fremdunterbringung in einem Berufsbildungswerk. Die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII lägen vor.
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2. Am 1. und 4. September 2014 beantragten die Eltern für den Hilfeempfänger jeweils gesondert Jugendhilfe in Form von Eingliederungshilfe. Diesen Antrag leitete der Beklagte mit Schreiben vom 4. bzw. 9. September 2014 an den Kläger mit der Begründung weiter, Leistungen der Arbeitsförderung gingen bei einem jungen Menschen mit seelischer Behinderung Eingliederungshilfeleistungen vor. Hierzu erklärte die Bundesagentur mit Schreiben vom 16. September 2014, die Leistungsverantwortung für das heilpädagogische Wohnen liege beim Träger der Jugendhilfe. Aus behinderungsbedingten Gründen erscheine eine heilpädagogische Unterbringung nicht notwendig.
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3. Mit Beschluss vom 9. September 2014 verpflichtete das Sozialgericht Augsburg die Bundesagentur, die Kosten der Unterbringung in einer heilpädagogischen Wohngruppe zu übernehmen. Daraufhin machte die Bundesagentur mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 ihren grundsätzlichen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 4. November 2014, 8. März 2016 und 7. November 2016 lehnte der Beklagte jedweden Ersatzanspruch ab.
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4. In einem Qualifizierungsplan vom 10. Februar 2015 wurde als Zielvorgabe festgehalten, der Hilfeempfänger solle selbstständiger werden und seine Ausdauer verbessern, insbesondere die Unterstützung seiner Erzieherin annehmen und in der Werkstatt durch strukturierte Arbeitsanweisungen lernen, effektiver zu arbeiten. Durch die Begleitung am Arbeitsplatz solle er sein Durchhaltevermögen schrittweise steigern. Zur Festigung und Weiterentwicklung seiner fachlichen, persönlichen und sozialen Kompetenzen benötige er die besondere Förderung in einem Berufsbildungswerk. Hinsichtlich der fachlichen Kompetenzen zeige er gute Leistungen. Er arbeite schnell und zügig. Das gehe jedoch bisweilen mit Qualitätseinbußen einher. An seine Grenzen komme er bei feinmotorischen Arbeiten. Schwierigkeiten habe er zudem mit der Pünktlichkeit und dem Durchhaltevermögen. In der Arbeitsgruppe komme er gut zurecht. Zur Erreichung der Ausbildungsreife benötige er die Struktur und die Unterstützung eines Berufsbildungswerks. Seine schulischen Leistungen bewegten sich in allen Bereichen zwischen gut und sehr gut. Im Hinblick auf seine persönlichen und sozialen Kompetenzen sind als Ziele die Aufrechterhaltung und Stabilisierung von Lernmotivation und Durchhaltevermögen sowie die Förderung von Konzentration und Ausdauer formuliert. Das Gruppenleben im Wohnbereich sei harmonisch. Der Hilfeempfänger könne rasch Kontakte knüpfen und sogar Freundschaften schließen. Er verstehe sich mit seinen Mitbewohnern gut. Im lebenspraktischen Bereich brauche er einen Wochenplan mit Aufgaben. Beim Kochen und Einkaufen benötige er Hilfe. Insgesamt habe sich der Hilfeempfänger emotional und psychosozial stabilisiert. Für eine positive Weiterentwicklung insbesondere im Hinblick auf eine Ausbildung ab Sommer 2015 benötige er aber nach wie vor ein gezieltes pädagogisches und sozialpädagogisches Programm in Werkstatt, Schule und Wohnheim.
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5. Mit Schriftsatz vom 13. November 2018 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihr die dem Hilfeempfänger G. für die Dauer vom 1. September 2014 bis zum 29. Februar 2016 erbrachten Leistungen in Form der Kostenübernahme für eine heilpädagogische Wohnheimunterbringung sowie die damit in Zusammenhang stehenden Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 51.058,98 € zu erstatten.
