VGH München, Urteil v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358
Titel:

Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung

Normenketten:
GO Art. 21 Abs. 1 S. 1, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Art. 57 Abs. 1 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Abs. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 28 Abs. 2
BV Art. 11 Abs. 1
BayVerfGH Art. 110 Abs. 1 S. 1 BV
Leitsätze:
1. Die Gemeinden sind nicht befugt, Bewerbern den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen zu verwehren. (Rn. 52)
2. Als Träger einer öffentlichen Einrichtung können die Gemeinden Veranstaltungen zu der gegen den Staat Israel gerichteten BDS-Kampagne nicht schon unter Verweis auf deren (nach ihrer Einschätzung bestehende) antisemitische Grundtendenz untersagen, sondern erst dann, wenn durch die Aktivitäten der Befürworter dieser Kampagne die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährdet würde. (Rn. 59)
Schlagworte:
Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung, Verschaffungsanspruch gegenüber dem Einrichtungsträger, Nutzungsausschluss für BDS-Veranstaltungen, Widmungsbeschränkung durch Stadtratsbeschluss, unzulässiger Eingriff in die Meinungsfreiheit, Gleichheits- und Neutralitätsverstoß, Meinungsfreiheit, Mietvertrag, Widmung, Verpflichtungsklage, Verschaffungsanspruch, Gemeinde, Vermietung, Nutzungsausschluss, BDS-Veranstaltungen, Widmungsbeschränkung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 12.12.2018 – M 7 K 18.3672
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Urteil vom 20.01.2022 – 8 C 35.20
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
BayVBl 2021, 159
RÜ2 2021, 95
BeckRS 2020, 32734
LSK 2020, 32734
DÖV 2021, 316

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 12. Dezember 2018 verpflichtet, dem Kläger für die geplante Diskussionsveranstaltung zum Thema „Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? - Der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen“ den Zugang zum Bürgersaal F (Z1.straße 35, ...) im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten durch Einwirkung auf den Trägerverein Bürgersaal Fürstenried e.V. zu verschaffen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten für eine Diskussionsveranstaltung über einen von deren Stadtrat am 13. Dezember 2017 gefassten Beschluss, der u.a. diesen Inhalt hat:
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„3. Für Raumvergaben bzw. Vermietung oder Zuschüsse wird Folgendes festgelegt
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a) Organisationen und Personen, die Veranstaltungen in städtischen Einrichtungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, werden von der Raumüberlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten ausgeschlossen. Dies gilt entsprechend auch für die Zuschussvergabe.
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b) Organisationen und Personen (Rednerinnen und Redner, Künstlerinnen und Künstler, Veranstalterinnen und Veranstalter), die sich in der Vergangenheit positiv zur BDS-Kampagne geäußert haben oder diese unterstützen, können nur dann durch die Überlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten für Veranstaltungen unterstützt werden, sofern diese sich nicht mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben. Dies gilt entsprechend auch für die Zuschussvergabe.“
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Mit Schreiben vom 19. April 2018 bat der Kläger das Stadtmuseum der Beklagten um Überlassung eines Saals für eine Diskussion zum Thema „Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? - Der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen“. Er gab dabei an, es solle unter Leitung eines Moderators ein Streitgespräch zwischen einer Kritikerin und einem Befürworter des genannten Stadtratsbeschlusses geführt werden. Das Publikum werde hauptsächlich aus Mitgliedern der Pax-Christi-Bewegung, der Humanistischen Union München, attac, dem Freidenker-Verband und weiteren politisch interessierten Personen bestehen.
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Mit E-Mail vom 25. April 2018 teilte das Stadtmuseum dem Kläger mit, eine Vermietung zu dem geplanten Zweck sei gemäß dem Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats der Beklagten vom 13. Dezember 2017 nicht möglich. Als städtische Dienststelle sei das Stadtmuseum daran gebunden. Es sei davon auszugehen, dass die geplante Diskussion, deren Titel sich explizit auf den genannten Stadtratsbeschluss beziehe, nicht ohne eine Thematisierung von BDS sowie deren Inhalten, Themen und Zielen auskomme.
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Der Kläger erhob daraufhin am 30. Mai 2018 Klage zum Landgericht mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm im Münchner Stadtmuseum - hilfsweise einem anderen städtischen Raum - einen Saal für die geplante Diskussionsveranstaltung zu vermieten, weiter hilfsweise festzustellen, dass der Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 13. Dezember 2017 der geplanten Diskussionsveranstaltung nicht entgegenstehe. Zur Begründung ließ er vortragen, in der Weigerung des Stadtmuseums, einen Raum für eine Diskussion über den in der Stadtgesellschaft äußerst umstrittenen Stadtratsbeschluss zu ermöglichen, liege eine Missachtung des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Die Ablehnung des Antrags sei schon deshalb fehlerhaft, weil die geplante Veranstaltung keineswegs Themen und Ziele der BDS-Kampagne unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben wolle. Der Kläger sei, wie sich aus einer beigefügten persönlichen Erklärung ergebe, kein Antisemit, sondern bejahe grundsätzlich die Existenz des Staates Israel und erlaube sich nur, die Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung zu kritisieren. Eine unvoreingenommene Diskussion der angesprochenen Themen und Ziele müsse in städtischen Räumen möglich sein. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gewährleiste nicht nur die Meinungsäußerung selbst, sondern auch die Wahl ihres Orts und Zeitpunkts. Ein unmittelbar grundrechtsgebundener Rechtsträger dürfe sein Hausrecht nur insoweit zur Unterbindung von Meinungskundgaben ausüben, als dies öffentlichen Interessen diene. Der Kläger berufe sich auch auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Das Stadtmuseum bzw. andere geeignete städtische Räume seien eine öffentliche Einrichtung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 GO. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 2 der Satzung des Stadtmuseums gehöre die geplante Veranstaltung zur „Kultur“, vor allem zur „Volksbildung“. Dies zeige auch die Vergabepraxis für das Stadtmuseum, zum Beispiel eine Veranstaltung von „Ärzte ohne Grenzen“ im Jahr 2013, ein Podiumsgespräch am 18. Oktober 2018, eine Ausstellung ab dem 6. November 2018 und eine Diskussionsveranstaltung am 7. November 2018.
