Inhalt

FG München, Urteil v. 15.07.2020 – 7 K 769/18
Titel:

Kindergeldanspruch während eines Aufenthalts in der Türkei - Festsetzungsfrist bei Erlass eines Aufhebungsbescheides bzgl. Kindergeld

Normenketten:
EStG § 31 S. 3,§ 67 S. 1, § 68 Abs. 1 S. 1, § 70 Abs. 2
AO § 169 Abs. 1
Leitsatz:
Die Rspr. des BFH, dass Kinder, die sich zum Zwecke der Ausbildung für mehrere Jahre ins Ausland begeben, ihren Wohnsitz in der Wohnung der Eltern regemäßig beibehalten, wenn sie diese Wohnung zumindest überwiegend in der ausbildungsfreien Zeit nutzen, findet jedenfalls dann keine Anwendung, wenn sich das Kind in den ersten zweieinhalb Jahren nach Einreise in die Türkei insgesamt nur rund 10 Wochen in den Sommerferien eines Jahres im Inland aufgehalten hat.
Schlagworte:
Kindergeld, Aufenthalt, Aufhebung, Festsetzung, Ausreise, Aufhebungsbescheid, Wohnung, Wohnsitz, Einreise, Gewöhnlicher Aufenthalt, Familienkasse, Festsetzungsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2020, 24051

Tenor

1. Der Bescheid vom 27. November 2017 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2018 werden für den Zeitraum September 2012 bis einschließlich Dezember 2012 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt 92%, die Beklagte 8% der Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist, ob im Zeitraum September 2012 bis August 2016 ein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld für ihre Tochter A, geb. am 17. Dezember 2000, besteht.
2
Die Klägerin lebte im Streitzeitraum mit ihrem Ehemann sowie den gemeinsamen Kindern F (geb. am 11. April 2012), M (geb. am 22. April 2014) und E (geb. am 7. März 2016) in einer 3-Zimmer-Wohnung in X mit einer Wohnfläche von rd. 80 qm. Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige. A, die deutsche Staatsangehörige ist, war im Streitzeitraum im Internat in der Türkei. Schulferien in der Türkei waren im streitgegenständlichen Zeitraum 2 Wochen Winterferien (ab Ende Januar) und 13 Wochen Sommerferien (ab Mitte Juni).
3
Die Klägerin bezog fortlaufend Kindergeld für A. Die Beklagte (die Familienkasse) erlangte im Jahr 2017 Kenntnis davon, dass sich A in der Türkei aufhielt. Auf Nachfrage gab die Klägerin an, dass A seit 2012 in der Türkei lebe und dort ein Internat besuche (Schreiben vom 5. Juli 2017 auf Anfrage der Familienkasse vom 22. Juni 2017). Sie legte eine Bestätigung vom 3. Mai 2017 über den Schulbesuch der 10. Klasse in der Türkei vor (Schulzeiten: 19. September 2016 bis 9. Juni 2017) und brachte vor, dass nach Beendigung der Schulbildung eine Rückkehr von A in ihren Haushalt beabsichtigt sei. A habe sich während der ausbildungsfreien Zeiten ausschließlich am Wohnsitz der Eltern im Inland aufgehalten. Teilweise sei A mit Freunden und Familienangehörigen mit dem Auto gereist, oder mit dem Bus oder Flugzeug. Die Klägerin legte hierzu einen Nachweis über einen Flug von A am 5. Juni 2016 von Ankara (über Istanbul) nach Deutschland vor, sowie zwei schriftliche Bestätigungen von Nachbarn der Klägerin, die u.a. für den Streitzeitraum erklären, dass sie A Mitte Juni 2016 bis Ende September 2016 öfters gesehen hätten und der Kindsvater sie nach den Ferien zurück ins Internat gefahren habe.
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Mit Bescheid vom 19. Mai 2017, der nicht Gegenstand des Klageverfahrens ist, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A für den Zeitraum September 2016 bis einschließlich Februar 2017 auf. Mit drei weiteren Bescheiden, jeweils vom 27. November 2017, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A rückwirkend für die Zeiträume September 2012 bis März 2014, April 2014 bis Februar 2016 und März 2016 bis August 2016 nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf und forderte für diese Zeiträume Kindergeld in Höhe von 3.496 €, 4.430 € und 1.326 € zurück. Die gegen diese Bescheide gerichteten Einsprüche blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2018). Zur Begründung führte die Familienkasse im Wesentlichen an, dass A im Streitzeitraum weder über einen Wohnsitz im Inland verfügt habe, noch ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorgelegen habe.
5
Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt:
„Die rückwirkende Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes sei unzulässig, da sie auf eine Fortzahlung des Kindergeldes habe vertrauen dürfen. Aufgrund der erteilten Auskünfte habe sie darauf vertraut, dass sie nicht mehr in Anspruch genommen werden solle. Dem Verhalten der Familienkasse sei zumindest die konkludente Zusage zu entnehmen, dass sie mit einer Rückforderung von Kindergeld nicht mehr zu rechnen brauche.“
6
Im Übrigen bestehe ein Anspruch auf Kindergeld, da A durchgängig ihren Wohnsitz in der Wohnung in E beibehalten habe. A sei in den Schulferien jedes Mal zu Hause bei ihren Eltern gewesen. Der Bundesfinanzhof habe entschieden, dass ein Kind auch bei mehrjährigem Auslandsaufenthalt zum Zwecke einer Berufsausbildung seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern beibehält, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt. Der Nachweis, dass sich A in der ausbildungsfreien Zeit überwiegend bei der Klägerin im Inland aufgehalten habe, sei durch die Bestätigungen der Nachbarn zumindest ab Juni 2016 erbracht. Für die Zeit dafür könnten die Nachbarn keine Angaben machen, da es sich um Zeiten vor ihrem Einzug handele.
7
Im Klageverfahren brachte die Klägerin zudem erstmals vor, dass die Ein- und Ausreisen des Kindes in die Türkei bzw. aus der Türkei von der türkischen Grenzpolizei erfasst worden seien. Sie legte eine von der Grenzpolizei erstellte Auflistung vor, aus der folgende Daten hervorgehen:

Ausreise aus der Türkei (nach Deutschland)

Einreise in die Türkei (aus Deutschland)

2011

02.09.2011

2012

06.06.2012

22.08.2012

2014

02.06.2014

11.09.2014

2015

02.07.2015

04.09.2015

2016

05.06.2016

8
Die Klägerin gibt an, dass Grund dafür, dass A ein Internat in der Türkei besucht habe, gewesen sei, dass A in Deutschland seit der dritten Klasse Probleme in der Schule gehabt und sich in psychosomatischer Behandlung befunden habe, in dessen Verlauf der Besuch eines Internats empfohlen worden sei. Aus finanziellen Gründen sei nur ein solches in der Türkei infrage gekommen. A habe zunächst von 2012 bis 2015 ein Internat der Gülen-Bewegung, besucht, das sich ebenso wie das im Anschluss besuchte Internat in Y, südöstlich von Ankara befinde. Der Kindsvater stamme aus der Gegend, habe dort jedoch nur noch weitläufige Verwandtschaft. Da die G. Schule aufgrund der politischen Veränderungen in der Türkei geschlossen worden sei, sei es insoweit nicht mehr möglich, Unterlagen aus den Jahren 2012 bis 2015 vorzulegen.
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Zur Wohnsituation im Inland bringt die Klägerin vor, dass das Kinderzimmer in der von ihr und dem Kindsvater angemieteten 3-Zimmer-Wohnung in E zunächst von A allein genutzt worden sei. Nach Geburt der weiteren Kinder F und M sei das Kinderzimmer nach und nach auch deren Schlafzimmer geworden. Das Kind E habe im streitigen Zeitraum noch im Schlafzimmer der Eltern geschlafen. Während der Abwesenheit von A hätten die jüngeren Geschwister das Zimmer für sich gehabt. Während ihrer Anwesenheit habe man sich über die Nutzung tagsüber einigen müssen.
10
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 27. November 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2018 aufzuheben.
11
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die vorgelegten Unterlagen und Akten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
II.
13
Die Klage ist zum Teil begründet. Die Familienkasse ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitzeitraum kein Kindergeldanspruch der Klägerin für das Kind A bestand, da A während ihres Aufenthalts in der Türkei keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hatte und dementsprechend nicht berücksichtigt werden konnte. Die Familienkasse durfte jedoch die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum September 2012 bis Dezember 2012 nicht aufheben, da für diesen Zeitraum die Festsetzungsfrist bei Erlass des Aufhebungsbescheides vom 27. November 2017 bereits abgelaufen war.
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1. Anders als die Klägerin meint, stand der Grundsatz von Treu und Glauben weder der Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) noch der Rückforderung entgegen.
15
a) Dabei kann der Senat an dieser Stelle dahinstehen lassen, ob sich die Klägerin im Hinblick auf die Aufhebung nach § 70 Abs. 2 EStG unter bestimmten Voraussetzungen auf Vertrauensschutz berufen kann (ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH vom 11. Juli 2013 VI R 67/11, BFH/NV 2014, 20 und BFH-Urteil vom 11. März 2003 VIII R 108/01, BFH/NV 2004, 16 m.w.N.). Denn die Familienkasse hat vorliegend keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.
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aa) Dazu bedarf es eines Verhaltens der Familienkasse, aus dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen kann, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden solle. Insoweit ist ein eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falles von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht und ein anderer Eindruck bei dem Kindergeldberechtigten nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Aufhebung der Festsetzung des Kindergelds nicht zu rechnen braucht (BFH-Urteil vom 11. Juli 2013 VI R 67/11, BFH/NV 2014, 20).
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bb) Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Es ist bereits nicht erkennbar, durch welches Verhalten die Familienkasse einen Vertrauenstatbestand gegenüber der Klägerin geschaffen haben soll. Auch die Klägerin trägt hierzu nicht Konkretes vor. Der pauschale Vortrag, dass sie “aufgrund der erteilten Auskünfte“ darauf vertraut habe, dass sie nicht mehr in Anspruch genommen werden solle, ist nicht ausreichend. Der Kindergeldakte lässt sich kein Verhalten der Familienkasse entnehmen, dass einen Vertrauenstatbestand begründen kann.