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Für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könnten zwar prinzipiell sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zuständig sein. Von der grundsätzlich vorrangigen Zuständigkeit der Klägerin seien jedoch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht erfasst, weil diese allein und originär die Jugendhilfe zu erbringen habe. Nur Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar seien, könnten als Teilnahmekosten anerkannt werden. Voraussetzung hierfür sei jedoch stets, dass die Aufwendungen nicht schon anderweitig gesetzlich geregelt seien und die Kosten unmittelbar durch die Maßnahme entstünden. Die heilpädagogische Unterbringung sei eine ausschließlich im Jugendhilferecht verankerte und somit anderweit gesetzlich geregelte Leistungsverpflichtung des Beklagten. Darüber hinaus seien die streitigen Kosten auch nicht unmittelbar durch die berufsvorbereitende Maßnahme bedingt. Das jugendpsychiatrische Gutachten vom 26. August 2014 verdeutliche die bestehenden Defizite im Bereich des Sozialverhaltens. Diese stünden nicht mit der beruflichen Qualifikation in Verbindung, sondern beträfen die gesamte Lebensführung. Es bestehe daher kein Kausalzusammenhang dergestalt, dass die heilpädagogischen Leistungen integraler Bestandteil der berufsvorbereitenden Maßnahme wären. Deshalb könne die heilpädagogische Förderung in einem Internat nicht zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gerechnet werden. Diese müssten final und primär auf das Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit gerichtet sein. Maßnahmen, die zum Bestandteil der allgemeinen persönlichen Lebensführung gehörten, die Verbesserung des Sozialverhaltens und damit der Lebensqualität insgesamt bewirken sollten und sich nur mittelbar bei der Berufsausübung auswirkten, seien durch Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben nicht förderfähig und der Beklagte deshalb leistungspflichtig.
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6. Mit Urteil vom 7. Juli 2020 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage als unbegründet ab. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX 2004. Zwar habe die Klägerin aufgrund eines weitergeleiteten Antrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 - 4 SGB IX 2004 geleistet und der Leistungsempfänger hinsichtlich der Unterbringung in der heilpädagogischen Wohngruppe einen deckungsgleichen Leistungsanspruch sowohl gegen die Klägerin nach § 33 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX 2011 als auch gegen den Beklagten nach § 35a SGB VIII. Allerdings sei der Leistungsanspruch des Leistungsempfängers gegen die Klägerin vorrangig, sodass im Ergebnis kein Erstattungsanspruch bestehe. Die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung selbst davon ausgegangen, dass die heilpädagogische Unterbringung erforderlich gewesen sei, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Die erstmalige Fremdunterbringung sei durch die berufsvorbereitende Maßnahme veranlasst worden. In der kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme vom 26. August 2014 sei sie gerade im Zusammenhang mit dieser Maßnahme für sinnvoll erachtet worden. Auch im Qualifizierungsplan vom 10. Februar 2015 sei ausdrücklich festgehalten, dass für eine Stabilisierung und positive Weiterentwicklung im Hinblick auf eine Ausbildung ein gezieltes pädagogisches und sozialpädagogisches Programm erforderlich sei. Die heilpädagogische Wohnunterbringung habe daher einen unmittelbaren Bezug zu der erfolgreichen Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben gehabt.
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Streitig sei zwischen den Beteiligten nur, ob die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 7 SGB IX zusätzlich voraussetze, dass die Annexleistung final auf das gesetzlich vorgegebene Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sein müsse. Insofern sei nach Ansicht der Klägerin mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung danach zu differenzieren, welchem Lebensbereich die Leistung schwerpunktmäßig zuzuordnen sei. Indes vermöge die Kammer dem nicht zu folgen, denn eine derartige Schwerpunktbetrachtung finde in § 33 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX keine Stütze. Ungeachtet dessen sei der Schwerpunkt der Leistung oftmals kaum feststellbar. Die im Qualifizierungsplan festgehaltenen Ziele, wie beispielsweise die Aufrechterhaltung und Stabilisierung von Lernmotivation und Durchhaltevermögen, die Förderung von Konzentration und Ausdauer, Pünktlichkeit oder die Stärkung der Selbstständigkeit seien ambivalent und hätten sowohl im sozialen Leben als auch im Arbeitsleben Bedeutung. Eine schwerpunktmäßige Abgrenzung führe daher zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Zusammengehörige Sachverhalte würden durch eine Schwerpunktbetrachtung auseinandergerissen. Sofern deshalb eine Leistungsverpflichtung zweier Leistungsträger bestehe, sei auch im Rahmen der Klärung des Vorrangs der Leistungspflicht von miteinander konkurrierenden Leistungen nicht anhand des Schwerpunkts der Leistungen zu entscheiden, so wie dies auch in den Fällen der so genannten Mehrfachbehinderung allgemein anerkannt sei.
