Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.10.2020 – 22 CS 20.1600
Titel:

Sofortvollzug des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis

Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
GaststG § 15 Abs. 2
SperrzeitVO § 1 Nr. 2
BayVwZVG Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 34, Art. 36, Art. 37
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
Leitsätze:
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GaststG setzt im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zusätzlich zu der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des Widerrufs als Grundverfügung voraussetzt, dass die Fortsetzung der Berufstätigkeit des Erlaubnisinhabers während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist verfassungsrechtlich wie einfachgesetzlich nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO die Regel und der Sofortvollzug die Ausnahme, sodass die Anordnung des Sofortvollzugs deshalb nur ausnahmsweise durch kollidierende Verfassungsgüter wie den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, die durch konkrete Gefahren bedroht sind, gerechtfertigt sein kann. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Shisha-Bar, Voraussetzungen der Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis, Androhung unmittelbaren Zwangs, Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen Zwangsmittelandrohung, Sperrzeit, Untersagung, Zwangsgeld
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 16.06.2020 – AN 4 S 20.894
Fundstellen:
BayVBl 2021, 127
BeckRS 2020, 26751
LSK 2020, 26751

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. Juni 2020 wird in Ziffer 2. geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wird in Bezug auf Ziffern 1. und 2. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 1. April 2020 wiederhergestellt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Ziffer 3. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. Juni 2020 wird insoweit geändert.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist Inhaber einer Gaststätte und verfolgt mit seiner Beschwerde sein erstinstanzliches Begehren weiter, die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid zu erreichen, mit dem die Antragsgegnerin die ihm erteilte Gaststättenerlaubnis widerrufen, die Fortsetzung seines Gaststättenbetriebs untersagt und unmittelbaren Zwang „angeordnet“ hat.
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1. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2019 wurde dem Antragsteller die Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte „… N …, erteilt. Der Bescheid enthält unter Ziffer II. u. a. folgende Auflagen:
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„1. Die Entzündung und das Abbrennen von Shisha-Pfeifen werden untersagt, bis die Auflagen Nrn. 2 - 6 erfüllt sind. Die Erfüllung der Auflagen Nrn. 2 - 6 sind schriftlich nachzuweisen.
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2. In den Zubereitungsräumen und im Gastraum der o. g. Gaststätte ist jeweils ein stationäres Gaswarngerät mit CO-Sensor für den ganzjährigen Dauereinsatz einzubauen. Das Gerät muss zur Erfüllung seiner Funktion von einem Fachbetrieb installiert werden.
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3. Zudem muss ein Datenlogger vorhanden sein, um Spitzenwerte und Fehlfunktionen zu dokumentieren. Bei einem Überschreiten der Kohlenstoffmonoxidkonzentration ab einem Wert von 30 ppm muss ein sehr lautes Warnsignal (z.B. durch eine Warnhupe) ertönen und ein optisches Warnsignal (z.B. Blinklicht) abgegeben werden.
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4. Das Gerät muss halbjährlich durch eine Fachfirma getestet bzw. nachkalibriert werden. Dies muss durch die Fachfirma dokumentiert werden.
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5. In den Zubereitungsräumen und im Gastraum ist eine Be- und Entlüftungsanlage einzubauen. Bei der Be- und Entlüftungsanlage des Gastraums und der Zubereitungsräume muss durch ein Gutachten einer ausgewiesenen Fachfirma für Lüftungsanlagen nachgewiesen werden, dass die Leistung der Be- und Entlüftungsanlage (mit Betriebsstundennachweis) in den Gasträumen und den Zubereitungsräumen für einen Betrieb eines Shisha-Cafés bei geschlossenen Fenstern und Türen ausreichend ist und die Kohlenstoffmonoxidkonzentration in den Gasträumen und im Zubereitungsraum einen Wert von jeweils 30 ppm während der gesamten Betriebszeit nicht überschreitet.
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6. Bei der Be- und Entlüftungsanlage ist ein Betriebsstundennachweis zu führen.
(…)
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8. Während der Zubereitung (Anzünden) sowie des Rauchens der Shishas sind sämtliche Türen und Fenster grundsätzlich mit sofortiger Wirkung geschlossen zu halten.
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9. In den Innenräumen der o.g. Gaststätte sind die Verwendung und das Rauchen von Shisha-Tabak und anderen tabakhaltigen Erzeugnissen in den Shishapfeifen untersagt.
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10. In den Räumlichkeiten der Gaststätte sind an jedem Fenster auf der Innenseite Hinweisschilder (mind. DIN A4, Schriftgröße 26) mit folgendem Text „Das Rauchen von tabakhaltigen Shisha-Wasserpfeifen in den Innenräumen von Gaststätten stellt einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Gesundheitsschutzgesetzes dar.“ anzubringen (Schrift in den Innenraum zeigend).