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Die Beklagte beantragte Klageabweisung und trug vor, dem Hauptantrag fehle schon das Rechtsschutzbedürfnis, da kein Stadtratsmitglied an dem geplanten Streitgespräch teilnehmen wolle. Es bestehe kein Zugangsanspruch aus Art. 21 Abs. 1 GO. Die Widmung des Stadtmuseums als öffentliche Einrichtung folge aus § 2 Abs. 1 der Satzung über die Gemeinnützigkeit des Münchner Stadtmuseums; über die dort geregelten Nutzungszwecke gehe die geplante Veranstaltung hinaus. Vorträge und Diskussionen seien nur als Rahmenveranstaltung zu einer im Museum stattfindenden aktuellen Ausstellung zulässig. Bei den angeführten Veranstaltungen am 18. Oktober sowie am 6. und 7. November 2018 habe jeweils ein Zusammenhang mit einer Ausstellung bestanden; eine darüber hinausgehende Verwaltungsübung gebe es nicht. In der Weigerung, mit dem Kläger einen Mietvertrag abzuschließen, liege keine Verletzung der Meinungsfreiheit, da die Beklagte dem Kläger nicht untersagt habe, seine Meinung zu äußern, sondern ihm lediglich keinen Raum zur Verfügung gestellt habe. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gewähre keinen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten oder auf Zutritt zu bestimmten kommunalen Einrichtungen. Dies gelte hier insbesondere deshalb, weil die Beklagte insoweit nicht über eine Monopolstellung verfüge. Der Antrag auf Überlassung sei jedenfalls wegen der Nrn. 3 a) und 3 b) des Stadtratsbeschlusses vom 13. Dezember 2017 zurückzuweisen gewesen. Darin sei die Widmung der öffentlichen Einrichtungen der Beklagten willkürfrei nachträglich beschränkt worden. Dies sei gerechtfertigt, weil dadurch Veranstaltungen mit antisemitischer Ausrichtung in städtischen Räumen ausgeschlossen würden. Um Tarnveranstaltungen auszuschließen, die unter dem Deckmantel des „offenen Dialogs“ für die Ziele der BDS-Kampagne werben und diese der Öffentlichkeit breit darstellen wollten, sei der Beschluss so formuliert worden, dass bereits das „Befassen“ mit der BDS-Kampagne in städtischen Einrichtungen untersagt sei. Eine andere Handhabung sei nicht abgrenzbar und würde der besonderen Relevanz dieses sensiblen Themas nicht gerecht. Für die Feststellung, ob es sich um antisemitische Veranstaltungen im Sinne des Beschlusses handle, habe der Stadtrat als Maßstab die von der europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) erarbeitete und von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) verwendete „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ übernommen. Im Stadtratsbeschluss werde ausführlich dargestellt, dass es sich bei der BDS-Kampagne um eine antisemitische Kampagne im Sinne dieser Arbeitsdefinition handle. In seinem NPD-Urteil habe auch das Bundesverfassungsgericht explizit festgestellt, dass antisemitische Konzepte gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstießen. Die Beklagte dürfe folglich nach Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 28 Abs. 1 GG bzw. Art. 56 Abs. 1 GO keine antisemitischen, z. B. BDS-Veranstaltungen mit Leistungen wie Raumvergaben oder Zuschüssen unterstützen. Heranzuziehen sei auch die Verfassungsrechtsprechung, die der Thematik der NS-Zeit im Rahmen der Meinungsfreiheit eine Sonderstellung einräume. Von der Beklagten könne gerade gegenüber den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht verlangt werden, sich neutral gegenüber antisemitischen Äußerungen zu verhalten; sie sei geradezu verpflichtet, Kundgebungen in städtischen Räumen zu untersagen, die antisemitischen Strömungen Vorschub leisten würden. Die an der Podiumsdiskussion beteiligten Personen mit Ausnahme des angefragten Stadtratsmitglieds hätten in der Vergangenheit explizit ihre Unterstützung der antisemitischen BDS-Kampagne zum Ausdruck gebracht bzw. seien durch sonstige israelfeindliche bzw. antisemitische Bezüge in Erscheinung getreten. Es sei daher davon auszugehen, dass sie sich mit der Legitimation der antisemitischen BDS-Kampagne befassen und diese positiv darstellen würden. Der Hilfsantrag zu 1 sei ebenfalls unzulässig, da er so unkonkret sei, dass ein entsprechendes Urteil nicht vollstreckungsfähig wäre. Im Übrigen sei eine Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn zuvor ein Antrag gestellt worden sei, was der Kläger aber hinsichtlich anderer städtischer Räume nicht getan habe.
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Das Verwaltungsgericht München, an das der Rechtsstreit mit Beschluss des Landgerichts vom 30. Mai 2018 verwiesen worden war, wies die Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2018 ab. Im Hauptantrag sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet, da die geplante Diskussionsveranstaltung nicht von der Widmung des Stadtmuseums gedeckt sei. Der Hilfsantrag zu 1 sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Der Kläger begehre laut Schriftsatz einen „geeigneten“ städtischen Raum. Daraus sei nicht ersichtlich, welche Beschaffenheit (Ausstattung, Kapazität, Lage, etc.) der Raum haben solle und für welchen Zeitraum er überlassen werden solle. Der Hilfsantrag zu 2 sei zulässig, aber unbegründet, da die Nr. 3 des Stadtratsbeschlusses vom 13. Dezember 2017 rechtmäßig sei und der geplanten Diskussionsveranstaltung entgegenstehe. Es handle sich um eine ermessensgerechte nachträgliche allgemeine Widmungsbeschränkung bezüglich der Nutzung städtischer Veranstaltungsräume. Die Beklagte habe die Entscheidung getroffen, künftig (hinreichend) bestimmte, nach objektiven Kriterien abgrenzbare Arten von Veranstaltungen bzw. deren Veranstalter von der Nutzung der städtischen Einrichtungen auszunehmen. Diese Beschränkung verfolge ein legitimes Interesse und beruhe nicht auf sachfremden Erwägungen. In den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit werde damit nicht eingegriffen. Die Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung setze die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus, so dass aus Art. 8 Abs. 1 GG kein Benutzungsrecht folge, das nicht bereits nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehe. Der Stadtratsbeschluss knüpfe an die thematischen Inhalte der Veranstaltungen an und nicht an versammlungsspezifische Merkmale wie die Art und Weise der Veranstaltung. In dieser Konstellation sei Art. 5 Abs. 1 GG lex specialis gegenüber Art. 8 Abs. 1 GG. Bezüglich des Grundrechts der Meinungsfreiheit fehle es an einem Eingriff. Grundsätzlich stelle zwar ein Verbot, eine bestimmte Meinung in einer staatlichen Einrichtung zu äußern, einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit dar. Der Stadtratsbeschluss sei aber nicht final und unmittelbar gegen eine bestimmte Meinung im Zusammenhang mit den Themen der „BDS-Kampagne“ gerichtet, wende sich also nicht gezielt gegen eine bestimmte Meinung und verbiete eine solche auch nicht. Ziel des Beschlusses sei es vielmehr, in Umsetzung der vom Stadtrat der Beklagten gefassten politischen Grundsatzentscheidung sämtliche städtischen Räumlichkeiten nicht mehr für - befürwortende