VG Augsburg, Urteil v. 02.06.2020 – Au 8 K 19.1968
Titel:

Erfolglose Klage gegen Cross-Compliance-Kürzungen von Subventionen

Normenketten:
EUVO 1306/2013 Art. 91 Abs. 1, Art. 93, Art. 99 Abs. 1
EUVO 640/2014 Art. 39 Abs. 4 UAbs. 3, Art. 40
EUVO 1760/2000 Art. 7 Abs. 1
VwGO § 114 S. 2
ViehVerkV § 29, § 32
Leitsätze:
1. Hinsichtlich der bei Cross-Compliance-Verstößen vorzunehmenden Kürzung der Förderung hat die Behörde eine Ermessensentscheidung in Bezug auf die Höhe des Kürzungsprozentsatzes zu treffen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2013, 55070). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Wiederholung von Verstößen führt nach der Konzeption des europäischen Normgebers grundsätzlich erst zu einem (erstmaligen) Vorsatzverstoß mit der Regeleinstufung von 20 %, wenn nicht weitere Umstände vorliegen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Meldefristüberschreitungen sind auch nicht durch eine hohe Anzahl an zu leistenden Meldungen zu rechtfertigen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kürzung gewährter Direktzahlungen, Bewertung von Cross-Compliance, Verstößen, Anforderungen hinsichtlich Meldepflichten, Nachschieben von Ermessenserwägungen, Ermessensfehler, Tierschutz
Fundstelle:
BeckRS 2020, 17468

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger ist Landwirt und wendet sich gegen erfolgte Cross-Compliance-Kürzungen in Höhe von 45% hinsichtlich der durch ihn im Rahmen eines Mehrfachantrags 2017 beantragten Förderleistungen in Höhe von insgesamt 30.998,87 €.
2
Mit Mehrfachantrag vom 15. Mai 2017 beantragte der Kläger Direktzahlungen (Basisprämie durch Aktivierung der Zahlungsansprüche und Zahlung für den Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (Greeningprämie), die Umverteilungsprämie für aktivierte Zahlungsansprüche, die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete sowie die Auszahlung für das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)) für das Jahr 2017.
3
Der Kläger ist in der Vergangenheit mehrfach kontrolliert worden. Dabei wurden bei Vor-Ort-Kontrollen am 11. September 2013, 10. November 2014, 3. September 2015 und 1. September 2016 wiederholt Verstöße gegen die für die Tierkennzeichnung und -registrierung geltenden CC-Vorschriften festgestellt. Mit Hinweisschreiben vom 17. Oktober 2016 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass bei einem erneuten Verstoß innerhalb von drei Kalenderjahren von einem vorsätzlichen Begehen auszugehen sei, sofern dieselben Anforderungen oder derselbe Standard betroffen ist. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 2. August 2017 wurden erneut Verstöße gegen CC-Vorschriften hinsichtlich derselben Anforderungen festgestellt. In einem Bußgeldbescheid des Landratsamtes vom 16. Januar 2016 ist ein Bußgeld für Verstöße gegen die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern im Zeitraum vom 1. September 2016 bis 2. August 2017 auferlegt.
4
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2017 teilte der Beklagte durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Kläger mit, dass für das Jahr 2017 Direktzahlungen in Höhe von insgesamt 17.054,88 € gewährt werden, im Übrigen u.a. eine Kürzung aufgrund eines Cross-Compliance Verstoßes gem. Art. 91 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 stattfand und die Höhe der Kürzung nach ständiger Verwaltungspraxis in derartigen Fällen 45% beträgt. Besondere Umstände, die ein Abweichen von dieser Regeleinstufung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich.
5
Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 16. Januar 2018 Widerspruch ein. In der nachgereichten Begründung ist u.a. angeführt, dass sich die Meldefristüberschreitungen auf Korrekturen bei Tieren bezögen, die zunächst fälschlicherweise mit dem falschen Geschlecht gemeldet worden seien. Bei der Vielzahl an Meldungen sei die Organisation des Meldewesens heikel. Es liege kein Vorsatz vor, da Meldungen im täglichen Betriebsablauf auch einmal vergessen werden könnten, dann aber bloß Fahrlässigkeit vorliege. Die Herabsetzung des Bußgelds in einem parallelen Bußgeldverfahren müsse sich auch auf den hiesigen Kürzungssatz auswirken.
6
Mit Anhörungsschreiben vom 23. September 2019 teilte die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Kläger unter ausführlicher Begründung mit, dass sie beabsichtige, den eingelegten Widerspruch zurückzuweisen und räumte eine Stellungnahmefrist ein. Auf das Anhörungsschreiben wird im Einzelnen verwiesen. Der Kläger ließ daraufhin um Verbescheidung bitten.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Ziffer 1), erlegte dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf (Ziffer 2) und setzte eine Gebühr von 150,00 € fest (Ziffer 3).
8
Der Kläger habe mit Absenden seines Antrags versichert, von den Verpflichtungen und Hinweisen Kenntnis genommen zu haben, die u.a. in den Broschüre „Cross Compliance 2017“ genannt seien, diese einzuhalten und die Fördervoraussetzungen zu erfüllen. Es seien dann bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 2. August 2017 folgende Feststellungen getroffen und von den Kontrolleuren bewertet worden:
9

