VG Regensburg, Beschluss v. 17.09.2020 – RN 5 S 20.1237
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen Anordnung der professionellen Reinigung von Arbeitsbekleidung und Überarbeitung der Gefährdungsanalyse in einem Seniorenzentrum

Normenketten:
PfleWoqG Art. 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Art. 3 Abs. 2 Nr. 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5
ArbSchG § 5
BioStoffV § 4, § 8
RL 2000/54/EG Art. 8 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die fehlende fach- und sachgerechte Aufbereitung von Kleidung mit Schutzfunktion oder sonstiger potenziell infektiös kontaminierter Kleidung des Pflegepersonals eines Seniorenzentrums stellt einen Mangel iSv Art. 13 Abs. 1 S. 1 PfleWoqG dar. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der durch das Gericht vorzunehmenden Konkretisierung der gesetzlichen unbestimmten Rechtsbegriffe des gebotenen „ausreichenden“ Schutzes der Bewohner vor Infektionen und der für den jeweiligen Aufgabenbereich „einschlägigen“ Anforderungen der Hygiene wird – ausgehend von einem abstrakten Gefährdungspotenzial im Sinne des Prinzips der Vorsorge und Vorbeugung – mangels eigener Sachkunde des Gerichts in Fragen der Hygieneanforderungen im Bereich stationärer Pflegeeinrichtungen auf entsprechende sachverständige Quellen zurückgegriffen, die rechtlich als (antizipierte) Sachverständigengutachten zu qualifizieren sind und daher als Orientierungshilfe herangezogen werden können (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2020, 21025 u.a.). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der für Pflegetätigkeiten in der stationären Alten- und Krankenpflege vorzunehmenden Gefährdungsbeurteilung nach § 4 BioStoffV kommt es in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 2 RL 2000/54/EG auf die Potenzialität der Kontamination der Berufskleidung mit Krankheitserregern an. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung über professionelle diskontinuierlich arbeitende oder aber kontinuierlich arbeitende Waschmaschinen verfügen, zumal der Betreiber auf eine entsprechende Reinigung in deren häuslichen Umfeld auch sonst nicht vertrauen darf (Anschluss an VG Stuttgart BeckRS 2017, 136753). (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stationäre Pflegeeinrichtung, Pflegetätigkeit, Hygieneanforderung, Arbeitskleidung, Prüfbericht, Mangel, Gefährungsbeurteilung, stationäre Pflegeeinrichtung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 24054

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500…. EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine behördliche Anordnung im Vollzug des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG).
2
Die Antragstellerin betreibt in N* … ein Seniorenzentrum, welches am 13. Juli 2015 vom Fachbereich Pflege und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) des Landratsamts L* … turnusgemäß kontrolliert wurde. Dabei wurde erstmals festgestellt, dass die Dienstkleidung nicht von der Wäscherei gewaschen wurde. Wäsche werde extern von der Fa. U* …r gewaschen, ausgenommen seien z.B. Geschirrtücher und Lappen, welche im Haus, und Dienstkleidung, welche von den Mitarbeitern zu Hause gewaschen würden.
3
Das Gesundheitsamt im Landratsamt L* … führte hierzu in einem hausinternen Bericht vom 28. Juli 2015 aus: „Die Dienstkleidung wird trotz wiederholter anderslautender Empfehlung nach wie vor von den Mitarbeitern mit nach Hause genommen und dort gewaschen. Es besteht für die Einrichtung keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Vorgaben zur Wäsche zu Hause eingehalten werden. Beratung: Personal in Pflegeeinrichtungen sollte Arbeitskleidung tragen, die vom Arbeitgeber desinfizierend in der Wäscherei gewaschen wird. Bei Verschmutzung muss die Möglichkeit bestehen, die Arbeitskleidung sofort zu wechseln. Bei konkreter Kontaminationsgefahr muss zusätzlich Schutzkleidung getragen werden. Schutzkleidung und potentiell kontaminierte Arbeitskleidung darf nicht privat gewaschen werden. Es wird auf die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250 4.2.6 und 4.2.7 sowie auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) ‚Kleidung und Schutzausrüstung für Pflegeberufe aus hygienischer Sicht‘ aus dem Jahr 2008 verwiesen.“
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Der schriftliche Prüfbericht wurde am 4. August 2015 erstellt und der Antragstellerin am 5. August 2015 zur Stellungnahme zugeleitet. Die Ausführungen zum Waschen der Dienstkleidung und ein entsprechender Beratungsvorschlag finden sich in den Abschnitten III.2.1.1 und III.2.3.1. Die Antragstellerin trug mit Schreiben vom 18. August 2015 hierzu vor, dass dies zentral geregelt werde. Schutzkleidung (Einmalschürzen und MRSA-Schutzkittel) läge ausreichend vor.
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Der schriftliche Prüfbericht vom 28. September 2015 enthält hinsichtlich der vorgenannten Abschnitte keine Änderungen.
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Am 22. März 2016 kontrollierte der FQA des Landratsamts L* … wiederum turnusgemäß das Seniorenzentrum der Antragstellerin in N* … Hinsichtlich der Dienstkleidung wurde festgestellt, dass diese unverändert von den Mitarbeitern zu Hause gewaschen wird. Im Qualitätsmanagement-Handbuch (QM-Handbuch) habe keine genaue Beschreibung zur Verfahrensweise mit der Dienstkleidung gefunden werden können. Das QM-Handbuch verweise auf die TRBA. Die Antragstellerin sehe keinen Grund für eine Änderung. Eine direkte Kontrolle über die Einhaltung der Waschvorschriften könne nicht erfolgen. Die Mitarbeiter müssten jedoch eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen. Zudem sehe die Pflegedienstleiterin, ob die Kleidung der Mitarbeiter sauber sei. Laut Amtsärztin fordere die TRBA eine nachweislich fachgerechte Reinigung der Dienstkleidung, insbesondere im Hinblick auf kontaminierte Dienstkleidung. Ein solcher Nachweis könne nur über eine gewerbliche Wäscherei erbracht werden. Das Heim der Antragstellerin sei das letzte Heim in der Stadt und im Landkreis L* …, das die Dienstkleidung zu Hause waschen lasse. Letzteres sei von der Antragstellerin bestritten worden.
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In den Prüfberichten vom 6. Juni 2016 bzw. vom 18. Juli 2016 finden sich die Ausführungen zum Waschen als erneut festgestellte Mängel in den Abschnitten IV.2.1.1 und IV.2.3.1.1. Die Antragstellerin entgegnete hierzu mit Schreiben vom 29. Juni 2016, dass die Dienstkleidung Eigentum der Mitarbeiter sei und von diesen gewaschen werde. Bei Arbeitsantritt erhalte jeder Mitarbeiter Dienstkleidung, die sein Eigentum werde, und eine Richtlinie zu Umgang und Reinigung der Wäsche. Grundsätzlich gehe die Antragstellerin davon aus, dass Richtlinien von den Mitarbeitern auch eingehalten würden. Sie unterschrieben auch dafür. Zudem gebe es Einmal-Schutzkleidung, die jederzeit greifbar sei, und Ersatzwäsche im Haus, falls Dienstkleidung kontaminiert werde.