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Vorliegend führe allerdings bereits die Veranlassung der heilpädagogischen Unterbringung durch die berufsvorbereitende Maßnahme dazu, dass es sich bei dieser nicht um eine selbstständige Leistung, sondern um eine Annexleistung nach § 33 Abs. 7 SGB IX 2004 handele. Infolgedessen sei der Schwerpunkt der Maßnahme dem Leistungsbereich der Klägerin zuzuordnen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien Leistungen der Jugendhilfe grundsätzlich nachrangig. Diese Regelung finde auch im Verhältnis zu Leistungen der aktiven Arbeitsförderung Anwendung und umfasse im maßgeblichen Zeitraum alle in § 33 SGB IX 2011 genannten Leistungen.
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7. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergebe sich aus § 33 Abs. 7 SGB IX a.F. kein Anspruch des Leistungsempfängers auf Übernahme der Kosten für eine heilpädagogische Wohnheimunterbringung. Die Vorschrift begründe keine Gesamtzuständigkeit der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Förderung einer Berufsvorbereitung oder Ausbildung. Vielmehr müsse trotz Aufnahme einer berufsvorbereitenden Maßnahme oder Ausbildung nach wie vor zwischen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2 SGB IX) und Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 5 Nr. 5 SGB IX) unterschieden werden. Die heilpädagogische Wohnheimunterbringung mit ihrem ganzheitlichen Fördersatz bewege sich außerhalb des durch § 33 SGB IX i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 5 Nr. 2, 3 SGB IX gesetzlich vorgegebenen Rahmens. In Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung im Sozialrecht müsse darauf abgestellt werden, ob der Schwerpunkt der heilpädagogischen Wohnunterbringung auf der arbeitsmarktlichen Zielsetzung oder aber auf den in § 1 Abs. 1 SGB VIII genannten Zielen liege. Mit der heilpädagogischen Unterbringung sei der im jugendpsychiatrischen Gutachten vom 26. August 2014 festgestellten seelischen Behinderung und dem damit einhergehenden umfassenden Bedarf des Jugendlichen nach sozialer - und nicht nur beruflicher - Eingliederung Rechnung getragen worden. Die Anerkennung einer seelischen Behinderung nach § 35a SGB VIII bedinge zwingend, dass eine Notwendigkeit von Leistungen zur sozialen Teilhabe vorliege, welcher die heilpädagogische Unterbringung eindeutig zuzuordnen sei.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts zu verpflichten, ihr die für den Hilfeempfänger G. für die Dauer vom 1. September 2014 bis 29. Februar 2016 erbrachten Leistungen in Form der Kostenübernahme für eine heilpädagogische Wohnheimunterbringung sowie die damit im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 51.058,98 € zu erstatten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Eine Schwerpunktbetrachtung sei aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit abzulehnen. Ziel der streitgegenständlichen Maßnahme sei das Erreichen eines Berufsabschlusses. Die Annexleistung der Unterbringung in einer heilpädagogischen Wohngruppe sei notwendig, um die Hauptleistung, die Teilhabe am Arbeitsleben, zu unterstützen. Die für die heilpädagogische Wohngruppe angegebenen Ziele (wie eigenverantwortliche Zeiteinteilung und Selbstorganisation, Ausbau der Fähigkeiten im Bereich der Sozialkompetenz sowie der Ausbau der Fähigkeiten zur Selbsteinschätzung und der Selbstkontrolle im Bereich von körperlicher Belastbarkeit und der Konzentrationsfähigkeit) wiesen einen unmittelbaren Bezug zur Berufsausbildung auf und seien somit als integraler Bestandteil der Reha-Maßnahme Teilhabe am Arbeitsleben zu qualifizieren. Insoweit sei die vorrangige Zuständigkeit der Klägerin gegeben. Leistungen der Jugendhilfe seien nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich nachrangig.
