Inhalt

LSG München, Beschluss v. 08.09.2020 – L 15 AS 142/20 B PKH
Titel:

Anspruch auf PKH trotz Verbandsmitgliedschaft und Rechtsschutzversicherung

Normenketten:
SGG § 73a
ZPO § 115
Leitsätze:
1. Trotz Verbandsmitgliedschaft ist PKH zu bewilligen, wenn es dem Beteiligten aus triftigen Gründen unzumutbar ist, den ihm zustehenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein Anspruch aus einer Rechtsschutzversicherung im laufenden Verfahren nicht zeitgerecht realisiert werden kann, ist PKH zu bewilligen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Ablehnung der Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich der Versicherungsnehmer um den Rechtsschutz durch seine Versicherung ernsthaft bemüht hat. (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Verbandsmitgliedschaft, Rechtschutzversicherung, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB), Deckungszusage
Vorinstanz:
SG Regensburg, Beschluss vom 28.01.2020 – S 9 AS 587/19 ER
Fundstelle:
BeckRS 2020, 23907

Tenor

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 28. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Dem streitgegenständlichen Beschwerdeverfahren liegt ein zwischenzeitlich abgeschlossenes Verfahren des Eilrechtsschutzes aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zugrunde, für das Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. Gegenständlich war in der Sache ein Anspruch der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) auf Gewährung von Leistungen gegenüber dem Antragsgegner. Kernpunkt des Streits war das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen der Bg. und dem 1964 geborenen Herrn C. B. (Hr. B.).
2
Bei der Bg. ist ein Grad der Behinderung von 70 anerkannt (Trigeminusneuralgie, seelische Störung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Sehminderung). Sie hat zuletzt bei der C. als Altenpflegehelferin gearbeitet. Am 27.06.2019 sah die Bg. von einer förmlichen Antragstellung für Leistungen an sich und Hr. B. im Ergebnis ab, nachdem der Antragsgegner sie auf die Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit hingewiesen hatte. Am 31.07.2019 beantragte die Bg. über ihren damaligen Bevollmächtigten (Sozialverband VdK Bayern - VdK) gegenüber dem Antragsgegner die Gewährung von Arbeitslosengeld II und stellte dar, warum aus ihrer Sicht zwischen ihr und Hr. B. keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestehe. Mit Bescheid vom 30.08.2019 forderte der Antragsgegner Hr. B. zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf. Mit Schreiben vom 04.09.2019 forderte der Antragsgegner von der Bg. die Vorlage weiterer Unterlagen bis 21.09.2019 an. Die Bg. nutze wohl auch Alipay, was aber die Eröffnung eines chinesischen Bankkontos erfordere. Die Bg. wurde zur Vorlage von Kontoauszügen über dieses chinesische Bankkonto aufgefordert. Hr. B. lehnte eine Auskunftserteilung mangels Mitwirkungspflicht ab. Auch die Bg. führte mit Schreiben vom 08.09.2019 und 09.09.2019 zum Fehlen einer Bedarfsgemeinschaft mit Hr. B. und zu einer Leistungspflicht des Antragsgegners aus.
3
Mit Schriftsatz vom 06.12.2019 (Eingang am 13.12.2019) hat die Bg. über ihre Bevollmächtigte beim Sozialgericht Regensburg die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt (S 9 AS 587/19 ER). Mit Schriftsatz vom 17.12.2019 (Eingang 18.12.2019) hat die Bevollmächtigte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bg. samt Anlagen übersandt. In dieser mit Datum vom 05.12.2019 unterzeichneten Erklärung der Bg. war zu Frage B. 1. - ob eine Rechtsschutzversicherung oder eine andere Stelle/ Person (z.B. Gewerkschaft, Mieterverein, Sozialverband) die Kosten der Prozess- oder Verfahrensführung trage - das Feld „Nein“ angekreuzt. Auch zu Frage B. 2. - ob in diesem Fall eine Rechtsschutzversicherung oder die Mitgliedschaft in einem Verein/einer Organisation (z.B. Gewerkschaft, Mieterverein, Sozialverband), der/die die Kosten der beabsichtigten Prozess- oder Verfahrensführung tragen oder einen Prozessbevollmächtigten stellen könne, bestehe - war das Feld „Nein“ angekreuzt. Dem Antrag waren Kontoauszüge über das Girokonto der Bg. bei der Sparkasse N-Stadt beigefügt. Unter dem 05.12.2019 (Buchung und Wertstellung) war auf diesen eine „Erstlastschrift“ mit Verwendungszweck „B. GmbH … O. Rechtsschutzvers. Beitrag …“ in Höhe von 228,60 Euro enthalten. Den PKH-Anlagen war ferner ein Schreiben der Bg. an den VdK unklaren Datums enthalten. In diesem sprach die Bg. die fristgerechte Kündigung ihrer Mitgliedschaft, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus. Dieses Schreiben war per Einschreiben am 07.12.2019 zur Post gegeben worden.