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Mit Schreiben vom 4. August 2016 hörte das Landratsamt L* … die Antragstellerin zur beabsichtigten Anordnung zur Beseitigung des Mangels hinsichtlich des Waschens der Dienstkleidung an. Die Antragstellerin erklärte mit Schriftsatz vom 25. August 2016, dass nach TRBA 250 Ziff. 4.2.6 und 4.2.7 der Arbeitgeber Schutzkleidung in ausreichendem Maß zur Verfügung stellen müsse, wenn bei einer Tätigkeit mit Kontamination der Arbeitskleidung gerechnet werden müsse. Ein Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen sei zu erwarten, z.B. beim Pflegen von Patienten mit Inkontinenz oder sezernierenden Wunden. Diese Schutzkleidung werde vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Arbeitskleidung sei nur dann durch den Arbeitgeber zu reinigen, wenn diese kontaminiert worden sei. Dies sei in ihrer Einrichtung nicht regelmäßig zu erwarten. Daher sehe man keine Notwendigkeit, die gesamte Arbeitskleidung der Mitarbeiter zu reinigen. Als Schutzkleidung werde Einmal-Material verwendet, so dass sich hier die Frage einer Reinigung gar nicht stelle.
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Die Amtsärztin nahm intern wie folgt Stellung (vgl. Bl. 137 der Behördenakte): Eine Kontamination an der Arbeitskleidung sei in Pflegeberufen oft nicht sichtbar, aber gleichwohl vorhanden. Es sei davon auszugehen, dass Arbeitskleidung trotz des Tragens von Schutzkleidung oft kontaminiert und diese Kontamination nicht sichtbar sei. Die Antragstellerin habe sicherzustellen, dass alle Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse erbracht würden. Hierunter falle auch zwingend, dass die fach- und sachgerechte Aufbereitung der Dienstkleidung über den Arbeitgeber erfolge und nicht zu Hause von den Mitarbeitern gewaschen werde.
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Am 27. September 2016 erließ das Landratsamt L* … folgenden Bescheid: 1) Für das A* … Seniorenzentrum N* …, N.str. …, 8* … N* … wird angeordnet, dass alle notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, um die Kleidung, die das Pflege- und Reinigungspersonal während der Tätigkeit in der Einrichtung trägt (Arbeits-/Dienstkleidung), in der Einrichtung abgeworfen werden kann und unmittelbar einer nachweislich fach- und sachgerechten Aufbereitung zugeführt wird.
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2) Es wird eine Frist bis 30. November 2016 festgelegt.
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3) Die Umsetzung hat unverzüglich zu erfolgen.
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4a) Für den Fall, dass die in Nummer 1) genannte Pflicht nicht bis zu den jeweils angeführten Fristen erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld zur Zahlung fällig und eingezogen. Das Zwangsgeld beträgt für diesen Fall 2.000…. EUR.
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4b) Ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 2.000…. EUR wird für jeden Kalendermonat der Nichterfüllung der unter Punkt 1) genannten Pflicht fällig.
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5) Die Kosten dieses Verfahrens tragen Sie als Träger des A* … Seniorenzentrums N* …, N.str. …, 8* … N* … Die Gebühr für diesen Bescheid wird auf 300…. EUR festgesetzt, als Auslagen werden 4,10 EUR erhoben.
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In den Gründen wird insbesondere ausgeführt, dass die Antragstellerin als Trägerin der Einrichtung für die Einhaltung der Qualitätsstandards verantwortlich sei (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG). Die Interessen der Bewohner müssten vor Beeinträchtigungen geschützt (Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 PfleWoqG) und die Leistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse erbracht werden (Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 PfleWoqG). Ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohner vor Infektionen müsse gewährleistet sein. Die Beschäftigten hätten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene einzuhalten (Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG). Die Qualitätsanforderungen nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG seien nicht erfüllt, deshalb sei eine Anordnung nach Art. 13 PfleWoqG erforderlich. Durch Schutzmaßnahmen seien Infektionsrisiken zu vermeiden. Mitentscheidend für den Umfang der Schutzmaßnahmen sei, mit welchen Erregern das Personal bei der Pflege konfrontiert sein kann und wie sich die Übertragungswege gestalten können. Bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen (z.B. durch Einatmen, Haut-/Schleimkontakt usw.) bestehe eine hohe Kontaminierungsgefahr dafür, dass jede Art von Arbeitskleidung kontaminiert sein kann. Wegen dieser Kontaminationsgefahr müsse die im Dienst getragene Kleidung spätestens vor Verlassen der Einrichtung abgeworfen werden können und sei wie jede Schutzkleidung durch den Arbeitgeber oder einen Beauftragten desinfizierend zu reinigen. Arbeitskleidung sei oft auch in nicht sichtbarer Weise kontaminiert, obwohl Schutzkleidung getragen werde. Hingewiesen werde auf die TRBA 250 und die BGR 208, welche zwar vorrangig dem Arbeitsschutz dienen, aber unmittelbare Auswirkung auf die Bewohner bei der Pflege haben würden.
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Gegen diesen am 30. September 2016 zugestellten Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 25. Oktober 2016, eingegangen am 26. Oktober 2016, Widerspruch ein. Zugleich wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
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Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde vom Landratsamt L* … am 8. November 2016 abgelehnt, weil hierfür eine einstweilige Anordnung gem. § 123 VwGO bei Gericht zu beantragen sei.
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Am 29. November 2016 ging der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht ein (RO 5 S 16.1833).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Rechtsgrundlage existiere, welche dezidiert die Forderung stelle, dass Berufskleidung in Pflegeberufen nicht zu Hause gewaschen werde dürfe. Die TRBA 250 beziehe sich vorwiegend auf sichere Arbeitsmittel. Ein Umgang mit Biostoffen finde in der Einrichtung nicht statt. Auch angesprochene andere Regelwerke seien Arbeitsschutzvorschriften, welche dem Gesundheitsschutz der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer dienen sollen. Sie seien aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen nicht geeignet, die unbestimmten Rechtsbegriffe in Art. 3 PfleWoqG zu konkretisieren. Die Anordnung sei unverhältnismäßig. Da keine hygienischen Mängel festgestellt worden seien, mangele es bereits an einer abstrakten Gefahr. Das Seniorenzentrum in N* … sei eine Einrichtung, in der den Bewohnern gegenüber pflegerische Leistungen erbracht würden. Eine Pflegeeinrichtung könne nicht mit einer Seniorenwohneinrichtung im Sinne der DKHG-Empfehlungen gleichgesetzt werden. Es gebe Richtlinien der Antragstellerin für das Waschen der Arbeitskleidung. Auch in den regelmäßigen Gefährdungsbeurteilungen werde das selbständige Waschen der Dienstkleidung durch die Mitarbeiter zu Hause als ausreichend erachtet. Der Antragsgegner habe zudem kein Ermessen ausgeübt.
