Inhalt

VGH München, Urteil v. 08.10.2020 – 2 B 20.301
Titel:

Grundstücksbezogene Wirkung der Stellplatzablösung

Normenketten:
BayBO Art. 47
BayBO 1998 Art. 53
Leitsätze:
Die Stellplatzablösung wirkt nicht nur vorhabenbezogen, sondern grundstücksbezogen. (Rn. 42)
1. Die für einen vorhandenen Baubestand abgelösten Stellplätze sind wie tatsächlich vorhandene Stellplätze auf den Stellplatznachweis der an die Stelle des Altbestands tretenden Änderung oder des Neubaus anzurechnen. Abgelöste Stellplätze sind solange als nachgewiesen anzusehen als der Ablösevertrag nicht rückgängig gemacht wird. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtswirkungen der Ablösung bleiben auch bei einer späteren Nutzungsänderung, bei einem Eigentümerwechsel oder einem etwaigen Untergang der Anlage erhalten. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Stellplatzablösung wohnt kein Zeitelement in dem Sinne inne, dass eine sich an den Kosten für die einmalige Herstellung von Einstellplätzen orientierende Ablösezahlung etwa nach 30 oder weniger Jahren „verbraucht“ wäre. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Interesse der Gemeinde, bei bestimmten Nutzungen neu über die Stellplatzablöse zu entscheiden, ist nicht schutzwürdig, da dem Grundstück gegebenenfalls der abgelöste Vorteil wieder genommen und der Ablösebetrag gegebenenfalls mehrmals kassiert würde. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung, notwendige Stellplätze, Stellplatzablösung, Nutzungsänderung, Wettbüro, Ablösevertrag, Grundstücksbezogenheit, Zeitelement
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 15.01.2018 – M 8 K 16.2312
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 25.08.2021 – 4 B 3.21
Fundstellen:
BayVBl 2021, 236
BeckRS 2020, 30421
LSK 2020, 30421

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2018 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 18. April 2016 die mit Bauantrag vom 9. Juni 2015 begehrte Baugenehmigung zu erteilen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung von Ladenflächen in ein Wettbüro in dem Anwesen D* … Straße …
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1. Die Klägerin beabsichtigt, in dem ehemaligen „Laden 3“ (nördlichster Teil des Erdgeschossbereichs des Anwesens D* … Straße **) ein Wettbüro mit einer Fläche von 118,70 m² sowie einer Theke mit 9,90 m², einem Lager von 16,10 m² und einem Windfang mit 7,80 m² zu errichten. In einem Teilbereich des ehemaligen „Ladens 2“ sollen ein weiterer Lagerraum mit 10,96 m², ein Büro mit 10,10 m², Flure mit 3,90 m², 4,90 m² und 2,80 m² sowie eine Toilette mit 2,20 m² eingerichtet werden. Neben Tischen und Stühlen für 36 Personen waren in dem Wettannahmebereich mit einer Fläche von 118,70 m² 20 Monitore vorgesehen.
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Dem Bauantrag vom 19. Juni 2015 war eine Stellplatzberechnung beigefügt, nach der für die Wettannahmestelle mit 128,60 m² und einem Stellplatzschlüssel von 20 m² je Stellplatz 6,43 Stellplätze, abgerundet sechs Stellplätze, notwendig seien. Da die Ermäßigungsregel des § 3 Abs. 1 a der Stellplatzsatzung der Beklagten anwendbar sei, würden nur drei Stellplätze benötigt. Der Bestand betrage drei Stellplätze, so dass für das Vorhaben kein zusätzlicher Stellplatz erforderlich und demnach auch nicht abzulösen sei. Ferner war ein Nachweis der Fahrradstellplätze mit zwölf hergestellten Fahrradabstellplätzen und sechs für das Vorhaben notwendigen Stellplätzen beigefügt.
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Mit Bescheid vom 18. April 2016 lehnte die Beklagte den Bauantrag ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben erfülle die nach Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden Anforderungen des Stellplatzrechts nach Art. 47 BayBO nicht. Für die beantragte Nutzungsänderung, die nur einen Teilbereich des Gebäudes betreffe, seien gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO i.V.m. der Stellplatzsatzung zusätzliche Stellplätze erforderlich. Von den erforderlichen Stellplätzen seien zunächst die Stellplätze aus dem Altbestand abzuziehen. Danach könne von den zusätzlich erforderlichen Stellplätzen die Minimierung (Stellplatz-Zone I, 50%) angerechnet werden. Die daraus errechnete Summe an Stellplätzen sei nachzuweisen. Für Wettbüros und Spielhallen seien die Stellplätze real nachzuweisen. Eine Ablösung der Stellplätze sei nicht möglich. Die mit Schreiben der Klägerin vom 25. Februar 2016 dargelegte Berechnung der Stellplätze entspreche nicht der Auslegung der Stellplatzsatzung sowie der Praxis in vergleichbaren Fällen.