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Die Parteien erklärten mit Schreiben vom 11. und 26. November 2020 den Verzicht auf mündliche Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat die Leistungsklage der Klägerin - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin besitzt gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die dem Hilfeempfänger G. gewährte heilpädagogische Wohnunterbringung sowie der damit zusammenhängenden Fahrtkosten.
23
Hinsichtlich des materiellen Rechts hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Rechtslage für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis 29. Februar 2016 abgestellt (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.10.2011 - 5 C 6/11 -, NVwZ-RR 2012, 67 - juris, Rn. 6). Ungeachtet dessen haben die im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Normen des Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - mit Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - Bundesteilhabegesetz vom 23. Dezember 2016 (BTHG, BGBl I 2016, 3234), überwiegend in Kraft getreten zum 1. Januar 2018, zwar eine neue Bezeichnung, inhaltlich jedoch keine Änderung erfahren, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht feststellt.
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1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX 2004, der insoweit eine zu § 16 Abs. 1 SGB IX i.d.F.v. 23. Dezember 2016 inhaltsgleiche Regelung enthält und vorliegend den sonstigen Erstattungsregelungen als lex specialis vorgeht (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.6.2017 - 5 C 3/16 -, JAmt 2017, 504 - juris, Rn. 10).
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Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX 2004 hat der Rehabilitationsträger, der aufgrund eines nach § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX 2004 weitergeleiteten Antrags geleistet hat, einen Erstattungsanspruch, wenn nach Bewilligung der Leistung durch diesen Rehabilitationsträger festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger bzw. bei mehrfacher Zuständigkeit ein vorrangig Leistungsverpflichteter (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.6.2017 - 5 C 3/16 -, JAmt 2017, 504 - juris, Rn. 10; BSG, Urteil v. 30.6.2016 - B 8 SO 7/15 R - juris, Rn. 12) für die Erbringung der Leistung zuständig war.
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Die Klägerin hat zwar aufgrund eines weitergeleiteten Antrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX 2004 geleistet, sodass § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX 2004 grundsätzlich als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Allerdings hat der Leistungsempfänger hinsichtlich der Unterbringung in einer heilpädagogischen Wohngruppe einen deckungsgleichen Leistungsanspruch gegen beide Rehabilitationsträger, sowohl die Klägerin (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Nr. 2 u. 3 SGB IX 2001) als auch den Beklagten (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 5 Nr. 4 SGB IX 2001), wobei der Leistungsanspruch des Leistungsempfängers gegen die Klägerin jedoch vorrangig ist, sodass in der Tat kein Erstattungsanspruch besteht, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.
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Der Leistungsempfänger G. hatte vorliegend unstreitig einen Anspruch gegen den Beklagten auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII, welche grundsätzlich auch die Unterbringung in einer heilpädagogischen Wohngruppe beinhalten kann. Darüber hinaus besaß der Leistungsempfänger jedoch auch einen Anspruch gegenüber der Klägerin nach §§ 112, 127 SGB III i.V.m. § 33 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX 2011 (BGBl I, 2854). Nach dieser Vorschrift (insoweit wortgleich zu § 49 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX i.d.F.v. 23.12.2016) gehört zu den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 112 SGB III) auch die Übernahme der erforderlichen Kosten (§ 127 SGB III) für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe am Arbeitsleben notwendig ist (§ 33 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX 2011).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn die heilpädagogische Unterbringung des Hilfeempfängers war - jedenfalls auch - erforderlich, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Die erstmalige heilpädagogische Fremdunterbringung des Hilfeempfängers wurde durch die berufsvorbereitende Maßnahme veranlasst und für eine Stabilisierung und positive Weiterentwicklung im Hinblick auf eine Ausbildung als gezieltes pädagogisches und sozialpädagogisches Programm für erforderlich erachtet. Damit steht die Notwendigkeit der heilpädagogischen Wohnunterbringung zur erfolgreichen Sicherung der Teilnahme am Arbeitsleben außer Frage.