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11. In den Räumlichkeiten der Gaststätte sind an jedem Fenster auf der Innenseite Hinweisschilder (mind. DIN A4, Schriftgröße 26) mit folgendem Text „Sehr geehrte Gäste, dies ist eine Gaststätte, in der Wasserpfeifen (Shishas) geraucht werden. Beim Zubereiten und Rauchen der Wasserpfeifen entsteht Kohlenmonoxid. Hierdurch können erhebliche Gesundheitsgefahren entstehen, insbesondere für Schwangere sowie das ungeborene Kind und Personen mit Herz- und Kreislauf- oder Lungenerkrankungen.“ anzubringen (Schrift in den Innenraum zeigend).
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12. Die Entzündung und das Abbrennen von kohlebetriebenen Shisha-Wasserpfeifen wird in sämtlichen Betriebsräumen untersagt. (…)
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16. Im Außenbereich sind an jedem Fenster Hinweisschilder (mind. DIN A4, Schriftgröße 26) anzubringen, welche die Raucher und heimgehenden Gäste nach Eintritt der Sperrzeit dazu anhalten, sich ruhig zu verhalten und ihren Aufenthalt im Außenbereich auf das Nötigste zu beschränken.
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17. Während den Betriebszeiten sind sämtliche Türen und Fenster geschlossen zu halten.
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18. Die Aufbewahrung und Lagerung sämtlicher Tabakprodukte und tabakähnlicher Erzeugnisse ist in sämtlichen Betriebsräumen untersagt. (…)
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25. Eine vollständige Ausfertigung der Gaststättenerlaubnis sowie der Gewerbemeldung ist in den Betriebsräumen vorzuhalten und bei Kontrollen den zuständigen Behörden (z. B. Ordnungsbehörde, Polizei) unverzüglich vorzulegen.“
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Unter „besondere Hinweise“ enthielt die Erlaubnis weiterhin folgende Klausel:
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„8. Die Sperrzeit ist wie folgt festgesetzt: Täglich von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Für Imbissbetriebe gilt eine Sperrzeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Gemäß § 1 Nr. 2 SperrzeitVO darf die Bewirtschaftung auf öffentlichen Verkehrsflächen (Sondernutzungen) und privaten Flächen im Freien (z. B. Wirtschaftsgärten und Terrassen) bis längstens 23.00 Uhr erfolgen.“
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Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei der Zubereitung und beim Rauchen von Shisha-Pfeifen Kohlenmonoxid entstehe, das eine erhebliche Gefahr für sämtliche Personen darstelle, die sich in dem Lokal aufhielten. Das Gas könne nur mit Hilfe technischer Warnmelder detektiert und erfasst werden. Durch die Auflagen solle sichergestellt werden, dass der Kohlenstoffmonoxidgehalt in den Zubereitungsräumen und im Gastraum dauerhaft auf einem unbedenklichen Niveau gehalten werde.
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2. Mit Bescheid vom 31. Mai 2019 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf der öffentlichen Verkehrsfläche vor dem Anwesen F …straße …, N …, die Erlaubnis zu einer Tisch- und Stuhlaufstellung mit bestimmten Maßen. Mit Bescheid vom 18. Juli 2019 wurde die Gaststättenerlaubnis vom 27. Mai 2019 auf die vom Liegenschaftsamt zugewiesene Verkehrsfläche vor dem Anwesen F …straße … täglich bis 23.00 Uhr erweitert; nach einer dort enthaltenen Auflage Nr. II.1. dürfen während der Betriebszeiten maximal 16 Sitzplätze im Außenbereich aufgestellt werden. Nach Auflage Nr. II.4. sind nach 23.00 Uhr sämtliche Tische und Stühle im Außenbereich der Gaststätte zusammenzustellen.
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Mit Schreiben vom 5. Juli 2019 setzte die Antragsgegnerin den Vollzug der Auflage Nr. II.17 täglich bis 22.00 Uhr außer Vollzug.
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Mit Bescheid vom 7. November 2019 hob die Antragsgegnerin die Gaststättenerlaubnis vom 27. Mai 2019 hinsichtlich der Auflagen Nr. II.1. - 6. „aus Billigkeitsgründen“ auf. Dagegen erhob der Antragsteller Klage (AN 4 K 19.02330), über die noch nicht entschieden ist.
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3. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2019 setzte die Antragsgegnerin ein Bußgeld gegen den Antragsteller in Höhe von 100,00 Euro wegen Verstoßes gegen die Auflage Nr. II.17. fest; dagegen wurde Einspruch eingelegt.
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Die Antragsgegnerin drohte dem Antragsteller mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung Nr. II.12. der Gaststättenerlaubnis ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Mit Bescheid vom 8. Januar 2020 drohte die Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die gleiche Auflage ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Auch gegen die Zwangsgeldandrohungen hat der Antragsteller Klage erhoben (AN 4 K 19.02330), über die noch nicht entschieden ist.
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Mit Schreiben vom 10. Januar 2020 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller nach Bekanntwerden erneuter gaststättenrechtlicher Verstöße darauf hin, dass seine gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit erheblich in Frage gestellt sei, und forderte ihn letztmalig auf, den Gaststättenbetrieb in Zukunft ordnungsgemäß zu führen; anderenfalls sei mit dem Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnisse und der Untersagung des Betriebs zu rechnen.
