VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 17.06.2020 – Au 4 K 20.761
Titel:

Klage auf Auskunft über personenbezogene Daten von Amtsträgern

Normenketten:
BGB § 823, § 826, § 839 Abs. 1
GG Art. 34
FGO § 33
VwGO § 40, § 68, § 84 Abs. 1 S. 3, Abs. 3, § 167 Abs. 2
GKG § 52 Abs. 2
ZPO § 130 Nr. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz:
Wurden dem Kläger die Informationen, die für eine Klageerhebung zu den ordentlichen Gerichten in Bezug auf eine Bezeichnung der Parteien nötig sind, bereits mitgeteilt, fehlt für eine Klage auf Herausgabe dieser Daten bereits das Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klage auf Auskunft über Daten (Vorname, Wohnsitz) von Amtsträgern, Verantwortlichkeit des Dienstherrn bei Amtshaftungsklage, kein Rechtsschutzbedürfnis, jedenfalls kein Auskunftsanspruch, Dienststelle, Auskunftsanspruch, Amtspflichtverletzung, Auskunft, Beamter, Herausgabe, Dienstherr, Amtshaftungsklage, Daten, Name, Wohnsitz, Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19398

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Auskunft über Daten von Personen, die beim Beklagten beschäftigt sind.
2
Mit Schreiben an das Finanzamt ... vom 6. Januar 2020 beantragte der Kläger beim Beklagten die Bekanntgabe ladungsfähiger Daten (Vorname, Wohnsitzanschrift) zweier beim Finanzamt ... Beschäftigten „zum Zwecke eines zivilgerichtlichen Regressverfahrens nach §§ 823, 826 und 839 Abs. 1 BGB“.
3
Mit Schreiben vom 8. Januar 2020 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Für das vom Kläger beabsichtigte Zivilrechtsverfahren (Amtshaftungsanspruch) seien diese Daten ohne Belang, weil für eine etwaige Amtspflichtverletzung nicht die Beamten persönlich in Anspruch genommen werden könnten. Die Verantwortlichkeit würde gem. Art. 34 GG den Dienstherrn treffen.
4
Mit Schreiben vom 13. Januar 2020 legte der Kläger gegen den „Bescheid“ vom 8. Januar 2020 beim Finanzamt ... einen „Rechtsbehelf“ ein. Zur Begründung führte er aus, dass über die Statthaftigkeit seiner Klagen ausschließlich das anzurufende Zivilgericht entscheide, nicht das Finanzamt .... Der Antrag werde auf die Bekanntgabe der Daten eines weiteren Beschäftigten erweitert. Der Beklagte versuche, die verfassungsmäßigen Rechte des Klägers auf Zugang zu den ordentlichen Gerichten - „und zwar gegen die Täter persönlich, ohne dass sich diese hinter dem Freistaat verstecken können“ - zu sabotieren; dies erfülle den Tatbestand der Rechtsbeugung.
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Mit Schreiben vom 16. Januar 2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der um eine „Bedienstete“ erweiterte Antrag ebenfalls abgelehnt werde. Der Beklagte entscheide im Übrigen nicht über die Statthaftigkeit der vom Kläger angekündigten Klage beim Zivilgericht, sondern über die Herausgabe persönlicher Daten von Mitarbeitern. Der Gerichtsweg werde dem Kläger hierdurch nicht verwehrt, weil die Mitarbeiter über die Dienstanschrift zu laden seien. Den Rechtsbehelf des Klägers werde zur zentralen Rechtsbehelfsstelle des Finanzamts ... weitergeleitet.
6
Mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts ... vom 28. Januar 2020 verwarf der Beklagte den „Einspruch“ des Klägers vom 14. Januar 2020 als unzulässig. Der Einspruch sei nicht statthaft (§ 347 AO). Für Amtshaftungsansprüche, wie vom Kläger geltend gemacht, sei der Finanzeinspruchsweg nicht eröffnet.
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Der Kläger erhob am 24. Februar 2020 Klage zum Finanzgericht München mit dem Antrag,
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das Finanzamt ... zu verpflichten, dem Kläger die ladungsfähigen Daten (Vorname und Wohnsitz) der FA-Bediensteten, ... und ... bekannt zu geben.
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Zur Begründung nahm er auf seinen Antrag vom 6. Januar 2020 Bezug, welchen er ebenso wie die Korrespondenz mit dem Finanzamt ... der Klage beifügte.
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Die genannten Bediensteten des Finanzamts zivilgerichtlich zur Verantwortung zu ziehen sei sein verfassungsgemäßes und nicht durch „Tricks“ unterlaufbares Recht. Zur wirksamen Klageerhebung bedürfe es neben dem Namen der Beklagten auch deren Vornamen und Wohnsitz. Dies gelte sowohl für das Erkenntnis wie für das Vollstreckungsverfahren. Die ihm im Schreiben des Beklagten vom 16. Januar 2020 zugemutete Angabe „zu erreichen über Postablage FA“ genüge nicht.