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b) Zwar kann ein Erstattungsanspruch wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn die Familienkasse mit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs zu lange wartet (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BStBl II 2002, 174).
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aa) Der Zeitablauf allein (das sog. Zeitmoment) genügt jedoch für die Annahme der Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs grundsätzlich nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juni 2004 VIII R 93/03 BFH/NV 2005, 153). Zu beachten sind auch die weiteren Grundsätze zur Rückforderung von Kindergeld, die die Rechtsprechung im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben aufgestellt hat. Hinzukommen müssen besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Mai 2011 III B 177/10, BFH/NV 2011, 1507 und vom 13. März 2013 V B 133/11, BFH/NV 2013, 933).
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bb) Hiervon ausgehend hat die Familienkasse im Streitfall weder zu lange mit der Rückforderung gewartet, noch ist ein Verhalten auf Seiten der Behörde ersichtlich, welches das Vertrauen begründen konnte, dass das Kindergeld für den Streitzeitraum nicht zurückgefordert werde. Die Familienkasse hat nach Aktenlage erst im Februar 2017 von dem Aufenthalt des Kindes in der Türkei erfahren. Anschließend hat sie mit der Aufklärung des Sachverhalts und der Prüfung des Kindergeldanspruchs begonnen (vgl. insbesondere die Schreiben der Familienkasse vom 22. Februar 2017, vom 14. März 2017, vom 12. April 2017 und vom 22. Juni 2017). Mit Schreiben vom 5. Juli 2017 teilte die Klägerin der Familienkasse erstmals mit, dass sich das Kind A seit 2012 in einem Internat in der Türkei aufhielt.
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cc) Darüber hinaus steht einer Anwendung von Treu und Glauben auch entgegen, dass die Klägerin sich selbst nicht rechtstreu verhalten hat. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung von Kindergeld erheblich sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen. Die Klägerin hat ihre Mitwirkungspflichten nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG verletzt, indem sie die Familienkasse nicht über den Umstand informiert hat, dass sich das Kind A in der Türkei aufhielt (vgl. BFH-Urteile vom BFH VIII R 77/01, BFH V 04, 14 vom 22. September 2011 III R 82/08, BStBl II 2012, 734).
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2. A hatte im Streitzeitraum keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
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a) Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 (ab 9. Dezember 2014: Abs. 1 Satz 6) EStG hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Türkei zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten. Dafür, dass das Kind über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt, trägt die Klägerin die Feststellungslast (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 2949). Die Feststellungslast für anspruchsbegründende Tatsachen in Kindergeldsachen liegt stets beim Kindergeldberechtigten (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04 - PKH -, BFH/NV 2005, 2207).
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aa) Nach § 8 Abgabenordnung (AO) hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 AO ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. Mai 2014 III R 21/12, BStBl II 2015, 135 und vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351 m.w.N.).
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bb) Ein Wohnsitz nach § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumen das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Abständen - aufsucht. Erforderlich ist eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinn besteht nicht nur darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit zur Verfügung steht, sondern auch darin, dass diese von ihm subjektiv zu einem entsprechenden Aufenthalt mit Wohncharakter bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 10/14, BStBl II 2015, 655 m.w.N.).