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Mit Bescheid vom 9. März 2020 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller eine Geldbuße in Höhe von 500 € fest, weil dieser am 15. Juni 2019 gegen die Auflage Nr. II.12. aus dem Bescheid vom 27. Mai 2019 verstoßen habe.
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4. Mit Bescheid vom 1. April 2020 widerrief die Antragsgegnerin nach Anhörung die Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte (Ziffer 1), untersagte dem Antragsteller die Fortsetzung des Gaststättenbetriebs (Ziffer 2) und „ordnete“ für den Fall, dass der Ziff. 2 des Bescheids nicht bis zum 30. April 2020 nachgekommen werde, unmittelbaren Zwang durch Versiegelung der Räumlichkeiten an (Ziffer 3). Weiter ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 und 2 des Bescheides an (Ziffer 4).
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5. Der Antragsteller erhob Klage gegen den Bescheid und beantragte die Wiederherstellung von deren aufschiebender Wirkung in Bezug auf den Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebs. Weiter beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid, soweit der unmittelbare Zwang durch Versiegelung der Räumlichkeiten „angeordnet“ werde.
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6. Das Verwaltungsgericht Ansbach verband die unter zwei verschiedenen Aktenzeichen geführten Anträge mit Beschluss vom 16. Juni 2020 zur gemeinsamen Entscheidung und lehnte sie ab. Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids sei rechtmäßig. Der Antragsteller sei unzuverlässig. Er habe in dem knappen Jahr seit Übernahme des Gaststättenbetriebs eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten begangen. Er habe am 30. September 2019 gegen die Sperrzeitverordnung verstoßen, indem er geduldet habe, dass nach Eintritt der Sperrzeit um 23.15 Uhr noch sechs Gäste im Außenbereich seiner Gaststätte gesessen hätten. Am 2. Juni 2019 sei bei einer polizeilichen Kontrolle festgestellt worden, dass in einer Shisha in der Gaststätte des Antragstellers ein Tabak-Melasse-Gemisch geraucht worden sei, worin ein Verstoß gegen die Auflage Nr. II.9. der Gaststättenerlaubnis liege. Auch habe der Antragsteller gegen die Auflagen Nr. II.10. und II.11. der Gaststättenerlaubnis verstoßen, wonach an den Fenstern im Innenbereich Schilder mit dem Hinweis angebracht sein müssten, dass das Rauchen von tabakhaltigen Shishas verboten sei bzw. dass beim Zubereiten und Rauchen der Shishas Kohlenmonoxid entstehe. Weiter müssten nach Auflage Nr. II.16. an den Fenstern im Außenbereich Hinweisschilder angebracht sein, die die Raucher und heimgehenden Gäste nach Eintritt der Sperrzeit zu ruhigem Verhalten anhielten. Das Fehlen solcher Hinweisschilder sei am 2. Juni 2019, 6. Juni 2019, 18. Oktober 2019, 19. Januar 2020 und 21. Februar 2020 festgestellt worden. Auch seien nach Auflage Nr. II.17. der Gaststättenerlaubnis während der Betriebszeiten sämtliche Türen und Fenster geschlossen zu halten. Die Auflage gelte seit dem 5. Juli 2019 erst ab 22.00 Uhr. Dagegen habe der Antragsteller an bestimmten Tagen, insgesamt dreizehnmal, verstoßen. Am 18. Oktober 2019 habe der Antragsteller gegen die Auflage Nr. II.18. verstoßen, indem er im Eingangsbereich der Gaststätte Tabak vorgehalten habe. Am 1. Oktober 2019 habe die Gaststättenerlaubnis der Polizei entgegen der Auflage Nr. II.25. nicht ausgehändigt werden können. Am 18. Oktober 2019 sei festgestellt worden, dass über die Gaststättenerlaubnis hinaus im Außenbereich Sitzgelegenheiten für 20 Personen anstelle von nur 16 Personen aufgebaut worden seien. Am 30. September 2019 seien die Tische und Stühle im Außenbereich der Gaststätte entgegen der Auflage Nr. II.4. der Erweiterung der Gaststättenerlaubnis vom 18. Juli 2019 jedenfalls bis 23.15 Uhr nicht zusammengestellt worden.