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a) Folgt man dem Verwaltungsgericht und einem nicht unwesentlichen Teil der jugendhilferechtlichen Literatur und Rechtsprechung, so genügt allein dieser Umstand, einen Anspruch der Klägerin zu verneinen. Nach dieser Auffassung soll mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung mit Blick auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III - hier auf solche zur Teilhabe am Arbeitsleben - generell die allgemeine Vorrangregelung des § 10 Abs. 1 SGB VIII greifen. Bestehen danach Ansprüche auf Rehabilitationsleistungen sowohl nach dem Sozialgesetzbuch III wie nach dem Sozialgesetzbuch VIII, so sind die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III vorrangig (vgl. Bieritz-Harder, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 52. Lieferung IX/XII, § 10 Rn. 18 f.; Schönecker/Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 10 Rn. 7; VG Koblenz, Urteil v. 12.7.2006 - 5 K 1992/05.KO -, JAmt 2007, 489 - LS 2; VG Würzburg, Urteil v. 13.2.2014 - W 3 K 13.112 - BeckRS 2014, 49438; VG München, Urteil v. 17.7.2019 - M 18 K 17.2523 - juris, Rn. 39 ff.; siehe auch SG Augsburg, U.v. 21.12.2017 - S 7 AL 288/15 - juris, Rn. 30 ff.; LSG Baden-Württemberg, U.v. 24.04.2015 - L 8 AL 2430/12 - juris, Rn. 69; BSG, U.v. 12.10.2017 - B 11 AL 20/16 R - juris, Rn. 20).
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b) Demgegenüber kommt es nach Auffassung eines anderen - wohl vorzugswürdigeren - Teils der jugendhilferechtlichen Literatur und der Rechtsprechung des 7. und 9. Senats des Bundessozialgerichts für die Abgrenzung der Zuständigkeiten aufgrund des Fehlens einer eindeutigen gesetzlichen Regelung maßgeblich auf die überwiegende Zielsetzung der konkreten Maßnahme an (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 29; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, Stand: 30.1.2020, § 10 Rn. 29 ff.; BSG, Urteil v. 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R -, BSGE 93, 283 - juris, Rn. 21; Urteil v. 26.9.1990 - 9 B/7 RAr 100/89 -, FEVS 41, 468 [471]). Dies dürfte dem Zusammenspiel von § 22 Abs. 1 SGB III einerseits und § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII andererseits am ehesten entsprechen. Zwar bleiben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII Verpflichtungen anderer Sozialleistungsträger - solche der Arbeitsförderung - durch Leistungen nach dem SGB VIII unberührt, andererseits dürfen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung gemäß § 22 Abs. 1 SGB VIII nur erbracht werden, wenn nicht bereits andere Leistungsträger zur Erbringung gleichartiger Leistungen - vorliegend der Unterbringung in einem heilpädagogischen Wohnheim - gesetzlich verpflichtet sind. Nur so können beide Vorschriften einander optimal zugeordnet werden und jeweils in größtmöglichem Umfang Wirklichkeit gewinnen.
31
aa) Die Zuständigkeit der Jugendhilfe ist demnach dann gegeben, wenn als Leistungszweck die psychosoziale Betreuung dominiert. In diesem Fall hat das Jugendamt die Kosten für die aus erzieherischen und (sozial-) rehabilitativen Gründen erforderliche auswärtige Unterbringung auch dann zu tragen, wenn daneben berufliche Maßnahmen gewährt werden; nur speziell für diese hat die Bundesagentur aufzukommen. Ein erzieherischer Mehrbedarf ist hingegen stets vom Jugendhilfeträger zu übernehmen (vgl. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 10 Rn. 30; Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 29).