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Am 19. Mai 2016 ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, für das Vorhaben seien auf Grund der Lage in Zone I lediglich drei Stellplätze nachzuweisen. Diese Stellplätze seien vorhanden bzw. abgelöst worden. Die Klägerin habe die Räumlichkeiten mit diesen schon früher nachgewiesenen drei Stellplätzen angemietet. Vorsorglich werde noch darauf hingewiesen, dass sich in der unmittelbaren Umgebung des Wettbüros der Klägerin zahlreiche gewerblich genutzte Räumlichkeiten befänden. Auch seien im näheren Umkreis zwei Spielhallen und eine Diskothek genehmigt worden. Im gegenüberliegenden Anwesen D* … Straße … befinde sich eine Tabledance-Bar, die vor etwa 3 Jahren eröffnet habe und bei der nach Kenntnis der Klägerin zwei bis drei notwendige Stellplätze abgelöst worden seien. Es bestehe daher kein sachlicher Grund, dass für das Wettbüro keine Stellplatzablöse zugelassen werde.
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Die Klägerin beantragte,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. April 2016 zu verpflichten, die mit Bauantrag vom 9. Juni 2015 beantragte Genehmigung zu erteilen.
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Die Beklagte beantragte,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Nutzungsänderung löse einen Mehrbedarf von einem Stellplatz aus. Der Soll-Bedarf der Ladennutzung sei mit 128,60 m² und einem Stellplatz je 50 m², somit 2,5 Stellplätze - gerundet drei Stellplätze - nach alter Rechtslage fiktiv anzusetzen. Nach neuer Rechtslage in der hier vorliegenden Zone I seien diese fiktiv anzusetzenden Stellplätze mit 50% zu ermäßigen. Daraus ergebe sich ein Soll-Bedarf von 1,5 Stellplätzen, im Ergebnis also zwei Stellplätzen. Diese zwei Stellplätze seien der fiktive Soll-Bedarf der ursprünglichen Ladennutzung, weshalb sich für die Nutzungsänderung ein Mehrbedarf von einem Stellplatz errechne, den die Klägerin nicht nachgewiesen habe. Die notwendigen Stellplätze seien grundsätzlich real herzustellen, könnten aber nach pflichtgemäßem Ermessen abgelöst werden. Hierbei sei zu beachten, dass die Verpflichtung nach § 47 Abs. 1 BayBO nur in besonderen Einzelfällen durch Ablöse erfüllt werden solle. Vorliegend sei einer Ablöse - auch wenn diese gar nicht beantragt worden sei - nicht zugestimmt worden. Das Vorhaben sei daher nicht genehmigungsfähig. Die von der Klägerin dargestellte Ungleichbehandlung liege nicht vor.
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Das Verwaltungsgericht München wies mit Urteil vom 15. Januar 2018 die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Mehrbedarf an Stellplätzen bei einer Nutzungsänderung ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Stellplatzbedarf der früheren und der geänderten Nutzung nach der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage. Dabei sei bei der rechnerischen Ermittlung des Bedarfs auch im Hinblick auf den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen. Für die genehmigte Ladennutzung sei daher bei einer Verkaufsfläche von 128,60 m² mit 50 m² je Stellplatz ein Soll-Bedarf von 2,5 Stellplätzen, demnach drei Stellplätzen nach alter Rechtslage anzusetzen. Das nun beantragte Wettbüro mit 128,60 m² Nutzfläche löse mit dem Ansatz von 20 m² je Stellplatz 6,43 Stellplätze, demnach abgerundet sechs Stellplätze aus. Nach aktueller Rechtslage seien nach einer Ermäßigung von 50% noch fiktiv drei Stellplätze anzusetzen. Allerdings sei auch bei dem fiktiven Soll-Bedarf für die genehmigte Ladennutzung die Ermäßigungsregelung anzuwenden, so dass aus dem Soll-Bedarf von ursprünglich drei Stellplätzen nur noch fiktiv 1,5, damit aufgerundet zwei Stellplätze angesetzt werden könnten.
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Der Klägerin sei der erforderliche Stellplatznachweis auch nicht dadurch möglich, dass sie die bereits vertraglich abgelösten Stellplätze ihrem Vorhaben zuordnen könne. Soweit Stellplätze im Zusammenhang mit der Baugenehmigung vom 22. Juli 1996 abgelöst worden sein sollen, sei dies nicht nachweisbar. Ein Stellplatzablösevertrag, der auf die Baugenehmigung vom 22. Juli 1996 Bezug nehme, sei in den Akten nicht vorhanden. Der Bauantrag vom 5. Dezember 1995, welcher der Baugenehmigung vom 22. Juli 1996 zugrunde liege, gehe davon aus, dass „vier Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück“ hergestellt worden seien. Die Klägerin behaupte in ihrem Schriftsatz vom 9. November 2017, dass nach diesem Bauantrag vier Stellplätze in der Tiefgarage (S* …straße …*) nachgewiesen worden seien. Abgesehen davon, dass die Klägerin den Nachweis hierfür schuldig bleibe, wäre für die Erfüllung der Nachweispflicht eine dingliche Sicherung dieser Stellplätze auf einem anderen Grundstück notwendig gewesen, die ebenfalls offensichtlich nicht gegeben sei. Da feststehe, dass kein Stellplatz auf dem Vorhabengrundstück tatsächlich vorhanden sei, sei eine reale Herstellung im Zusammenhang mit der Baugenehmigung vom 22. Juli 1996 nicht erfolgt. Auch enthalte die Baugenehmigung vom 22. Juli 1996, die das gesamte Erdgeschoss und somit auch „Laden 3“ betroffen habe, keine Regelung hinsichtlich etwaiger Stellplätze.