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Bei der Einrichtung handle es sich um eine Wohnstätte für ältere Menschen, in der für diese auch Pflegeleistungen erbracht würden. In dieser Einrichtung würde nicht eine Vielzahl an erkrankten und multimorbid erkrankten Personen leben. Aus dem gesetzlich vorgegebenen Anwendungsbereich des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes ergebe sich dies nicht. Zur Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der hygienischen Erkenntnisse könne auf einschlägige Veröffentlichungen zurückgegriffen werden. Die führenden Institutionen würden sich primär mit der Krankenhaushygiene beschäftigen. Vergleichbare Veröffentlichungen ausschließlich für die Altenpflege gebe es nicht. Es sei jedoch die Gefährdungslage bei der Versorgung kranker Menschen von der bei der Versorgung lediglich alter Menschen zu unterscheiden. Die Gleichstellung von „Grünen Damen und Herren“ in den Operations- und Intensivbereichen von Krankenhäusern mit Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegekräften in Seniorenwohneinrichtungen sei nicht sachgerecht. Die Bewohner in einer Seniorenwohneinrichtung seien nicht per se erkrankt. Daher sei das Tragen normaler Arbeitskleidung, die zuhause gewaschen werde, ausreichend. Die Annahme, dass Arbeitskleidung mikrobiologisch kontaminiert sei, treffe in der Patientenversorgung zu, könne jedoch nicht auf den Umgang mit alten Menschen übertragen werden. Die Gefahrenlage wäre eine andere, wenn es sich bei den Bewohnern in N* … primär um Erkrankte handeln würde. Im Sinne der Veröffentlichung vom Juli 2016 unterfalle die Einrichtung in N* … einem Arbeitsbereich ohne besondere Hygieneanforderungen. Der Begriff Pflegeeinrichtung sei auf die Seniorenwohnanlage in N* … nicht eins zu eins übertragbar. Der Antragsgegner nahm im Schriftsatz vom 12. Dezember 2016 unter Vorlage zahlreicher Unterlagen zum Antrag Stellung. Er halte an seiner Rechtsauffassung fest und die Anordnung für rechtmäßig. Das Seniorenzentrum N* … stelle eine stationäre Einrichtung im Sinne des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes dar und zwar eine stationäre Einrichtung für pflegebedürftige Menschen. Am 30. Juni 2016 sei die Einrichtung mit 94 Bewohnern belegt gewesen (1 Bewohner: rüstig; 8 Bewohner: Pflegestufe 0; 43 Bewohner: Pflegestufe 1; 20 Bewohner: Pflegestufe 2; 22 Bewohner: Pflegestufe 3). Unerlässlich sei ein effektiver Schutz vor Infektionen. Arbeitskleidung sei in einem nachgewiesenen wirksamen desinfizierenden Waschverfahren aufzubereiten. Eine Haushaltswaschmaschine sei hierzu nicht geeignet. Dies ergebe sich aus neueren fachlichen Einschätzungen. Ein Abweichen von diesen Einschätzungen impliziere eine Gefährdung des Wohls der Bewohner.
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Mit Beschluss vom 24. Januar 2017 ordnete das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. September 2016 an.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2020 hob die Regierung von Niederbayern die Ziff. 2 und 3 des Bescheids des Landratsamtes L* … vom 27. September 2016 auf, änderte die Ziff. 4 a) und 4 b) ab und fasste die Ziff. 1 wie folgt neu:
„Für das A* … Seniorenzentrum N* …, […], wird angeordnet, dass alle notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, dass die Kleidung mit Schutzfunktion, die nach einer vom Einrichtungsträger durchzuführenden Gefährdungsanalyse unter Heranziehung der Kenntnisse der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ unter Berücksichtigung der Anforderung des Schutzes der Bewohnerinnen und Bewohner zu tragen ist, sowie die sonstige Kleidung des Pflegepersonals, soweit diese potenziell infektiös kontaminiert worden ist, in der Einrichtung abgeworfen werden kann und unmittelbar einer fach- und sachgerechten Aufbereitung zugeführt wird.“
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Zudem wurde folgende Ziff. 1.1 hinzugefügt:
„Die A* … R* … GmbH hat für das A* … Seniorenzentrum N* …, […], der FQA-Fachstelle des Landratsamtes L* … eine unter Heranziehung der Erkenntnisse der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ unter Berücksichtigung der Anforderungen des Schutzes der Bewohnerinnen und Bewohner durchgeführte Gefährdungsanalyse vorzulegen, die folgende Punkte beinhaltet:
- welche Tätigkeiten werden vom Pflegepersonal ausgeübt und welche biologischen Arbeitsstoffe können dabei erfahrungsgemäß vorkommen
- bei welchen Tätigkeiten ist mit einer Übertragung auf andere Personen zu rechnen
- welche Schutzkleidung ist zu tragen, wobei sich die Art der Schutzkleidung nach der Art der Tätigkeit, dem damit verbundenen Kontaminationsrisiko sowie nach der Art der potentiellen Keime sowie deren Übertragungswege richtet
- wie werden die Schutzkleidung und die kontaminierte sonstige Kleidung des Pflegepersonals abgelegt und aufbereitet.“
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Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
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Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. April 2019 um Mitteilung gebeten worden sei, ob eine Gefährdungsbeurteilung nach § 4 Biostoffverordnung (BioStoffV) für die einzelnen Tätigkeiten der Pflege- und Reinigungskräfte durchgeführt worden sei. Diese sei daraufhin dem Antragsgegner übersandt worden. Nach Auskunft der Antragstellerin sei das Tragen von Schutzkleidung in der Einrichtung nicht grundsätzlich erforderlich. Soweit deren Einsatz im Ausnahmefall einmal erforderlich sei, stehe diese für die Mitarbeiter jederzeit zur Verfügung. Eine getrennte Kleiderabgabe für Privat- und Arbeitskleidung sei möglich, sofern die Arbeitsbedingungen dieser forderten.
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Mit Stellungnahme vom 9. Oktober 2019 habe das Gewerbeaufsichtsamt hierzu ausgeführt, dass aus der Gefährdungsbeurteilung der Einrichtung nicht hervorgehe, wie sicher ausgeschlossen werden könne, dass Arbeitskleidung mit Körperflüssigkeiten verunreinigt werde. Die Gefährdung einer Verunreinigung der Arbeitskleidung sei bei jeglicher pflegerischen Tätigkeit gegeben. Somit müsste bei jeglicher pflegerischen Tätigkeit Schutzkleidung getragen werden. Demzufolge sei die Arbeitskleidung durch den Arbeitgeber zu reinigen. Haushaltswaschmaschinen könnten in der Regel die Temperatur nicht so lange halten, wie dies für die Abtötung der Keime erforderlich sei. Zudem sei ein geeignetes Waschmittel zu verwenden.
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Sofern die Antragstellerin bemängele, dass es keine Rechtsgrundlage für die Anordnung gebe, dass Berufskleidung in Pflegeberufen nicht zu Hause gewaschen werden dürfe, sei eine solche in Art. 13 PfleWoqG vorhanden. Nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG habe ein Einrichtungsträger sicherzustellen, dass von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderung der Hygiene eingehalten werden. Sofern die Antragstellerin hinsichtlich des grundsätzlich fehlenden Erfordernisses des Tragens von Schutzkleidung auf die Gefährdungsanalyse vom 30. April 2019 verweise, sei dieser Gefährdungsanalyse entgegenzuhalten, dass diese unzureichend sei. Aus dieser Gefährdungsanalyse lasse sich nicht nachvollziehen, dass ein ausreichender Schutz des Pflegepersonals sowie der Bewohner vor Erregern durch kontaminierte Kleidung sichergestellt sei. Sie zeige nicht auf, dass vom Pflegepersonal grundsätzlich nur Pflegetätigkeiten ausgeführt werden, bei denen mit einer entsprechenden Kontamination nicht zu rechnen sei. Bei einer potenziell infektiösen Kontamination erfülle die Wäsche in einer Haushaltswaschmaschine nicht die notwendigen Hygieneanforderungen. Gem. Ziff. 1.3 TRBA 250 finde dieses Regelwerk Anwendung auf Tätigkeiten in den Arbeitsbereichen der stationären und ambulanten Altenpflege. Kontamination erfolge durch potenziell infektiöses Material nach Ziff. 2.6 TRBA 250 wie etwa Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Speichel), Körperausscheidungen (z.B. Stuhl) oder Körpergewebe. Tätigkeiten, die der Schutzstufe 2 zuzuordnen seien, seien etwa das Wechseln von Windeln und von mit Fäkalien verunreinigter Kleidung, das Waschen, Duschen und Baden inkontinenter Bewohner, der Umgang mit infektiösen bzw. potenziell infektiösen Abfällen sowie der Umgang mit benutzter Wäsche von Bewohnern, die mit Körperflüssigkeiten behaftet ist (Ziff. 3.4.2 TRBA 250).