4
Mit Schriftsatz vom 03.01.2020 hat die Bevollmächtigte unter anderem ausgeführt, dass die Bg. beim Sozialgericht Regensburg ein Rentenverfahren betrieben habe. Die Bg. sei in diesem Verfahren vom VdK vertreten worden. Zum Prozesskostenhilfeantrag sei noch auszuführen, dass die Bg. eine Rechtsschutzversicherung unterhalte, Vertragsbeginn sei der 18.11.2019 gewesen. Obwohl der Vertrag auch den sozialgerichtlichen Rechtsschutz umfasse, habe sich die Versicherung geweigert, die Deckungszusage zu erklären. Dies sei mit einem vorvertraglichen Versicherungsfall begründet worden. Dem Schriftsatz beigefügt war unter anderem ein Schreiben des VdK im Rentenverfahren (S 6 R 731/18) an das Sozialgericht vom 14.11.2019, in welchem er auftragsgemäß sich für die Klägerin gegen Aussagen des bestellten Gutachters wandte. Ferner war die Ablehnung der Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung vom 03.01.2020 für das gerichtliche Eilverfahren beigefügt. Darin wird ausgeführt, dass der Rechtsschutzfall in der Untätigkeit der Behörde gesehen werde und damit bereits im Juni 2019 eingetreten sei, damit vor Beginn des Versicherungsverhältnisses zum 18.11.2019.
5
Das Sozialgericht hat die Verfahrensakte zum Rentenverfahren der Bg. beigezogen und am 28.01.2020 einen Termin zur Beweisaufnahme und zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. In diesem hat der Kammervorsitzende der Bg. unter anderem Prozesskostenhilfe ab dem 13.12.2019 ohne Anordnung von Zahlungen bewilligt und die Bevollmächtigte beigeordnet. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 11.02.2020 abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 12.06.2020 zurückgewiesen (L 15 AS 167/20 B ER).
6
Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 28.01.2020 hat der Beschwerdeführer (Bf.) mit Schreiben vom 26.02.2020 Beschwerde eingelegt. Der Bf. habe von dem Beschluss vom 28.01.2020 erstmals am 24.02.2020 Kenntnis erlangt. Nach Ansicht des Bf. sei gegenüber der Bg. eine Einmalzahlung aus ihrem Vermögen in Höhe der anfallenden Anwaltskosten an die Staatskasse anzuordnen. Der Einsatz des Vermögens im Sinne der Prozesskostenhilfe, nämlich die Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch die Ö.-Rechtsschutzversicherungs AG (Ö. AG) mit Übernahme der Rechtsanwaltskosten, sei der Bg. zumutbar.
7
Laut Mitteilung des VdK vom 16.12.2019 sei der außerordentlichen Kündigung der Bg. zum 31.12.2019 stattgeben worden. Der Bg. sei daher keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen gewesen, denn sie sei durch einen Vertreter des VdK vertreten worden. Nicht nur eine tatsächliche Vertretung, sondern auch ein Anspruch auf kostenlose Prozessvertretung stelle ein vermögenswertes, einzusetzendes Recht dar. Dieses lasse eine Bedürftigkeit nicht entstehen. Die Mitgliedschaft der Bg. beim VdK habe erst zum 31.12.2019 geendet. Ferner könne Prozesskostenhilfe mit der herrschenden Meinung auch dann versagt werden, wenn der Betreffende durch Kündigung der Mitgliedschaft (beim VdK) die Unmöglichkeit der Vertretung herbeigeführt habe, um Prozesskostenhilfe zu erlangen oder wenn während des Prozesses ohne nachvollziehbare Gründe der Verlust der bisherigen Vertretung bewusst in Kauf genommen werde. Die Bg. habe vorliegend unbeantwortet gelassen, weshalb sie die Mitgliedschaft beim VdK gekündigt habe. Auch das Sozialgericht habe den Grund der Kündigung nicht geprüft. Für einen triftigen Grund, der die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft unzumutbar mache, genüge jedoch nicht eine bloße Behauptung fehlenden oder etwa im Laufe des Verfahrens verlorenen Vertrauens.
8
Die Bg. besitze zudem in Form der Rechtsschutzversicherung bei der Ö. AG weiteres Vermögen, unabhängig von der Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen sei. Daher komme es auf die Beendigung der Mitgliedschaft beim VdK zum 31.12.2019 nicht an. Zwar stelle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der durch eine Rechtsschutzversicherung begründete Anspruch auf Rechtsschutz in der Regel dann kein einzusetzendes Vermögen, wenn die Rechtsschutzversicherung die Gewährung von Rechtsschutz konkret abgelehnt habe. Der Bf. schätze jedoch den Vortrag der Ö. AG im Schreiben vom 03.01.2019 nicht für stichhaltig ein, wonach der Rechtsschutzfall bereits im Juni 2019 eingetreten sei. Maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt, zudem die Bg. eine Eilbedürftigkeit ihrer Angelegenheit erfahren hatte. Entsprechend habe auch der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts im Verfahren L 15 SF 39/14 mit Beschluss vom 21.06.2016 eine Abgrenzung dahingehend vorgenommen, dass Haupt- und Eilrechtsschutzverfahren unterschiedliche Gegenstände hätten. Nach Ansicht des Bf. hätte bei entsprechender Nachfrage bzw. Präzisierung gegenüber der Ö. AG eine Bestätigung der Deckung stattgefunden. Auch wenn die Bg. zwar nicht auf eine Deckungsklage verwiesen werden könne, so doch auf einen kostenlosen Stichentscheid der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB). Die rechtsanwaltlich vertretene Bg. habe sich jedoch unkritisch und ohne jeden Einwand abweisen lassen. Der Bevollmächtigten sei es zumutbar gewesen und immer noch zumutbar, gegenüber der Ö. AG zu argumentieren, damit diese ihrer Verpflichtung nachkomme.