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Verstöße gegen die Auflage Nr. II.12. (Verbot des Entzündens und Abbrennens kohlebetriebener Shishas) könnten dem Antragsteller nach derzeitigem Sachstand aber zumindest bis zum 7. November 2019 nicht zur Last gelegt werden, da die Auflage Nr. II.12. inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen sei, da sie in unlösbarem Widerspruch zur Auflage Nr. II.1. (Verbot des Entzündens und Abbrennens von Shishas bis zur Erfüllung der Auflagen Nr. II.2. - II.6.) gestanden habe. Ob dieser Widerspruch durch die Aufhebung der Auflagen Nummer II.1. - II.6. mit Bescheid vom 7. November 2019 wirksam beseitigt worden sei, halte das Gericht nach derzeitigem Sachstand für fraglich. Das Gericht gehe davon aus, dass die Aufhebung der Auflagen Nr. II.1. - II.6. einen für den Kläger belastenden Verwaltungsakt darstelle; eine Klärung dieser Fragen werde im Verfahren AN 4 K 19.02330 erfolgen und sei im Eilverfahren nicht erforderlich, da die aufgelisteten, teilweise wiederholten Verstöße gegen mindestens neun verschiedene Auflagen der Gaststättenerlaubnis in der Gesamtschau die Prognose zuließen, dass der Antragsteller auch künftig nicht willens oder in der Lage sei, sich an bestehende Auflagen zu halten. Des Weiteren ergebe sich die Unzuverlässigkeit des Antragstellers aus dem Umstand, dass er seinem Bruder, dem ehemaligen Inhaber der Gaststätte, bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung eingeräumt habe, obwohl dieser gewerberechtlich unzuverlässig sei. Dessen Gaststättenerlaubnis sei mit Bescheid vom 27. November 2018 wegen Unzuverlässigkeit widerrufen worden. Der bestimmende Einfluss des Bruders des Antragstellers auf die Geschäftsführung beruhe darauf, dass der Antragsteller den Betrieb der Gaststätte im Mai 2019 übernommen habe, aber nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten seinen Bruder als verantwortlichen Betriebsleiter eingesetzt und dieser sich bei neun Kontrollen der Gaststätte gegenüber der Polizei bzw. dem Ordnungsamt als der Verantwortliche zu erkennen gegeben habe, während der Antragsteller selbst nicht zugegen gewesen sei. Die Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebes sei ebenfalls rechtmäßig.
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Es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis und der Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebs. Die sofortige Vollziehung sei aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt, wenn die Fortsetzung der Gewerbetätigkeit während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lasse. Die Auflagen Nr. II.16. (Anbringen von Hinweisschildern an den Fenstern im Außenbereich, die die Raucher und heimgehenden Gäste nach Eintritt der Sperrzeit zu ruhigem Verhalten anhalten sollen) und Nr. II.17. (Gebot, während der Betriebszeiten - hier ab 22.00 Uhr - sämtliche Türen und Fenster geschlossen zu halten) sowie die in § 1 Nr. 2 SpZVO geregelte Sperrzeit ab 23.00 Uhr für den Gaststättenbetrieb auf öffentlichen Verkehrsflächen dienten dem Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Lärmeinwirkungen vor allem zur Nachtzeit. Seit Übernahme des Gaststättenbetriebs im Mai 2019 habe der Antragsteller diese Schutzvorkehrungen umgangen; die Türen der Gaststätte hätten mehrfach nach 22.00 Uhr offen gestanden, wobei in Bezug auf den 26. Juni 2019, den 30. September 2019 und den 18. Januar 2020 auch die Vernehmbarkeit von Musik oder Lärm aus der Gaststätte auf der Straße dokumentiert sei. Die Hinweisschilder im Außenbereich hätten bei Kontrollen am 2. Juni 2019, 6. Juni 2019 und 18. Oktober 2019 gefehlt, und die Sperrzeitregelung sei am 30. September 2019 missachtet worden. Obwohl wegen einer offenstehenden Tür am 7. Oktober 2019 ein Bußgeld verhängt worden sei, hätten die Türen auch am 31. Oktober 2019, 18. Januar 2020, 19. Februar 2020 und 21. Februar 2020 offen gestanden. Dies spreche dafür, dass der Antragsteller Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Lärmeinwirkungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht befolgen werde, zumal im Sommer mit einem verstärkten Außenbetrieb zu rechnen sei. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe darin, die Entstehung eines Bezugsfalls zu verhindern und die Gefahr der Nachahmung durch andere Gaststättenbetreiber zu reduzieren. Die Verstöße träten teilweise für jeden erkennbar zutage. Die Fortführung des Gaststättenbetriebs bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit einem zu erwartenden weiteren Fehlverhalten würde bei anderen Gaststättenbetreibern den Eindruck erwecken, dass eine Missachtung des Gaststättengesetzes und der Sperrzeitverordnung ohne Folgen bleibe.
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Auch die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall, dass der Ziffer 2. des Bescheides nicht bis zum 30. April 2020 nachgekommen werde, sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die Androhung sei vorliegend nicht subsidiär zu einer Zwangsgeldandrohung gewesen (Art. 34 Satz 1 VwZVG). Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens des Antragstellers sei nicht davon auszugehen, dass er durch eine Zwangsgeldandrohung zur Beachtung der Untersagungsverfügung angehalten werden könne. Er verstoße seit Übernahme des Gaststättenbetriebs im Mai 2019 immer wieder gegen verschiedene Auflagen der Gaststättenerlaubnis. Zudem ignoriere der Antragsteller den Widerruf der Gaststättenerlaubnis seines Bruders. Daher sei zu befürchten, dass er auch den Widerruf seiner eigenen Gaststättenerlaubnis nicht beachten werde. Die für die Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 2. des Bescheides bis zum 30. April 2020 bestimmte Frist, mithin vier Wochen seit Bescheiderlass, sei angemessen gewesen, zumal aufgrund der Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die Gaststätte des Antragstellers bereits seit dem 21. März 2020 geschlossen gewesen sei.
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Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 19. Juni 2020 zugestellt.