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Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2020 erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes L* … vom 27. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Niederbayern vom 15. Juni 2020 (RN 5 K 20.1238), über die noch nicht entschieden ist. Zugleich wurde einstweiliger Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO begehrt.
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Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass der angefochtene Bescheid in Form des Widerspruchsbescheids bereits deswegen rechtswidrig sei, da der Antragsgegner in Ziff. 1.1 die Vorlage eine Gefährdungsanalyse fordere, zugleich aber in Ziff. 1 die Kleidung mit Schutzfunktion entsprechend dieser Gefährdungsanalyse zu tragen sei. Der Antragsgegner antizipiere daher das Ergebnis der erst noch durchzuführenden Gefährdungsanalyse, was bereits denknotwendig keinen Sinn mache. Auch anhand der Begründung des Widerspruchsbescheides sei ersichtlich, dass der Antragsgegner offensichtlich nicht zwischen beiden Anordnungen differenziere. Als Rechtsgrundlage würden die Anordnung auf Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG gestützt. Voraussetzung hierfür sei jedoch das Vorliegens eines Mangels und die fehlende Abstellung nach vorhergehender Beratung gem. Art. 12 PfleWoqG. Eine entsprechende Beratung sei nicht erfolgt, da der Antragsgegner vor Erlass des Widerspruchsbescheides der Antragstellerin nicht einmal mitgeteilt habe, dass in der von der Antragstellerin vorgelegten Gefährdungsanalyse ein Mangel zu sehen sei. Nicht dargestellt worden sei im angefochtenen Bescheid auch, inwiefern durch die Vorlage der Gefährdungsanalyse vom 30. April 2019 eine Abweichung von den Anforderungen des PfleWoqG festzustellen sei. In der Begründung des Widerspruchsbescheids werde sich in fachlicher Hinsicht insbesondere auf die Stellungnahmen des Gewerbeaufsichtsamts vom 9. Oktober und 9. Dezember 2019 gestützt. Beide seien der Antragstellerin nicht zur Kenntnis gegeben worden. Aufgrund der fehlenden Anhörung seien die angefochtenen Bescheide unwirksam. Es handele sich offenbar um entscheidungserhebliche Tatsachen, sodass eine Anhörung erforderlich gewesen sei. Die behördlicherseits zur Entscheidungsfindung herangezogenen berufsgenossenschaftlichen Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit - BG Regeln (BGR) 208, Reinigungsarbeiten mit Infektionsgefahr im medizinischen Bereich, - enthielten keine Regelungen zum Waschen von Arbeitskleidung. Die herangezogene TRBA 250 vom März 2014 sei ohnehin auf Arbeitskleidung im Allgemeinen nicht anwendbar. Sie unterscheide zwischen Arbeitskleidung, Schutzkleidung und kontaminierter Arbeitskleidung. Gem. Ziff. 4.2.7 TRBA 250 dürfe Schutzkleidung oder kontaminierte Arbeitskleidung von den Beschäftigten nicht zur Reinigung mit nach Hause genommen werden. Weitere Regelungen über den Umgang mit Arbeitskleidung enthalte die TRBA 250 nicht. Der Antragsgegner könne auf Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG auch nicht die Vorlage einer Gefährdungsanalyse fordern. Es handele sich bei der im Widerspruchsbescheid insoweit genannten TRBA 250 um eine Arbeitsschutzvorschrift, für welche die hier handelnde Behörde schon nicht zuständig sei. Bereits aus dem Umstand, dass der Antragsgegner selbst die Vorlage einer Gefährdungsanalyse für erforderlich halte, gehe hervor, dass behördlicherseits gar nicht beurteilt werden könne, ob überhaupt die Gefahr der Kontamination der Arbeitskleidung vorliege. Die zur Entscheidung herangezogenen Empfehlungen der DGKH „Kleidung und Schutzausrüstung für Pflegeberufe aus hygienischer Sicht“ legten ihren primären Fokus auf den Krankenhaussektor, sodass diese nicht zweifelsfrei auf die in der Einrichtung zu tragende Arbeitskleidung übertragen werden könne. Die Gefährdungslage bei der Versorgung kranker Menschen sei von der Versorgung lediglich alter Menschen zu unterscheiden. Bewohner einer Seniorenwohneinrichtung seien nicht per se krank, sodass das Tragen normaler Arbeitskleidung, welche zu Hause gewaschen werde, ausreichend sei. Die Annahme mikrobiologisch kontaminierter Arbeitskleidung beim Umgang mit alten Menschen sei unzutreffend. Übertrage man den behördlichen Maßstab auf den normalen Familienalltag müsste man beim Besuch der eigenen Großeltern dort die Kleidung ausziehen und diese mit gemäß der Liste der vom Robert-Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmitteln/-verfahren gewaschen werden. Diese Annahme sei genauso lebensfremd wie die Annahme, dass im Umgang mit alten Menschen ein ständiges Kontaminationsrisiko bestehe. Sofern ein entsprechendes Risiko in der Einrichtung bestehe, sei Schutzkleidung vorhanden und werde auch eingesetzt. Dies ergebe sich aus der vorgelegten Gefährdungsanalyse vom 30. April 2019. Darüber hinaus mangele es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung und die Anordnungen seien unverhältnismäßig.
31
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß:
32
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes L* … vom 27. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Niederbayern vom 15. Juni 2020 wird angeordnet.
33
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
34
Die Antragstellerin sei angehalten, eine überarbeitete Gefährdungsanalyse unter Berücksichtigung der TRBA 250 vorzulegen. Die fehlenden Ausführungen im bisherigen Konzept seien explizit im Widerspruchsbescheid benannt und die Anordnung sei insoweit hinreichend konkret. Eine aussagekräftige Gefährdungsbeurteilung sei nach dem derzeitigen Konzept nicht möglich. Realitätsfremd erscheine, dass nach einer umfangreichen Gefährdungsanalyse in einer Alten- und Pflegeeinrichtungen keine potenziell infektiöse Kleidung anfalle. Es könne nicht von der Vorwegnahme des Ergebnisses die Rede sein. Sofern sich Wäschebestände ergeben, wovon bei lebensnaher Betrachtung der Gesamtumstände auszugehen sei, seien diese einer fachgerechten Aufbereitung zuzuführen. Der Abschluss entsprechender Reinigungsverträge mit vorhandenen Firmen sei durchaus kurzfristig zu organisieren. Die Antragstellerin führe in ihrem Schriftsatz selbst aus, dass ein vollständiges Umstellen des Wäschesystems mit erheblichen Investitionen verbunden sei. Sie gehe also selbst davon aus, dass die Durchführung der Gefährdungsanalyse wohl entsprechende potenziell kontaminierte Kleidung zur Aufbereitung ergeben werde. Beratungen zum Thema Wäscheaufbereitung seien bereits im Vorfeld und gerade auch vor der getroffenen Anordnung umfangreich geleistet worden. Die Antragstellerin sei jedoch nicht dazu bereit gewesen, in Teilbereichen von ihren bisherigen Handlungsweisen abzuweichen. Dies zeige auch der Vergleich der vorliegenden Situation mit Besuchen von Großeltern in Privathaushalten. Damit werde von der Antragstellerin die Problematik eindeutig verkannt. In Alten- und Pflegeeinrichtungen gebe es in umfangreichen Maße einen vulnerablen Personenkreis. Im Widerspruchsverfahren sei hinsichtlich des Eingriffs nachgebessert und für die Antragstellerin eine günstigere Entscheidung getroffen worden, sodass eine erneute Anhörung nicht habe stattfinden müssen. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Antragstellerin anderen Häusern unter ihrer Trägerschaft die hier geforderte Aufbereitung anbiete. Eine Umstellung der bisherigen Handlungsweise erscheine explizit in dieser Einrichtung der Antragstellerin nicht gewünscht. Für eine Gefährdungsbeurteilung könne dies jedoch nicht maßgebend sein.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behörden- und der Gerichtsakten, auch in den Verfahren RN 5 K 20.1238 und RO 5 S 16.1833 Bezug genommen.