9
Die Bg. ist der Beschwerde durch ihre Bevollmächtigte entgegengetreten. Die Bg. habe die Mitgliedschaft beim VdK nicht gekündigt, um Prozesskostenhilfe zu erlangen. Sie habe versucht, beim VdK einen Termin zu bekommen. Dort habe man ihr aber Wartezeiten von bis zu drei Monaten in Aussicht gestellt. Der zuständige Bearbeiter sei für die Bg. nicht mehr telefonisch erreichbar gewesen. Der VdK habe auch überfordert gewirkt. Unter diesen Umständen habe die Bg. dem VdK eine ordnungsgemäße Vertretung und auch einen Willen dazu nicht mehr zugetraut.
10
Die Annahme des Bf., es habe am 18.11.2019 Rechtsschutz durch die Ö. AG bestanden, zeuge von Unkenntnis versicherungsrechtlicher Grundsätze. Man könne sicher diskutieren, ob die Ansicht der Ö. AG richtig sei. Allerdings sei der Bg. ein langjähriger Prozess gegen diese zur Erteilung der Deckungszusage nicht zuzumuten. Sie benötige sofort Hilfe und sei daher mangels bereiter Mittel vermögenslos. Vielmehr könne eine nachträgliche Erfüllung des Rechtsschutzanspruches im Nachhinein berücksichtigt werden.
11
Man merke dem Bf. an, dass er mit der vor- und außergerichtlichen Praxis nicht vertraut sei. Der VdK sei mit Streitigkeiten nach dem SGB II in der Regel eher nicht vertraut. Nicht nur die Bg. habe die Erfahrung einer fehlenden Erreichbarkeit des Sachbearbeiters sowie einer unzureichenden Vertretung durch den VdK gemacht. In Bezug auf die Ö. AG sei die extreme Eilbedürftigkeit der Angelegenheit für die Bg. zu bedenken. Auch ein Stichentscheid werde nicht binnen einer Woche durchgeführt, sofern er überhaupt vertraglich vereinbart sei. Erfahrungsgemäß dauere dies bis zu zwei Monaten. Ein Stichentscheid wäre vorliegend gar nicht in Betracht gekommen, es wäre Klage zu erheben gewesen.
12
Auf wiederholte Anforderungen durch das Landessozialgericht hat die Bevollmächtigte der Bg. weitere Unterlagen vorgelegt. Am 30.06.2020 hat die Bevollmächtigte eine erneute Ablehnung einer Deckungszusage vom 08.06.2020 vorgelegt, in der auf einen Rechtsschutzfall im Juli 2019 abgestellt wird. Der Bf. hat hierauf wiederholt auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der Ablehnung abgestellt. Auf nochmalige gerichtliche Aufforderung hat die Bevollmächtigte der Bg. am 25.08.2020 abschließend angeforderte Unterlagen eingereicht.
13
Der Beschwerdeführer beantragt,
aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdegegnerin eine Einmalzahlung aus ihrem Vermögen in Höhe der anfallenden Anwaltskosten an die Staatskasse anzuordnen.
14
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze und die Gerichtsakten beider Instanzen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - S 9 AS 587/19 ER, L 15 AS 167/20 B ER -, auf die Verfahrensakte im Rentenverfahren S 6 R 731/18 sowie auf die Akten des Antragsgegners verwiesen.
II.
16
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.
17
Streitgegenständlich ist, ob die Bg. auf die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 28.01.2020 bewilligte Prozesskostenhilfe nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat.
18
Die Beschwerde ist statthaft. Gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine derartige andere Bestimmung ist für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Kammervorsitzenden der Sozialgerichte geregelt. So findet gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) die Beschwerde (nur) der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 28.01.2020 ohne Festsetzung von Zahlungen ist die Beschwerde vorliegend danach statthaft. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 3 Satz 2 SGG kann die Beschwerde ferner nur darauf gestützt werden, dass der oder die Beteiligte nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Auch dies ist vorliegend erfüllt, denn die Staatskasse als Bf. macht geltend, dass die Bg. zumutbar anderweitigen Rechtsschutz hätte in Anspruch nehmen können und das Sozialgericht deswegen aus dem Vermögen zu zahlende Beträge hätte festsetzen müssen. Die Bg. sei zumindest bis 31.12.2019 Mitglied beim VdK gewesen, ab 18.11.2019 habe sie zudem Rechtsschutz über die Ö. AG. Beides könnte als relevanter Vermögenswert im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse die Festsetzung von zu zahlenden Beträgen nach § 120 Abs. 1 Satz 1 SGG bedingen. Seinen Beschwerdeantrag hat der Bf. dementsprechend zulässig gefasst (in Abgrenzung zur unzulässigen Beantragung der Aufhebung des Prozesskostenbewilligungsbeschlusses; dazu BayLSG, Beschluss vom 20.02.2017, L 16 AS 823/15 B PKH, juris Rn. 11 m.w.N.; B. Schmidt in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer/ders., SGG, 13. Auflage 2020, § 73a Rn. 12d; Leopold in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014; § 73a Rn. 76; Gall in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Auflage, § 73a Rn. 137 - Stand 15.07.2017; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage 2020, § 127 Rn. 7; Schultzky in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 127 Rn. 49). Die Beschwerde ist auch nicht nach § 73a Abs. 8 SGG ausgeschlossen, weil vorliegend nicht der Urkundsbeamte, sondern der Kammervorsitzende entschieden hat.
