VGH München, Urteil v. 13.10.2020 – 1 N 17.1125
Titel:

Unwirksame Festsetzung eines Dorfgebiets

Normenketten:
VwGO § 47
BauNVO § 1 Abs. 4, § 1 Abs. 5, § 5
Leitsatz:
Können in einem Plangebiet „sonstige“ Wohngebäude und „sonstige nicht störende Gewerbetriebe“ nicht untergebracht werden, wahrt das Baugebiet die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets nicht. (Rn. 13 – 15)
Schlagworte:
Bebauungsplan, Unwirksame Festsetzung eines Dorfgebiets, Beschränkung der Art der Nutzung auf Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Pferdebetriebe, Unzulässiger Ausschluss von weiteren Hauptnutzungen, Keine externe Gliederung eines festgesetzten Dorfgebiets, Baugebietsfestsetzung, sonstiger nicht störender Gewerbetrieb
Fundstellen:
LSK 2020, 28625
BeckRS 2020, 28625
NVwZ-RR 2021, 192

Tenor

I. Der Bebauungsplan Nr. … für das Gebiet südlich der A …straße vom 9. Juni 2016, bekanntgemacht am 15. Juni 2016, ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. … für das Gebiet südlich der A …straße, Gemarkung L … (nachfolgend „Bebauungsplan“), den die Antragsgegnerin am 9. Juni 2016 beschlossen und am 15. Juni 2016 bekannt gemacht hat.
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Das ca. 5 ha große Plangebiet ist im Norden, Westen und Osten von Bebauung umgeben. Für die Bebauung nördlich der A …straße weist der Bebauungsplan Nr. … Teil A und B ein Mischgebiet aus sowie der Bebauungsplan Nr. … Teil A für das Gebiet am östlichen Ortsausgang ein Dorfgebiet. Im Nordwesten des Plangebiets ist eine landwirtschaftliche Hoffläche vorhanden, die als Pferdehof genutzt wird. Östlich anschließend liegt ein Reitplatz. Die landwirtschaftlichen Flächen des von Südosten nach Westen abfallenden Geländes werden als Pferdeweiden und zur Futterproduktion genutzt. In seinem nördlichen Teilbereich setzt der Bebauungsplan ein Dorfgebiet, beschränkt auf Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Pferdebetriebe, die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude, Reithallen und Reitplätze als Anlagen für sportliche Zwecke fest. Durch Baugrenzen werden fünf Teilbereiche (MD 1 bis MD 5) festgelegt. Für die Errichtung einer Reithalle (und Verlagerung des Reitplatzes Richtung Süden) liegt eine Baugenehmigung vom 18. Februar 2014 vor. Der südliche Teil des Plangebiets ist überwiegend als „Fläche für die Landwirtschaft“ festgesetzt. Der gegenwärtig durch die Hofstelle verlaufende Weg bei den Koppeln wird verlegt und mündet nunmehr unter Querung der Wiesenflächen in den T …weg. Ziel der Planung ist es nach der Begründung des Bebauungsplans, den dörflichen Charakter von L … zu wahren, die freie Landschaft vor einer Zersiedelung zu sichern und die Aussicht nach Süden von der A …straße aus weiterhin frei zu halten. Es bestehe ein erheblicher Regelungsbedarf aufgrund der direkten räumlichen Nähe zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und der Wohnbebauung, weshalb auch die auftretenden landwirtschaftlichen Immissionen mit dem Schutzanspruch der umgebenden Wohnnutzung zu berücksichtigen seien, sowie auch die ausgeprägte Erholungsnutzung im Gebiet. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im Umgriff des angegriffenen Bebauungsplanes liegenden Grundstücke FlNr. … … und … der Gemarkung L … Sie betreibt auf diesen Grundstücken einen Pferdehof.
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Am 13. Juni 2017 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgerichtshof Normenkontrollantrag mit dem Antrag,
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den Bebauungsplan Nr. … für das Gebiet südlich der A …straße, bekanntgemacht am 15. Juni 2016, für unwirksam zu erklären.