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Zwar sei der Klägerin zuzugeben, dass mit einem im Zusammenhang mit der Baugenehmigung vom 19. Februar 2003 - die die Nutzungsänderung der Flächen von „Laden 2 und 3“ mit baulichen Änderungen in eine Bankfiliale betraf - geschlossenen Ablösevertrag vom 19. Februar 2003 von den für die Bankfiliale notwendigen sieben Stellplätzen insgesamt drei Stellplätze abgelöst worden seien. Allerdings enthalte dieser Ablösevertrag in § 3 die Bestimmung, der Grundstückseigentümer sei damit einverstanden, dass die abgelösten Stellplätze nur für das oben beschriebene Vorhaben angerechnet werden, soweit nicht die Beklagte einer Anrechnung zustimme.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 11. Februar 2020 die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zugelassen.
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2. Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, für die im Jahr 1996 genehmigte Ladennutzung sei ein Stellplatzbedarf von neun Plätzen errechnet worden. Da der Abschluss des Stellplatzablösevertrags vom 24. Juni 1996 über vier Stellplätze von beiden Parteien bestätigt worden sei, hätte das Gericht von der Existenz dieses Vertrags ausgehen müssen. Die Beklagte habe im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 den Abschluss eines solchen Stellplatzablösevertrags über vier Stellplätze bestätigt. Soweit die Beklagte behaupte, dass diese Stellplatzablöse von vier Plätzen im Jahr 1996 nur vorhabenbezogen erfolgt sei, werde dies mit Nichtwissen bestritten. Nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2008 (2 BV 06.540) erfolge die Ablösung eines Stellplatzes grundsätzlich grundstücksbezogen. Für eine hiervon abweichende Ausgestaltung des Stellplatzablösevertrages sei die Beklagte beweispflichtig.
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Eine weitere Ablöse für drei Stellplätze sei im Jahr 2003 erfolgt. Soweit sich die Beklagte auch hier darauf berufe, dass die Ablöse der Stellplätze nur für das konkret zur Genehmigung anstehende Bauvorhaben gelten sollte, sei die entsprechende Vertragsklausel unzulässig. In Art. 47 BayBO gehe der Gesetzgeber davon aus, dass alle drei genannten Möglichkeiten der Erfüllung der Stellplatzverpflichtung gleichwertig seien. Sowohl für die Herstellung eines Stellplatzes auf dem Baugrundstück oder in unmittelbarer Nähe des Baugrundstücks, als auch für die Ablösung müsse der Bauherr Geldmittel aufwenden. Ein Stellplatzablösevertrag, der eine ausschließlich vorhabenbezogene Ablöse regle, verstoße sowohl gegen Art. 54 Satz 1 BayVwVfG als auch gegen Art. 56 Abs. 1 BayVwVfG. Würde man eine vorhabenbezogene Ablöse zulassen, liege kein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung mehr vor. Bei jeder Nutzungsänderung könnte eine erneute Zahlung für die Ablöse der erforderlichen Stellplätze verlangt werden. Die Beklagte könnte damit ggfls. für einen Stellplatz das Vielfache des in der Satzung vorgesehenen Betrags erzielen. Der Bauherr werde außerdem unangemessen benachteiligt im Sinn von § 307 Abs. 2 BGB, da in den Formularverträgen Bestimmungen enthalten seien, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Januar 2018 zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 18. April 2016 die mit Bauantrag vom 9. Juni 2015 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt die Beklagte aus, nach heutiger Rechtslage führe die Nutzungsänderung zu einem Mehrbedarf von einem Stellplatz. Eine Anrechnung von vorhandenen, den aktuellen Bedarf übersteigenden Stellplätzen, auf diesen Mehrbedarf scheide aus. Reale Stellplätze seien auf dem Baugrundstück nicht vorhanden, ebenso wenig sei eine dingliche Sicherung der Stellplätze in einer Tiefgarage auf dem Nachbargrundstück erfolgt.
22
Die Zuordnung von abgelösten Stellplätzen scheide aus. Weder die Baugenehmigung vom 22. Juli 1996, noch die vom 19. Februar 2003 belegten die von der Klägerin behauptete Ablöse über vier Stellplätze. Durch die Baugenehmigung vom 19. Februar 2003 sei lediglich eine Ablöse von drei Stellplätzen durch Ablösevertrag belegt. Im Übrigen seien bei der Gegenüberstellung von Ist-Bedarf Bestand- und Soll-Bedarf beantragte Nutzung nach der aktuellen Rechtslage beim Ist-Bedarf bereits fiktive Stellplätze gegengerechnet worden. Würden beim ermittelten Mehrbedarf nochmals separat abgelöste Stellplätze abgezogen, komme es zu einer doppelten Berücksichtigung.