II.
36
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
37
Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung jedoch in für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, etwa wenn - wie im vorliegenden Fall - die Klage der Antragstellerin gegen die im Bescheid des Landratsamtes L* … vom 27. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Niederbayern vom 15. Juni 2020 getroffenen Anordnungen nach Art. 13 des Gesetzes zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Pflege- und Wohnqualitätsgesetz - PfleWoqG) aufgrund der Regelung des Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfalten.
38
Allerdings kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, sofern im Rahmen der im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig gebotenen Abwägung der Vollzugs- und Aussetzungsinteressen die Voraussetzungen hierfür analog § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vorliegen (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 146 ff.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Jan. 2020, § 80 Rn. 384 jeweils m.w.N.).
39
Bei dieser Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 22.11.2010 - 12 CS 10.2243 - juris, Rn. 34; B.v. 29.9.2011 - 12 CS 11.2022 - juris, Rn. 73) von der gesetzlichen Wertung des Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG auszugehen, welche einen effektiven Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen wie der der Antragstellerin, die dem Zwecke dienen, ältere Menschen, pflegebedürftige Volljährige oder volljährige Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen aufzunehmen (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG), garantieren sollen.
40
Die Kammer hat im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die aufschiebende Wirkung grundsätzlich nur dann anordnen, wenn und soweit Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also auf den des Erlasses des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2020 abzustellen, soweit die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs geprüft werden. Soweit die Kammer hingegen wegen möglicher offener Erfolgsaussichten des Rechtsmittels eine eigene Interessenabwägung vornehmen muss, ist auf die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer abzustellen, die darüber zu befinden hat, ob jetzt ein öffentliches oder überwiegend privates Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 - 12 CS 18.2658 - juris, Rn. 47).
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Ausgehend hiervon sieht die erkennende Kammer die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren als gering an, mit der Folge, dass - auch unter Beachtung der bereits angesprochenen gesetzlichen Wertung - ein überwiegend öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht.
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1. Die gegenüber der Antragstellerin angeordnete Verpflichtung in Ziff. 1, dass Kleidung mit Schutzfunktion, […] sowie die sonstige Kleidung des Pflegepersonals, soweit diese potenziell infektiös kontaminiert worden ist, […] unmittelbar einer fach- und sachgerechten Aufbereitung zugeführt werden muss, stellt sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig dar.
43
a) Die Anordnung leidet in formeller Hinsicht insbesondere nicht an einem Anhörungsmangel, da der Antragstellerin die Stellungnahmen des Gewerbeaufsichtsamt vom 9. Oktober und 9. Dezember 2019 nicht zu Kenntnis gebracht worden sei und sich der Antragsgegner hierauf maßgeblich gestützt habe. Die darin erfolgten Äußerungen zur Unzulässigkeit des Waschens von Arbeitskleidung im häuslichen Umfeld waren der Antragstellerin nämlich bereits aufgrund der bestandskräftigen Prüfberichte hinlänglich bekannt.
44
b) Diese Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG. Danach kann die zuständige Behörde bei festgestellten Mängeln gegenüber den Trägern Anordnungen erlassen, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohnerinnen und Bewohner, zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten oder zur Vermeidung einer Unangemessenheit zwischen dem Entgelt und der Leistung der stationären Einrichtung erforderlich sind.
45
Mängel i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 PfleWoqG sind Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes (vgl. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG), insbesondere Abweichungen von den Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG (vgl. Art. 12 Abs. 1 PfleWoqG). Ein erheblicher Mangel i.S.d. Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG ist aufgrund der Zielrichtung des Gesetzes (vgl. Art. 1 PfleWoqG) ein Mangel, wenn sich aus ihm direkt die Gefährdung von Bewohnern ergibt (Philipp, Pflege- und Wohnqualitätsgesetz Bayern, 2015, F, Rn. 74). Als weitere Konkretisierung des Begriffs des erheblichen Mangels kann aus der Gesetzessystematik auf die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 4 Satz 4 und Art. 13 Abs. 3 Satz 3 PfleWoqG zurückgegriffen werden. Mit diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber bewusst die Wertung vorgenommen, dass bei einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der Bewohner Anordnungen stets zu erfolgen haben. Diese Wertung lässt sich für eine konkretisierende Auslegung des Begriffs des erheblichen Mangels insoweit nutzbar machen, als im Falle einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit der Bewohner stets von einem erheblichen Mangel ausgegangen werden muss (Burmeister/Gaßner/Melzer/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, 2. Aufl. 2015, Art. 13 PfleWoqG, Rn. 7; VG Würzburg, B.v. 17.2.2016 - W 3 S 16.95 - juris, Rn. 77).
46
Die hier fehlende fach- und sachgerechte Aufbereitung von Kleidung mit Schutzfunktion oder sonstiger potenziell infektiös kontaminierter Kleidung des Pflegepersonals stellt einen Mangel i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG dar.
47
Dass eine stationären Pflegeeinrichtung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfleWoqG und ein Mangel vorliegt, ist aufgrund der Feststellungen in den Prüfberichten vom 28. September 2015 (siehe Ziff. III.2.1.1, III.2.3.1) und 18. Juli 2016 (siehe Ziff. IV.2.1.1, IV.2.3.1.1) nicht zweifelhaft.
48
Dabei ist ein Prüfbericht nicht nur insoweit, als er gegenüber einem Träger Mängel bezeichnet, als feststellender Verwaltungsakt anzusehen, sondern auch hinsichtlich des Tatsachen „beschreibenden“ Teils. Denn die im Rahmen des Prüfberichts amtlich festgestellten Sachverhalte zeitigen im ordnungsrechtlichen Rahmen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes Rechtswirkungen dergestalt, dass sie die rechtliche Qualifikation der jeweiligen Einrichtung und damit das auf sie anwendbare Rechtsregime determinieren (BayVGH, B.v. 21.1.2020 - 12 ZB 16.268 - BeckRS 2020, 1737, Rn. 39). Trotz ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:hat die Antragstellerin keine Rechtsmittel gegen die Prüfberichte als Ganzes oder gegen einzelne, nunmehr bestandskräftige Feststellungen eingelegt.
49
Unabhängig von der nicht bestrittenen Bestandskraft der Prüfberichte hat das Gericht auch im Übrigen keine Zweifel am Vorliegen eines Mangels.
