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LArbG München, Urteil v. 25.06.2020 – 3 Sa 620/19
Titel:

Schadensersatzanspruch für entgangene Bonuszahlung bei unterbliebener Zielvereinbarung

Normenketten:
BGB § 249, § 252 S. 2, § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 S. 1, § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 4, § 287 Abs. 1
Leitsätze:
1. Einem Arbeitnehmer steht ein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag verpflichtet hat, ihm unter der Bedingung einen Bonus zu zahlen, dass er die vereinbarten oder vorgegebenen Ziele erreicht, und eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die vom Arbeitnehmer innerhalb einer Zielperiode zu erreichenden Ziele nicht zu Stande kommt oder eine Vorgabe durch den Arbeitgeber schuldhaft nicht erfolgt (Anschluss an BAG BeckRS 2008, 50625 Rn. 20, 43 ff.). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt, ist der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen (Anschluss an BAG BeckRS 2008, 50625 Rn. 49 f.). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bonuszahlung, unterbliebene Zielvereinbarung, Schadensersatz, Schadenshöhe, entgangener Gewinn, variable Vergütungszahlungen, Bestreiten mit Nichtwissen, Unternehmenserfolg
Vorinstanz:
ArbG München, Urteil vom 03.09.2019 – 3 Ca 1868/19
Fundstellen:
NWB 2020, 2664
BeckRS 2020, 18791
LSK 2020, 18791

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 03.09.2019 - 3 Ca 1868/19 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 24.864,33 brutto zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die erstinstanzlichen Kosten haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 80/100 und der Kläger 20/100.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Zahlung einer variablen Vergütung.
2
Der Kläger war seit dem 01.10.2015 als Regional Sales Manager für das Vertriebsgebiet Bayern beschäftigt. Ergänzend zur Zahlung des monatlichen Grundgehalts enthielt der Arbeitsvertrag vom 05.08.2015 (Anlage K1 = Bl. 8 ff. d. A.) folgende Regelung:
„§ 4 Gehalt …
4. Für 2015 wird ein Zielgehalt von 120.350,00 € bezogen auf das Gesamtjahr anteilig garantiert.
Für 2016 wird ein Zielgehalt von 120.350,00 € festgelegt, das Maximalgehalt beträgt 136.662.50 €, bezogen auf das Gesamtjahr. Einzelheiten zum Gehaltsmodell 2016 sind dem angehängten Excel-Sheet zu entnehmen. Die auf ein gesamtes Geschäftsjahr bezogenen Angaben zum Minimalgehalt, Zielgehalt und Maximalgehalt werden bei vorzeitigem Ausscheiden anteilig gekürzt .
5. Jeweils vor Beginn eines Kalenderjahres werden Berechnungsbasis und Höhe der Provision und evtl. Prämien bezogen auf die dann vorhandenen Rahmenbedingungen überprüft und gegebenenfalls mit Wirkung ab 01. Januar des darauffolgenden Jahres neu festgesetzt. Hierbei werden die gegebenen und im Vorjahr auch erreichten Zielvorstellungen bezüglich der Vergütungsgesamthöhe berücksichtigt.
Prämienhöhe und Kriterien von Prämien, deren Gewährung im Ermessen der Geschäftsführung liegen, sind in der Zielvereinbarung für das jeweilige Jahr festgelegt.
…“
3
Die Parteien schlossen für 2017 eine Zielvereinbarung (vgl. Anlage B2 = Bl. 54 d. A.). Danach sollte der sog. „Maximal Bonus for full year“ 42.625,00 € brutto und der sog. „Core Bonus“ 26.231,00 € brutto betragen. Bei Erreichung bestimmter Unternehmenszahlung errechnete sich die zu zahlende variable Vergütung nach dem sog. „Individual Performance Coefficient“ von 70 bis 130%, der sich nach der persönlichen Zielerreichung des Klägers bestimmte.
4
Mit Wirkung zum 01.07.2017 wurde der Kläger als Project Manager beschäftigt. Mit Schreiben vom 13.07.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich § 2 des Anstellungsvertrags vom 05.08.2015 „Tätigkeit und Arbeitsort“ ändere.
5
Für das Jahr 2018 trafen die Parteien keine Zielvereinbarung. Der Kläger mahnte dies mündlich im März 2018 und per Email vom 16.08.2018 an. Auch für das Jahr 2019 kam es nicht zu einer Zielvereinbarung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund Eigenkündigung des Klägers zum 28.02.2019.
6
Die Beklagte zahlte an drei ebenfalls als Projektmanager beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverträge gleichfalls die Zahlung einer Provision vorsahen, 20, 23 bzw. 29% des „Maximal Bonus“ (vgl. Anlage B3 = Bl. 55 d. A.). Dem Kläger wurden 50% der im Vorjahr 2017 gezahlten variablen Vergütung, d. h. 6.400,00 € brutto angeboten, mit der er sich nicht einverstanden erklärte.