ebenso wie kritische - Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassten, zur Verfügung zu stellen. Es werde nicht final und unmittelbar die Thematisierung des gesamten Themenkomplexes der „BDS-Kampagne“ in den städtischen Räumen ausgeschlossen. Vielmehr erfolge dies ausschließlich im Hinblick auf das Überlassen der städtischen Räume an Veranstalter von öffentlich allgemein zugänglichen Veranstaltungen. Einer Einzelperson sei es weiterhin möglich, städtische Räume aufzusuchen und dort ihre Meinung - auch zum Themenkomplex der „BDS-Kampagne“ - zu äußern, zu verbreiten oder diese sich dort zu bilden. Der Stadtratsbeschluss verstoße auch nicht gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit in seiner Funktion als Leistungs- bzw. Teilhaberecht. Soweit ein derivatives Teilhaberecht in Betracht komme, greife der Beschluss nicht in unzulässiger Weise in diese Funktion ein. Eine Kommune sei nicht verpflichtet, öffentliche Einrichtungen vorzuhalten oder einmal gegebene Möglichkeiten der Meinungsäußerung beizubehalten, damit ein Einwohner weiterhin seine Meinung auf eine bestimmte Art äußern könne. Der Beschluss stelle auch keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Die städtischen Räumlichkeiten würden gleichermaßen weder für befürwortende noch für kritische Veranstaltungen zu den Themen der „BDS-Kampagne“ überlassen. Ein Gleichheitsverstoß liege auch nicht darin, dass die Räume nach wie vor für sonstige Veranstaltungen zur Verfügung gestellt würden. Eine Ungleichbehandlung könne durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt sein. Der Stadtratsbeschluss sei nicht als objektiv willkürlich anzusehen, er beruhe nicht auf sachfremden Erwägungen. Maßgebliche Erwägung der Differenzierung sei die Umsetzung der in Nr. 1 des Stadtratsbeschlusses getroffenen politischen Grundsatzentscheidung. Zu fordern sei diesbezüglich nur, dass diese Entscheidung sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen halte, insbesondere nicht auf sachfremden Differenzierungskriterien beruhe. Die der politischen Grundsatzentscheidung zugrundeliegenden Beweggründe seien insbesondere in der Beschlussvorlage umfassend und sachlich begründet dargestellt und erläutert worden. Die Veranstaltung des Klägers sei unter den Wortlaut der Nr. 3 a) zu subsumieren. Bei lebensnaher Betrachtung sei davon auszugehen, dass die Veranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne auskomme.
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Mit der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Die geplante Veranstaltung sei vom Widmungszweck des Stadtmuseums umfasst, da es sich thematisch um „Volksbildung“ handle. Sie solle nicht in den eigentlichen Museumsräumen durchgeführt werden, sondern in einem dem Museum angegliederten Saal. Im Hinblick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit bestehe ein Anspruch auf Zugang zu dem Saal selbst dann, wenn in der Veranstaltung über die sog. BDS-Kampagne diskutiert würde. Politische Bewertungen, die von der Beklagten nicht geteilt würden, genügten nicht für eine Ablehnung. Rechtlich erlaubte Diskussionsveranstaltungen seien vom Versammlungsbegriff erfasst, wenn sie auf eine kollektive Erörterung und Einflussnahme auf die Bevölkerung abzielten. Der Stadtratsbeschluss sei schon deshalb keine wirksame Widmungsbeschränkung, weil er nicht, wie die ursprüngliche Widmung, in Form einer Satzung ergangen sei. Die Beschränkung der Widmung verstoße zudem gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Art. 5 und Art. 8 GG sowie gegen Art. 10 und Art. 11 EMRK. Im Saal des Stadtmuseums habe am 29. Juni 2019 die Abschlussdiskussion einer dreitätigen Veranstaltung mit politischen Themen stattgefunden.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
12
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger im Münchner Stadtmuseum einen Saal für die von ihm geplante Diskussionsveranstaltung zu vermieten,
13
hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger in einem anderen städtischen Raum einen Saal für die von ihm geplante Diskussionsveranstaltung zu vermieten,
14
weiter hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Diskussionsveranstaltung den Saal des Bürgersaals F...
15
hilfsweise: das Interim, ...
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hilfsweise: den Saal in der 3. Etage (großer Saal) des L.hauses ...
17
hilfsweise: den Saal des Referats für Gesundheit und Umwelt, SG Bauzentrum München ...
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hilfsweise: dem Begegnungssaal des Sozialreferats, ...
19
hilfsweise: den Konferenzraum des Baureferats, ...
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hilfsweise: den Saal und das Foyer des Kulturhauses M...
21
hilfsweise: die Aula einer Schulanlage der Beklagten
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zu vermieten,
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weiter hilfsweise festzustellen, dass der Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 13. Dezember 2017 der vom Kläger geplanten Diskussionsveranstaltung nicht entgegensteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die streitige Veranstaltung bereits am 26. Juni 2019 in der Freiheizhalle durchgeführt worden sei; das dortige Format und die Personen auf dem Podium seien weitgehend identisch gewesen mit der geplanten Veranstaltung im Stadtmuseum. Das Verwaltungsgericht habe die Widmung des Stadtmuseums zu Recht einheitlich auf die Ausstellungsräume und den großen Saal angewendet; der Saal sei nicht allgemein zugänglich und werde nur für Veranstaltungen im Zusammenhang mit Ausstellungen geöffnet. Auch die Veranstaltung am 29. Juni 2019 habe im Rahmen einer Ausstellung stattgefunden; das Gleiche gelte wohl für die von der Klägerseite angeführte Veranstaltung von „Ärzte ohne Grenzen“ im Jahr 2013, zu der es keine Unterlagen mehr gebe. Die Beklagte habe den Widmungszweck für städtische Räumlichkeiten mit dem Beschluss vom 13. Dezember 2017 zulässigerweise eingeschränkt, wobei Widmungsakte nach der Rechtsprechung sowohl in Form einer Satzung oder eines Gemeinderatsbeschlusses als auch konkludent durch eine Vergabepraxis ergehen könnten. Als Einrichtungsträger hätten die Gemeinden das Recht, ihre Räumlichkeiten nur für bestimmte, nach objektiven Kriterien abgrenzbare Arten von Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Dass sie bei der Zweckbestimmung beispielsweise ethische Maßstäbe anlegten, die nicht ortsgebunden seien, ändere nichts am Selbstverwaltungscharakter der Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen. Das Verbot, Veranstaltungen mit antisemitischen Inhalten in städtischen Räumlichkeiten durchzuführen, tangiere nicht das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Es gehe nicht um ein Verbot im Einzelfall, sondern um eine politische Grundfestlegung des Stadtrats. Es gehöre zur gemeindlichen Gestaltungsfreiheit, Widmungszwecke von öffentlichen Einrichtungen, die nicht gesetzlich vorgeschrieben seien, an allgemeinen