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cc) Bei Kindern, die zum Zwecke der Ausbildung (Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung) auswärtig untergebracht sind, reicht es für einen Inlandswohnsitz daher nicht aus, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Aufnahme im Haushalt der Eltern grundsätzlich für die Dauer der Ausbildung fortbesteht, gibt es nicht (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 10/14, BStBl II 2015, 655 m.w.N). Bei der Würdigung der objektiven Umstände, die Rückschlüsse auf die Beibehaltung oder die Aufgabe eines inländischen Wohnsitzes zulassen, kommt für die Frage, ob ein Kind, das sich mehrere Jahre im Ausland zu Ausbildungszwecken aufhält, seinen Wohnsitz bei den Eltern beibehält, neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort auf der einen und im Elternhaus auf der anderen Seite, dem Zweck des Auslandsaufenthalts, den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern einerseits und am Ausbildungsort andererseits, auch der Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte Bedeutung zu. Danach reicht bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Urlaubszwecken, Besuchszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht aus, um „zwischenzeitliches Wohnen“ und damit einen inländischen Wohnsitz anzunehmen. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern daher nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten benutzen. Erforderlich ist im Regelfall, dass die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbracht werden und es sich um Inlandsaufenthalte handelt, die Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen (BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 10/14, BStBl II 2015, 655).
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b) Im Streitfall konnte der Senat nicht anhand objektiv erkennbarer Umstände feststellen, dass A im Zeitraum September 2012 bis August 2016 ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten hat oder ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorlag. Vielmehr ist aufgrund der Umstände des Streitfalls davon auszugehen, dass A ihren inländischen Wohnsitz anlässlich des Internatsbesuchs in der Türkei aufgegeben hat.
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aa) Dabei war zu berücksichtigten, dass es sich bei dem Internatsbesuch um einen langfristig angelegten Auslandsaufenthalt handelte, den A in jungem Alter antrat.
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(1) Nach den vorliegenden Unterlagen hat sich A bereits seit September 2011 in der Türkei aufgehalten. Aus der amtlichen Auflistung über Ein- und Ausreisen, die die Klägerin vorgelegt hat, geht hervor, dass A am 2. September 2011 in die Türkei eingereist ist. Anlass dafür, dass A ein Internat in der Türkei besuchte, waren nach den Angaben der Klägerin Probleme in der Schule in Deutschland. Ein Internatsbesuch sei empfohlen worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt von A in der Türkei - der einschließlich des Besuchs der 10. Klasse im Schuljahr 2016/2017 auch tatsächlich bereits 6 Jahre andauerte - jedenfalls bis zum Abschluss der Schulausbildung und somit auf mehrere Jahre angelegt war. Zwar hat die Klägerin angegeben, dass eine Rückkehr von A in ihren Haushalt geplant sei, wenn die Schuldausbildung zu Ende sei. Der Wille zur Rückkehr ins Inland nach Beendigung der Ausbildung ist jedoch allein unmaßgeblich und reicht allein nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 185/99, BStBl 2000, 279; vgl. auch Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 63 Rz. 18).