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7. Der Antragsteller legte mit am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Telefax vom 3. Juli 2020 Beschwerde gegen den Beschluss ein und begründete diese mit am 20. Juli 2020, einem Montag, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Telefax, sowie einem weiteren Schriftsatz vom 18. August 2020.
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Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde; sie ergänzte ihren Vortrag auf Nachfrage des Senats hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs mit Schriftsatz vom 2. September 2020.
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Der Antragsteller trat dem mit Schriftsatz vom 11. September 2020 entgegen. Von einer nochmaligen Gelegenheit zur Äußerung machte die Antragsgegnerin keinen Gebrauch.
38
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
39
Die Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg. Aus den innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründen ergeben sich durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses jedenfalls in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach Ziffer 4. des streitgegenständlichen Bescheids (1.). Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung in Ziffer 3 des Bescheids ist demgegenüber abzulehnen (2.). Ob der Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebs rechtmäßig sind, kann hier offenbleiben (3.).
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1. Der Antragsteller weist in seiner Beschwerdebegründung zu Recht darauf hin, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zusätzlich zu der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des Widerrufs als Grundverfügung voraussetzt, dass die Fortsetzung der Berufstätigkeit des Erlaubnisinhabers während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG, B.v. 13.8.2003 - 1 BvR 1594.03 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594.03 - juris Rn. 15 f.; BayVGH, B.v. 3.5.2013 - 22 CS 13.594 - juris Rn. 27 f.; B.v. 28.4.2014 - 22 CS 14.182 - juris Rn. 19; B.v. 2.7.2014 - 22 CS 14.1186 - juris Rn. 11). Zudem gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutz durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs und einen Anspruch darauf, dass eine hoheitliche Maßnahme vor ihrem Vollzug einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt wird. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist daher verfassungsrechtlich wie einfachgesetzlich nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Regel und der Sofortvollzug die Ausnahme. Die Anordnung des Sofortvollzugs kann deshalb nur ausnahmsweise durch kollidierende Verfassungsgüter wie den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, die durch konkrete Gefahren bedroht sind, gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2003 - 1 BvR 1594.03 - juris Rn. 15 f.; BayVGH, B.v. 2.7.2014 - 22 CS 14.1186 - juris Rn. 11).
41
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Antragsgegnerin liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Es ist nicht erkennbar, welche konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter die Anordnung des Sofortvollzugs im vorliegenden Einzelfall rechtfertigen.
42
1.1 Es trifft zwar zu, wie das Verwaltungsgericht angenommen und die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. September 2020 ausgeführt hat, dass die Nachtruhe und damit die Gesundheit der Anwohner ein wichtiges Gemeinschaftsgut in diesem Sinne darstellen (s. auch BayVGH, B.v. 10.9.2019 - 22 ZB 18.229 - juris Rn. 25). Eine konkrete Gefährdung dieses Rechtsgutes lässt sich dem Akteninhalt und dem Vortrag der Antragsgegnerin jedoch nicht entnehmen. Nach dem Inhalt der Akten wurde seit Erteilung der Gaststättenerlaubnis bis zu deren Widerruf insgesamt viermal durch die Polizei bzw. das Ordnungsamt der Antragsgegnerin festgestellt, dass infolge geöffneter Türen Lärm oder Musik aus der Gaststätte auf der Straße wahrnehmbar war, so am 26. Juni 2019 (Behördenakte Bl. 113), am 30. September 2019 (Behördenakte Bl. 268), am 18. Januar 2020 (Behördenakte Bl. 345) und am 21. Februar 2020 (Behördenakte Bl. 378). Selbst wenn es in den Feststellungen heißt, dass zur Nachtzeit lautstarke Musik aus der Gaststätte drang oder diese auf der Straße gut hörbar war und die Antragsgegnerin die Erheblichkeit der Lärmbelästigung betont, ist damit eine Beeinträchtigung der Nachtruhe von Nachbarn nicht belegt. Der Antragsteller bestreitet die Erheblichkeit des Lärms und hat zudem vorgetragen, die Nachbarschaft bestehe zum Großteil aus Geschäftsbetrieben. Für die Annahme konkreter Lärmbelästigungen mangelt es insoweit an Feststellungen dazu, wie die umliegenden Gebäude genutzt werden (zu Wohnzwecken oder gewerblich), sowie dazu, ob durch die auf der Straße hörbare Musik Nachbarn tatsächlich konkret gestört worden sind. Zudem sind in der Akte Nachbarbeschwerden nicht dokumentiert. Um Lärmbelastungen hinreichend objektiv überprüfen zu können, wären ggf. auch Lärmmessungen erforderlich. Auch die eher geringe Häufigkeit der Vorfälle (vier Vorfälle innerhalb von neun Monaten) spricht nicht ohne Weiteres dafür, dass die Gesundheit von Nachbarn infolge von Lärm durch eine Fortsetzung des Gaststättenbetriebs konkret gefährdet wäre. Die weiteren vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angeführten Umstände - mehrfaches Offenstehen der Türen sowie Fehlen von Hinweisschildern - belegen zwar Verstöße des Antragstellers gegen Auflagen aus dem Erlaubnisbescheid, nicht aber konkrete Gefahren für die Gesundheit von Anwohnern.