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Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Zahlung der Provisionen für 2018 und anteilig 2019 auf Basis der Zahlung bei Übererfüllung für 2017 geltend gemacht. Dieser Anspruch stehe ihm nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei unterbliebener Zielvereinbarung zu. Gemäß § 4 Ziffer 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags seien jedes Jahr neue Ziele zu vereinbaren.
8
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Bonus für das Jahr 2018 in Höhe von 42.624,56 € brutto zu zahlen.
10
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Bonus für das Jahr 2019 in Höhe von 7.104,09 € brutto zu zahlen.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
Die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, das nach § 4 Ziffer 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags die Ziele nur „gegebenenfalls“ neu festzusetzen seien. Für 2018 seien keine von 2017 abweichenden Ziele festgesetzt worden. Die Beklagte habe 2018 ihre wirtschaftlichen Ziele für den Unternehmensbereich und für das Unternehmen als Ganzes, die Anfang 2018 kommuniziert worden seien, deutlich verfehlt: Das Gesamtunternehmensergebnis habe bei Einkommen vor Steuer bei - 6,829 Mio. € gelegen. Der Umsatz im Bereich Automotive C-Stadt habe ein Bereichsergebnis mit - 2,7 Mio. € aufzuweisen gehabt. Da der individuelle Coeffizient des Klägers wegen der Verluste mit „0“ zu multiplizieren sei, ergebe sich kein Anspruch des Klägers.
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Das Arbeitsgericht München hat durch Urteil vom 03.09.2019 - 3 Ca 1968/19 - die Klage teilweise, nämlich hinsichtlich der variablen Vergütung für 2018 in Höhe von 26.230,50 € brutto und anteilig für Januar und Februar 2019 in Höhe von 4.371,75 € brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung hat es seine Entscheidung damit begründet, dass der Kläger wegen Nichtabschlusses einer Zielvereinbarung in den Jahren 2018 und 2019 im Wege des Schadensersatzes Anspruch auf Bonus in Höhe einer hundertprozentigen Zielerfüllung habe, §§ 280, 249, 252 BGB. Dies folge aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 -). Die Beklagte habe ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht schuldhaft verletzt, indem sie trotz Initiativlast gem. § 4 Ziffer 5 i. V. m. § 17 des Arbeitsvertrags mit dem Kläger weder für 2018 noch für 2019 eine Zielvereinbarung getroffen habe. Der Schadensersatzanspruch bestehe in Höhe der zuletzt geregelten Bonusvereinbarung bei hundertprozentiger Zielerreichung.
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Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 20.09.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.09.2019 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.12.2019 am 19.12.2019 begründet.
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Die dem Kläger zugesprochenen Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Die Beklagte sei nicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung verpflichtet gewesen. Dies folge aus § 4 Ziffer 5 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsvertrags („gegebenenfalls“) und aus der für das Jahr 2017 abgeschlossenen Zielvereinbarung:
„Diese Vereinbarung ist nur gültig für das Jahr 2017 ohne Präzedenz für folgende Jahre“.
15
Darüber hinaus könne für das Jahr 2018 aufgrund des negativen Geschäftsverlaufs nicht von einem gewöhnlichen Lauf der Dinge ausgegangen werden, auf die es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Schadensberechnung ankomme.
16
Die Beklagte beantragt,
Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 03.09.2019, Az. 3 Ca 1868/19 wird abgeändert Die Klage wird abgewiesen.
17
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, und trägt vor, dass sich die Verpflichtung zum Abschluss der Zielvereinbarung aus § 4 Ziffer 5 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsvertrags ergebe. Danach hätten die Parteien vereinbart, das Ziele bei im Zeitpunkt der jeweils vor Beginn des Kalenderjahres vorgesehenen Überprüfung der „Rahmenbedingungen“ dann neu festgesetzt werden, wenn die Rahmenbedingungen sich im Vergleich zur vorangegangenen Festsetzung in einer die Anpassung erfordernden Weise geändert hätten. Die Beklagte missverstehe die Aussagen des Bundesarbeitsgerichts zu § 252 S. 2 BGB. Wenn der Arbeitgeber es zu vertreten habe, dass keine Zielvereinbarung getroffen worden sei, sei es kein für die Höhe des entgangenen Gewinns relevanter „besonderer Umstand“ im Sinne des § 252 S. 2 BGB, wenn die abgelaufene Zielperiode ein Verlustjahr sei. Es sei zu überlegen, welche realistischen Ziele vereinbart worden wären und inwieweit solche Ziele erfüllt worden wären.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.12.2019 (Bl. 113 - 116 d. A.), des Klägers vom 25.10.2020 (Bl. 130 - 142 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.