Standard

Art des Verstoßes

Verstoß gegen

Bewertung

Kürzung

Bereich

GAB 4 LM PK 01

Rückverfolgbarkeit:

Bei mehreren Tieren konnten keine Angaben über Herkunft sowie Verbleib der Tiere gemacht werden

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 18 Abs. 4 VO (EG) Nr. 178/2002 i.V.m. §§ 27 - 33 ViehVerkV

2. Wiederholungsverstoß mittlerer fahrlässiger Verstoß

27%

GES

GAB 4 LM PK 03

Keine Dokumentation über Tierarzneimittel/sonstige Behandlung:

Keine Aufzeichnungen über die Eigenanwendung von Arzneimitteln

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil A. III. 8 b) VO (EG) Nr. 852/2004 i.V.m. § 2 AMTierNachweisV

Erstverstoß mittlerer fahrlässiger Verstoß

3%

GES

GAB 4 LM PK 20

Keine Maßnahmen für die korrekte Verwendung von u.a. Tierarzneimittel:

Keine Aufzeichnungen über die Eigenanwendung von Arzneimitteln

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil A. II. 4 j) VO (EG) Nr. 852/2004

Erstverstoß schwerer, fahrlässiger Verstoß

5%

GES

GAB 7 PK 01

Kennzeichnung:

Ein vier Wochen altes Kalb aufgefunden, welches noch nicht durch eine Ohrmarke gekennzeichnet war

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 7 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ViehVerkV

Vorsatz

30%

GES

GAB 7 PK 03

Verstoß Bestandsregister:

Bestandsregister der Rinder war nicht aktuell und vollständig; es wurden Rinder aufgefunden, welche nicht in der HIT-Datenbank gemeldet waren

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 7 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Spiegelstrich 1 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 ViehVerkV

Vorsatz

30%

GES

GAB 7 PK 04

Verstoß Datenbank HIT:

Meldefristüberschreitungen (GAB 7 PK 05) und Bestandsregisterverstöße (GAB 7 PK 03) sind gleichzeitig Verstoß gegen diesen Standard

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 7 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Spiegelstrich 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 ViehVerkV

Vorsatz

30%

GES

GAB 7 PK 05

Verstoß übermäßige Anzahl behobener Meldeverstöße: 4,10% aller Meldungen wurden im Zeitraum 1. Januar 2017 bis zur Kontrolle am 2. August 2017 erst nach Ablauf der Frist von sieben Tagen in der HIT-Datenbank abgegeben

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 7 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Spiegelstrich 2 VO (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 ViehVerkV

Vorsatz

30%

GES

GAB 13 A11

Aufzeichnungen unvollständig geführt, fehlend:

Anwendungs- und Abgabe (AUA)-Belege vorhanden, aber keine Aufzeichnungen über die Eigenanwendungen von Arzneimitteln

Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 13 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 98/58/EG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 TierSchNutzV