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(2) Für eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes spricht auch, dass A in jungem Alter - bei Einreise am 2. September 2011 in die Türkei war sie noch 10 Jahre alt - einen langjährigen Auslandsaufenthalt antrat. Auch wenn die Klägerin angibt, dass ein Internatsbesuch in Deutschland aus finanziellen Gründen nicht in Betracht kam, ist nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass der langjährige Internatsbesuch und Aufenthalt in dem Herkunftsland der Eltern auch dem Zweck diente, dass A die Heimat ihrer Eltern genauer kennenlernt und sich in die dortigen Lebensverhältnisse einleben sollte, zumal sich das Internat der Gülenbewegung in der Geburtsstadt des Kindsvaters befand. Die Bindungen in sprachlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht an den Kulturkreis der Eltern werden hergestellt und gefestigt. Das Entstehen neuer Bindungen und die Lockerung der bisher bestehenden Bindungen führen regelmäßig zu einer Verwurzelung im Ausland im Heimatland der Eltern, verbunden mit einer entsprechenden Einschränkung der bisherigen familiären Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund täglicher Fürsorge und Betreuung in einer Internatsgemeinschaft, die auf Jahre angelegt ist, regelmäßig feste soziale Bindungen zu Bezugspersonen im Internat und den dort untergebrachten Kindern aufgebaut werden (vgl. BFH-Urteile vom 22. April 1994 III R 22/92, BStBl II 1994, 887; vom 23. November 2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279 und vom 30. Juni 2004 VIII B 132/04, BFH/NV 2004, 1639; BFH-Beschluss vom 16. April 2008 III B 77/07, NV; FG Hamburg, Urteil vom 5. Juli 2019 6 K 215/18, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2015 10 K 2954/14 Kg, juris; FG Münster, Urteil vom 4. März 2004 8 K 4209/02 Kg, EFG 2004, 1228).
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bb) Geringeres Gewicht misst der Senat in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, dass A nach der Geburt ihrer Geschwister das Kinderzimmer bei ihren Aufenthalten in der elterlichen Wohnung mit ihren später geborenen Geschwistern teilen musste. Es ist davon auszugehen, dass das Kinderzimmer A jedenfalls bis zur Geburt ihres Bruders F im April 2012 bei Inlandsaufenthalten noch uneingeschränkt zur Verfügung stand. Nach der Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass das Zimmer dann nach und nach von den Geschwistern, die dauerhaft im Inland lebten, als Kinderzimmer genutzt wurde und für A bei ihren Besuchen nur noch eingeschränkt zur Verfügung stand.
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cc) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen reicht auch die Dauer der glaubhaft gemachten Aufenthalte des Kindes in Deutschland im Streitzeitraum nicht aus, um von einer Aufrechterhaltung des inländischen Wohnsitzes auszugehen.
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Die Klägerin hat anhand der vorgelegten amtlichen Auflistung der türkischen Grenzpolizei über Ein- und Ausreisen, dem Nachweis über einen Flug von A nach Deutschland am 5. Juni 2016 sowie den vorgelegten schriftlichen Bestätigungen der Nachbarn glaubhaft gemacht, dass sich A in den Jahren 2012, 2014, 2015 und 2016 in den Schulferien im Sommer im Inland aufgehalten hat. Demnach verbrachte A einen Großteil der Sommerferien 2012 (vom 6. Juni bis 22. August), die Sommerferien 2014 (vom 2. Juni bis 11. September), einen Großteil der Sommerferien 2015 (vom 2. Juli bis 4. September), sowie die Sommerferien 2016 (ab 5. Juni) im Inland.
34
Zwar hat die Klägerin vorgebracht, dass sich A in jedem Jahr in den Sommer- und in den Winterferien in Deutschland aufgehalten habe. Dies hat sie jedoch weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht. In der mündlichen Verhandlung trug sie vor, dass A immer mit dem Flugzeug gekommen sei, außer es habe kein entsprechendes Flugticket besorgt werden können. Tatsächlich liegt dem Senat jedoch nur ein Flugticket (Flug nach Deutschland am 5. Juni 2016) vor. Zudem sind die Angaben der Klägerin zur Art der Ein- und Ausreise von A widersprüchlich. Im Einspruchsverfahren (vgl. Schreiben vom 19. Januar 2018) brachte sie vor, dass A teilweise mit Freunden oder Familienangehörigen mit dem Auto oder mit dem Bus oder Flugzeug gereist sei. In der mündlichen Verhandlung trug sie zunächst vor, dass der Kindsvater A in den Winterferien im Jahr 2013 mit dem Auto abgeholt habe und sie sich an weitere Zeiträume, in denen A mit dem Auto abgeholt worden sei, nicht erinnern könne. Auf weitere Fragen des Gerichts erklärte sie dann, dass der Kindsvater A in allen Winterferien abgeholt und wieder zurückgebracht habe.
35