19
Die Beschwerde ist durch den Bf., den Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse, auch fristgerecht am 26.02.2020 beim Sozialgericht Regensburg eingelegt worden. Die Frist hierzu beträgt vorliegend gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 3 Satz 3, 6 ZPO einen Monat ab Kenntnisnahme durch den Bezirksrevisor (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 12d; Seiler, a.a.O, § 127 Rn. 8). Es liegt auch keine Unstatthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO wegen Ablauf von drei Monaten vor. Die Beschwerde wurde gemäß § 173 Satz 1 SGG fristwahrend beim Sozialgericht unter Beachtung der Formerfordernisse eingelegt. Die Vorschriften der ZPO enthalten diesbezüglich keine vorrangigen abweichenden Bestimmungen.
20
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen. Das Sozialgericht hat der Bg. zu Recht Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Zahlungen bewilligt. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhalten Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 115 Abs. 1 ZPO ist das Einkommen einzusetzen, gemäß § 115 Abs. 3 ZPO das Vermögen. Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest.
21
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 ZPO ist Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nur die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung im Hinblick auf die unterlassene Festsetzung von Zahlungen wegen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bg. Maßgeblich ist diesbezüglich der Zeitpunkt der Entscheidung durch das Beschwerdegericht (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 12c, § 176 Rn. 2, 4).
22
Ausweislich der auch im Beschwerdeverfahren vorgelegten Kontoauszüge verfügt die Bg. über kein nach § 115 Abs. 1 ZPO einzusetzendes Einkommen, sodass auch keine Monatsraten nach § 115 Abs. 2 ZPO festzusetzen waren.
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Daher kommt es allein auf die auch vom Bf. geltend gemachte Bewertung des Vermögens der Bg. sowie der erforderlichen Festsetzung von zu zahlenden Beträgen daraus an. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO haben Beteiligte ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist (Satz 1). § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gilt entsprechend (Satz 2). Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Im Rahmen von § 115 Abs. 3 ZPO gilt daher der sozialhilferechtliche Vermögensbegriff (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 6d; Gall, a.a.O., § 73a Rn. 33 ff.). Als Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO kann nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auch ein Anspruch eines Prozessbeteiligten auf kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verband sowie die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rechtsschutzversicherung gelten (z.B. BSG, Beschluss vom 12.03.1996, 9 RV 24/94, SozR 3-1500 § 73a Nr. 4, juris Rn. 2; BSG, Beschluss vom 07.01.2016, B 13 R 260/13 B, juris; B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 4 m.w.N. und kritisch im Hinblick auf § 73a Abs. 2 SGG; Leopold, a.a.O., § 73a Rn. 28 ff.; Gall, a.a.O, § 73a Rn. 37 f.; Seiler, a.a.O., § 115 Rn. 17; kritisch bzgl. der Verbandsvertretung auch Wenner in: Knickrehm/ Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, § 73a Rn. 12). Neben der Verwertbarkeit der Vermögenswerte gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII muss deren Inanspruchnahme gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch zumutbar sein. Dies bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls bezogen auf die Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 6e m.w.N.; Leopold, a.a.O., § 73a Rn. 30, Seiler, a.a.O., § 115 Rn. 17 ff.).
24
Soweit der Bf. zunächst geltend macht, die Bg. verfüge über einen Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch den VdK, ist die zum 31.12.2019 beendete Mitgliedschaft der Bg. im vorliegenden Verfahren nicht, auch nicht teilweise, als Vermögensposition einzusetzen. Es kann hierbei offenbleiben, ob ein Anspruch auf Verbandsvertretung durch den VdK zum Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO zählt oder ob Mitgliedschaften in einem Verband nur bei tatsächlicher Vertretung gemäß § 73a Abs. 2 SGG i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 8 SGG einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegenstehen (hierzu B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 4; Wenner, a.a.O., § 73a Rn. 12; Leopold, a.a.O., § 73a Rn. 29 ff.) und ob dies auch nur bei kostenloser Vertretung gelten soll (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 3/05, BSGE 98, 183, juris Rn. 31 unter Bezug auf BSG, Beschluss vom 12.03.1996, B 9 RV 24/94, SozR 3-1500 § 73a Nr. 4, juris; kritisch: Wenner, a.a.O., § 73a Rn. 12f.).
25
Würde man die Einordnung der Verbandsmitgliedschaft als Aspekt der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ablehnen (so wohl B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 4), wäre die Beschwerde schon mangels einer möglichen Anordnung von Zahlungen in diesem Fall unbegründet. Unabhängig davon kann nach allen genannten Auffassungen Prozesskostenhilfe dennoch gewährt werden, wenn es der bzw. dem Beteiligten aus triftigen Gründen unzumutbar ist, den ihr bzw. ihm zustehenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (BSG, Beschluss vom 07.01.2016, B 13 R 260/13 B, juris; B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 4 m.w.N., Leopold, a.a.O., § 73a Rn. 30 m.w.N., Seiler, a.a.O., § 115 Rn. 17). Bei Annahme einer vermögenswerten Position folgt dies bereits aus § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO, im Übrigen ist dies als Einschränkung von § 73a Abs. 2 SGG zu sehen. Die vorliegende Aktenlage belegt eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne für die Bg. im hier maßgeblichen Einzelfall. Sie war zwar zunächst Mitglied beim VdK und wurde von diesem auch gerichtlich im Verfahren S 6 R 731/18 vertreten. Sie bemühte sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen ernsthaft darum, vom VdK auch in ihrer hier maßgeblichen Angelegenheit nach dem SGB II Rechtsschutz zu erhalten. Jedoch hat sie glaubhaft dargelegt, dass es weder ihr noch von ihr beauftragte Personen bereits im Juli 2019 gelungen sei, zeitnah einen Termin beim VdK zu erwirken. Angesichts der Tatsache, dass die Bg. im zugrundeliegenden Verfahren vom Antragsgegner keinerlei Leistungen nach dem SGB II erhalten hat unter Würdigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, ist es nachvollziehbar und nicht missbräuchlich, dass die Bg. nicht noch länger zuwarten wollte. Auch Ende November 2019 hat die Bg. nach glaubhafter Darlegung vom VdK erst in zwei bis drei Monaten einen Termin in Aussicht gestellt bekommen bzw. den zuständigen Sachbearbeiter gar nicht persönlich erreicht. Mit E-Mail vom 03.12.2019 wurde der Bg. seitens des VdK geraten, zunächst einen Ablehnungsbescheid abzuwarten, gegen den sie sodann Widerspruch einlegen könne.