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Nach Anhörung der Beteiligten verwies das Finanzgericht München mit Beschluss vom 27. April 2020 (1 K 460/20) die Klage an das Verwaltungsgericht Augsburg, da nicht der Finanzrechtsweg gem. § 33 FGO, sondern der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 VwGO eröffnet sei.
12
Der Beklagte nahm ohne Antragstellung zur Klage mit Schreiben des Finanzamts ... vom 18. Mai 2020 Stellung. Für die Zulässigkeit der Klage fehle es hinsichtlich der Bediensteten L. an einem außergerichtlichen Rechtsbehelf als Vorverfahren im Sinne von § 68 VwGO, da der Kläger insoweit keine Überprüfung der Ablehnung durch außergerichtlichen Rechtsbehelf begehrt habe.
13
Die Klage sei unbegründet. Für das vom Kläger beabsichtigte Zivilrechtsverfahren (Amtshaftungsverfahren) seien Vornamen und Wohnsitz ohne Belang, weil für eine etwaige Amtspflichtverletzung nicht die Beamten persönlich in Anspruch genommen werden könnten, sondern die Verantwortlichkeit gem. Art. 34 GG den Dienstherrn treffen würde. Rein vorsorglich werde angemerkt, dass für eventuelle zivilgerichtliche Ladungen die Ladungsfähigkeit aller drei Personen über die Dienstanschrift jederzeit gewährleistet sei.
14
Mit gerichtlichem Schreiben vom 20. Mai 2020 wurden die Beteiligten zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheids angehört. Der Beklagte äußerte mit Schreiben vom 28. Mai 2020 keine Bedenken hinsichtlich einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Der Kläger erklärte sich mit Schreiben vom 6. Juni 2020 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden. Zudem erweiterte er seine Klage auf eine weitere Bedienstete.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
17
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
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1. Sie ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt für Klagen, deren Erfolg die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vorbemerkungen zu §§ 40 bis 53, Rn. 16 m.w.N.), d.h. wenn die Klage selbst bei Erfolg dem Kläger keinen Vorteil bringt (Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, Vorbemerkung zu § 40, Rn. 94). So liegen die Dinge hier.
19
Der Kläger begehrt Daten (Vorname und Wohnsitz) von Beschäftigten des Finanzamts, um - wie sich aus seinem Antragsschreiben vom 6. Januar 2020 ergibt - Ansprüche nach §§ 823, 826 und 839 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Bei Amtspflichtverletzungen ist § 839 BGB gegenüber den allgemeinen Bestimmungen der §§ 823, 826 BGB lex specialis (Antoni in Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 1). Gem. Art. 34 Satz 1 GG trifft die Verantwortlichkeit im Falle einer Amtspflichtverletzung den Dienstherrn, nicht den Beschäftigten persönlich, so dass die vom Kläger begehrten Daten für die von ihm erstrebte Rechtsverfolgung unerheblich sind. Der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 8. Januar 2020 auch die Informationen, die für eine Klageerhebung zu den ordentlichen Gerichten (Art. 34 Satz 3 GG) in Bezug auf eine Bezeichnung der Parteien (§§ 253 Abs. 2 Nr. 1, 130 Nr. 1 ZPO) nötig sind, bereits mitgeteilt (Freistaat Bayern, vertreten durch das Finanzamt ...), bzw. diese Informationen sind dem Kläger bekannt, so dass der Kläger die vollständigen Namen und Anschriften von Bediensteten des Beklagten auch insoweit für eine Klageerhebung nicht benötigt.
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Sollte der Kläger die von ihm genannten Beschäftigten des Beklagten im Rahmen einer Amtshaftungsklage als Zeugen benennen wollen, benötigt er auch insoweit deren vollständigen Namen und Wohnanschrift nicht; die Bezeichnung der Dienststelle ist ausreichend (LG Berlin, U.v. 21.11.2000 - 13 S 27/00 - juris; vgl. auch Damrau in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 373 Rn. 18).
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2. Jedenfalls ist die Klage unbegründet. Zwar kann auch im Bereich der Amtshaftung ein Anspruch auf Auskunftserteilung bestehen, um eine Klage auf Schadensersatz vorzubereiten (vgl. BGH, U.v. 25.9.1980 - III ZR 74/78 - juris Rn. 11). Aus den unter 1. genannten Gründen benötigt der Kläger die von ihm begehrten Daten von Beschäftigten des Beklagten jedoch nicht für eine Amtshaftungsklage, so dass es der gewünschten Auskunft aus Rechtsgründen nicht bedarf (vgl. OLG Bbg, B.v. 24.7.2013 - 11 VA 12/13 - juris Rn. 2 und Rn. 4).
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 84 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.