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kindsvater A jedes Jahr in den Winterferien mit dem Auto aus der Türkei abgeholt und wieder zurückgefahren hat. Nach seinen Angaben - die einfache Fahrtzeit beträgt rund 30 Stunden - war er jeweils rund eine Woche unterwegs, um A abzuholen und wieder zurückzufahren. Dies ist bereits im Hinblick darauf, dass die Winterferien insgesamt nur 2 Wochen dauerten, nicht nachvollziehbar. Zwar hat die Klägerin hierzu vorgetragen, dass sie die Winterferien immer um eine Woche „verlängert“ hätten, sei es durch Krankmeldung oder mit Erlaubnis der Schule. Nachweise für diesen ungewöhnlichen Sachverhalt - etwa durch eine Bestätigung des Internats oder durch Vorlage von Tankquittungen und/oder Übernachtungsbelegen - wurden jedoch nicht erbracht. Unterlagen über den Internatsaufenthalt und die Bedingungen des Aufenthalts, etwa zu der Frage, ob das Kind in den Ferien im Internat bleiben konnte, konnte die Klägerin - nach ihren Angaben wegen Schließung der G. Schule - nicht vorlegen. Dies geht zu ihren Lasten. Es lag an ihr, Vorsorge für Nachweise für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes des Kindes zu treffen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs trägt sie die Feststellungslast.
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Zudem bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die amtlichen Aufzeichnungen der Grenzpolizei die Ein- und Ausreisen von A tatsächlich nur unvollständig abbilden. Die Klägerin hat zu der Tatsache, dass nur Ein- und Ausreisen im Sommer, jedoch nicht im Winter erfasst wurden, nur Mutmaßungen vorgebracht. Ihre Vermutung, dass nur die Flugreisen von A an der Grenze erfasst worden seien, ist bereits deswegen nicht auf Plausibilität überprüfbar, weil dem Senat nur ein einziges Ticket über einen Flug am 5. Juni 2016 vorliegt und keine weiteren Nachweise über Flüge von A erbracht wurden. Folgt man der vorliegenden amtlichen Dokumentation, hat sich A im Jahr 2013 überhaupt nicht in Deutschland aufgehalten und sich somit rd. 21 Monate im Zeitraum 22. August 2012 (Einreise in die Türkei) bis 2. Juni 2014 (Ausreise nach Deutschland) durchgehend in der Türkei aufgehalten. Für den Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie (nur) im Jahr 2013 in der Türkei in Antalya Urlaub gemacht habe, und bei Beginn der Ferien zurückgereist und A mitgenommen habe, liegen ebenfalls keine Nachweise vor.
37
Zwar behalten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Kinder, die sich zum Zwecke der Ausbildung für mehrere Jahre ins Ausland begeben, ihren Wohnsitz in der Wohnung der Eltern regemäßig bei, wenn sie diese Wohnung zumindest überwiegend in der ausbildungsfreien Zeit nutzen (BFH-Urteil vom 25. September 2014 III R 10/14, BStBl II 2015, 655). Ob diese Rechtsprechung aufgrund der dargelegten Umstände im Streitfall uneingeschränkt Anwendung findet (vgl. hierzu z.B. FG Hamburg, Urteil vom 5. Juli 2019 6 K 215/18, juris), kann letztlich dahinstehen, da A sich nach den vorliegenden Nachweisen in den ersten zweieinhalb Jahren nach Einreise in die Türkei im September 2011 insgesamt nur rund 10 Wochen in den Sommerferien im Jahr 2012 (6. Juni bis 22. August 2012) im Inland aufgehalten hat, so dass in diesem Zeitraum nicht von einer überwiegenden Nutzung der Wohnung in der ausbildungsfreien Zeit ausgegangen werden kann. Den Aufenthalten des Kindes im Inland kam nach Aufgabe des inländischen Wohnsitzes nach der Ausreise in die Türkei in der Folge nur noch Besuchscharakter zu. Sie waren nicht geeignet, die Wiederaufnahme eines Wohnsitzes im Inland zu begründen.
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c) Das Kind A hatte im Inland auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, da die Dauer des Aufenthalts erst ab einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von sechs Monaten geeignet ist, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu begründen (§ 9 AO).
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3. Die Familienkasse durfte jedoch die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum September bis Dezember 2012 nicht aufheben, da die Festsetzungsfrist für diesen Zeitraum bei Erlass des Aufhebungsbescheides vom 27. November 2017 bereits abgelaufen war.