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Ferner sei die Anrechnung eines im Februar 2003 abgelösten Stellplatzes nicht möglich, weil beide Voraussetzungen des § 3 Satz 2 des Ablösevertrags nicht erfüllt seien. Der Bauherr habe seit dem Jahr 2008 ein Wahlrecht, ob eine Realherstellung oder eine Ablöse umgesetzt werden soll. Daher sei die Ablöse eine echte Erfüllung der Stellplatzpflicht und nicht nur ein Surrogat. Gleichzeitig stehe der Gemeinde dabei auch ein Ermessen zu, ob und zu welchen Bedingungen sie ablösen lässt. In Umsetzung des eingeräumten Ermessens und der Beachtung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich Gleichbehandlung aller drei Alternativen des Art. 47 Abs. 3 BayBO, sei die Regelung in § 3 des Ablösevertrags zulässig, bzw. sogar geboten. Ließe man demgegenüber eine uneingeschränkte Anrechnung der Ablöse auch auf Neubauvorhaben, die keinerlei Bezug mehr zum bisherigen Vorhaben hätten, zu, würde die Ablöse gegenüber der Realherstellung bevorzugt, denn reale Stellplätze könnten durch Neubau/Umgestaltungen entfallen.
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Eine automatische Anrechnung eines der drei unter dem 19. Februar 2003 abgelösten Stellplätze scheide auch deshalb aus, weil zwischen der Nutzungsänderung am 19. Februar 2003 und der strittigen Nutzungsänderung vom 18. April 2016 noch weitere Nutzungsänderungen im Jahr 2005 und vom 4. Dezember 2009 (Laden in Schnellgastronomie bzw. Bank in Laden 2 und 3) lägen. Daher entfielen die Stellplätze schon nicht für das ursprüngliche, in § 1 der Stellplatzablöse beschriebene Vorhaben. Zudem lägen auch die Voraussetzungen einer Zustimmung durch die Beklagte nicht vor.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses äußert sich dahingehend, dass bereits die für das strittige Bauvorhaben ermittelte Nutzfläche von 128,6 m² unzutreffend sei. Im Übrigen sei es ohne Auswirkung, ob die in der Stellplatzsatzung der Beklagten vorgesehene Ermäßigungsregelung gleich auf die zu vergleichenden Nutzungen oder erst auf die Differenz angewendet werde.
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Im vorliegenden Fall zählten nach den Planunterlagen in der Behördenakte nicht nur die Fläche für die Wettannahme mit 118,7 m², sondern auch die Thekenfläche mit 9,9 m², das Büro mit 10,1 m² und die Lagerflächen mit zusammen 27,06 m² zur anzurechnenden Nutzfläche. Die Lagerflächen seien allerdings nach der Stellplatzsatzung nach Maßgabe der Ziffern 3 und 9.2. anzurechnen (also mit einem Stellplatz je 80 m² anzurechnender Nutzfläche), sodass für die Lagerflächen hier kein Stellplatz erforderlich sei. Die verbleibende anzurechnende Nutzfläche von 138,7 m² führe zu 6,9, gerundet 7 Stellplätzen. Diese Zahl ermäßige sich gemäß § 3 Abs. 1a, Abs. 3 der Stellplatzsatzung auf vier Stellplätze.
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Für die vorangehende, im Jahr 2009 genehmigte Nutzung der Ladeneinheiten 2 und 3 sei nach der aktuellen Rechtslage davon auszugehen, dass für Läden bis 400 m² Verkaufsnutzfläche ein Stellplatz je 50 m² Verkaufsnutzfläche erforderlich sei. Als Verkaufsnutzfläche werde die Nutzfläche aller dem Kundenverkehr dienenden Räume festgelegt. Für die Berechnung sei die Gesamtfläche des streitigen Vorhabens (Nutzungsänderung in ein Wettbüro) zu betrachten und auf ihre Stellplatzrelevanz zu prüfen. Damit sei ausweislich der Planunterlagen in der Behördenakte nur der Verkaufsraum der Ladeneinheit 3 mit einer Verkaufsnutzfläche von 139,14 m² von Bedeutung. Dies zu führe zu 2,78, gerundet drei Stellplätzen. Diese Zahl ermäßige sich gemäß § 3 Abs. 1a, Abs. 3 der Stellplatzsatzung auf zwei Stellplätze. Für die Vergleichsberechnung könne dagegen nicht auf die im Jahr 2003 genehmigte Nutzung als Bankfiliale zurückgegriffen werden, da für diese der Bestandsschutz entfallen sei.