Erstverstoß leichter, fahrlässiger Verstoß

1%

TS

10
Die Gewährung von Direktzahlungen sei gem. Art. 91 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel, guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen (GLÖZ), Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze (GES), sowie Tierschutz (TS) geknüpft. Diese Verknüpfung werde als „Cross Compliance“ bezeichnet. Die CC-Regelungen umfassten u.a. 13 Regelungen zu den Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB). Wenn CC-Regelungen in einem zu irgendeinem Zeitpunkt im Kalenderjahr nicht erfüllt seien, werde der Gesamtbetrag der Direktzahlungen gekürzt oder gestrichen (Art. 99 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013).
11
Die o.g. Verstöße seien berechtigterweise festgestellt worden. Die Beanstandungen bei den Prüfkriterien GAB 4 LM PK 03, GAB 4 LM PK 20 und GAB 13 A11 seien zwar aufgrund desselben Sachverhalts erfolgt, die Bewertung erfolge jedoch einzeln. Grund dafür sei, dass sich die gegenständlichen lebensmittel- und tierschutzrechtlichen Aufzeichnungsanforderungen nur zum Teil überdeckten, weshalb jeweils ein Verstoß im CC-Standard Lebensmittelsicherheit und Tierschutz vorliege. Verstöße gegen GAB 7 PK 03 und GAB 7 PK 05 stellten, da sowohl die Führung des Bestandsregisters als auch die Meldungen über die HIT-Datenbank erfolgten, auch gleichzeitig einen Verstoß gegen die HIT-Datenbank dar (GAB 7 PK 04).
12
Die Bewertung der Verstöße sei bzgl. der Kriterien „Ausmaß“, „Schwere“, „Dauer“ und „Häufigkeit“ unter Heranziehung der Definitionen zu diesen Beurteilungskriterien in Art. 38 der Delegierten Verordnung (EU) 640/2014 erfolgt und nicht zu beanstanden.
13
Mit Hinweisschreiben gem. Art. 39 Abs. 4 UAbs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 vom 17. Oktober 2016 sei darauf hingewiesen worden, dass aufgrund von wiederholten Verstößen bei einem erneuten Verstoß innerhalb von drei Kalenderjahren gegen die Prüfkriterien GAB 7 PK 01 (Verstoß Kennzeichnung), GAB 7 PK 03 (Verstoß Bestandsregister), GAB 7 PK 04 (Verstoß Datenbank HIT) und GAB 7 PK 05 (Verstoß Anzahl behobener Meldeverstöße) von einem vorsätzlichen Begehen im Sinne von Art. 40 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ausgegangen werde. Aufgrund dessen sei bei den bei der Vor-Ort-Kontrolle am 2. August 2017 festgestellten Verstößen gegen die genannten Prüfkriterien des Standards Kennzeichnung und Registrierung von Rindern (GAB 7) von vorsätzlichem Handeln ausgegangen worden.
14
Zur Berechnung des Gesamtkürzungssatzes würden fahrlässige Erstverstöße, fahrlässige Wiederholungsverstöße und vorsätzlich begangene Verstöße getrennt voneinander betrachtet. Aus der Summe dieser für Vorsatz und Fahrlässigkeit auf Grundlage der einschlägigen Verordnungen ermittelten Kürzungssätze (30% + 15%) habe sich der Gesamtkürzungssatz von 45% ergeben.
15
Das Förderrecht mit den einzuhaltenden CC-Vorschriften und das Ordnungswidrigkeitenrecht seien unabhängig voneinander bestehende Rechtsbereiche mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielsetzungen. An der Bewertung der einzelnen CC-Verstöße sei festzuhalten. Die Herabsetzung eines Bußgeldes durch ein Gericht in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren habe keine Auswirkungen auf das Förderrecht.
16
Bezüglich der einzelnen Meldefristüberschreitungen sei darauf hinzuweisen, dass alleine der Tierhalter dafür verantwortlich sei, dass seine Tiere frist- und ordnungsgemäß gemeldet würden. Auch eine Korrektur von fehlerhaften Meldungen lasse einen Verstoß nicht entfallen. Sollte es einem Tierhalter alleine nicht möglich sein, die Vielzahl seiner Meldungen zu bewältigen, habe er durch Delegation dafür Sorge zu tragen, dass diese Aufgabe zuverlässig erledigt werde.
17
Hiergegen hat der Kläger am 15. November 2019 Klage erheben lassen und beantragt zuletzt,
18
den Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten * vom 13. Dezember 2017 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2019 insoweit aufzuheben, als dem Kläger die beantragte Direktzahlung um einen Betrag von 13.953,98 EUR gekürzt worden ist und den Beklagten zu verpflichten, über den Förderantrag des Klägers für das Jahr 2017 unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
19
Die aufgeführten Verstöße seien durchweg unzutreffend bewertet. Das Verhalten des Klägers im Rahmen der Betriebsführung gebe in Wirklichkeit keinen Grund zur Beanstandung, so dass die vorgenommenen Abzüge zu Unrecht erfolgt seien. Insbesondere werde dabei auf folgende Sachverhalte hingewiesen, aus denen sich dies ergebe:
20
Die Meldefristüberschreitungen von 1.037 und 575 Tagen bezögen sich auf Tiere, die nach der Geburt fristgerecht gemeldet worden seien, aber mit dem falschen Geschlecht. Wenn dann nach längerer Zeit, etwa aufgrund des Heranwachsen des Tieres zur trächtigen Kuh oder aufgrund des Verkaufs des Tieres dieser Fehler auffalle, komme es zur Nachmeldung und damit zur Fristüberschreitung.
21
Verendete Tiere würden zur Tierkörperverwertung gegeben. Wenn in diesem Zusammenhang die Meldung nicht bei der Tierkörperverwertung angegeben werde, komme normalerweise innerhalb weniger Tage die Aufforderung der Tierkörperverwertungsanstalt. Fehle eine solche Meldung, dann falle dies regelmäßig erst auf, wenn die Tiere geimpft würden und eine Ohrmarke keinem Tier mehr zugeordnet werden könne.
22
Insgesamt habe der Kläger im benannten Zeitraum 1.284 Meldungen machen müssen. Bei der Vielzahl der Meldungen und dem relativ hohen Tierbestand von etwa 500 Tieren sei die Organisation des Meldewesens ein derart umfassendes und heikles Thema, dass Meldungsfehler passieren könnten, ohne dass dies einen entsprechenden Verstoß rechtfertige. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass bis Ende 2016 30% aller Meldungen die 7-Tages-Frist überschreiten hätten dürfen. Seit Januar 2017 seien dies nur noch 3%. Diese Änderung sei nicht sofort bekannt gewesen.
23
Für den Beklagten ist beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Anhörungsschreiben vom 23. September 2019 und im Widerspruchsbescheid wiederholend und vertiefend vorgetragen, dass die beiden von der Klägerseite angesprochenen Meldefristüberschreitungen keine Relevanz für Cross-Compliance hätten und auch nicht zur Berechnung herangezogen worden seien. Bei beiden Tieren seien im Jahr 2017 sogenannte „Storno-Meldungen“ durchgeführt worden, die jedoch zur Berechnung des Prozentsatzes an verfristeten Meldungen im Prüfbericht unter Punkt 4.9 nicht herangezogen würden. Diese seien von Klägerseite nur erwähnt worden, weil sie Teil des Bußgeldbescheides des Landratsamtes gewesen seien. Bei einem der Tiere läge überdies auch schon bei der ursprünglichen Meldung eine Fristüberschreitung vor.
26
Hinsichtlich der Meldefristüberschreitung fehlender Meldungen der Tierkörperverwertungsanstalt sei auszuführen, dass der Tierhalter selbst dafür verantwortlich sei, dass die Zugangs- bzw. Abgangsmeldungen seiner Tiere fristgerecht und ordnungsgemäß erfolgten und sein Bestandsregister immer auf dem aktuellen Stand sei (Art. 7 Abs. 1 Spiegelstrich 1 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 ViehVerkV).
27
Im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 2. August 2017 habe der Kläger entgegen seinen Ausführungen insgesamt 738 Meldungen zu leisten gehabt. Meldefristüberschreitungen seien nicht durch eine hohe Anzahl an zu leistenden Meldungen zu rechtfertigen. Notfalls müsse der Tierhalter diese Aufgabe delegieren.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
29
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 13. Dezember 2017 in der Form des Widerspruchsbescheides der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 15. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen über die bereits ausbezahlten gekürzten Beihilfen hinaus bestehenden Anspruch auf weitere Zahlungen und ist daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 und 5 Satz 1 VwGO). Die streitgegenständlichen Kürzungen sind dem Grunde und der Höhe nach gerichtlich nicht zu beanstanden.