32
Der Träger der Arbeitsförderung ist danach nur für die berufliche Bildung, nicht aber auch für die soziale Betreuung und Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen zuständig (vgl. BSG, Urteil v. 26.9.1990 - 9 B/7 RAr 100/89 -, FEVS 41, 468 [471]; SG Konstanz, Urteil v. 7.2.2007 - S 7 AL 669/06 - juris, Rn. 21). Ist also mit anderen Worten aus erzieherischen oder (sozial-) rehabilitativen Gründen eine auswärtige Unterbringung ohnehin notwendig, so ist der Jugendhilfeträger auch bei gleichzeitiger Durchführung einer berufsbezogenen Maßnahme für die Kosten der auswärtigen Unterbringung zuständig (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 29).
33
bb) Erfolgt die auswärtige Unterbringung hingegen zu dem Zweck der schulischen oder beruflichen Eingliederung, so sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III gegenüber Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vorrangig (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 29; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 10 Rn. 30). Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn eine auswärtige Unterbringung Verhaltens- bzw. Reifedefizite des Hilfeempfängers reduzieren soll, um die Berufsvorbereitung zu unterstützen und insoweit den Erfolg der Teilhabeleistungen und der beruflichen Eingliederung zu ermöglichen (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 25.8.2015 - J 9.160/J 9.220/S 2.200 Se -, JAmt 2015, 559 [561 f.]).
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Maßnahmen, die indes ohne unmittelbaren Bezug zur Berufsausübung zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehören, die Verbesserung der Lebensqualität bewirken sowie elementare Grundbedürfnisse befriedigen und sich auf diese Weise nur mittelbar bei der Berufsausübung auswirken, sind dagegen nicht durch Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderfähig, sondern allenfalls im Wege der Förderung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX (§ 76 SGB IX n.F.) zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil v. 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R -, BSGE 93, 283 - juris, Rn. 21). Der Förderrahmen soll sich mit anderen Worten auf die durch die Berufsausübung bzw. Erreichung des Arbeitsplatzes ausgelöste Bedarfslage beschränken. Ein einfaches „Durch- oder Weiterreichen“ kostenintensiver Jugendhilfefälle in den Bereich der Arbeitsverwaltung kommt danach nicht in Betracht.
35
cc) Vielmehr ist entscheidend, welchem Lebensbereich die begehrte Leistung schwerpunktmäßig zugeordnet ist. Nur wenn die erbrachten Leistungen final auf das gesetzlich vorgegebene Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit hin ausgerichtet sind, ist die Bundesagentur für Arbeit vorrangig zuständig (vgl. BSG, Urteil v. 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R -, BSGE 93, 283 - juris, Rn. 21; s.a. Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 10, Rn. 31; Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 29; DIJuF-Rechtsgutachten v. 25.8.2015 - J 9.160/J 9.220/S 2.200 Se -, JAmt 2015, 559 [561 f.]).
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Maßgeblich ist mithin stets, ob die heilpädagogische Unterbringung vorwiegend dem Zweck der beruflichen Rehabilitation dient, mit anderen Worten auf das gesetzlich vorgegebene Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit hin ausgerichtet ist. Soll die heilpädagogische Unterbringung also Verhaltens- bzw. Reifedefizite des Hilfeempfängers reduzieren, um die Berufsvorbereitung zu unterstützen und insoweit den Erfolg der Teilhabeleistungen und der beruflichen Eingliederung zu ermöglichen, so ist die Bundesanstalt vorrangig zuständig (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 25.8.2015 - J 9.160/J 9.220/S 2.200 Se -, JAmt 2015, 559 [561 f.]).