50
Gemäß Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG haben Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung sicherzustellen, dass ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleistet wird und von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden. Bei der durch das Gericht vorzunehmenden Konkretisierung der gesetzlichen unbestimmten Rechtsbegriffe des gebotenen „ausreichenden“ Schutzes der Bewohner vor Infektionen und der für den jeweiligen Aufgabenbereich „einschlägigen“ Anforderungen der Hygiene wird - ausgehend von einem abstrakten Gefährdungspotenzial im Sinne des Prinzips der Vorsorge und Vorbeugung - mangels eigener Sachkunde des Gerichts in Fragen der Hygieneanforderungen im Bereich stationärer Pflegeeinrichtungen auf entsprechende sachverständige Quellen zurückgegriffen, die rechtlich als (antizipierte) Sachverständigengutachten zu qualifizieren sind und daher als Orientierungshilfe herangezogen werden können (insoweit zum Landesrecht des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz - WTPG: VG Stuttgart, U.v. 9.11.2017 - 4 K 4634/15 - BeckRS 2017, 136753, Rn. 96; VGH Mannheim, U.v. 23.7.2020 - VGH 6 S 1589/18 - BeckRS 2020, 21025, Rn. 25).
51
Der Antragsgegner hat zu Recht auch auf die TRBA 250 abgestellt. Die in den - dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dienenden - TRBA 250 niedergelegten und insoweit den Stand der sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen sowie arbeitswissenschaftlichen Anforderungen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen wiedergebenden Erkenntnisse können erst recht zur Konkretisierung der Anforderungen an den Schutz der Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfleWoqG herangezogen werden (in diese Richtung auch bereits: VG Regensburg, B.v. 24.1.2017 - RO 5 S 16.1833 - juris, Rn. 43). Die TRBA 250 finden u. a. Anwendung auf Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Bereichen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege, in denen Menschen medizinisch untersucht, behandelt oder gepflegt werden (vgl. Ziff. 1.1 Satz 1 TRBA 250) sowie Tätigkeiten, die nach Ziff. 1.4 beispielsweise in Reha-Einrichtungen und Heimen sowie in Arbeitsbereichen (vgl. Ziff. 2.7 TRBA 250) der stationären und ambulanten Alten- und Krankenpflege stattfinden können. Zu diesen Tätigkeiten zählt nach Ziff. 1.1 TRBA 250 die „berufliche Arbeit mit Menschen, Tieren, Produkten, Gegenständen oder Materialien, wenn aufgrund dieser Arbeiten Biostoffe auftreten oder freigesetzt werden und Beschäftigte damit in Kontakt kommen können“. Dies ist der Fall bei der „Pflege“, worunter nach Ziff. 2.3 TRBA 250 „alle Hilfeleistungen am Patienten bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, bei denen Kontakte zu Krankheitserregern bestehen können“, zu verstehen sind. Der Begriff der Patienten umfasst nach Ziff. 2.9 TRBA 250 auch die in verschiedenen Einrichtungen unterschiedlich bezeichneten Personen wie Bewohner, Pflegekunden oder Betreute. „Potenziell infektiöses Material“ ist nach Ziff. 2.6 TRBA 250 „Material, das Krankheitserreger enthalten und bei entsprechender Exposition zu einer Infektion führen kann. Dabei handelt es sich erfahrungsgemäß um Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Speichel), Körperausscheidungen (z.B. Stuhl) oder Körpergewebe.“. Bei der für Pflegetätigkeiten in der stationären Alten- und Krankenpflege vorzunehmenden Gefährdungsbeurteilung nach § 4 BioStoffV kommt es nach TRBA 250 in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.9.2000 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (im Weiteren: Richtlinie 2000/54/EG) auf die Potenzialität der Kontamination der Berufskleidung mit Krankheitserregern an (vgl. abweichend, diesen Umstand jedoch nicht behandelnd: VG Oldenburg, B.v. 7.2.2017 - 7 B 6714/16 - juris, Rn. 16). Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach Ziff. 3.2.1 TRBA 250 muss bei Tätigkeiten, bei denen Kontakte zu Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergeweben stattfinden, mit der Möglichkeit des Vorhandenseins relevanter Krankheitserreger gerechnet werden, soweit keine anderen Erkenntnisse vorliegen. Die hierin zum Ausdruck kommende grundsätzliche Unabhängigkeit der Gefährdungsbeurteilung von der gesicherten Erkenntnis über das Vorliegen relevanter Krankheitserreger wird noch deutlicher in Ziff. 3.4.1 Abs. 2 TRBA 250 formuliert: „Da bei Tätigkeiten im Gesundheitswesen häufig keine konkreten Kenntnisse zu vorhandenen Krankheitserregern vorliegen, ist der mögliche Kontakt zu potenziell infektiösem Material, z. B. Körperflüssigkeiten, ausschlaggebend für die Zuordnung zu einer Schutzstufe.“ Demnach sind die der maßgeblichen Schutzstufe zuzuordnenden Schutzmaßnahmen unterschiedslos bei der Pflege von infektiösen wie von lediglich potenziell infektiösen Bewohnern zu ergreifen. Auch die Richtlinie 2000/54/EG lässt es in ihrem, sich Hygienemaßnahmen und individuellen Schutzmaßnahmen widmenden Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 ausreichen, dass „Arbeitskleidung und persönliche Schutzausrüstung“ möglicherweise durch biologische Arbeitsstoffe kontaminiert wurde. Damit knüpft sie die Hygienemaßnahmen der vom Arbeitgeber zu besorgenden „Desinfektion, Reinigung oder erforderlichenfalls Vernichtung der betreffenden Kleidung und persönlichen Schutzausrüstung“ (vgl. Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/54/EG) ebenfalls nicht erst an die gesicherte Feststellung einer Kontamination (zu alledem: VG Stuttgart, U.v. 9.11.2017 - 4 K 4634/15 - BeckRS 2017, 136753, Rn. 49 f.).
52
Alleine die Bewohnerstruktur in der Einrichtung der Antragstellerin bedingt, dass die Tätigkeiten des mit Pflegetätigkeiten befassten Personals nach Ziff. 3.4.2 TRBA 250 der Schutzstufe 2 zuzurechnen sind, da sie die hierin aufgeführten Tätigkeiten umfasst - wie z.B. das „Wechseln von Windeln und von mit Fäkalien verunreinigter Kleidung“, das „Waschen, Duschen und Baden inkontinenter Bewohner“, den „Umgang mit infektiösen bzw. potentiell infektiösen Abfällen“, den „Umgang mit benutzter Wäsche von Patienten und Bewohnern (Ausziehen, Abwerfen, Sammeln), die mit Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen behaftet ist“ (Ziff. 3.4.2 Satz 3 TRBA 250) - und es damit bei ihnen regelmäßig und nicht nur in geringfügigem Umfang zum Kontakt mit potenziell infektiösem Material wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe kommen kann (Ziff. 3.4.2 Satz 1 TRBA 250). So war am 30. Juni 2016 die Einrichtung mit 94 Bewohnern mit folgender Pflegebedürftigkeit belegt: 1 Bewohner: rüstig; 8 Bewohner: Pflegestufe 0; 43 Bewohner: Pflegestufe 1; 20 Bewohner: Pflegestufe 2; 22 Bewohner: Pflegestufe 3). Am 31. Dezember 2016 war die Einrichtung mit 97 Bewohnern mit folgender Pflegebedürftigkeit belegt: 2 Bewohner: rüstig; 7 Bewohner: Pflegestufe 0; 34 Bewohner: Pflegestufe 1; 33 Bewohner: Pflegestufe 2; 21 Bewohner: Pflegestufe 3). Zumindest ab einer (bis Ende 2016 geltenden) Pflegestufe 1 ist von einem potentiellen Risiko der Kontamination der Arbeitskleidung auszugehen, sodass über 90 Prozent der zu pflegenden Bewohner bei der Betrachtung eines Kontaminationsrisikos miteinzubeziehen sind. Der Einwand der Antragstellerin, die Gefährdungslage bei der Versorgung kranker Menschen sei von der Versorgung lediglich alter Menschen zu unterscheiden und dass Bewohner einer Seniorenwohneinrichtung nicht per se krank seien, geht daher aufgrund der tatsächlichen Bewohnerstruktur der Einrichtung ins Leere.