I.
20
Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
II.
21
Die Berufung ist nur teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 24.864,33 € brutto gemäß §§ 280 Abs. 1 u. 3, 283 S. 1, 249 ff, 252 S. 2 BGB i. V. m. § 4 Ziffer 5 des Arbeitsvertrags.
22
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag verpflichtet hat, dem Arbeitnehmer unter der Bedingung einen Bonus zu zahlen, dass dieser die vereinbarten oder vorgegebenen Ziele erreicht, und eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die vom Arbeitnehmer innerhalb einer Zielperiode zu erreichenden Ziele nicht zu Stande kommt oder eine Vorgabe durch den Arbeitgeber schuldhaft nicht erfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 04.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 20, 43 ff.). Dabei richtet sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens nach §§ 249 ff BGB. Gemäß § 252 S. 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Verdienst aus abhängiger Arbeit und damit auch eine Bonuszahlung. Als entgangen gilt gemäß § 252 S. 2 BGB der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. § 252 S. 2 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich aus dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der § 252 BGB, § 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei mindert, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48). Soweit nach § 287 Abs. 1 BGB der Schaden als auch dessen Höhe festzustellen sind, nimmt das Gesetz in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt. Allerdings soll die Schätzung möglichst nah an diese heranführen. Über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen hat das Arbeitsgericht Beweis zu erheben. Hat der Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt, ist der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens. Denn wenngleich Zielvereinbarungen nicht stets die in Aussicht gestellte Bonuszahlung auslösen, verfehlen sie ihren Motivationszweck und werden ihrer Anreizfunktion nicht gerecht, wenn die festgelegten Ziele vom Arbeitnehmer von vornherein nicht erreicht werden können. Auch kann sich ein Arbeitgeber der in der Rahmenvereinbarung zugesagten Bonuszahlung nicht dadurch entziehen, das er vom Arbeitnehmer Unmögliches verlangt und nur bereit ist, Ziele zu vereinbaren, die kein Arbeitnehmer erreichen kann. Dem ist bei der Ermittlung des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO Rechnung zu tragen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen (siehe BAG, Urteil vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn 49 u. 50).
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2. Danach sind die Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch nur in der zu erkannten Höhe erfüllt.
a) Die Beklagte hat schuldhaft ihre Pflicht zur Festsetzung der Berechnungsbasis und der Höhe der als „Provision“ bezeichneten variablen Vergütung vor Beginn der Kalenderjahre 2018 und 2019 verletzt.
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Nach § 4 Ziff. 5 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsvertrages werden jeweils vor Beginn eines Kalenderjahres Berechnungsbasis und Höhe der Provision bezogen auf die dann vorhandenen Rahmenbedingungen überprüft und gegebenenfalls mit Wirkung ab 01. Januar des darauffolgenden Jahres festgesetzt. Im Hinblick auf die dem Kläger mit Wirkung zum 01.07.2017 neu übertragene Arbeitsaufgabe liegen neue Rahmenbedingungen vor, die eine Neufestsetzung erforderlich gemacht haben. Der Kläger wechselte von der Vertriebstätigkeit in das Projektmanagement, womit sich die zu erreichenden Ziele änderten. Darüber hinaus werden für die ersten Monate einer neuen Tätigkeit oft weniger anspruchsvolle Ziele festgelegt (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 32) oder auf die Festlegung von Zielen wie bei dem Kläger in 2015 und 2016 zunächst verzichtet. Die Beklagte hat dabei auch schuldhaft gehandelt. Sie wusste um ihre Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Fachvorgesetzten würden ihrer Verpflichtung zum Abschluss einer Zielvereinbarung regelmäßig nicht nachkommen, kann dies die Beklagte nicht entlasten. Sie hat die Fachvorgesetzten, die mit der Aufgabe der Zielfestsetzung betraut sind, gegebenenfalls mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen anzuhalten, dieser auch nachzukommen. Der Kläger hat die Beklagte zudem mündlich und durch Email vom August 2018 nochmals auf diese Verpflichtung hingewiesen.
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b) Der zu ersetzende Schaden für 2018 und anteilig 2019 ist mit 50% des maximalen Bonus der Zielvereinbarung 2017 festzusetzen.