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Anders verhält es sich hingegen dann, wenn es sich um eine in jeder Hinsicht eigenständige psychologische, pädagogische oder sonstige von der beruflichen Rehabilitation unabhängige, isolierte erzieherische Maßnahme handelt (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 25.8.2015 - J 9.160/J 9.220/S 2.200 Se -, JAmt 2015, 559 [561 f.]), der Hilfeempfänger mit anderen Worten der gewährten Maßnahme auch ohne Leistungen nach dem SGB III bedurft hätte oder sich bereits zuvor in einer entsprechenden Jugendhilfemaßnahme befunden hat. Insoweit ist alleine die Zuständigkeit des Jugendamts begründet. Dabei kommt es allerdings nicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Maßnahme oder den jeweiligen Betreuungsschlüssel, sondern auf den tatsächlich befriedigten Bedarf des Hilfeempfängers und dessen rechtliche Zuordnung an (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 25.8.2015 - J 9.160/J 9.220/S 2.200 Se -, JAmt 2015, 559 [561 f.]).
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c) Welcher Ansicht zu folgen ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, denn auch nach der zuletzt genannten - wohl vorzugswürdigen - Auffassung ist eine Zuständigkeit des Beklagten für die Kostenübernahme nicht begründet. Der Schwerpunkt der dem Hilfeempfänger gewährten Leistungen liegt vorliegend unzweifelhaft in der beruflichen, nicht hingegen in der sozialen Rehabilitation. Mit der heilpädagogischen Unterbringung sollten die Verhaltens- und Reifedefizite des Hilfeempfängers reduziert werden, um die Berufsvorbereitung zu unterstützen und insoweit den Erfolg der Teilhabeleistungen der beruflichen Eingliederung zu ermöglichen, nicht aber eine eigenständige psychologische, pädagogische oder sonstige von der beruflichen Rehabilitation unabhängige, isolierte erzieherische Maßnahme ins Werk gesetzt werden. Mithin ist vorliegend die Bundesagentur zuständig. Die heilpädagogische Unterbringung war ausschließlich erforderlich, um die Berufsausbildung des Hilfeempfängers vorzubereiten und den Erfolg der Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, nicht aber um aus erzieherischen Gründen ohnehin notwendige Maßnahmen eigenständiger, psychologischer oder pädagogischer Art ins Werk zu setzen.
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Eine gravierende Teilhabebeeinträchtigung, die auch ohne das Ziel der beruflichen Integration des Hilfeempfängers in das Arbeitsleben eine isolierte und selbständige Maßnahme der sozialen Rehabilitation in der Form einer Fremdunterbringung erfordert hätte, ist nicht ersichtlich. Dem Hilfeempfänger waren „lediglich“ die sog. „Sekundärtugenden“, wie Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit und morgendliches Aufstehen zu vermitteln, um ihn für eine Teilhabe am Arbeitsleben zu befähigen. Die Klägerin trägt in ihrer Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf den Qualifizierungsplan vom 10. Februar 2015 selbst vor, in der heilpädagogischen Wohngruppe sei es um die Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Lernmotivation und des Durchhaltevermögens sowie die Förderung von Konzentration, Ausdauer, Pünktlichkeit und Selbständigkeit gegangen. Das diagnostizierte ADHS war für eine auswärtige Unterbringung nicht ausschlaggebend (vgl. Aktenvermerk vom 20. Mai 2015, Bl. 35 d. Behördenakte der BA). Das Gruppenleben im Wohnbereich verlief harmonisch. Der Hilfeempfänger konnte rasch Kontakte knüpfen und sogar Freundschaften schließen (vgl. Qualifizierungsplan vom 10. Februar 2015, Bl. 28 d. Behördenakte der BA). Mithin war Ursache für die Fremdunterbringung des Hilfeempfängers nicht die Beseitigung einer Persönlichkeitsstörung, sondern allein die Sicherung des Erfolgs der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Kosten für einen abgrenzbaren erzieherischen Mehrbedarf des Hilfeempfängers hat die Klägerin nicht geltend gemacht; sie besteht vielmehr auf einer Übernahme der gesamten Unterbringungskosten.
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Das Verwaltungsgericht hat die Leistungsklage deshalb im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nicht gerichtskostenfrei, § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO). Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind, da der Fall nach allen in Betracht kommenden Ansichten in gleicher Weise zu lösen ist, vorliegend nicht entscheidungserheblich und damit nicht weiter klärungsbedürftig.