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Dem Beschwerdegericht liegt es mehr als fern, sich der Auffassung der Bevollmächtigten der Bg. über die generellen Kompetenzen des VdK anzuschließen. Aber dennoch hält es angesichts der Gesamtumstände nicht nur die Kündigung der Mitgliedschaft der Bg. zum 31.12.2019 für nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne einer absichtlichen Herbeiführung einer Bedürftigkeit im Sinne der Prozesskostenhilfe. Auch die Inanspruchnahme der noch bis 31.12.2019 bestehenden Mitgliedschaft beim VdK bewertet das Beschwerdegericht als für die Bg. im konkret zugrundeliegenden Verfahren einer zu klärenden Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II als unzumutbar im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO bzw. als Ausnahme von § 73a Abs. 2 SGG. Zwar kann die Herbeiführung einer Unmöglichkeit der Vertretung durch einen Verband mittels Kündigung der Mitgliedschaft zur Ablehnung von Prozesskostenhilfe bzw. zur Anordnung von zu zahlenden Beträgen aus dem Vermögen führen. Dies gilt aber je nach Einzelfall nicht, wenn die betreffende Organisation dem Mitglied trotz Ersuchens keinen Rechtsschutz gewährt (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 4). Ein ernsthaftes Bemühen der Bg. um Rechtsschutz durch den VdK nimmt der Senat vorliegend unter Einbeziehung der gesamten Umstände an.
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Als weiteren und maßgeblichen Aspekt führt der Bf. die bestehende Rechtsschutzversicherung der Bg. bei der Ö. AG an. Diese sei als Vermögen nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.Vm. § 115 Abs. 3 ZPO zumutbar einzusetzen, es seien daher Zahlungen anzuordnen.
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Doch auch dieses Argument führt im Ergebnis nicht zum Erfolg der Beschwerde. Zwar stellen eine Rechtsschutzversicherung und ein Anspruch auf kostenlose Rechtsvertretung daraus grundsätzlich vermögenswerteen Position dar. Hierbei ist jedoch einzubeziehen, dass das Vermögen nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII verwertbar sein muss. Im Kontext einer Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedeutet dies, dass der Anspruch aus der Rechtsschutzversicherung im laufenden Verfahren zeitgerecht realisierbar sein muss. Entscheidend ist die nach den Umständen des Einzelfalles zu bewertende Dringlichkeit sowie die Zeit, die eine Verwertung des Vermögens voraussichtlich dauern wird. Forderungen müssen also zeitgerecht realisierbar sein (vgl. etwa Seiler, a.a.O., § 115 Rn. 17; Schultzky, a.a.O., § 115 Rn. 55, 57 m.w.N.).
29
Nach diesen Maßstäben zählen unstrittig auch vertragliche Ansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung zum Vermögen. Daher entfällt zumindest ab Vorliegen der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung die Bedürftigkeit eines Versicherungsnehmers (BGH, Beschluss vom 04.10.1990, IV ZB 5/90, juris; Seiler, a.a.O., § 115 Rn. 18; Schultzky, a.a.O., § 115 Rn. 58). In diesem Fall kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur in Betracht, soweit die Deckungssumme nicht ausreicht oder soweit ein Selbstbehalt besteht (B. Schmidt, a.a.O., § 73a Rn. 6g; Leopold, a.a.O., § 73a Rn. 28; Gall, a.a.O., § 73a Rn. 37; Schultzky, a.a.O., § 115 Rn. 58 m.w.N.). Nachdem die Ö. AG vorliegend eine Deckung wiederholt abgelehnt hat, kommt es auf die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung der Bg. je Rechtsschutzfall in Höhe von 250,- Euro nicht an.
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Der Bf. macht nun geltend, dass auch bei Verweigerung einer Deckungszusage eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von zu zahlenden Beträgen nicht zu erfolgen habe, wenn der Grund der Ablehnung durch die Versicherung nicht stichhaltig sei und daher eine Zusage erteilt werden müsse. Vorliegend habe die Ö. die Zusage zu erteilen, weil der Rechtsschutzfall nicht bereits im Juni 2019 eingetreten sei, sondern erst zu dem Zeitpunkt zu dem die Bg. die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit erfahren habe. Bei entsprechender Nachfrage bzw. Präzisierung gegenüber der Ö. AG hätte nach Ansicht des Bf. eine Bestätigung der Deckung stattgefunden. Weiter macht der Bf. unter Bezug auf eine Literaturfundstelle (Groß in: Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/ Verfahrenskostenhilfe, 14. Auflage 2018, § 115 ZPO Rn. 88) geltend, dass die Bg. wenn schon nicht auf eine Deckungsklage zumindest auf einen kostenlosen Stichentscheid nach den ARB verwiesen werden könne. Ein Antragsteller dürfe sich nach Ansicht des Bf. damit nicht ohne jeden Einwand von seiner Rechtsschutzversicherung abweisen lassen.