30
Das Gericht nimmt auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid (§ 117 Abs. 5 VwGO) Bezug und sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab. Nur ergänzend wird ausgeführt:
31
1. Zwischen den Parteien unstreitig sind die Feststellungen des Veterinäramtes im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle am 2. August 2017 dem Grunde nach. Gem. Art. 91 Abs. 1 i.V.m. Art. 93 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 wird eine Verwaltungssanktion verhängt, wenn der Begünstigte Cross-Compliance Vorschriften nicht erfüllt, also etwa gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) nach Anhang II dieser Verordnung verstößt. Streit besteht insofern nur über die vorgenommene konkrete Bewertung der einzelnen Feststellungen zum Teil als „vorsätzlicher Verstoß“ bzw. hinsichtlich der Höhe der jeweils festgelegten Kürzungssätze.
32
2. Die Bewertung der Verstöße gegen die Standards GAB 7 PK 01, GAB 7 PK 03, GAB 7 PK 04 und GAB 7 PK 05 als vorsätzlich ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte ist gem. Art. 39 Abs. 4 UAbs. 3 i.V.m. Art. 40 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 zu Recht von Vorsatz ausgegangen.
33
Gem. Art. 39 Abs. 4 UAbs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 weist die Zahlstelle den betreffenden Begünstigten, wenn der Höchstsatz von 15% für Kürzungen bei fahrlässigen Verstößen erreicht ist, darauf hin, dass bei erneuter Feststellung desselben Verstoßes davon ausgegangen wird, dass der Begünstigte vorsätzlich im Sinne von Art. 40 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 gehandelt hat.
34
Der Beklagte hat den Kläger mit Hinweisschreiben vom 17. Oktober 2016 darauf hingewiesen, dass bei einem erneuten Verstoß innerhalb von drei Kalenderjahren seit der letzten Kontrolle von einem vorsätzlichen Begehen auszugehen ist und dies unter Umständen zum vollständigen Verlust der mit dem Mehrfachantrag beantragten Subventionen führen kann. In diesem Hinweisschreiben sind festgestellte Verstöße gegen die Prüfkriterien Kennzeichnung, Bestandsregister, Datenbank HIT und Anzahl behobener Meldeverstöße als Verstöße gegen Cross-Compliance Vorschriften im Bereich Kennzeichnung und Registrierung von Rindern aus den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016 aufgeführt.
35
Die im Rahmen der Kontrolle am 2. August 2017 getroffenen Feststellungen sind Verstöße gegen die Standards GAB 7 PK 01, GAB 7 PK 03, GAB 7 PK 04 und GAB 7 PK 05 und damit abermals Verstöße gegen die Prüfkriterien Kennzeichnung, Bestandsregister, Datenbank HIT sowie Anzahl behobener Meldeverstöße. Der Beklagte ist daher insoweit rechtsfehlerfrei von Vorsatzverstößen ausgegangen (Art. 39 Abs. 4 UAbs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014). Daran vermag auch der klägerische Vortrag, es handele sich um bloße Fahrlässigkeit, nichts zu ändern.
36
3. Soweit sich der Kläger gegen die konkret getroffene Bewertung dieser Vorsatzverstöße wendet, ist die Festlegung eines Kürzungssatzes von 30% gerichtlich nicht zu beanstanden.
37
a) Art. 99 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 sieht bei vorsätzlichen Verstößen eine Kürzung von grundsätzlich nicht weniger als 20% vor, die bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen gehen sowie für ein oder mehrere Kalenderjahre gelten kann. Art. 40 UAbs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014, die die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 ergänzt, nimmt eine Konkretisierung dahingehend vor, dass bei einem festgestellten vorsätzlichen Verstoß der Gesamtbetrag der Zahlungen und jährlichen Prämien gem. Art. 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 in der Regel um 20% zu kürzen ist. Nach Art. 40 UAbs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 kann auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet, und unter Berücksichtigung der Kriterien gem. Art. 38 Abs. 1 bis 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf nicht weniger als 15% des genannten Gesamtbetrags zu verringern oder auf bis zu 100% dieses Betrags zu erhöhen. Art. 38 Abs. 1 bis 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 nennt „Wiederholtes Auftreten“, „Ausmaß“, „Schwere“ und „Dauer“ als maßgebliche Kriterien.