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Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Wirkung der Stellplatzablöse gemäß § 3 des Ablösevertrags aus dem Jahr 2003 auf das in § 1 des Vertrags in Bezug genommene, konkrete Vorhaben beschränkt werden könne, könne nicht gefolgt werden. § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags aus dem Jahr 2003 verstoße gegen Art. 53 BayBO 1998 (Art. 59 BayVwVfG), denn wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden habe, beschränke sich der Surrogat-Charakter nicht auf das seinerzeitige Bauvorhaben. Für die Neufassung der Bayerischen Bauordnung mit dem Änderungsgesetz von 2008 gelte dies erst recht, weil damit die vollständige Gleichstellung der Ablöse von Stellplätzen mit der Realherstellung von Stellplätzen hergestellt werden sollte. Wenn in der Gesetzesbegründung ausgeführt werde, die gemeindliche Entscheidung, ob und zu welchen näheren Bedingungen die Gemeinde den Bauherren die notwendigen Stellplätze ganz oder teilweise ablösen lasse, indem sie einen Ablösungsvertrag schließe, stehe nach wie vor im gemeindlichen Ermessen, dessen Betätigung die Gemeinde im Rahmen einer örtlichen Bauvorschrift näher ausgestalten könne, so sei dies vor dem Hintergrund der Gleichstellung mit der Realstellung (bzw. dem früheren Surrogats-Charakter) nicht so zu verstehen, dass es im Ermessen der Gemeinde stehen solle, eine Bindung der Ablöse an ein ganz konkretes Bauvorhaben zu vereinbaren.
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Es sei von einer Grundstücksbezogenheit der Stellplatzablöse auszugehen. Dies zeige ein Vergleich mit der Realherstellung eines Stellplatzes in der Form, das er auch bei der Neuerrichtung bzw. bei der baulichen Änderung oder Nutzungsänderung existent bleibe. Das für die Ablöse eines Stellplatzes anderes gelten sollte, obwohl der Gesetzgeber ein Surrogat bzw. eine gleichwertige Alternative schaffen wollte, wäre inkonsequent, zumal die Gemeinde im Vorfeld des Vertragsschlusses Gelegenheit gehabt habe, ihre städtebaulichen Ziele zu berücksichtigen. Ferner sei zu sehen, dass gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 BayBO 1998 bzw. Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO bei Änderungen und Nutzungsänderungen von Anlagen nur der dadurch hervorgerufene Mehrbedarf an Stellplätzen nachzuweisen ist. Über den Nachweis des durch das bisherige Vorhaben hervorgerufenen Stellplatzbedarfs werde im Zug des die Nutzungsänderung betreffenden Baugenehmigungsverfahrens ohnehin nicht erneut entschieden.
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Das Interesse der Gemeinde, bei bestimmten Nutzungen neu über die Stellplatzablöse zu entscheiden, sei nicht schutzwürdig, weil dem Grundstück ggfls. der abgelöste Vorteil wieder genommen und der Ablösebetrag ggfls. mehrfach kassiert würde. Eine Perpetuierung ungünstiger Parkplatzsituationen liege nicht vor, da der Abschluss des Ablösevertrags im Ermessen der Gemeinde stehe, diese also steuern könne, und die Ablöse gerade gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayBO 1998 bzw. Art. 47 Abs. 4 BayBO zweckgebunden für die Entlastung des Verkehrs zu verwenden ist. Darüber hinaus könne die Gemeinde die städtebauliche Entwicklung durch ihre Bauleitplanung steuern und z.B. in bestimmten Kerngebieten die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten ausschließen.
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Man könne auch nicht davon ausgehen, dass der Bauherr nicht unangemessen benachteiligt werde, weil er die vertragliche Bindung in Kenntnis dessen eingehe, dass seine Ablösezahlung möglicherweise nur in Bezug auf die aktuelle Nutzung Bestand habe. Dies würde vielmehr zu unbilligen Ergebnissen führen. Läge nämlich der Fall so, dass ein Rechtsnachfolger ein Jahr nach der Ablösezahlung eine bauliche Änderung vornehme, dann wäre die Anrechnung der abgelösten Stellplätze nach dieser Auffassung von der Zustimmung der Beklagten abhängig, obwohl dieser Bauherr (Rechtsnachfolger) gar nicht an dem Ablösevertrag beteiligt gewesen sei.
32
Aus der Unwirksamkeit des § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags aus dem Jahr 2003 sei nicht auf eine Gesamtnichtigkeit des Stellplatzablösevertrags zu schließen, weil anzunehmen sei, dass die Beklagte diesen Vertrag auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen hätte. Denn sie hat ihre damalige Praxis ausgeübt und sich für das damalige Vorhaben auf eine Stellplatzablöse eingelassen. Unterstellt, die Beklagte habe in ihren Stellplatzablöseverträgen stets eine solche Vorhabens-Bindung aufgenommen, sei nicht davon auszugehen, dass sie in Kenntnis dessen, die von ihr angestrebte Vorhaben-Bindung sei nicht realisierbar, gar keine Stellplatzablöseverträge geschlossen hätte.
33
Die Landesanwaltschaft Bayern stellt als Vertreter des öffentlichen Interesses keinen eigenen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Klägerin gemäß § 124 Abs. 1 VwGO ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Die Klägerin begehrt die beantragte Baugenehmigung im Verfahren nach Art. 59 BayBO für eine Nutzungsänderung von Ladenflächen in ein Wettbüro. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Erteilung der Baugenehmigung das Fehlen von Stellplätzen im Sinn von Art. 47 BayBO entgegensteht. Die Beklagte hat eine Stellplatzsatzung vom 19. Dezember 2007 (StPIS) nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO erlassen, die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gehört.