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Soweit man mit dem Bf. davon ausgeht, dass die Bf. sich zumindest um Rechtsschutz durch ihre Versicherung hätte ernsthaft bemühen müssen, ist dies vorliegend insgesamt ausreichend geschehen. Denn die Bg. hat zweimal bei der Ö. AG um Erteilung der Deckungszusage gebeten, was aber zweimal abgelehnt wurde. Dies reicht grundsätzlich aus, auf die Besonderheit einer unzutreffenden Tatsachenangabe wird jedoch noch näher einzugehen sein. Unabhängig davon hat der Bg. nicht der angeführte Stichentscheid zur Verfügung gestanden. Ausweislich der schlussendlich vorgelegten Vertragsunterlagen hat die Bg. mit der Ö. AG ihren Vertrag auf Grundlage der ab dem 01.04.2017 geltenden ARB geschlossen. Sozialrechtsschutz ist gemäß § 2 f) ARB 2017 sowie gemäß des Versicherungsscheins der Bg. vom Vertrag umfasst. Beginn war (frühestens) der 18.11.2019. Gemäß § 3a Abs. 1 ARB 2017 kann die Versicherung den Versicherungsschutz ablehnen, wenn ihrer Auffassung nach die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers unter anderem im Fall von Sozialrechtsschutz keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Buchst. a)), oder die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig ist (Buchst. b)). Gemäß § 3a Abs. 2 ARB 2017 können Versicherungsnehmer im Fall einer Ablehnung nach § 3a Abs. 1 ARB 2017 den für sie tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt veranlassen, eine begründete Stellungnahme zu den Fragen einer hinreichenden Erfolgsaussicht und dazu, ob im Kontext einer Mutwilligkeit die Durchsetzung der rechtlichen Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Die Kosten für diese Stellungnahme übernimmt die Rechtsschutzversicherung. Die Entscheidung des Rechtsanwalts („Stichentscheid“) ist gemäß § 3a Abs. 2 ARB 2017 für die Vertragsparteien bindend, es sei denn, dass diese Entscheidung offenbar von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
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Der somit in § 3a Abs. 2 ARB 2017 geregelte und vom Bf. angeführte Stichentscheid ist zwar vorliegend vom Vertrag der Bg. umfasst. Sein Anwendungsbereich ist im Fall einer wie hier erfolgten Ablehnungsentscheidung mangels Rechtsschutzfalls jedoch nicht eröffnet. In der Sache ist der Bg. daher zuzustimmen, dass ein Stichentscheid vorliegend nicht anzustrengen war. Grundsätzlich ist jedoch die Forderung in der Rechtsprechung, in der vom Bf. zitierten Literaturfundstelle wiedergegeben wird, dass ein Antragsteller einen vereinbarten Stichentscheid durchführen muss, mit dem Maßstab, der an die zeitnahe Verwertbarkeit von Vermögens gesetzt wird, vereinbar. Denn der Stichentscheid ist vom beauftragten oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt durchzuführen, er entfaltet Bindungswirkung und ist zudem kostenfrei für den Versicherungsnehmer. In gerichtlichen Eilverfahren kann grundsätzlich erwartet werden, dass ein Rechtsanwalt einen vereinbarten Stichentscheid auch zeitnah durchführen kann. Er ist schließlich auf die Fragen der hinreichenden Erfolgsaussicht und einer Mutwilligkeit begrenzt und damit auf Aspekte, die auch im gerichtlichen Verfahren in der Sache relevant sind. Die Anforderungen an die Begründung eines Stichentscheids sind grundsätzlich auch nicht höher als die Anforderungen an die Begründung eines Prozesskostenhilfeantrags (BGH, Urteil vom 20.04.1994, IV ZR 209/92, juris). Zudem kann nach § 3a Abs. 3 ARB 2017 für die anwaltliche Stellungnahme eine Frist von einem Monat gesetzt werden.
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Somit dringt die Bevollmächtigte der Bg. mit dem Argument eines nicht durchzuführenden Stichentscheides zwar in der Sache durch. Ihr Argument einer Dauer von bis zu zwei Monaten vermag vorliegend jedoch nicht zu überzeugen. Ebenso ist für den Senat die Art und Weise des Vortrags der Bevollmächtigten, mit dem sie sich auch gegen den Vertreter des Bf. wendet, nicht nachvollziehbar.
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Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Bg. auch über kein verwertbares Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO verfügt, dass sie zumutbar einzusetzen hat.
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Weitere Anstrengungen zum Erhalt einer Deckungszusage der Ö. AG sind von der Bg. vorliegend nicht zu fordern. Grundsätzlich ist allein auf die zeitnahe Realisierbarkeit vorhandener Vermögenswerte abzustellen. Insoweit ist es schlüssig, nur einen zügig möglichen Stichentscheid einzufordern und keine Verweisung auf eine Deckungsklage zu vorzunehmen (Groß, a.a.O., § 115 Rn. 88; Seiler, a.a.O., § 115 Rn. 17; Schultzky, a.a.O., § 115 Rn. 58, jeweils m.w.N.). Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz bietet der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte, denn nach den Vertragsbedingungen der Ö. AG und der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Ö. AG zu Recht eine Deckung mangels Rechtsschutzfall abgelehnt hat. Zumindest wären die Erfolgsaussichten nur ungewiss. Dies auch, wenn der Ö. AG die tatsächlichen Daten des Verwaltungsverfahrens mitgeteilt worden wären.