43
1.2 Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 2. September 2020 erstmals eine Gefährdung der Personen, die sich in der Gaststätte aufhalten, durch Kohlenmonoxid anführt, das durch die Benutzung kohlebetriebener Shisha-Wasserpfeifen entsteht, genügen die Darlegungen nicht, um konkrete Gesundheitsgefahren für die Gäste und Mitarbeiter im Fall der Fortführung des Gaststättenbetriebs anzunehmen.
44
Die Antragsgegnerin führt aus, dass der Antragsteller und sein Bruder die Auflage Nr. II.12. des Bescheides vom 27. Mai 2019 permanent missachteten. Die Gaststättenräume seien wegen ihres Zuschnitts, insbesondere der niedrigen Decken, ungeeignet, um dort kohlebetriebene Shisha-Wasserpfeifen abzubrennen. Es seien wiederholt trotz des Betriebs einer Be- und Entlüftungsanlage erhöhte CO-Werte festgestellt worden. Es werde insoweit auf die im Widerrufsbescheid vom 27. November 2018 aufgelisteten Vorkommnisse verwiesen. Die Auflage Nr. II.12. untersage das Abbrennen von kohlebetriebenen Shisha-Wasserpfeifen vollständig; sie sei bestandskräftig und spätestens seit dem Aufhebungsbescheid vom 7. November 2019 eindeutig.
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Der Antragsteller hat dem entgegengehalten, es seien zu keinem Zeitpunkt Leib oder Leben der Personen, die sich in der Gaststätte aufgehalten hätten, gefährdet gewesen. Nahezu die gesamten Räumlichkeiten wiesen eine Deckenhöhe zwischen 2,90 m und 3,20 m auf. Dies sei nicht zu niedrig für den Betrieb eines Shisha-Cafés. Zudem seien der Antragsgegnerin die räumlichen Gegebenheiten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bekannt gewesen. Eine angebliche Ungeeignetheit der Räumlichkeiten werde auch im Änderungsbescheid vom 7. November 2019 nicht erwähnt. Dort sei als Begründung für die Aufhebung der Auflagen II.1. bis II.6. nur Billigkeit angegeben. Zum Nachweis einer fehlenden Gefährdung von Gästen und Mitarbeitern werde eine im Rahmen der regelmäßigen Wartungsarbeiten von der Fachfirma ausgehändigte Daten-Dokumentation vom 16. Dezember 2019 vorgelegt, die erkennen lasse, dass erhöhte Werte von Kohlenstoffmonoxid in der Regel nur im Sekundenbereich gemessen worden seien und die Konzentration jedenfalls deutlich unter 30 ppm gelegen habe. Die Gaststätte sei mit einer der modernsten Be- und Entlüftungsanlagen sowie mit einem stationären Gaswarngerät ausgestattet, die dreimal im Jahr von Fachfirmen überprüft und gewartet würden.
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Der Vortrag der Antragsgegnerin belegt nicht konkret, dass in der Vergangenheit tatsächlich Gesundheitsgefahren für Personen, die sich in der Gaststätte aufhalten, aufgetreten und ggf. auch für die Zukunft zu erwarten sind. Der Widerrufsbescheid vom 27. November 2018, der den Bruder des Antragstellers betreffen dürfte und auf den die Antragsgegnerin verweist, liegt dem Gericht im hiesigen Verfahren nicht vor. Zudem hat der Antragsteller den Vortrag der Antragsgegnerin einschließlich der Vorlage einer Daten-Dokumentation über Messungen der Kohlenstoffmonoxid-Konzentration bestritten. Die Begründung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug im streitgegenständlichen Bescheid verhält sich zu diesem Punkt nicht; den Akten sind Erkenntnisse über Grenzwertüberschreitungen nicht zu entnehmen. Auch hinsichtlich der Frage der Eignung der Räumlichkeiten für den Betrieb eines Shisha-Cafés unter Benutzung kohlebetriebener Shisha-Wasserpfeifen liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor, die auf konkrete Gesundheitsgefahren für in der Gaststätte anwesende Personen schließen ließen. Soweit die Antragsgegnerin schließlich eine Brandgefahr ins Feld führt, ist auch dies nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.
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1.3 Soweit die Antragsgegnerin auf die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit des Bruders des Antragstellers ausweislich des bestandskräftigen Widerrufsbescheids vom 27. November 2018 verweist, dem der Antragsteller bestimmenden Einfluss auf die Führung der Geschäfte eingeräumt habe, kann dieser Aspekt möglicherweise die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründen, belegt aber für sich genommen keine konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, die den Sofortvollzug des Widerrufs rechtfertigen könnten.
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1.4 Das Verwaltungsgericht hat zudem ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung darin gesehen, angesichts vielfacher Verstöße gegen Auflagen aus dem Erlaubnisbescheid die Entstehung eines Bezugsfalls zu verhindern und die Gefahr der Nachahmung durch andere Gaststättenbetreiber zu reduzieren. Eine Vielzahl von Auflagenverstößen belegt für sich genommen aber nicht konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, sofern solche Gefahren mit den Auflagenverstößen nicht unmittelbar verbunden sind. Dies ist hier aber gerade nicht erkennbar (s. Ziffer 1.1 und 1.2).