37
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann die Klägerin vorliegend die notwendige Anzahl von Stellplätzen für ihr Vorhaben nachweisen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht als stellplatzrelevante Flächen für das Wettbüro 128,60 m² angesehen, wie sie in der Stellplatzberechnung der Klägerin vom 3. Juni 2015 angeführt sind. Stellplatzrelevant sind hiernach die Wettannahme und die Theke. Die restlichen Flächen, wie Lager, Büro usw., sind nach der Stellplatzsatzung der Beklagten nicht relevant (Ziffer 10.1 i.V.m. Ziffern 3 und 9.2 der Anlage 1 zur StPIS). Bei einer anzurechnenden Nutzfläche von 128,60 m² ergibt sich hiernach eine Zahl von 6,43, abgerundet sechs Stellplätzen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 StPIS). Nachdem das Vorhaben der Klägerin unstreitig (s. Sitzungsprotokoll v. 1.10.2020 S. 2) in der Zone I nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a StPIS liegt, ermäßigt sich diese Zahl auf drei notwendige Stellplätze.
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Für den bisherigen genehmigten Laden 3, der durch das Änderungsvorhaben betroffen ist, war demgegenüber eine Verkaufsnutzfläche von 139,14 m² laut der Baugenehmigung vom 4. Dezember 2009 anzusetzen. Daraus errechnen sich 2,78 Stellplätze, aufgerundet drei Stellplätze (Ziffer 3.1 der Anlage 1 zur StPIS, § 2 Abs. 6 Satz 1 StPIS). Diese Zahl ermäßigt sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a StPIS auf 1,5 Stellplätze, aufgerundet zwei notwendige Stellplätze (§ 3 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 StPIS).
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Noch zutreffend ist das Erstgericht insoweit davon ausgegangen, dass dieser Sollbedarf des baurechtlich genehmigten Ladens 3 von dem Sollbedarf für das Wettbüro im Rahmen der Frage nach (fiktiv) vorhandenen Stellplätzen abzuziehen ist. Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen sind Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können (Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Danach ergibt sich ein Mehrbedarf für die beantragte Nutzungsänderung zu einem Wettbüro von einem Stellplatz.
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Dieser Mehrbedarf ist jedoch entgegen der Auffassung des Erstgerichts aufgrund des Stellplatzablösevertrags vom 19. Februar 2003 gedeckt. Damals wurden von den für eine Bankfiliale notwendigen sieben Stellplätzen insgesamt drei Stellplätze abgelöst. Dabei kommt es zu keiner doppelten Berücksichtigung von (fiktiv) vorhandenen und abgelösten Stellplätzen. Nachdem dieser Ablösevertrag nach der Rechtsprechung des Senats auch Geltung für das vorliegende Vorhaben beansprucht, ist damit der Mehrbedarf von einem Stellplatz gedeckt, unabhängig davon, welcher konkrete Stellplatzbedarf für den Laden 2 besteht. Dieser beläuft sich nach dessen Baugenehmigung vom 4. Dezember 2009 ohnehin nur auf einen Stellplatz. Damit wäre selbst ein Mehrbedarf von zwei Stellplätzen für die Nutzungsänderung des Ladens 3 zu einem Wettbüro durch den Ablösevertrag gedeckt.
41
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2008 - 2 BV 06.540 - juris) sind die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahr 2003 abgelösten drei Stellplätze auf die für das Vorhaben erforderlichen notwendigen Stellplätze anzurechnen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur vertretene Rechtsauffassung, dass die für einen vorhandenen Baubestand abgelösten Stellplätze wie tatsächlich vorhandene Stellplätze auf den Stellpatznachweis der an die Stelle des Altbestands tretenden Änderung oder des Neubaus anzurechnen sind (vgl. Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Erl. 4.2.2. und 7.4. zu Art. 52 BayBO 1998, Erl. 9.2 zu Art. 47 BayBO; OVG Lüneburg vom 26.1.1987 BauR 91, 439 = BRS 47, Nr. 114; OVG Münster vom 26.2.1991 BauR 91, 439). Derartige abgelöste Stellplätze sind solange als nachgewiesen anzusehen als der Ablösevertrag nicht rückgängig gemacht wird. Dies ergibt sich für den Vertrag aus dem Jahr 2003 aus Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998, wonach durch eine Ablösung die Stellplatzpflicht „erfüllt“ ist (so auch BayVGH vom 25.3.1988 Az. 2 B 86.1667 zum damaligen Art. 56 Abs. 1 BayBO).