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a) Auf das im laufenden Kalenderjahr monatlich als Steuervergütung gezahlte Kindergeld (§ 31 Satz 3 EStG) sind die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften - und damit auch die Vorschriften der AO - sinngemäß anzuwenden (§§ 1 Abs. 1, 155 Abs. 4 AO). Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist im Regelfall vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf die Steuervergütung entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Das als Steuervergütung ausgestaltete Kindergeld wird auf Antrag (§ 67 Satz 1 EStG) vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen weggefallen sind (§ 66 Abs. 2 EStG). Der Anspruch auf das Kindergeld entsteht somit für jeden Monat, in dem die Anspruchsvoraussetzungen zu irgendeinem Zeitpunkt vorgelegen haben. Die Festsetzungsfrist für das in den einzelnen Monaten des jeweiligen Kalenderjahres gezahlte Kindergeld beginnt somit mit Ablauf dieses Kalenderjahres. Im Streitfall war somit die Festsetzungsfrist für das im Kalenderjahren 2012 gezahlte Kindergeld mit Ablauf des Jahres 2016 abgelaufen, so dass die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für diesen Zeitraum im November 2017 nicht mehr aufheben durfte (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
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b) Zwar verlängert sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre, soweit eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO). Im Streitfall liegt jedoch keine leichtfertige Steuerverkürzung vor.
42
aa) Eine leichtfertige Steuerverkürzung begeht nach § 378 Abs. 1 AO, wer eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Leichtfertig bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit. Ein derartiges Verschulden liegt demnach vor, wenn ein Steuerpflichtiger die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass dadurch ein nicht gerechtfertigter Vorteil eintreten wird (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 2013 VIII R 27/10, BStBl II 2014, 295; BFH-Beschluss vom 18. November 2013 X B 82/12, BFH/NV 2014, 292 m.w.N.).
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bb) Im Streitfall hat die Klägerin die Familienkasse pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat derjenige, der Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen. Entgegen ihrer besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 EStG unterließ es die Klägerin, der Familienkasse, den langjährig angelegten Internatsbesuch ihrer Tochter in die Türkei, der für den Kindergeldanspruch erheblich war, mitzuteilen. Durch die unterbliebene Mitteilung verletzte sie ihre nach den Gegebenheiten des Streitfalls bestehenden Sorgfaltspflichten jedoch nicht in einem derart erheblichen Maße, dass ihr ein leichtfertiges Handeln i.S. des § 378 Abs. 1 AO vorgeworfen werden kann. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie - auch vor dem Hintergrund, dass sich A in der Zeit ihres Internatsbesuchs jedenfalls zeitweise in den Ferien in der elterlichen Wohnung aufhielt - davon ausging, dass der inländische Wohnsitz von A fortbestand. Die Klärung der Frage, ob Kinder, die zum Zwecke der Ausbildung im Ausland untergebracht sind, weiterhin einen Wohnsitz im Inland i.S. des § 8 AO haben, erfordert eine Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Bei Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls - der eine umfassende Abwägung der einzelnen Umstände zur Klärung der Frage des inländischen Wohnsitzes erforderte - sowie der persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den der Senats von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ist davon auszugehen, dass ihr nicht ohne weiteres bewusst gewesen sein muss, dass der Internatsaufenthalt in der Türkei zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes und dem Wegfall der Kindergeldberechtigung führen könnte. In der Folge stellt auch die unterbliebene Mitteilung des Wegzugs des Kindes an die Familienkasse keine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung dar, die den Vorwurf eines leichtfertigen Handelns begründen kann (vgl. hierzu auch Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 5. Juli 2019 6 K 215/18, juris).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.