politischen oder ethischen Erwägungen auszurichten. Der spezifische Bezug einer Aufgabe zur örtlichen Gemeinschaft werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Angelegenheit neben spezifisch örtlichen Aspekten auch solche besitze, die von überörtlichem Interesse seien. Es sei allgemeiner Konsens, dass Antisemitismus in Europa immer stärker werde und dass BDS eine Kampagne sei, die antisemitische Ziele verfolge. Auch der Bundestag habe beschlossen, die unter seiner Verwaltung stehenden Räumlichkeiten und Einrichtungen solchen Organisationen, die sich antisemitisch äußerten oder das Existenzrecht Israels in Frage stellten, nicht zur Verfügung zu stellen; Länder, Städte und Gemeinden würden dazu aufgerufen, sich dieser Haltung anzuschließen (BT-Drs. 19/10191). Die jüngste Vergangenheit als sog. Hauptstadt der Bewegung verpflichte die Beklagte zu einem moralisch und ethisch begründeten Handeln gegen jede Form des Antisemitismus in München. Der erste Hilfsantrag sei wegen fehlender Orts- und Zeitangabe der Veranstaltung zu unbestimmt. Der weitere Hilfsantrag sei unabhängig von der grundsätzlichen Eignung des Bürgersaals Fürstenried zur Durchführung einer Podiumsdiskussion ebenfalls zurückzuweisen, da allen vom Klägern genannten Sälen der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 bzw. die mangelnde rechtliche Verfügbarkeit entgegenstehe. Der genannte Beschluss erfasse sämtliche städtischen Räume und erlege auch den städtischen Gesellschaften und den Eigenbetrieben eine Umsetzungsverpflichtung auf. Das SG Bauzentrum München, der Begegnungssaal im ASZ Ramersdorf und der Konferenzsaal des Baureferats seien städtische Räumlichkeiten, die den Vorgaben des Stadtratsbeschlusses unmittelbar unterworfen seien. Beim Bürgersaal Fürstenried, dem Kulturhaus Milbertshofen und dem Interim handle es sich um öffentliche Einrichtungen in städtischen Räumlichkeiten, die den jeweiligen Trägervereinen zur kulturellen Nutzung überlassen seien, wobei die Trägervereine jeweils an die Vorgaben aus städtischen Beschlüssen gebunden seien; ihnen seien mit E-Mail vom 5. Mai 2018 der Stadtratsbeschluss sowie ein Hinweis zur Beachtung der Vorgaben aus diesem Beschluss zugesandt worden. Städtische Schulräume stünden aufgrund eines aktuellen Stadtratsbeschlusses nicht mehr für außerschulische Veranstaltungen zur Verfügung. Hinsichtlich des Literaturhauses, das einer Stiftung diene, liege die geplante Podiumsdiskussion außerhalb des durch Satzung festgelegten Stiftungszwecks.
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Der Kläger führt dazu aus, die erwähnte Veranstaltung am 26. Juni 2019 sei nicht von ihm organisiert worden; auch befinde sich der Veranstaltungsort Freiheizhalle in privater Hand. Bei der geplanten Veranstaltung handle es sich nicht um eine solche der BDS-Kampagne, sondern um eine, welche den Stadtratsbeschluss und die damit einhergehende Einschränkung der Meinungsfreiheit zum Gegenstand haben solle. Die Beklagte habe die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Stadtratsbeschluss vom öffentlichen Diskurs abgeschnitten. Auch die Antisemitismus-Definition der IHRA dürfe Gegenstand einer kritischen Auseinandersetzung sein, wie etwa ein Gutachten im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeige.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
29
Die gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Dezember 2018 gerichtete Berufung des Klägers, über die wegen des in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2020 erklärten Einverständnisses der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, ist zulässig (1.) und teilweise begründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm für die geplante Diskussionsveranstaltung einen Saal im Münchner Stadtmuseum (2.) oder - ohne nähere Ortsangabe - in einem anderen städtischen Raum vermietet (3.). Er kann aber verlangen, dass die Beklagte entsprechend seinem weiteren Hilfsantrag verpflichtet wird, ihm den Zugang zum Bürgersaal Fürstenried durch Einwirkung auf den dortigen Trägerverein zu verschaffen (4.).
30
1. An dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung fehlt es nicht deshalb, weil am 26. Juni 2019 in einem privat betriebenen Veranstaltungssaal im Stadtgebiet der Beklagten bereits eine öffentliche Podiumsdiskussion stattgefunden hat, die hinsichtlich der Thematik sowie der Zusammensetzung des Podiums weitgehend der vom Kläger beabsichtigten Veranstaltung entsprach.
31
Das Rechtsschutzbedürfnis bedarf im Verwaltungsprozess im Regelfall keiner besonderen Begründung. Es fehlt ausnahmsweise dann, wenn die Rechtsstellung des Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde, die Klage also nutzlos wäre. Nutzlos ist eine Klage nur, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte (BVerwG, U.v. 1.10.2015 - 7 C 8.14 - BVerwGE 153, 99 Rn. 19 m.w.N.). Davon kann hier nach den erkennbaren Umständen keine Rede sein. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger mittlerweile von seiner Absicht, ein öffentliches Streitgespräch zu dem Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 in einem dafür angemieteten städtischen Raum durchzuführen, endgültig Abstand genommen hätte und das Klageverfahren nur noch weiterführen würde, um eine abstrakte Klärung der damit verbundenen Rechtsfragen zu erreichen.
32
Die Podiumsdiskussion am 26. Juni 2019, an welcher der Kläger als Zuhörer teilgenommen hat, wurde nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht von ihm selbst, sondern von mehreren Bürgerrechtsvereinigungen organisiert und beworben. Sie fand zudem nicht in einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten, sondern in einem privat betriebenen Veranstaltungssaal statt. Bereits diese Begleitumstände lassen es als fernliegend erscheinen, dass der Kläger die Durchführung einer eigenen Diskussionsveranstaltung zu demselben Thema inzwischen als entbehrlich ansehen könnte. Seine Äußerungen und sein Verhalten deuten im Gegenteil darauf hin, dass es ihm nicht gleichgültig ist, an welchem Ort und unter wessen Regie die öffentliche Auseinandersetzung über den Stadtratsbeschluss geführt wird. Mit seinem Wunsch, das Streitgespräch, zu dem auch ein Vertreter des Stadtrats eingeladen werden soll, gerade in einem städtischen Veranstaltungsraum zu führen, will er seinen Rechtsstandpunkt im Hinblick auf die kritisierte Widmungsbeschränkung demonstrativ zum Ausdruck bringen. Ein solcher Veranstaltungsort, zu dem der Zugang erst gerichtlich erstritten werden muss, kann der geplanten Veranstaltung eine besondere öffentliche Resonanz verschaffen.
33
2. Den Hauptantrag des Klägers, der auf die Vermietung eines Saals im Münchner Stadtmuseum gerichtet ist, hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, so dass die Berufung insoweit keinen Erfolg hat. Das auf Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO gestützte Begehren auf Zulassung zur Benutzung ist von der satzungsmäßig festgelegten Zweckbestimmung dieser kommunalen Einrichtung nicht gedeckt.