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Maßgebend ist, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den durch das seinerzeitige Bauvorhaben hervorgerufenen Stellplatzbedarf im Sinn des Art. 53 BayBO 1998 „erfüllt“ hat. Die von einem Bauherrn übernommene Verpflichtung, zur Erfüllung der Stellplatzpflicht Ablösungsbeträge für die anderweitige Einrichtung von Stellplätzen zu zahlen, ist als Surrogat anzusehen (vgl. BVerwG vom 30.8.1985 Az. 4 C 10/81, juris RdNrn. 17 und 20 = NJW 1986, 600). Dieser Surrogatscharakter beschränkt sich auch nicht nur auf das seinerzeitige Bauvorhaben oder auf den Fall späterer Änderungen oder Nutzungsänderungen. Bei der Stellplatzablösung handelt es sich um eine Sonderabgabe, mit der die Vorteile bei dem Bauherrn abgeschöpft werden, der durch die Errichtung/Änderung baulicher Anlagen selbst einen Stellplatzbedarf auslöst, diesen aber nicht erfüllt (BayVGH vom 11.3.2004 Az. 2 BV 02.3044 BauR 2004, 1051; vom 29.1.2004 Az. 2 B 02.1445; BVerwG vom 30.8.1985 NJW 1986, 600). Wie schon das OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 26. Januar 1987 (BRS 47, 114 = BauR 1987, 670) zu Recht betont, hat die Gemeinde den ihr zufließenden Ablösungsbetrag „für die Herstellung zusätzlicher Parkplätze oder Parkhäuser zu verwenden“ oder jedenfalls für damit im Zusammenhang stehende andere Maßnahmen zur Entlastung des Straßenverkehrs anzulegen. Deshalb ist jedenfalls nach der Intention des Gesetzgebers davon auszugehen, dass mit den Ablösebeträgen auch tatsächlich zusätzliche Stellplätze geschaffen werden und dies (auch) dem ablösenden Grundstück zu Gute kommt. Es ist nicht ersichtlich, warum sich durch eine spätere Änderung oder einen Abriss des Gebäudes die Frage der Zahlung von Ablösebeträgen in voller Höhe neu stellen sollte. Denn die Stellplatzfrage für das Bauvorhaben und damit auch für das Grundstück ist in dem Umfang der abgelösten Stellplätze bereits in der Vergangenheit geregelt worden. Diese - verbindliche - Regelung wird durch die Änderung oder den Abriss eines Gebäudes nicht berührt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat für das Baugrundstück einen Ablösebetrag für drei Stellplätze gezahlt. Das Grundstück gilt daher als mit drei Stellplätzen durch Ablöse ausgestattet. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin kann die insoweit als vorhanden anzusehende Ausstattung mit notwendigen Stellplätzen für das genehmigte Vorhaben zur Anrechnung bringen. Das bedeutet, dass die Rechtswirkungen der Ablösung auch bei einer späteren Nutzungsänderung, bei einem Eigentümerwechsel oder einem etwaigen Untergang der Anlage erhalten bleiben (vgl. OVG Lüneburg vom 26.1.1987 a.a.O.; OVG Münster vom 26.2.1991 BauR 1991, 439; OVG Saarland vom 8.9.1999 Az. 2 Q 32.99, juris RdNr. 8). In diesem Sinn wirkt die Stellplatzablösung nicht nur vorhabenbezogen, sondern grundstücksbezogen. Die Stellplatzablösung überdauert daher im vorliegenden Fall auch die vohergehenden Nutzungsänderungen in den Jahren 2005 und 2009.
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Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts wohnt der Stellplatzablösung kein Zeitelement inne in dem Sinn, dass eine sich an den Kosten für die einmalige Herstellung von Einstellplätzen orientierende Ablösezahlung etwa nach 30 oder weniger Jahren „verbraucht“ wäre. Für eine derartige Beschränkung der rechtlichen Wirkung einer Stellplatzablösung bietet das Gesetz keine Handhabe. Es ist rechtlich auch nicht geboten, die im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen verschiedenen Möglichkeiten der Erfüllung der Stellplatzpflicht - in Form der „Primärverpflichtung“ durch Realherstellung auf dem Baugrundstück oder mit dinglicher Sicherung auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe oder die sich als Surrogat darstellende Stellplatzablösung - in ihren finanziellen Auswirkungen für den Bauherrn in jedem Fall gleich zu stellen. Der Bauherr, der seiner Stellplatzpflicht durch Ablösung genügt, entledigt sich insoweit auch der Verpflichtung, Stellplätze auf Dauer vorzuhalten. Auf die bestimmungsgemäße Verwendung des Ablösebetrags durch die Gemeinde hat er keinen Einfluss (vgl. BayVGH vom 11.3.2004 - 2 BV 02.3044 - BauR 2004, 1051).
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Zu Recht weist die Landesanwaltschaft Bayern mit Schriftsatz vom 22. April 2020 darauf hin, dass dies nach der Neufassung der Bayerischen Bauordnung mit dem Änderungsgesetz 2008 erst Recht gilt, weil damit die vollständige Gleichstellung der Ablöse von Stellplätzen mit der Realherstellung von Stellplätzen hergestellt werden sollte (s. LT-Drs. 15/7161 S. 56). Wenn in der Gesetzesbegründung weiter ausgeführt wird, die gemeindliche Entscheidung, ob und zu welchen näheren Bedingungen die Gemeinde den Bauherrn die notwendigen Stellplätze ganz oder teilweise ablösen lässt, indem sie einen Ablösungsvertrag schließt, stehe - nach wie vor - im gemeindlichen Ermessen, dessen Betätigung die Gemeinde im Rahmen einer örtlichen Bauvorschrift näher ausgestalten kann, so ist dies vor dem Hintergrund der Gleichstellung mit der Realherstellung bzw. dem früheren Surrogatcharakter nicht so zu verstehen, dass es im Ermessen der Gemeinde stehen soll, eine Bindung der Ablöse an ein ganz konkretes Bauvorhaben zu vereinbaren.