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Gemäß § 4 Abs. 1 ARB 2017 besteht Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls, der nach Beginn des Versicherungsschutzes und vor dessen Ende eingetreten ist. Der Rechtsschutzfall tritt im Fall des Sozialrechtsschutzes von dem Zeitpunkt an ein, in dem Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll (Buchst. c)). Wenn sich ein behaupteter Rechtsverstoß über einen Zeitraum erstreckt (Dauerverstoß), ist gemäß § 4 Abs. 2 ARB 2017 nur dessen Beginn maßgeblich. Als Beispiel wird die ausgebliebene Zahlung von Arbeitslohn genannt. In diesem Fall ist auf den ersten Lohnausfall abzustellen. Zu berücksichtigen sind nach § 4 Abs. 1 ARB alle Tatsachen, die durch den Versicherungsnehmer und/oder den Gegner vorgetragen werden, um die jeweilige Interessenverfolgung zu stützen. Diesbezüglich hat der BGH entschieden, dass für die Festlegung der den Versicherungsfall kennzeichnenden Pflichtverletzung allein der Tatsachenvortrag entscheidend ist, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß des Anspruchsgegners begründet (BGH, Urteil vom 25.02.2015, IV ZR 214/14, juris). Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet (BGH, Urteil vom 25.02.2015, IV ZR 214/14, juris Rn. 12). Im Rahmen von Leistungsansprüchen ist damit auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem nach Vortrag des Versicherungsnehmers der Anspruchsgegner die Leistungserbringung verweigert hat bzw. zu dem er zur Leistungserbringung verpflichtet gewesen wäre. Entscheidend für die Auslegung der maßgeblichen Klausel in den ARB ist nach dem BGH die Sichtweise des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse. Deshalb komme es für die Festlegung des Versicherungsfalls allein auf die Tatsachen an, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründe. Im Fall eines Aktivprozesses werde ein Versicherungsnehmer einen den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoß allein in dem vermeintlichen Fehlverhalten sehen, mit dem sich der Gegner gegen die Verfolgung des Anspruchs wenden wolle (BGH, Urteil vom 25.02.2015, IV ZR 214/14, juris Rn. 15 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben kommt es vorliegend daher darauf an, ab welchem Zeitpunkt der Antragsgegner nach dem Vortrag der Bg. untätig gewesen ist. Da es sich bei der Leistungsbewilligung nach dem SGB II um einen Dauerverwaltungsakt handelt, ist auf den Zeitpunkt des Beginns abzustellen, § 4 Abs. 2 ARB 2017. Es ist daher auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Antragsgegner nach Vortrag der Bg. vorwerfbar erstmalig untätig geblieben ist (vgl. zur Aufforderung einer Mängelbeseitigung im Mietverhältnis OLG Köln, Urteil vom 14.01.2020, 9 U 54/19, juris). Entscheidend ist, ob eine behauptete Pflichtverletzung zur Grundlage einer rechtlichen Streitigkeit wird. Dagegen kommt es auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder Entscheidungserheblichkeit der Behauptung nicht an (OLG Köln, Urteil vom 14.01.2020, 9 U 54/19, juris Rn. 40).
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Die Bevollmächtigte der Bg. hat auf ausdrückliche Anfrage der Ö. vom 26.05.2020, wann erstmalig Untätigkeit der Behörde vorgelegen habe, ausgeführt, dass der Antrag auf Leistungen im Juni 2019 gestellt worden sei. Der Antragsgegner habe hierüber bis Dezember 2019 nicht entschieden. Üblicherweise werde über solche Anträge innerhalb von vier Wochen entschieden. Die Ablehnung der Ö. AG vom 08.06.2020 bezieht sich dementsprechend darauf, dass vorliegend als relevantes Ereignis die unterbliebene Entscheidung über den Leistungsantrag gelte. Der Rechtsschutzfall sei damit im Juli 2019 eingetreten. Versicherungsschutz bestehe jedoch frühestens ab 18.11.2019.
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Entsprechend der Maßgeblichkeit des Vorbringens des Versicherungsnehmers, so wie es dem Versicherungsunternehmen gegenüber erfolgt und wie es in § 4 ARB 2017 geregelt ist, ist die Ablehnung der Deckungszusage nach vorliegender Aktenlage vertragsgemäß erfolgt. Nach den ARB 2017 kommt es daher auf die materielle Seite einer Anspruchsverletzung an und nicht darauf, wann oder wie diese prozessual geltend gemacht wird. Daher kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die Bg. den Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz bei Gericht gestellt hat. Denn im Verhältnis zur möglicherweise leistungspflichtigen Ö. AG hat sie eine Anspruchsverletzung vier Wochen ab Antragstellung beim Antragsgegner vorgetragen.
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Zwar entspricht der Vortrag der Bevollmächtigten insoweit, als sie gegenüber der Ö. AG eine Antragstellung der Bg. im Juni 2019 darstellt, nicht der Aktenlage. Denn im Juni 2019 hat die Bg. von einem Antrag abgesehen, erst am 31.07.2019 ist die auch im gerichtlichen Verfahren gegenständliche Antragstellung erfolgt. Von einer bewussten Fehldarstellung durch die Bevollmächtigte ist vorliegend jedoch nicht auszugehen. So hat sie auch im gerichtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht eine Antragstellung zum 27.06.2019 vorgetragen.