34
a) Nach der „Satzung über die Gemeinnützigkeit und Benutzung des Münchner Stadtmuseums“ vom 11. Mai 2005 (MüABl. S. 153 - im Folgenden: Benutzungssatzung) dient das als öffentliche Einrichtung der Beklagten betriebene Museum der Förderung der Kunst, der Kultur, der Volksbildung und der Heimatpflege (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Benutzungssatzung). Diese Zwecke werden insbesondere erfüllt durch das Vorhalten der Einrichtung, die Pflege und Präsentation kunst- und kulturgeschichtlicher Sammlungen, deren Ausbau, Erforschung und Dokumentation, die Künstlerförderung sowie durch die Veranstaltung von Ausstellungen, dazugehörige Rahmenveranstaltungen wie Vorträge, Konzerte, Theatervorstellungen und durch das Herstellen begleitender Publikationen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 der Benutzungssatzung).
35
Die genannten Vorschriften lassen in ihrem Zusammenhang klar erkennen, dass der Satzungsgeber nicht eine für beliebige Kultur- oder Bildungsveranstaltungen zur Verfügung stehende Einrichtung geschaffen hat, sondern die Nutzung der Räumlichkeiten auf museumsspezifische Zwecke beschränken wollte. Dem allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet sind die Säle des Stadtmuseums außer bei Ausstellungen nur bei damit inhaltlich zusammenhängenden, von der Museumsleitung als sinnvolle Ergänzung betrachteten Informations- oder Kulturveranstaltungen („dazugehörige Rahmenveranstaltungen“). Dass sich eine privat organisierte Veranstaltung wie das vom Kläger geplante kommunalpolitische Streitgespräch in einem weitverstandenen Sinn dem Begriff der „Kultur“ bzw. der „Volksbildung“ nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Benutzungssatzung zurechnen lässt, vermag hiernach keinen ausstellungsunabhängigen Zugangsanspruch zu den Räumen des Stadtmuseums zu begründen.
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b) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Widmungszweck der Einrichtung durch die tatsächliche Vergabepraxis der Beklagten mittlerweile dahingehend erweitert worden wäre, dass neben ausstellungsbegleitenden auch sonstige (nicht-kommerzielle) Veranstaltungen Dritter in den Räumen des Stadtmuseums zulässig wären.
37
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob ein - wie hier - rechtssatzmäßig festgelegter Widmungsumfang durch eine davon abweichende Verwaltungsübung nachträglich erweitert oder beschränkt werden kann (ablehnend VGH BW, B.v. 16.10.2014 - 1 S 1855/14 - NVwZ-RR 2015, 148/149; Lange, DVBl 2014, 753/754; ders., Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, S. 799 Fn. 32; offen gelassen von OVG LSA, B.v. 10.10.2011 - 4 M 179/11 - DVBl 2012, 591). Selbst wenn man dies für möglich hielte oder bei widmungsüberschreitenden Nutzungsbegehren zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie, gleichheitsgerechte Entscheidung über eine sog. Sonderbenutzung annähme (so BVerwG, U.v. 29.10.1992 - 7 C 34.91 - NJW 1993, 609/610 m. Anm. Schlink; VGH BW, U.v. 17.5.1988 - 7 A 64/87 - NVwZ-RR 1988, 43/45; VG Hamburg, U.v. 30.11.2011 - 17 K 361/11 - juris Rn. 75; VG Münster, B.v. 23.7.2020 - 1 L 598/20 - juris Rn. 30 ff.; Rennert, JuS 2008, 211/213; Burgi, Kommunalrecht, 6. Aufl. 2019, § 16 Rn. 42 ff.; Wittmann, DVBl 2012, 788/791 m.w.N.), könnte der Kläger sich nicht auf entsprechende aktuelle Referenzfälle berufen, in denen ähnliche Veranstaltungen wie die von ihm geplante in einem Saal des Stadtmuseums zugelassen wurden.
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Soweit der Kläger auf einige in jüngerer Zeit (18.10.2018, 6./7.11.2018, 29.6.2019) in den Räumen des Stadtmuseums durchgeführte Podiumsdiskussionen und Vorträge zu politischen Themen verweist, handelte es sich nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und den beigefügten Erläuterungen jeweils um Kooperationsveranstaltungen mit privaten Vereinen oder Stiftungen im Zusammenhang mit dem laufenden Ausstellungsbetrieb. Ob die weiter angeführte Informationsveranstaltung der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ am 23. April 2013 ebenfalls eine solche Rahmenveranstaltung zu einer Ausstellung darstellte, lässt sich mangels schriftlicher Unterlagen heute nicht mehr eindeutig feststellen. Auch wenn die damalige Raumvergabe entgegen der Vermutung der Beklagten in keinem museumsspezifischen Zusammenhang gestanden haben sollte, ließe sich aus diesem weit zurückliegenden Einzelfall aber weder eine den Widmungsumfang erweiternde Vergabepraxis noch ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen einer möglichen Ermessensentscheidung ableiten. Es bestehen schon keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine - zumindest konkludente - Billigung des Stadtrats oder eines beschließenden Ausschusses, auf die aus Gründen der innergemeindlichen Zuständigkeitsverteilung nicht verzichtet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2012 − 4 CE 11.3002 - VGH n.F. 65, 1/3 = BayVBl 2012, 428; Rennert, a.a.O.). Zudem kann eine lediglich einmalige Zulassungsentscheidung nur dann eine kraft behördlicher Selbstbindung beachtliche neue Verwaltungspraxis begründen, wenn zumindest aus den Umständen die behördliche Absicht erkennbar wird, in Zukunft vergleichbare Fälle ebenso zu behandeln (BayVGH, B.v. 21.1.1988 - 4 CE 87.03883 - BayVBl 1988, 497/498; B.v. 17.2.2011 - 4 CE 11.287 - KommPr BY 2011, 276 Rn. 18; Gassner, VA 85 [1994], 533/540; enger OVG LSA, B.v. 10.10.2011, a.a.O.). Fehlt es daran und liegt der betreffende Vorgang wie hier schon mehrere Jahre zurück, ohne dass ein nachfolgendes Zugangsbegehren darauf gestützt worden wäre, kann es sich nur um einen unbeabsichtigten „Ausreißer“ handeln, der den bisherigen Widmungsumfang unberührt lässt und keinen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen vermag.
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3. Ebenfalls unbegründet ist die Verpflichtungsklage, soweit der Kläger hilfsweise begehrt, die Beklagte zur Vermietung eines Saals für die geplante Diskussionsveranstaltung „in einem anderen städtischen Raum“ zu verpflichten. Für diesen nicht näher spezifizierten Klageantrag fehlt es an der erforderlichen Anspruchsgrundlage.