53
Nach Ziff. 4.2.7 Abs. 1 Satz 1 TRBA 250 ist daher Schutzkleidung zu tragen, welche sogar vom Arbeitgeber zu stellen ist. Jedenfalls ist jedoch von „kontaminierter Arbeitskleidung“ im Sinne von Ziff. 2.4 TRBA 250 auszugehen, sodass diese nicht von Beschäftigten zur Reinigung mit nach Hause genommen werden darf (Ziff. 4.2.7 Abs. 4 TRBA 250).
54
Die Erweiterung des Schutzzwecks der arbeitsschutzrechtlichen Regelungen der TRBA 250 über den Beschäftigtenschutz hinaus unterliegt keinen Bedenken und ist bereits im Arbeitsschutzgesetz selbst angelegt, indem die Verordnungsermächtigung des § 18 Abs. 1 ArbSchG in Satz 2 bestimmt, dass in diesen Rechtsverordnungen auch bestimmt werden kann, dass bestimmte Vorschriften des Gesetzes zum Schutz anderer als in § 2 Abs. 2 ArbSchG genannter Personen anzuwenden sind. Die TRBA 250 konkretisiert die Anforderungen nach der BioStoffV, die in § 1 Abs. 1 Satz 3 vorsieht, zugleich auch Maßnahmen zum Schutz anderer Personen zu regeln, soweit diese aufgrund des Verwendens von Biostoffen durch Beschäftigte oder durch Unternehmer ohne Beschäftigte gefährdet werden können. Aber selbst wenn man diese - die Bewohner der Pflegeeinrichtungen und gegebenenfalls weitere Personen einbeziehende - Schutzrichtung nicht anerkennen würde, da die TRBA 250 selbst - ausweislich deren Einleitung - allein den Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Blick haben, können die in den TRBA 250 enthaltenen und auf immunologisch durchschnittliche Menschen zugeschnittenen Standards jedenfalls als absoluter Mindeststandard auch für vulnerable Personengruppen wie die Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung herangezogen werden, für die diese Standards umso mehr gelten müssen (vgl. bereits VG Regensburg, B.v. 24.1.2017 - RO 5 S 16.1833 - juris, Rn. 43).
55
Nicht ausreichend ist vorliegend zudem, die Mitarbeiter arbeitsvertraglich zur ordnungsgemäßen Reinigung der Arbeitskleidung zu verpflichten. Dass die Haushaltswaschmaschinen der Pflegemitarbeiter bereits technisch nicht in der Lage sind, die Arbeitskleidung mit nachgewiesen wirksamen desinfizierenden Waschverfahren aufzubereiten, ergibt sich aus den auf fachlichen Quellen basierenden Stellungnahmen der beteiligten und mit eigener Sachkompetenz ausgestatteten Fachstellen. Danach müssen die Maschinen gewährleisten, dass die für das jeweilige Verfahren vorgeschriebene Konzentration des Desinfektions- und des Waschmittels, das Flottenverhältnis und die Temperatur während der Einwirkzeit eingehalten werden. Hierbei ist unter „Flotte“ die Flüssigkeitsmenge zu verstehen, mit der das Reinigungsgut während einer Arbeitsphase behandelt wird, während der Begriff „Flottenverhältnis“ das Verhältnis der Gewichtsmengen von Reinigungsgut und Flotte beschreibt. Nach dem derzeitigen Stand der Technik könnten diese Forderungen von Haushaltswaschmaschinen in der Regel nicht erfüllt werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Antragstellerin in der Pflege tätigen Mitarbeiter über professionelle diskontinuierlich arbeitende oder aber kontinuierlich arbeitende Waschmaschinen verfügen werden (VG Stuttgart, U.v. 9.11.2017 - 4 K 4634/15 - BeckRS 2017, 136753, Rn. 65 mit Verweis auf die Bekanntmachung des Robert Koch-Instituts „Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren“ (Stand: 31.08.2013; Bundesgesundheitsblatt 2013, 56:1706 ff.). Unabhängig davon ist es der Antragstellerin schlichtweg nicht möglich zu gewährleisten, dass die Beschäftigten die Arbeitskleidung bei 60 Grad in der häuslichen Waschmaschine waschen. Soweit insoweit auf die Zuverlässigkeit des Personals verwiesen wird, kann die Antragstellerin dennoch nicht ihrer Aufsichtspflicht in diesem sensiblen Hygienebereich nachkommen. Das bloße Vertrauen auf eine faktisch kaum mögliche ordnungsgemäße Reinigung durch die Beschäftigten genügt den Anforderungen nicht (VGH Mannheim, U.v. 23.7.2020 - VGH 6 S 1589/18 - BeckRS 2020, 21025, Rn. 37).
56
Die von der Beklagten gewählte Anordnung erweist sich zur Förderung des legitimen Ziels der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der in der stationären Pflegeeinrichtung befindlichen Bewohner als geeignet, erforderlich und angemessen und wahrt damit das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie leistet einen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes; die Gewährleistung absoluten Infektionsschutzes ist hingegen weder geboten noch möglich. Das mögliche Bestehen weiterer Kontaminationsrisiken vermag die Zielfördereignung der angefochtenen Verfügung nicht in Frage zu stellen. Zudem erfüllt die angefochtene Anordnung auch die Anforderung der Erforderlichkeit. Denn es ist kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Förderung der Zielerreichung ersichtlich. Die Anordnung geht aufgrund der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgten einschränkenden Neufassung von Ziff. 1 des Bescheids insbesondere nicht deshalb über das erforderliche Maß hinaus, weil sie einen zu weiten Kreis von Mitarbeitern erfassen würde (vgl. anders insoweit VG Oldenburg, B.v. 7.2.2017 - 7 B 6714/16 - juris, Rn. 15). Die Anordnung erfasst lediglich solche Mitarbeiter, die während der Arbeitszeit aufgrund einer noch zu erarbeitenden Gefährdungsanalyse Schutzkleidung zu tragen haben oder potentiell kontaminierte Kleidung tragen. Mitarbeiter ohne jegliche „pflegerischen Tätigkeiten“ im weitesten Sinn werden aufgrund einer Gefährdungsanalyse schon nicht in den Anwendungsbereich der Anordnung einbezogen werden. Damit geht die Anordnung jedenfalls nicht über das gebotene Maß hinaus. Ob die Anordnung hinter dem gebotenen Regelungsmaß zurückbleibt, ist vorliegend hingegen nicht zu prüfen. Der Erforderlichkeit der Anordnung, die Arbeitskleidung der mit pflegerischen Tätigkeiten befassten Mitarbeiter grundsätzlich professionell aufzubereiten, steht nach oben Ausgeführtem auch nicht entgegen, dass als vermeintliches bereits verwirklichtes „milderes Mittel“ vorgesehen ist, dass Arbeitskleidung entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zuhause mit über 60 Grad gewaschen wird.