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2. Mit seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage in Bezug auf Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheides hat der Antragsteller dagegen keinen Erfolg. Er rügt insoweit, die Androhung unmittelbaren Zwangs durch Versiegelung der Räumlichkeiten sei nicht gerechtfertigt, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen könne. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Antragsteller seinem Bruder keinen maßgeblichen Einfluss auf den Gaststättenbetrieb eingeräumt, so dass auch nicht zu befürchten sei, dass er den Widerruf seiner eigenen Gaststättenerlaubnis nicht beachten werde, zumal die Gaststätte nach wie vor außer Betrieb sei.
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2.1 Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheids der Antragsgegnerin ist als Zwangsmittelandrohung auszulegen. Die Ziffer ist wie folgt formuliert: „Falls der Nr. 2 dieses Bescheides nicht bis zum 30.04.2020 nachgekommen wird, wird der unmittelbare Zwang durch Versiegelung der Räumlichkeiten angeordnet.“ Die Verwendung des Wortes „angeordnet“ ist zwar in diesem Zusammenhang missverständlich. Durch die Setzung einer Frist sowie die Begründung der Ziffer 3. des Bescheids auf dessen S. 7, wo von der Androhung unmittelbaren Zwangs unter Zitierung von Art. 36 VwZVG (nicht: Art. 37 VwZVG) die Rede ist, sprechen jedoch deutlich dafür, dass die Antragsgegnerin hier beabsichtigte, gemäß Art. 36 VwZVG die Durchsetzung der Verpflichtung nach Ziffer 2. des Bescheids durch unmittelbaren Zwang anzudrohen. Dies war auch für den Empfänger des Bescheides so erkennbar.
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2.2 Dem Antragsteller fehlt es derzeit am Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage in Bezug auf Ziffer 3. des Bescheides.
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2.2.1 Für die Anwendung des angedrohten Zwangsmittels fehlt es derzeit am Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG, denn die erhobene Anfechtungsklage hat infolge dieses Beschlusses nunmehr aufschiebende Wirkung (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG); die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG) entfaltet insoweit keine Wirkung mehr. Die Antragsgegnerin kann daher, solange es bei der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage bleibt, keine Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung des streitgegenständlichen Bescheids einleiten. Die Zwangsmittelandrohung bleibt insoweit wirkungslos.
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2.2.2 Darüber hinaus können Vollstreckungsmaßnahmen auf Ziffer 3. des Bescheids derzeit auch deshalb nicht gestützt werden, weil die dort enthaltene Frist seit langem abgelaufen ist und keine Wirkung mehr entfaltet. Auch bei späterem Eintritt der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen und nach einer eventuellen Wiederöffnung seiner Gaststätte müsste der Antragsteller nicht ohne erneute Fristsetzung mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen rechnen. Auch dies spricht gegen ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers in Bezug auf eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen Ziffer 3. des Bescheids.
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Der mit Bescheid vom 1. April 2020 verfügten Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebs war eine infektionsschutzrechtlich verfügte Untersagung des Betriebs der Gaststätte aufgrund von § 1 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020 (BayMBl. Nr. 130) vorausgegangen, die am 21. März 2020 in Kraft getreten war. Erst seit dem 19. September 2020 dürfen nach § 13 Abs. 4 Satz 2 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) in der Fassung vom 17. September 2020 (BayMBl. Nr. 533) erlaubnisbedürftige Schankwirtschaften, zu denen die Gaststätte des Antragstellers gehören dürfte, unter bestimmten Voraussetzungen wieder öffnen. Nach Aktenlage hat der Antragsteller sich an die infektionsschutzrechtlichen Vorschriften gehalten; insbesondere war seine Gaststätte offenbar zwischen der Zustellung des Bescheides und dem Ablauf der gesetzten Frist geschlossen.
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Soweit der Antragsteller nunmehr - nach Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der 6. BayIfSMV vom 17. September 2020 und nach Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage - berechtigt ist, seine Gaststätte jedenfalls bis zum eventuellen Eintritt der Bestandskraft des Widerrufsbescheides wieder zu öffnen, könnte von der Zwangsmittelandrohung jedenfalls nicht ohne erneute Fristsetzung Gebrauch gemacht werden. Dabei kann offen bleiben, ob in einem solchen Fall, in dem die nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gesetzte Frist bereits abgelaufen ist, ohne dass bisher Anlass für die Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bestand, nur die Fristbestimmung oder die gesamte Zwangsmittelandrohung als gegenstandslos zu betrachten ist.