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Ob einem Gemeindeangehörigen ein Benutzungsrecht nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO zusteht, lässt sich nur in Bezug auf eine konkrete öffentliche Einrichtung feststellen. Ein Zulassungsbewerber muss daher, jedenfalls wenn es wie hier um eine einmalige Benutzung geht, in seinem Antrag angeben, welche unter mehreren in Betracht kommenden Einrichtungen er in Anspruch nehmen will. Er kann von Rechts wegen nicht verlangen, dass der Einrichtungsträger ihm die Auswahlentscheidung abnimmt und eine bestimmte Einrichtung anbietet. An dieser Rollenverteilung ändert sich auch dann nichts, wenn die für den Zugangsanspruch maßgeblichen Umstände zunächst nur der Verwaltung bekannt sind. Kann sich ein ortsansässiger Bewerber nicht schon aus allgemein zugänglichen Quellen darüber informieren, welche kommunalen Einrichtungen für die beabsichtigte Nutzung in Frage kommen, so kann er unter Berufung auf Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO Auskunft über den aktuellen Einrichtungsbestand und über den jeweiligen Widmungsumfang sowie - bei Bedarf - über die noch freien Nutzungszeiten begehren.
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4. Der vom Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens nachträglich gestellte weitere Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrags hinsichtlich des Bürgersaals Fürstenried stellt eine sachdienliche Klageänderung dar (§ 91 Abs. 1 VwGO) und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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a) Bei der genannten Veranstaltungsstätte handelt es sich um eine Einrichtung des Kulturreferats der Beklagten (vgl. http://www.buergersaal-fuerstenried.de) und damit um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO. Diese ist nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten für die vom Kläger geplante Podiumsdiskussion grundsätzlich geeignet. Der Widmungszweck umfasst demnach auch privat organisierte Veranstaltungen zu kommunalpolitischen Themen.
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Dass die Beklagte in Ausübung ihres Organisationsermessens den laufenden Betrieb der Einrichtung und damit auch die Entscheidung über die Nutzungsvergabe dem Trägerverein Bürgersaal Fürstenried e. V. überlassen hat, ändert an dem Zugangsrecht des Klägers nichts. Die Einschaltung dieses privaten Einrichtungsbetreibers steht zwar der mit dem Hilfsantrag - dem Wortlaut nach - begehrten unmittelbaren Verpflichtung der Beklagten zum Mietvertragsabschluss entgegen. Dies führt aber insoweit nicht zur Klageabweisung. Die für den Betrieb der öffentlichen Einrichtungen zuständigen Trägervereine sind, wie die Beklagte bestätigt hat, bei ihren Vergabeentscheidungen an die Vorgaben aus städtischen Beschlüssen gebunden. In einem solchen Fall verwandelt sich der kommunalrechtliche Zulassungsanspruch in einen Verschaffungsanspruch, den die beklagte Kommune durch Einwirkung auf den Trägerverein zu erfüllen hat (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2018 - 4 CE 18.1224 - BayVBl 2019, 50, Rn. 15, 25; Burgi, a.a.O., § 16 Rn. 38 f.). Dass auch dieser aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO abzuleitende (Hilfs-)Anspruch mit der Klage auf Zugangsgewährung zu der öffentlichen Einrichtung verfolgt werden soll, lässt sich dem klägerischen Begehren ohne weiteres entnehmen (§ 88 VwGO).
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b) Der Verschaffungsanspruch in Bezug auf die genannte Veranstaltungsstätte scheitert nicht an dem - auch den Trägervereinen bekanntgegebenen - Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 13. Dezember 2017, wonach von der Überlassung von Räumen bzw. der Vermietung städtischer Einrichtungen alle Personen auszuschließen sind, die dort Veranstaltungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, verfolgen oder dafür werben. Diese Einschränkung des Nutzungsrechts ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und daher unwirksam.
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aa) Einem kommunalen Einrichtungsträger ist es allerdings nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO nicht generell untersagt, auch Gemeindeangehörigen den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu verwehren.
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Der kommunalrechtliche Benutzungsanspruch besteht nur im Rahmen der Widmung und nach Maßgabe der „bestehenden allgemeinen Vorschriften“, zu denen neben den für jedermann geltenden Rechtsnormen auch die zur Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses festgelegten Benutzungsbedingungen gehören (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 - 4 CS 17.2083 - BayVBl 2018, 820 Rn. 16; Schoch, NVwZ 2016, 257/263 f.; Wachsmuth in Schulz u.a., Kommunalverfassungsrecht Bayern, GO, Art. 21 Anm. 4.3 m.w.N.). Schließt eine Gemeinde, wie mit dem Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 13. Dezember 2017 geschehen, Personen allein wegen einer bestimmten Benutzungsabsicht von der Zulassung zu ihren öffentlichen Einrichtungen aus, so handelt es sich nicht um bloße Modalitäten einer prinzipiell zulässigen Benutzung, sondern um eine den Einrichtungszweck konkretisierende Beschränkung und somit um eine Regelung, die den Widmungsumfang betrifft.
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Aufgrund des aus der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) folgenden Rechts auf eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung verfügen die Gemeinden bei der Festlegung des Zwecks und des Benutzerkreises ihrer freiwillig geschaffenen öffentlichen Einrichtungen (Art. 57 Abs. 1 Satz 1 GO) über ein weites, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen (BayVGH, B.v. 27.3.2001 - 4 ZE 01.628 - juris Rn. 3; VerfGH, E.v. 7.10.2011 - Vf. 32-VI-10 - VerfGHE 64, 177/181 m.w.N.). Sie können daher durch entsprechende Widmungsbeschränkungen beispielsweise Parteien von der Nutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen generell ausschließen (BVerwG, U.v. 18.7.1969 - VII C 56.68 - BVerwGE 32, 333/336 f.; BayVGH, B.v. 3.7.2018, a.a.O., Rn. 21) oder die Räumlichkeiten nur für bestimmte, nach objektiven Kriterien abgrenzbare Arten von politischen oder sonstigen Veranstaltungen zur Verfügung stellen (BVerfG, B.v. 7.3.2007 - 2 BvR 447/07 - juris Rn. 6 f.; BayVGH, B.v. 13.6.2008 - 4 CE 08.726 - juris Rn. 11; VGH BW, U.v. 4.5.1998 - 1 S 749/97 - NVwZ 1999, 565/566; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21 Rn. 19a). Grundsätzlich dürfen in diesem Rahmen auch überörtliche politische Ziele verfolgt und entsprechende Verhaltensanforderungen an die Benutzer gestellt werden, wenn ein hinreichend konkreter Bezug zu dem Betrieb der Einrichtung als örtlicher Angelegenheit besteht (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 17; Helbich, JuS 2017, 507/508; Gottschalk, NVwZ 2019, 1728/1731).
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bb) Bei der Festlegung des Widmungszwecks ihrer öffentlichen Einrichtungen haben die Gemeinden jedoch das höherrangige Recht, insbesondere die Grundrechte zu beachten. Diesem Erfordernis wird der vom Stadtrat der Beklagten beschlossene generelle Ausschluss von Veranstaltungen, die sich mit der gegen den Staat Israel gerichteten BDS-Kampagne („Boycott, Divestment and Sanctions“) befassen, nicht gerecht. Er verstößt gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (1) und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (2).
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(1) Der in der Stadtratssitzung vom 13. Dezember 2017 gefasste Beschluss stellt einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der potentiellen Einrichtungsbenutzer dar (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).