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Der Bebauungsplan sei unwirksam, da einzelne Festsetzungen den Vorgaben des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung widersprächen. Die Festsetzung eines Dorfgebiets sei unzulässig, da aufgrund der Festsetzungen zwei der drei Hauptnutzungsarten eines Dorfgebiets unzulässig seien und die Nutzung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zudem auf landwirtschaftliche Pferdebetriebe beschränkt sei. Ein Gebiet, in dem nur landwirtschaftliche Betriebe zulässig seien, stelle kein Dorfgebiet mehr dar und könne nur in Form eines Sondergebiets eingerichtet werden. Soweit der Bebauungsplan eine „Fläche für die Landwirtschaft“ nach § 9 Abs. 1 Ziffer 18a BauGB festgesetzt und zusätzlich für diese Flächen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Ziffer 25 BauGB getroffen habe, seien diese Festsetzungen im Bereich von Flächen für die Landwirtschaft nicht zulässig. Im Übrigen leide die Planung an Abwägungsfehlern. Sie lasse für das Grundstück FlNr. … nur noch eine stark eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung im Zusammenhang mit der Pferdehaltung zu. Das Grundstück sei vor Aufstellung des Bebauungsplans nach § 34 BauGB zu beurteilen gewesen und nach Maßgabe der Umgebungsbebauung bebaubar und nutzbar. Sollte die Pferdehaltung auf dem Grundstück FlNr. … aufgegeben werden, wäre diese Fläche baulich nicht mehr nutzbar. Es träte ein kompletter Baurechtsentzug ein, der sich mit dem durch den Bebauungsplan verfolgten Ziel nicht rechtfertigen ließe. Auch in den übrigen, im Umgriff des Bebauungsplans liegenden Bereichen, sei eine bauliche Nutzung nur im Zusammenhang mit der Pferdehaltung möglich. Damit sei jede Umstrukturierung der vorhandenen Landwirtschaft ausgeschlossen. Ein städtebaulicher Zweck für die Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung sei nicht erkennbar. Die Festsetzungen würden im Übrigen die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke um ein Vielfaches mehr einschränken, als für den Außenbereich gemäß § 35 BauGB vorgesehen sei. Gemäß § 35 Abs. 4 BauGB sei es möglich, auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft zu reagieren. Dies fehle hier. Auch die Festsetzung von Bereichen, die von baulichen Anlagen frei zu halten seien, sei abwägungsfehlerhaft, da die als Begründung für die Festlegung nicht bebaubarer Flächen herangezogenen „Blickachsen“ in weiten Teilbereichen nicht vorhanden seien. Die Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche „bei den Koppeln“ stelle eine starke Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung dar, ohne dass eine städtebauliche Rechtfertigung erkennbar sei. Zu berücksichtigen sei, dass ein bis jetzt großzügig geschnittenes landwirtschaftliches Grundstück, das sich in einem Zug bewirtschaften ließe, von diesem Weg durchschnitten werde. Abwägungsfehlerhaft sei auch die Festsetzung von Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft. Soweit diese Ausgleichsflächen ausschließlich auf den Grundstücken der Antragstellerin vorgesehen seien, sei der Grundsatz der Lastengleichheit missachtet. Dadurch komme es auch zu gravierenden Einschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzbarkeit der Restflächen. Die Antragsgegnerin habe nicht berücksichtigt, dass der Durchführung der insoweit festgelegten Maßnahmen ein dauerhaftes Hindernis entgegenstehe, da nicht absehbar sei, dass die Ausgleichsflächen tatsächlich realisiert würden. Die Antragstellerin sei bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans im Besitz einer Baugenehmigung für die Errichtung baulicher Anlagen auf dem Grundstück FlNr. … gewesen. Die Umsetzung des Bauvorhabens sei auch ohne Realisierung der Vorgaben für die Flächen „A1 - A3“ möglich.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan sei erforderlich. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans bestehe ein Planungsbedarf. Das städtebauliche Konzept sei Ausdruck einer positiven Planungskonzeption und werde nicht mit rechtlich erheblichem Vortrag angegriffen. Der Vorwurf, der Bebauungsplan entbehre auf Dauer der Vollzugsfähigkeit, treffe nicht zu. Nach der Auflage Nr. 86 der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 18. Februar 2014 sei die Antragstellerin zur Umsetzung des Freianlagenplans sowie des Freiflächengestaltungsplans verpflichtet. Am 7./9. Juni 2016 habe sie mit der Antragsgegnerin einen städtebaulichen Vertrag gemäß § 11 BauGB geschlossen, wonach sie sich zur Anlage des im Bebauungsplan vorgesehenen Weges und zur Durchführung der im Bebauungsplan bestimmten ökologischen Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet und erklärt habe, dass die getroffenen Regelungen inhaltlich und wirtschaftlich angemessen seien. Der Bebauungsplan entspreche den Festsetzungen des Landesentwicklungsprogramms Bayern (hier zu Ziel 3.3, Grundsatz 7.1.1.) und berücksichtige, dass das Plangebiet im regionalen Grünzug S … See/W …tal sowie flankierender Waldkomplexe (Ziel 4.2 des Regionalplans) liege. Diesem Ziel dienten auch die vorgesehenen Sichtachsen. Durch die Festsetzung eines Dorfgebiets werde zugleich der vorhandene Baubestand und die bestandskräftige Baugenehmigung für die Reithalle mit Reitplatz berücksichtigt. Für weitere Beeinträchtigungen der Festsetzungen des Landschaftsschutzgebiets stünden keine, die Belange des Landschaftsschutzes überwiegenden städtebaulichen Belange zur Verfügung. Allein der Wunsch, weiteres Baurecht zu erhalten, könne die im öffentlichen Interesse verfügten Festsetzungen im Rahmen des Landschaftsschutzgebiets nicht überwinden. Der Bebauungsplan sei nicht abwägungsfehlerhaft. Die Antragstellerin habe es versäumt, innerhalb der in § 215 Abs. 1 BauGB bestimmten Frist beachtliche Mängel geltend zu machen. Allein der Umstand, dass sie Eigentümerin von Grundstücken im Plangebiet sei, vermittle ihr kein Recht, dass ihren Interessen bei der Abwägung von vornherein der Vorrang zu geben sei. Der vorhandene Baubestand sowie die Reithalle seien in den Bebauungsplan aufgenommen worden. Die Grundstücke FlNr. … … und … lägen im Außenbereich und unterlägen erheblichen Beschränkungen durch Ausschließung jeglicher Bebauung. Der Bebauungsplan strukturiere Bereiche, in denen keine Nebenanlagen errichtet werden sollten und solche, in denen sie zulässig sein könnten. Dies diene der Freihaltung von Sichtachsen in Richtung Nord-Süd. Die beanstandeten Festsetzungen Nr. 6.2 und 6.3 bezögen sich nahezu ausschließlich nicht auf die festgesetzte Fläche „Landwirtschaft“, sondern auf die Flächen entlang der A …straße (Grünfläche, Dorfgebiet sowie ökologische Ausgleichsfläche). Soweit sich in der Festsetzung „Landwirtschaft“ nördlich des beabsichtigten Weges eine Festsetzung nach Nr. 6.2 befinde, könne diese (als unwirksam) entfallen. Sie beeinträchtige jedenfalls nicht das Gesamtkonzept des Bebauungsplans. Die Festsetzungen im Bereich privater Grünflächen führten nicht zu einer Inkompatibilität. Im Übrigen unterscheide der Bebauungsplan in seinen Festsetzungen deutlich zwischen den Ausweisungen als Flächen für die Landwirtschaft sowie der hiervon abgesetzten Fläche „Feldgehölze zu erhalten“ und den Ausgleichs- und Ersatzflächen, die gesondert in der Legende ausgewiesen seien und auf die sich die Mehrzahl der Festsetzungen beziehe. Aus welchen Gründen die Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche abwägungsfehlerhaft sei, werde nicht dargelegt. Die Führung des Weges, der jederzeit gekreuzt werden könne, sei im Sinn eines tragfähigen städtebaulichen Konzepts nicht zu beanstanden. Eine die Landwirtschaft in erheblicher Weise beschränkende Beeinträchtigung liege nicht vor. Im Übrigen habe sich die Antragstellerin in dem städtebaulichen Vertrag zur Anlage des Weges verpflichtet.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die Normaufstellungsakten einschließlich der Bebauungspläne Nr. … Teil A (mit 1. und 2. Änderung) und Teil B für das Gebiet nördlich der A …straße und Nr. … Teil A für das Gebiet am östlichen Ortsausgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks (auch) gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist.