38
Hinsichtlich der vorzunehmenden Kürzung der Förderung hat der Beklagte also eine Ermessensentscheidung in Bezug auf die Höhe des Kürzungsprozentsatzes zu treffen (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2013 - 21 ZB 13.1097 - juris Rn. 11; VG Würzburg, U.v. 5.2.2018 - W 8 K 16.1197 - juris Rn. 70 ff.). Im Rahmen des dem Beklagten damit eingeräumten Ermessens hat eine Abwägung aller maßgeblichen Umstände zu erfolgen.
39
b) Das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermessensausübung des Beklagten. Unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Behörde zu dem vertretbaren Ergebnis gelangt, den Kürzungssatz auf 30% festzulegen.
40
Die gerichtliche Kontrolle einer Ermessensausübung ist nur eingeschränkt möglich. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dem Gericht ist es versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es darf die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Des Weiteren kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägung hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO).
41
Zwar sind die Ausführungen zur Ausübung des Ermessens bei der Festlegung des Kürzungssatzes bei den Vorsatzverstößen im ursprünglichen Bescheid wie auch im Widerspruchsbescheid in Teilen formelhaft, den bloßen Normtext zitierend und wenig konkret fallgezogen ausgestaltet, jedoch lassen diese erkennen, dass jedenfalls kein Ermessensausfall vorliegt, sondern der Beklagte durchaus seinen Ermessensspielraum erkannt hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte in seinem ursprünglichen Bescheid die Höhe der Kürzung damit begründete, dass diese nach ständiger Verwaltungspraxis in derartigen Fällen 45% betrage und besondere Umstände, die ein Abweichen von dieser Regeleinstufung rechtfertigen würden, nicht ersichtlich seien. Eine gleichförmige Ermessensausübung in ähnlichen Fällen ist vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geboten. Ein Widerspruch zu Art. 40 UAbs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014, der bei einem festgestellten vorsätzlichen Verstoß von einer Regelkürzung von 20% ausgeht, ist damit nicht verbunden. Denn der Beklagte hat die Regeleinstufung anhand vergleichbarer Fälle nach ständiger Verwaltungspraxis vorgenommen, wie sich aus der Formulierung der Begründung ergibt.
42
Der Beklagte hat in seiner Begründung zur Höhe des Kürzungssatzes auch ausgeführt, dass er im Sinne des Art. 40 UAbs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 auf der Grundlage des bewertenden Teils des Kontrollberichts, in dem die zuständige Kontrollbehörde die Bedeutung der Verstöße bewertet habe, und unter Berücksichtigung der Kriterien gem. Art. 38 Abs. 1 bis 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 zur konkreten Höhe unter Einbeziehung der ständigen Verwaltungspraxis gekommen ist.
43
Ob die Ermessenserwägungen des Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden womöglich (noch) unzureichend gewesen sind, kann letztlich dahinstehen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung jedenfalls gem. § 114 Satz 2 VwGO seine Ermessenserwägungen noch einmal in zulässiger Weise ergänzt, soweit diese unvollständig gewesen sein könnten (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 50). Das Gericht kann unter Einbeziehung der im Laufe des Gerichtsverfahrens möglichen Ergänzungen jedenfalls keine Ermessensfehler des Beklagten feststellen.
44