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Hierzu werden in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach wohl überwiegender Auffassung erledigt sich die Androhung eines Zwangsmittels, wenn der Betroffene dem Grundverwaltungsakt wegen der Einlegung von Rechtsbehelfen bis zum Ablauf der mit der Zwangsmittelandrohung verbundenen Frist nicht nachzukommen brauchte. Die Androhung eines Zwangsmittels solle dem Pflichtigen Gelegenheit geben, der ihm auferlegten Verpflichtung zur Vornahme der Handlung freiwillig nachzukommen. Eine bereits abgelaufene Frist, die nicht mehr eingehalten werden könne, erfülle diesen Zweck nicht. Erweise sie sich deshalb als gegenstandslos, so gelte dies auch für das Vollstreckungsmittel, da eine Zwangsgeldandrohung ohne Fristsetzung nicht Gegenstand einer selbständigen Regelung sein könne. Die Androhung müsse daher wiederholt werden (vgl. ThürOVG, U.v. 28.9.2000 - 3 KO 700.99 - juris Rn. 56; NdsOVG, U.v. 25.4.2002 - 8 LB 47.01 - juris Rn. 41; ähnlich BayVGH, B.v. 23.3.1979 - Nr. 118 XIV 78 - BayVBl. 1979, S. 540 (541); zur Abschiebungsandrohung BVerwG, U.v. 16.10.1979 - I C 20.75 - juris Rn. 17). In der Literatur wird auch vertreten, es werde in einem solchen Fall nur die Fristbestimmung gegenstandslos, nicht aber die Androhung eines Zwangsmittels (Sadler/Tillmanns, VwVG, VwZG, 10. Aufl. 2020, § 13 VwVG Rn. 51 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 17.8.2010 - 10 C 18.09 - juris Rn. 18).
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In Bezug auf eine Zwangsgeldandrohung - bei der das Zwangsgeld mit Fristablauf kraft Gesetzes fällig wird, s. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG - hat der BayVGH schließlich angenommen, die Fristbestimmung sei nicht als gegenstandslos zu behandeln, wenn das Verwaltungsgericht bei Ablauf der Erfüllungsfrist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG noch nicht über den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung entschieden habe. Die Rechte des Betroffenen könnten bei der Ausübung des durch Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG eingeräumten Anwendungsermessens berücksichtigt werden. Wenn die Behörde nach Ablauf der gesetzten Frist und nach einer ablehnenden Entscheidung hinsichtlich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht die Beitreibung des Zwangsgeldes für den Fall ankündige, dass der Anordnung weiterhin nicht Folge geleistet werde, stehe der Beitreibung nichts im Wege (BayVGH, B.v. 20.12.2001 - 1 ZE 01.2820 - juris Rn. 14 ff.; s. auch BayVGH, B.v. 26.7.2019 - 15 CS 19.1050 - juris Rn. 40).
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Ungeachtet der verschiedenen Auffassungen kommt jedenfalls mit Blick auf die vorliegende Androhung unmittelbaren Zwangs - bei der an den Ablauf der Frist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG anders als beim Zwangsgeld nicht eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge geknüpft ist - eine Anwendung des Zwangsmittels ohne erneute Fristsetzung nicht in Betracht.
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2.3 Sofern die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu gegebener Zeit eine neue Frist zur Betriebseinstellung setzen und eine erneute Zwangsmittelandrohung damit verbinden sollte, hätte sie zum einen zu prüfen, ob die Frist an den Eintritt der Bestandskraft des Bescheids anknüpfen sollte (vgl. auch Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, Stand: Juni 2020, § 18 Rn. 186, 187). Zum anderen wäre zu prüfen, ob die Androhung unmittelbaren Zwangs ohne vorausgehende Androhung eines Zwangsgeldes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (Art. 29 Abs. 3, Art. 34 Satz 1 VwZVG). Soweit das Verwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit des unmittelbaren Zwangs im Hinblick darauf bejaht hat, dass der Antragsteller trotz entgegenstehender Hinweise der Antragsgegnerin seit Übernahme des Gaststättenbetriebs immer wieder gegen Auflagen der Gaststättenerlaubnis verstoßen habe und deshalb anzunehmen sei, dass er auch den Widerruf und die Betriebsuntersagung nicht beachten werde, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller, soweit ersichtlich, die infektionsschutzrechtlich begründete Betriebsuntersagung akzeptiert hat. Die Erwartung, dass ein Zwangsgeld von vornherein ungeeignet sei, ihn zur Beachtung einer gaststättenrechtlichen Betriebsuntersagung anzuhalten, bedürfte von daher besonderer Begründung.
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3. Nachdem es derzeit an einer hinreichenden Darlegung konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter fehlt, die zur Rechtfertigung der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs erforderlich wären, kann die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis und der Untersagung der Fortsetzung des Betriebs im Rahmen dieses Eilverfahrens offenbleiben.
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Die Kostenentscheidung zulasten der Antragsgegnerin folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar hat der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht vollumfänglich Erfolg, unterliegt aber nur zu einem geringen Teil. Am Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheides fehlt es hier zudem (auch) aus Gründen, die sich nicht zu seinen Lasten auswirken dürfen, nämlich wegen der von ihm beantragten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Ziffer 1. und 2. des streitgegenständlichen Bescheides. Darüber hinaus bleibt die mit einer Grundverfügung verbundene Androhung eines Zwangsmittels nach Ziffer 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich außer Betracht; insoweit wirkt sich die Entscheidung für die Antragsgegnerin nicht kostensteigernd aus.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 54.1, Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013.
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Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).