50
(a) Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist nicht erst dann berührt, wenn das grundrechtlich geschützte Verhalten als solches eingeschränkt oder verboten wird, sondern schon dann, wenn daran negative Konsequenzen geknüpft werden (BVerfG, B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 126/85 - BVerfGE 86, 122/128; Degenhart in BK zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 157 f.; Grabenwarter in Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 101 m.w.N.; vgl. auch Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2017, Art. 5 I, II Rn. 172; ebenso zu Art. 110 Abs. 1 Satz 1 BV BayVerfGH, E.v. 3.12.2019 - Vf. 6-VIII-17 u.a. - BayVBl 2020, 226 Rn. 199). Dies ist hier der Fall, da nach dem genannten Stadtratsbeschluss alle Bewerber, die sich in einer geplanten Veranstaltung mit der BDS-Kampagne in irgendeiner Form befassen, sich also dazu selbst äußern oder Äußerungen Dritter ermöglichen wollen, zwingend von der Raumvergabe in städtischen Einrichtungen ausgeschlossen werden. In dieser Rechtsfolge liegt ein zielgerichteter regulativer Grundrechtseingriff, da es der Beklagten gerade darauf ankommt, jegliche im Voraus absehbare Meinungsbekundung zur BDS-Kampagne in ihren Räumlichkeiten zu verhindern.
51
An der Eingriffswirkung fehlt es nicht deshalb, weil die streitige Zugangsbeschränkung so formuliert ist, dass der Ausschluss nicht nur bei zu erwartenden positiven Äußerungen zur BDS-Kampagne erfolgt, sondern auch dann, wenn sich die Veranstaltung kritisch oder in neutraler Form damit befassen soll. Die darin liegende Gleichbehandlung unterschiedlicher Standpunkte ändert nichts daran, dass mit dem Beschluss des Stadtrats alle inhaltlichen Stellungnahmen zu diesem kontrovers diskutierten politischen Thema unterbunden werden. In den städtischen Einrichtungen, die ansonsten als öffentliches Forum der Meinungsbildung dienen, soll zu dieser Streitfrage gerade kein Meinungsaustausch stattfinden. Die Widmungsbeschränkung ist damit nicht meinungsneutral; sie zielt weder auf einen nach äußerlichen Kriterien bestimmbaren Veranstaltungstyp (Vortrag, Diskussion, Filmvorführung etc.) noch auf den generellen Ausschluss eines abstrakt umrissenen Themenkreises (z. B. aller Veranstaltungen ohne konkreten örtlichen Bezug). Der Beschluss des Stadtrats vom 13. Dezember 2017 beruht nicht auf solchen einrichtungsbezogenen Erwägungen, sondern auf einer (negativen) inhaltlichen Bewertung der BDS-Kampagne. Die politische Stoßrichtung dieser Kampagne, die den israelischen Staat zumindest in seiner derzeitigen Gestalt in Frage stellt, bildet erklärtermaßen den alleinigen Grund, weshalb dazu in den Einrichtungen der Beklagten keine Veranstaltungen stattfinden sollen.
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(b) Der mit dem Benutzungsausschluss verbundene Grundrechtseingriff ist nicht gerechtfertigt. Eine Gemeinde ist nicht befugt, Bewerbern allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen zu verwehren (ebenso VGH BW, U.v. 1.3.1982 - 1 S 1179/81 - VBlBW 1983, 35/36; B.v. 14.4.1989 - 1 S 952/89 - NVwZ 1990, 93/94; BayVGH, B.v. 21.1.1988 - 4 CE 87.03883 - BayVBl 1988, 497/498; VG München, U.v. 6.4.2016 - M 7 K 15.200 - juris Rn. 27; Schoch, NVwZ 2016, 257/263 f.; Gassner, VerwArch 85 [1994], 533/541; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, S. 439).
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Die Meinungsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Grenze in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Als allgemeine Gesetze im Sinne dieses Schrankenvorbehalts können nur Vorschriften gelten, die kein Sonderrecht gegen eine bestimmte Meinung schaffen und sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen (BVerfG, B.v. 4.11.2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300/321 ff. m.w.N). An der Allgemeinheit eines Gesetzes fehlt es, wenn eine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet. Eine die Meinungsfreiheit beschränkende Norm darf nur an dem zu schützenden Rechtsgut ausgerichtet sein und nicht an einem Wert- oder Unwerturteil hinsichtlich konkreter Haltungen oder Gesinnungen (BVerfG, a.a.O.). Ein Indiz für Sonderrecht ist es, wenn sich eine Norm als Antwort auf einen konkreten Konflikt des aktuellen öffentlichen Meinungskampfes versteht oder anknüpfend an inhaltliche Positionen einzelner vorfindlicher Gruppierungen so formuliert ist, dass sie im Wesentlichen nur gegenüber diesen zur Anwendung kommen kann. Je mehr eine Norm so angelegt ist, dass sie absehbar allein Anhänger bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Auffassungen trifft und somit auf den öffentlichen Meinungskampf einwirkt, desto mehr spricht dafür, dass die Schwelle zum Sonderrecht überschritten ist (BVerfG, a.a.O.).
54
Hiervon ausgehend fehlt es an einer Rechtfertigung für den Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der Einrichtungsbenutzer. Der widmungsbeschränkende Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 stellt schon deshalb kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar, weil er keine Rechtsnormqualität besitzt (vgl. VG Köln, B.v. 12.9.2019 - 14 L 1765/19 - juris Rn. 24; Schulz, KommJur 2020, 245/247 f.). Selbst wenn die Beklagte eine entsprechende Satzung erlassen hätte, würde sich im Ergebnis nichts ändern, da die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO enthaltene allgemeine Ermächtigung, die Benutzung öffentlicher Einrichtungen zu regeln, dem für spezielle Grundrechtseingriffe geltenden Rechtssatzvorbehalt nicht genügt (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013, a.a.O., Rn. 28; Helbich, a.a.O., 711 m.w.N.).
55
Darüber hinaus lässt sich auch nicht feststellen, dass der generelle Ausschluss von Veranstaltungen zur BDS-Kampagne dem Schutz eines unabhängig von bestimmten Meinungsinhalten zu schützenden Rechtsguts dienen würde. Dass die Durchführung von Diskussions- oder Vortragsveranstaltungen zu diesem Thema regelmäßig mit der Gefahr einer Begehung strafbarer Handlungen verbunden wäre, etwa in Gestalt von Äußerungsdelikten wie § 130 Abs. 1 oder § 185 StGB, ist nicht erkennbar und wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Die von einer Vielzahl von Personen und Organisationen getragene weltweite BDS-Kampagne weist ersichtlich keine festen organisatorischen Strukturen auf (vgl. VerfGH NW, B.v. 22.9.2020 - 49/19.VB-2 -juris Rn. 19). Ob sie in ihrem Gesamtgepräge oder jedenfalls in Bezug auf einzelne Elemente als antisemitisch (zum Begriff Weller/Lieberknecht, JZ 2019, 317/319 f. m.w.N.) zu qualifizieren ist, wie die Beklagte annimmt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung (ebenso Schulz, a.a.O., 245 ff.). Denn selbst wenn sich dies anhand objektiver Kriterien eindeutig nachweisen ließe, ergäbe sich allein daraus noch keine Rechtfertigung für eine Beschränkung der Meinungsfreiheit.