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Im Hinblick auf die dem Kläger neu übertragene Aufgabe des Projekt Managers zum 01.07.2017 können für die Höhe des Schadensersatzanspruchs wegen unterbliebener Zielfestsetzungen für 2018 und 2019 grundsätzlich nicht die Regelungen der Zielvereinbarung 2017 zugrunde gelegt werden, weil diese auf der Arbeitsaufgabe des „Regional Sales Managers basieren. Im Unterschied zu den vom Bundesarbeitsgericht bisher entschiedenen Fällen ist auch der in § 4 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags enthaltenen Rahmenregelung nicht zu entnehmen, wie sich der Anspruch des Klägers bestimmen lässt. Mit der Regelung, dass „Berechnungsbases und Höhe der Provision … gegebenenfalls mit Wirkung ab 1. Januar des darauffolgenden Jahres neu festgesetzt“ werden, überlässt die arbeitsvertragliche Regelung neben den konkreten Zielen für das neue Kalenderjahr auch die Höhe des Zielbonus einer jährlich neu zutreffenden Vereinbarung der Parteien. Sowohl der Schaden als auch die Schadenshöhe sind deshalb nach § 287 Abs. 1 ZPO durch das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu bestimmen.
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Bei der Bestimmung des Schadensersatzes ist zunächst davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen (Vergleiche BAG, Urteil vom 12.12.2009 - 10 AZR 97/07 - Rn 50). Die individuelle Zielerreichung ist deshalb mit 100% anzusetzen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt, dass die Beklagte trotz Verfehlung ihrer wirtschaftlichen Ziele in 2018 anderen Projektmanagern eine variable Vergütung gezahlt hat, nämlich durchschnittlich 24% des individuellen maximalen Bonus für das Jahr 2017. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 612 Abs. 2 BG kann sich die Beklagte deshalb gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, negative Geschäftszahlen schlössen einen Schadensersatzanspruch aus (auf die vom Arbeitgeber in diesem Fall mit anderen Arbeitnehmern getroffenen Zielvereinbarungen hinweisend Hexel in Moll, HdbArbR, 4. Aufl. 2017, § 20 Rn. 70). Andererseits ließe die Bestimmung eines Schadensersatzanspruchs auf 24% des maximalen Bonus für das Jahr 2017 außer Acht, dass auch bei den drei anderen Projektmanagern die Festlegung der Ziele zu Beginn des Kalenderjahres 2018 unterblieben und die nachträgliche Bonusfestlegung einseitig durch die Beklagte sowie unter Berücksichtigung der eingetretenen negativen Geschäftsentwicklung in 2018 erfolgt ist. Es ist deshalb zu berücksichtigen, dass im Wege der Verhandlung und damit der Kompromissfindung zwischen den Parteien sowie in Erwartung jedenfalls ausgeglichener Geschäftszahlen die Festlegung der „Berechnungsbases und Höhe der Provision“ für 2018 höher ausgefallen wären. Darüber hinaus hat die Beklagte die für 2018 gezahlte variable Vergütung von lediglich drei Projektmanagern mitgeteilt, so dass nicht auszuschließen ist, dass sich bei Berücksichtigung aller bei ihr beschäftigter Projektmanager im Durchschnitt ein höherer Betrag als 24% des individuellen maximalen Bonus aus 2017 ergeben hätte. Des Weiteren hat die Beklagte in 2015 und 2016 zu Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der Tätigkeit des Klägers in der Position des Regional Sales Managers für das Vertriebsgebiet Bayern eine variable Vergütung unabhängig vom Unternehmenserfolg zugesagt, § 4 Ziff. 4 des Arbeitsvertrags. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, für die variable Vergütung des Klägers in 2018 und anteilig 2019 die Hälfte festzusetzen. Diese Festsetzung trägt einerseits dem Umstand Rechnung, das die individuelle Zielerreichung des Klägers für 2018 und 2019 mit 100% zu Grunde zu legen ist, andererseits die variablen Vergütungszahlungen in der Vergangenheit unbestritten an den wirtschaftlichen Erfolg des Bereichs und des Gesamtunternehmens anknüpften. In diesem Zusammenhang kann der Kläger die mitgeteilten negativen Zahlen insbesondere das Gesamtunternehmensergebnis vor Steuer von - 6,829 Mio. € nicht mit Nichtwissen bestreiten. Im Rahmen des § 252 S. 2 BGB muss der Geschädigte die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn 48). Die entsprechenden Zahlen der Beklagten werden im Bundesanzeiger veröffentlicht und sind somit dem Kläger zugänglich (§ 138 Abs. 4 ZPO).
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Auf der Grundlage des für 2017 festgelegten maximalen Bonus für den Kläger in Höhe von 42.624,56 € ergibt sich deshalb für das Jahr 2018 ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 21.312,28 € brutto (42.624,56 €: 2) und für 2019 in Höhe von 3.552,05 € brutto (21.312,28 € : 12 x 2 Monate). Hieraus errechnet sich die dem Kläger zugesprochene Gesamtsumme von 24.864,33 € brutto.
III.
29
Die Kosten des Rechtsstreits waren zwischen den Parteien verhältnismäßig zu teilen, § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
30
Es bestand kein Grund, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.