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Es ist vielmehr eine Grundstücksbezogenheit der Stellplatzablöse anzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2008 - 2 BV 06.540 - juris). Dies zeigt auch ein Vergleich mit der Realherstellung eines Stellplatzes in der Form, dass er auch bei der Neuerrichtung bzw. bei der baulichen Änderung oder Nutzungsänderung existent bleibt. Dass für die Ablösung eines Stellplatzes anderes gelten sollte, obwohl der Gesetzgeber eine gleichwertige Alternative bzw. ein Surrogat schaffen wollte, wäre inkonsequent, zumal die Gemeinde im Vorfeld des Vertragsschlusses Gelegenheit hatte, ihre städtebaulichen Ziele zur Geltung zu bringen. Zu beachten ist ferner, dass gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 BayBO 1998 bzw. Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO bei Änderungen und Nutzungsänderungen von Anlagen nur der dadurch hervorgerufene Mehrbedarf an Stellplätzen nachzuweisen ist. Über den Nachweis des durch frühere Vorhaben hervorgerufenen Stellplatzbedarfs wird im Zug des die Änderung oder Nutzungsänderung betreffenden Baugenehmigungsverfahrens ohnehin nicht erneut entschieden.
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Das Interesse der Gemeinde, bei bestimmten Nutzungen neu über die Stellplatzablöse zu entscheiden, ist nicht schutzwürdig, da dem Grundstück gegebenenfalls der abgelöste Vorteil wieder genommen und der Ablösebetrag gegebenenfalls mehrmals kassiert würde. Zudem greift der Gedanke zur „Perpetuierung“ ungünstiger Parkplatzsituationen nicht durch, da der Abschluss des Ablösevertrags im Ermessen der Gemeinde steht. Diese kann damit also steuern. Zudem muss die Ablöse gerade gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayBO 1998 bzw. Art. 47 Abs. 4 BayBO zweckgebunden für die Entlastung des Verkehrs verwendet werden. Darüber hinaus kann die Gemeinde die städtebauliche Entwicklung durch ihre Bauleitplanung steuern und zum Beispiel in bestimmten Kerngebieten die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten ausschließen. Insoweit ist es jedoch fraglich, ob die Gemeinde pauschal den Abschluss eines Ablösevertrags für bestimmte Nutzungsarten ausschließen kann. Sie dürfte vielmehr gehalten sein, anhand der konkreten örtlichen Situation in der maßgeblichen Umgebung des Bauvorhabens ihr Ermessen hinsichtlich des Abschlusses eines Ablösevertrags auszuüben.
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Demnach ist § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags vom 19. Februar 2003 gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig, weil er gegen Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 verstößt, der die Beklagte in ihrem Verwaltungshandeln bindet. Denn der Surrogatcharakter der Stellplatzablöse beschränkt sich nicht auf das seinerzeitige Bauvorhaben. Hieran ändert nichts, dass in § 3 Satz 2 des Stellplatz-Sofortablösevertrags aus dem Jahr 2003 Modalitäten beschrieben werden, unter denen die abgelösten Stellplätze auf zukünftige Nutzungsänderungs- bzw. Umbauvorhaben auf dem Grundstück, nicht jedoch Neubauvorhaben, angerechnet werden können. Denn diese Anrechnung wird unter einen Zustimmungsvorbehalt der Beklagten gestellt. Dies widerspricht der gesetzlichen Vorgabe, dass auch durch eine Stellplatzablöse die Stellplatzpflicht „erfüllt“ ist. Die Behörde verstößt daher mit § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags aus dem Jahr 2003 gegen das gesetzliche Verbot, den Surrogatcharakter der Stellplatzablösung vorhabenbezogen bzw. zeitlich zu beschränken. Damit kommt es nicht auf das Argument an, der Bauherr werde nicht unangemessen benachteiligt, da er die vertragliche Bindung in Kenntnis dessen eingehe, dass seine Ablösezahlung möglicherweise nur in Bezug auf die aktuelle Nutzung Bestand habe. Wie die Landesanwaltschaft Bayern zutreffend anführt, würde dies im Übrigen zu unbilligen Ergebnissen führen.
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Aus der Unwirksamkeit des § 3 des Stellplatz-Sofortablösevertrags vom 19. Februar 2003 kann nicht auf eine Gesamtnichtigkeit des Stellplatzablösevertrags geschlossen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Beklagte diesen Vertrag auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen hätte (Art. 59 Abs. 3 BayVwVfG). Denn die Beklagte hat sich an ihre damalige Praxis gehalten und sich für das damalige Vorhaben für den Abschluss eines Stellplatzablösevertrags entschlossen. Hat die Beklagte ab einem gewissen Zeitpunkt in ihren Stellplatzablöseverträgen stets eine solche Vorhabensbindung aufgenommen, dann kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie in Kenntnis der fehlenden Realisierbarkeit der angestrebten Vorhabensbindung überhaupt keine Stellplatzablöseverträge abgeschlossen hätte. Denn dann wäre zumindest im Innenstadtbereich der Landeshauptstadt das Scheitern einer Vielzahl von Bauvorhaben vorprogrammiert gewesen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.