56
Zwar verstoßen auf antisemitischen Vorstellungen beruhende politische Konzepte wegen ihrer zweifelsfrei bestehenden Unvereinbarkeit mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind daher verfassungswidrig (BVerfG U.v. 17.1.2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 541). Diese Feststellung, die im Zusammenhang mit Partei- oder Vereinsverboten relevant sein kann, reicht aber für sich genommen nicht aus, um entsprechende Meinungsäußerungen auch im Rahmen politischer Informations- oder Diskussionsveranstaltungen behördlicherseits von vornherein zu untersagen oder darauf einen Nutzungsausschluss zu stützen (a. A. offenbar NdsOVG, B.v. 27.3.2019 - 10 ME 48/19 - juris Rn. 4 ff.).
57
Äußerungen Privater genießen grundrechtlichen Schutz nach Art. 5 Abs. 1 GG unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit oder Gefährlichkeit (BVerfG, B.v. 7.7.2020 - 1 BvR 479/20 - juris Rn. 14). Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen; es erzwingt diese Werteloyalität aber nicht (BVerfG, B.v. 4.11.2009, a.a.O., 320 m.w.N.). Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst demzufolge auch extremistische, rassistische oder antisemitische Äußerungen (vgl. Grabenwarter, a.a.O., Rn. 68 ff. m.w.N.). Für gesetzliche Beschränkungen gelten insoweit dieselben Voraussetzungen wie bei allen sonstigen Meinungsbekundungen (vgl. BVerfG, B.v. 26.1.2006 - 1 BvQ 3/06 - NVwZ 2006, 585/586).
58
Der Vorbehalt der allgemeinen Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG ermächtigt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst dann zu Eingriffen, wenn die betreffenden Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen (BVerfG, B.v. 4.11.2009, a.a.O., 330). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.2018 - 1 BvR 673/18 - NJW 2018, 2858 Rn. 24; B.v. 7.7.2020 - 1 BvR 479/20 - juris Rn. 14). Von einer solchen sich abzeichnenden konkreten Rechtsgutgefährdung, die eine staatliche Schutzpflicht auslösen würde, kann aber im Zusammenhang mit der BDS-Kampagne nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen nicht gesprochen werden (vgl. auch Schulz, a.a.O., 247).
59
Es bestehen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die im Bundesgebiet entfalteten Aktivitäten der auf den Staat Israel zielenden Boykottbewegung auch eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende gezielte Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland oder gar ein Aufstacheln zum Hass gegen diese Personengruppe umfassen könnte. Erst wenn mit der gezielten Verbreitung antisemitischer Stereotype derartige Ausgrenzungs- und Stigmatisierungseffekte provoziert würden, läge darin - unabhängig von einem möglichen Strafrechtsverstoß - eine hinreichend konkrete Gefährdung des Schutzguts der öffentlichen Ordnung (Art. 6 LStVG; Art. 11 Abs. 1 PAG), die den Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigen könnte (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2004 - 1 BvQ 19/04 - BVerfGE 111, 147/156 f.; B.v. 7.7.2020, a.a.O., Rn. 15 ff.; Attendorn/Schnell, NVwZ 2020, 1224/1225 ff.). Da diese Gefahrenschwelle mit den Boykottaufrufen der Befürworter der BDS-Kampagne derzeit ersichtlich nicht erreicht wird, kann der Zugang zu kommunalen Einrichtungen nicht allein mit dem Hinweis auf eine (nach Einschätzung des Einrichtungsträgers bestehende) antisemitische Grundtendenz der geplanten Veranstaltungen verweigert werden. Dass der Schutz der jüdischen Identität und damit verbunden die Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel seit langem feststehende Maximen der deutschen Politik sind und als identitätsprägende Grundwerte auch auf die deutsche Rechtsordnung einwirken bzw. bei deren Auslegung zu berücksichtigen sind (dazu Weller/Lieberknecht, a.a.O., 322 f. m.w.N.), vermag an dieser verfassungsrechtlichen Bewertung nichts zu ändern.
60
(2) Selbst wenn man die an einen bestimmten Meinungsinhalt anknüpfende Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung nicht als (mittelbaren) Eingriff in das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG bewerten wollte, läge darin jedenfalls ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, und allen sonstigen politischen Veranstaltungen fehlt ein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund.
61
Beschränkungen des Widmungszwecks einer öffentlichen Einrichtung müssen auf sachlich begründeten Erwägungen beruhen und dürfen nicht ausschließlich einrichtungsfremde Ziele verfolgen (BayVGH, B.v. 4.6.1959 - 147 IV 57 - VGH n.F. 12, 50/53; VGH BW, B.v. 25.9.1997 - 1 S 1261/97 - juris Rn. 43; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Art. 21 Rn. 12; Lange, Kommunalrecht, a.a.O., S. 827; Gassner, a.a.O., 539). Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es den Gemeinden, die Regelungen über den Zugang zu ihren Einrichtungen als Druckmittel zur Durchsetzung beliebiger Anforderungen zu benutzen (Lange, a.a.O.). Unzulässig sind daher auch solche Widmungsbestimmungen, mit denen eine Kommune bestimmte nicht verbotene Äußerungen in ihren Räumlichkeiten untersagt oder zu einem Ausschlussgrund erklärt (Gassner, a.a.O., 541). Wird eine öffentliche Einrichtung für Veranstaltungen zu allgemeinpolitischen Fragen zur Verfügung gestellt, so dürfen nicht - nach Art eines Tendenzbetriebs - nur die vom Einrichtungsträger gebilligten Themen und Meinungen zugelassen werden. Eine solche Ungleichbehandlung der Einrichtungsbenutzer stellt einen schwerwiegenden Verfassungsverstoß dar, weil sie sich in einseitig benachteiligender Weise auf die Ausübung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit auswirkt (vgl. BVerfG, B.v. 30.5.1990 - 1 BvL 2/83 u.a. - BVerfGE 82, 126/146 m.w.N.). Auch die Neutralitätspflicht des Staates steht einer lenkenden Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung durch gezielte Ungleichverteilung öffentlicher Äußerungsmöglichkeiten entgegen (vgl. allgemein BVerwG, U.v. 13.9.2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 28 f.).
II.
62
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
III.
63
Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob der Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung davon abhängig gemacht werden kann, ob der Bewerber in der geplanten Veranstaltung Meinungsäußerungen mit verfassungswidrigem Inhalt unterlässt bzw. für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsteht (so wohl NdsOVG, a.a.O., Rn. 7 ff.), ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.