57
2. Die fehlende fach- und sachgerechten Aufbereitung von Kleidung mit Schutzfunktion oder sonstiger potenziell infektiös kontaminierter Kleidung des Pflegepersonals rechtfertigt als Mangel tatbestandlich auch die Verpflichtung in Ziff. 1.1 des Bescheids zur Vorlage einer Gefährdungsanalyse.
58
Diese Anordnung findet seine Rechtsgrundlage ebenfalls in Art. 13 Abs. 1 Satz 1  PfleWoqG.
59
Soweit die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit dieser Anordnung darin begründet sieht, dass die bereits vorliegende Gefährdungsanalyse ihr gegenüber nicht als Mangel angezeigt und diesbezüglich auch keine Beratung erfolgt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Als tatbestandlich erforderlicher Mangel ist hier die fehlende fach- und sachgerechte Aufbereitung von Kleidung mit Schutzfunktion oder sonstiger potenziell infektiös kontaminierter Kleidung des Pflegepersonals anzusehen und nicht die unzureichende Gefährdungsanalyse. Diesbezüglich sind unstrittig auch mehrfach Beratungen erfolgt. Es darf insoweit auf die Inhalte der beiden bestandskräftigen Prüfungsberichte vom 28. September 2015 (siehe Ziff. III.2.1.1, III.2.3.1) und 18. Juli 2016 (siehe Ziff. IV.2.1.1, IV.2.3.1.1) verwiesen werden. Aufgrund der tatbestandlichen Voraussetzungen konnte der Antragsgegner in der Rechtsfolge demnach nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG Anordnungen erlassen, wie etwa die Verpflichtung zur Vorlage einer Gefährdungsanalyse. Nach Überzeugung des Gerichts ist die Erarbeitung einer Gefährdungsanalyse im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohnerinnen und Bewohner sowie zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten erforderlich.
60
Nach § 5 Abs. 1 und 2 Arbeitschutzgesetz (ArbSchG) hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
61
Das Arbeitsschutzgesetz enthält keine gesetzliche Definition dessen, was unter „Beurteilung“ zu verstehen ist. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin definiert in ihrer 2014 erschienenen Schrift „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, Erfahrungen und Empfehlungen“ Gefährdungsbeurteilung wie folgt: Die Gefährdungsbeurteilung beschreibt den Prozess der systematischen Ermittlung und Bewertung aller relevanten Gefährdungen, denen die Beschäftigten im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind. Hinzu kommt die Ableitung und Umsetzung aller zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit erforderlichen Maßnahmen, die anschließend hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft werden müssen. Das Ziel besteht darin, Gefährdungen bei der Arbeit frühzeitig zu erkennen und diesen präventiv, das heißt noch bevor gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Unfälle auftreten, entgegenzuwirken (Kollmer/Klindt/Schucht/Kreizberg, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 5 Rn. 85 ff.)
62
Bei der Gefährdungsbeurteilung nach der BiostoffV hat der Arbeitgeber gem. § 4 Abs. 4 BiostoffV alle Gefährdungen in einem ersten Schritt jeweils einzeln zu beurteilen und diese Einzelbeurteilungen erst danach zu einer Gesamtbeurteilung zusammenzuführen (Wiebauer/Kollmer in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand: 84. EL Februar 2020, Einführung BioStoffV, Rn. 15). Für die Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber insbesondere Folgendes zu ermitteln: 1. Identität, Risikogruppeneinstufung und Übertragungswege der Biostoffe, deren mögliche sensibilisierende und toxische Wirkungen und Aufnahmepfade, soweit diese Informationen für den Arbeitgeber zugänglich sind; dabei hat er sich auch darüber zu informieren, ob durch die Biostoffe sonstige die Gesundheit schädigende Wirkungen hervorgerufen werden können, 2. Art der Tätigkeit unter Berücksichtigung der Betriebsabläufe, Arbeitsverfahren und verwendeten Arbeitsmittel einschließlich der Betriebsanlagen, 3. Art, Dauer und Häufigkeit der Exposition der Beschäftigten, soweit diese Informationen für den Arbeitgeber zugänglich sind, 4. Möglichkeit des Einsatzes von Biostoffen, Arbeitsverfahren oder Arbeitsmitteln, die zu keiner oder einer geringeren Gefährdung der Beschäftigten führen würden (Substitutionsprüfung), 5. tätigkeitsbezogene Erkenntnisse a) über Belastungs- und Expositionssituationen, einschließlich psychischer Belastungen, b) über bekannte Erkrankungen und die zu ergreifenden Gegenmaßnahmen, c) aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge.
63
Die Ermittlung hat zum Ziel, festzustellen, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind (Kollmer/Klindt/Schucht/Kreizberg, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 5 Rn. 2). Dieses Ziel ist mit der bei der Antragstellerin derzeit vorhanden Gefährdungsanalyse nicht zu erreichen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Gesetzgeber im ArbSchG eine bewusst weite Formulierung mit der Zielsetzung gewählt hat, die Eigenverantwortung des Arbeitgebers zu fördern und zu stärken. Ziel war, dass die der Situation der Betriebe und an die konkrete Gefährdungssituation angepasste und kostengünstige Arbeitsschutzmaßnahmen zugelassen werden (Kollmer/Klindt/Schucht/Kreizberg, 3. Aufl. 2016, ArbSchG § 5 Rn. 87 mit Verweis auf Begr. AT Ziff. 2, BT-Drs. 13/3540 Ziff. 2). Jedoch erweist sich hinsichtlich der aufgeführten Maßstäbe die von der Antragstellerin vorgelegte Gefährdungsanalyse bzgl. den Schutzzielen von § 5 ArbSchG und §§ 4, 8 f. BioStoffV als nicht brauchbar. Vielmehr beschränkt sich diese auf rein abstrakte Wiederholung arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften wie etwa die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), BioStoffV oder TRBA 250 bzw. 500. Eine auf den Einzelfall des Pflegeheims der Antragstellerin in N* … abgestellte Analyse oder ebenfalls gebotene Betrachtung einzelner Teilbereiche der Einrichtung ist nicht erkennbar. Aufgrund des hohen Abstraktionsgrades der vorliegenden Gefährdungsanalyse sind demnach auch keine konkreten Handlungsempfehlungen für spezifische Arbeitsabläufe im pflegerischen Alltag der Beschäftigten zu erkennen. Die Konsequenz aus der unzureichenden Gefährdungsanalyse ist das fehlende Problembewusstsein der Antragstellerin im Bereich der hygienischen Behandlung von und des Umgangs mit Arbeitskleidung. Bereits aufgrund des hygienefachlichen Vergleichs der Antragstellerin einer Pflegeeinrichtung mit einhundert Pflegeplätzen mit einem familiären Besuch der eigenen Großeltern lässt auf erhebliche Defizite bei der Gefährdungsbeurteilung schließen und bedarf inhaltlich keiner weitergehenden Erläuterung. Die Verpflichtung zur Vorlage einer überarbeiteten Gefährdungsanalyse erscheint daher auch aus Sicht des Gerichts geboten.
64
Die Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid wird daher aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weshalb der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen war.
65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
66
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung der Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach war die Hälfte des Streitwerts aus dem Hauptsacheverfahren für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO anzusetzen.