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Daran gemessen ist die Antragstellerin, deren Grundstücke im Satzungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegen, antragsbefugt. Darauf, dass die Antragstellerin sich in einem städtebaulichen Vertrag zur Anlage des Weges verpflichtet hat, kommt es nicht entscheidend an. Insoweit fehlt es auch nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
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2. Der Antrag ist auch begründet. Die Baugebietsfestsetzung in der textlichen Festsetzung A.2.1 als Dorfgebiet ist fehlerhaft erfolgt. Danach ist die Art der baulichen Nutzung auf Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Pferdebetriebe, der dazu gehörigen Wohnungen und Wohngebäude, Reithallen und Reitplätzen für sportliche Zwecke beschränkt. Da im Plangebiet „sonstige“ Wohngebäude und „sonstige nicht störende Gewerbetriebe“ nicht untergebracht werden können, wahrt das Baugebiet die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets nicht. Der Bebauungsplan verstößt insoweit gegen § 1 Abs. 5 BauNVO (2.1). Das festgesetzte Dorfgebiet kann auch nicht gemäß § 1 Abs. 4 BauNVO im Verhältnis zu seiner landwirtschaftlich geprägten näheren Umgebung gegliedert werden (2.2). Dies führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (3).
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2.1 Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 sowie 13 und 13a BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Was als allgemeine Zweckbestimmung eines Baugebiets zu gelten hat, ergibt sich im Grundsatz aus der jeweiligen Beschreibung des Baugebiets im Sinn des § 1 Abs. 2 BauNVO und der über § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO damit in Bezug genommenen Regelung der §§ 2 ff BauNVO (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.1989 - 4 NB 32.89 - BauR 1990, 186). Dorfgebiete im Sinn des § 5 BauNVO dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Der Gebietscharakter eines Dorfgebiets als ländliches Mischgebiet hängt zwar grundsätzlich nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis dieser Hauptfunktionen ab. Jedoch ist mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung der Ausschluss von „sonstigen“, d.h. nicht zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Wohngebäuden ebenso wenig vereinbar wie ein Ausschluss der Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe sowie der Ausschluss der „sonstigen nicht wesentlich störenden Gewerbebetriebe (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2009 - 4 CN 5.07 - BVerwGE 133, 377 zum Ausschluss land- und forstwirtschaftlicher Betriebe; BayVGH, U.v. 18.4.2013 - 2 N 11.1758 - BayVBl 2014, 271; VGH BW, B.v. 18.9.1996 - 8 S 1888.95 - juris Rn. 22; B.v. 18.11.1993 - 5 S 2916.92 - juris 20). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gehören das (sonstige) Wohnen und die nicht störenden Gewerbebetriebe zu den in einem Dorfgebiet zulässigen Hauptnutzungen, durch die der - durch das Nebeneinander verschiedener Nutzungen geprägte - Charakter eines Dorfgebiets wesentlich mitbestimmt wird. Durch den Ausschluss dieser - auch traditionell in einem Dorfgebiet seit jeher üblichen - Nutzungen entstünde ein im Wesentlichen nur der Landwirtschaft, die zudem auf einen landwirtschaftlichen Pferdebetrieb beschränkt wäre, offen stehendes Gebiet und damit ein neuer, in der BauNVO nicht vorgesehener Gebietstyp. Dazu ermächtigt § 1 Abs. 5 BauNVO den Plangeber nicht (vgl. BayVGH, U.v. 18.4.2013 a.a.O.).