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Daher wäre grundsätzlich zu fordern, dass die Bg. sich mit einer erneuten Deckungsanfrage an ihre Rechtsschutzversicherung wendet. Denn Ablehnungen von Deckungszusagen, die auf einer offensichtlich unzutreffenden Tatsachendarstellung beruhen, können nicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe führen. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips der Gewährung von staatlichen Mitteln, wie sie auch in der Prozesskostenhilfe als besondere Form der Sozialhilfe vorliegt, ist eine erneute Anfrage bei der Rechtsschutzversicherung dann grundsätzlich zu fordern. Denn auch wenn im Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung auf das Vorbringen des Versicherungsnehmers abzustellen ist, so darf dieses im Hinblick auf die Frage eines zumutbaren Vermögenseinsatzes im Rahmen der Prozesskostenhilfe zumindest nicht offenkundig falsch sein.
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Von dem Erfordernis einer erneuten Anfrage sieht der Senat aber vorliegend ab, denn selbst wenn auf die tatsächlichen Daten abgestellt würde und diese der Ö. AG mitgeteilt würden, wäre eine Rechtsverletzung des Antragsgegners jedenfalls vor dem 18.11.2019 eingetreten. Dies gälte auch, wenn der Bearbeitungszeitraum für Anträge angesichts der tatsächlichen Verhältnisse in der Praxis der Jobcenter allgemein und aufgrund des konkret vorliegenden Einzelfalls auf über vier Wochen zu verlängern wäre. Denn zumindest nach Vorlage der vom Antragsgegner bis 21.09.2019 geforderten weiteren Unterlagen der Bg. sowie ihrer Stellungnahme, v.a. auch zu einem chinesischen Konto, hätte eine Bearbeitung angesichts der bereits seit August 2019 begonnen Antragsbearbeitung nach Ansicht der Bg. zumindest vor dem 18.11.2019 abgeschlossen sein müssen und nach Rechtsansicht der Bg. vor dem 18.11.2019 eine Leistungsbewilligung erfolgen müssen. Die weiteren Anfragen und Ermittlungen seitens des Antragsgegners waren nach Auffassung der Bg. rechtswidrig und kein Grund für die Leistungsverweigerung.
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In diesem Zusammenhang ist einzubeziehen, dass die Bg. sich auch im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes darauf berufen hat, dass sie sich schon im September 2019 wegen der rechtswidrigen Untätigkeit des Antragsgegners in einer Notsituation befunden habe. Anfang September 2019 hat sie den Antragsgegner ausdrücklich zur Leistungsgewährung aufgefordert. Im gerichtlichen Verfahren hat sie vorgetragen, dass sie aus Not diverse Gegenstände bei ebay verkauft habe. Freunde hätten ihr Katzenfutter und -spielzeug gespendet. Vom Bayerischen Roten Kreuz habe sie über den Verein „Menschen in Not“ diverse Zuschüsse erhalten. Damit ist eine Pflichtverletzung des Antragsgegners als maßgeblichen Rechtsschutzfall bereits vor dem 18.11.2019 geltend gemacht worden, die jedenfalls - anders als die Angabe unrichtiger Antragsdaten - nicht offenkundig unzutreffend ist.
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Aufgrund der zu § 4 ARB ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nimmt der Senat auch nicht an, dass für das Entstehen eines Rechtsschutzfalls im privat-rechtlichen Verhältnis zwischen der Bg. und der Ö. AG auf den Zeitpunkt einer zulässigen Untätigkeitsklage nach § 88 SGG abzustellen ist. Letztere regelt nur die prozessuale Durchsetzbarkeit im öffentlich-rechtlichen Streitverhältnis zwischen Leistungsberechtigten und der Verwaltung. Dasselbe gilt für den Zeitpunkt einer gerichtlichen Geltendmachung im Wege des Eilrechtsschutzes.
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Da die Realisierbarkeit eines Anspruchs gegenüber der Ö. AG daher nach vorliegender Aktenlage ausscheidet, jedenfalls als offen zu bewerten ist, kann von einem verwertbaren Vermögen im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 1 SGB XII nicht ausgegangen werden (Groß, a.a.O., § 115 Rn. 87). Dies gilt insgesamt auch im Hinblick darauf, dass eine zumutbare und zeitnahe Realisierbarkeit eines Vermögenswertes dann nicht angenommen werden kann, wenn dies nicht ohne die Inanspruchnahme der Gerichte möglich ist (Schultzky, a.a.O., § 115 Rn. 57).
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Soweit der Bf. die Entscheidung des Kostensenats (BayLSG, Beschluss vom 21.06.2016, L 15 SF 39/14) anführt, wonach eine Abgrenzung dahingehend vorgenommen werde, dass Haupt- und Eilrechtsschutzverfahren unterschiedliche Gegenstände hätten, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte für eine abweichende Betrachtung. Kostenrechtliche Grundsätze bezüglich der Vergütung von Rechtsanwaltsgebühren sind auf das privat ausgestaltete Vertragsverhältnis zwischen der Bg. und der Ö. AG bezüglich der Eintrittspflicht nicht übertragbar.
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Da die Bg. somit über kein einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfügt, hat auch keine Anordnung von Zahlungen zu erfolgen.
48
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
49
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.