Der Beklagte gab an, dass die Höhe des Kürzungssatzes für die vorsätzlichen Verstöße unter Berücksichtigung von Art, Dauer und Schwere der Verstöße festgelegt werde (vgl. dazu Art. 38 Abs. 1 bis 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014). Von der Regelkürzung um 20% sei wegen den Wiederholungsverstößen seit 2013 im gleichen Bereich eine Abweichung nach oben vorgenommen worden. Dabei sei insbesondere auch berücksichtigt worden, dass die Frage der ordnungsgemäßen Tierkennzeichnung für die Rückverfolgbarkeit der Tierherkunft und Weiterverarbeitung notwendig sei. Vor diesem Hintergrund sei eine geringfügige Anhebung von 20% auf 30% vorgenommen worden. Im konkreten Fall sei darüber hinaus berücksichtigt worden, dass die Verstöße zwischen 2013 und dem streitgegenständlichen Verstoß im Jahr 2017 ohne Unterbrechung in jedem Jahr stattgefunden haben. Der vorsätzliche Verstoß wäre auch dann schon anzunehmen, wenn noch zwei Jahre ohne Verstöße dazwischenliegen würden. Im konkreten Fall sei die ständige Wiederholung zwischen 2013 und 2017 im gleichen Bereich erschwerend berücksichtigt worden.
45
Diese Ermessensausübung ist rechtlich nicht zu beanstanden und berücksichtigt insbesondere, dass die bloße Wiederholung von Verstößen nach der Konzeption des europäischen Normgebers grundsätzlich erst zu einem (erstmaligen) Vorsatzverstoß mit der Regeleinstufung von 20% führt. Der Beklagte hat darüberhinausgehende Abwägungskriterien seiner Ermessensausübung zugrunde gelegt. Es liegt auch keine Ermessensüberschreitung vor, da die Behörde sich im Rahmen der ihr von den einschlägigen Normen gegebenen Ermächtigung hält, eine Kürzung zwischen 15% und 100% vorzunehmen (Art. 91 Abs. 1 i.V.m. Art. 99 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 40 UAbs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 7). Eine Verletzung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich.
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4. Soweit der Kläger im Übrigen ausführt, die im Widerspruchsbescheid angeführten Verstöße seien durchweg unzutreffend bewertet, ist hinsichtlich der einzelnen Verstöße und deren Bewertung weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, inwieweit die jeweilige Bewertung unzutreffend sein soll. Insbesondere sind die weiteren Ausführungen, weshalb bezüglich der Meldeverstöße kein Vorsatz, sondern bloße Fahrlässigkeit vorliegen soll, vor dem Hintergrund der oben dargelegten Normkonzeption nicht geeignet, die dahingehende Bewertung durch den Beklagten durchgreifend infrage zu stellen.
47
Soweit der Kläger zwei konkrete Meldefristüberschreitungen rügt, sind diese jedenfalls nicht Bestandteil des streitgegenständlichen Bescheids geworden, wie sich aus den dem Bescheid zugrundeliegenden Akten ergibt. Die Quote der Meldefristüberschreitungen von 4,10%, die zu einer Kürzung der Beihilfen geführt hat, umfasst nach einer dazugehörigen Aufstellung aller Meldefristverstöße im streitgegenständlichen Zeitraum (Bl. 86 der Behördenakte) nicht die von dem Kläger explizit gerügten Meldefristüberschreitungen. Diese waren ausweislich der Akten nur Bestandteil eines vom hiesigen Verfahren unabhängig zu betrachtenden Bußgeldverfahrens (Seite 4 des Bußgeldbescheids vom 16.1.2018; Bl. 54 der Behördenakte).
48
Meldefristüberschreitungen sind auch nicht durch eine hohe Anzahl an zu leistenden Meldungen zu rechtfertigen. Der Tierhalter ist unabhängig von der Anzahl der zu tätigenden Meldungen zu einer frist- und ordnungsgemäße Meldung der Zu- und Abgänge im Bestandsregister verpflichtet (vgl. etwa Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 i.V.m. §§ 29, 32 Abs. 1 ViehVerkV).
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5. Dass in einem parallelen Bußgeldverfahren das festgesetzte Bußgeld gerichtlich reduziert wurde, ist für das hiesige förderrechtliche Verfahren ohne Belang. Das Förderrecht samt einzuhaltender CC-Vorschriften und das Ordnungswidrigkeitenrecht sind nämlich unabhängig voneinander bestehende Rechtsbereiche mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielsetzungen.
II.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
51
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.