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2.2 Das festgesetzte Dorfgebiet kann auch nicht gemäß § 1 Abs. 4 BauNVO im Verhältnis zu einer landwirtschaftlich geprägten näheren Umgebung gegliedert werden. Die Antragsgegnerin hat die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung damit begründet, dass der dörfliche Charakter von L … gewahrt werden soll. Daher werde die Hofstelle als Dorfgebiet mit der Zweckbestimmung „landwirtschaftlicher Pferdebetrieb“ ausgewiesen. Zugleich werde berücksichtigt, dass die vorhandene landwirtschaftliche Hofstelle um eine Reithalle und einen Reitplatz erweitert werden soll. Auch soweit die Antragsgegnerin insoweit auf die vorgefundene Nutzung in der dörflichen Umgebung abstellt (vgl. OVG NW, U.v. 16.9.2002 - 7a D 4/01.NE - BauR 2003, 346), lässt sich damit der Gebietscharakter des Baugebiets als Dorfgebiet nicht ableiten. Denn die für den Gebietscharakter eines Dorfgebiets notwendige Unterbringung des Wohnens und des Gewerbes neben der Land- und Forstwirtschaft muss im Baugebiet selbst möglich sein. Es genügt nicht, dass eine solche Nutzung in der angrenzenden Nachbarschaft vorhanden ist. Die nicht überplante Umgebung eines Baugebiets ist für die Bestimmung des Gebietscharakters unbeachtlich (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2009 a.a.O.). Ungeachtet dessen, dass ein Teil der näheren Umgebung als Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO ausgewiesen ist (Bebauungsplan Nr. … Teil A und B für das Gebiet nördlich der A …straße), hat die Antragsgegnerin noch ein weiteres kleines Dorfgebiet (Bebauungsplan Nr. … Teil A für das Gebiet am östlichen Ortsausgang) ausgewiesen. Eine etwaige Gliederung des durch den angegriffenen Bebauungsplan festgesetzten Dorfgebiets im Verhältnis zu seiner landwirtschaftlich geprägten Umgebung scheitert jedoch daran, dass ein Dorfgebiet im Grundsatz nur intern gegliedert werden (§ 1 Abs. 4 BauNVO). Die Baunutzungsverordnung sieht zwar die Möglichkeit vor, Baugebiete im Verhältnis zu anderen Baugebieten zu gliedern; dies gilt aber nur für die in § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO genannten Gewerbe- und Industriegebiete. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die übrigen Gebietstypen gerade nicht im Verhältnis zu anderen, außerhalb des Plangebiets liegenden Baugebieten gegliedert werden können (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2009 a.a.O.).
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3. Die fehlerhafte Festsetzung eines Dorfgebiets führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans im Ganzen. Die Ungültigkeit eines Teils eines Bebauungsplans führt nur dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Festsetzungen auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleiben und nach dem mutmaßlichen Willen des Normgebers mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (BVerwG, U.v. 23.4.2009 - 4 CN 5/07 - BVerwGE 133, 377; BayVGH, U.v. 23.6.2020 - 1 N 17.972 - juris Rn. 19). Daran fehlt es hier. Die unwirksame Festsetzung stellt eine zentrale Frage der Gesamtplanung dar und steht mit dem Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2014 - 4 CN 3.14 - BayVBl 2015, 203; U.v. 19.9.2002 - 4 CN 1.02 - BVerwGE 117, 58). Zwar war neben dem Erhalt des dörflichen Charakters von L … auch Anlass der Planung, die freie Landschaft vor einer Zersiedelung zu sichern und die Aussicht nach Süden von der A …straße aus weiterhin freizuhalten. Diesem Zweck diente die Festsetzung der südlich angrenzenden Flächen als Flächen für die Landwirtschaft mit der Festsetzung von Korridoren, innerhalb derer die Errichtung privilegierter landwirtschaftlicher Nebengebäude zugelassen wurde. Allerdings hat die Antragsgegnerin diese Nebengebäude in der textlichen Festsetzung A.7 insoweit begrenzt, als sie dem landwirtschaftlichen Betrieb im Geltungsbereich des Bebauungsplans dienen müssen. Wesentliches Indiz dafür, dass die unwirksame Festsetzung mit dem Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang steht ist jedoch, dass die Festsetzung der Flächen für Landwirtschaft (und Wald) sowie die Grünordnung der Anordnung im Rahmen der (bestandskräftigen) Baugenehmigung vom 18. Februar 2014 für den Neubau der Reithalle (Eingabeplan Freianlagenplan und Freiflächengestaltung) entsprechen. Daher kann offen bleiben, ob die Antragsgegnerin die beiden Gebiete ausreichend mittels einer sogenannten Knödellinie abgetrennt hat. Denn nach dem im Aufstellungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen, die bauliche Entwicklung städtebaulich zu ordnen und die freie Landschaft vor einer Zersiedelung zu schützen, ist nicht anzunehmen, dass sie im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.
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Die Antragsgegnerin trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nummer I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 BauGB).