Inhalt

LSG München, Urteil v. 01.07.2020 – L 1 R 436/19
Titel:

Rentenversicherung, Versicherungspflicht, Zulassung, Berufung, Leistungen, Arbeitgeber, Befreiung, Widerspruchsbescheid, Rechtsanwaltschaft, Rechtsanwaltskammer, Widerspruch, Beiladung, Pflichtmitgliedschaft, Gerichtsbescheid, Befreiung von der Versicherungspflicht, gesetzlichen Rentenversicherung, Zulassung der Rechtsanwaltschaft

Schlagworte:
Rentenversicherung, Versicherungspflicht, Zulassung, Berufung, Leistungen, Arbeitgeber, Befreiung, Widerspruchsbescheid, Rechtsanwaltschaft, Rechtsanwaltskammer, Widerspruch, Beiladung, Pflichtmitgliedschaft, Gerichtsbescheid, Befreiung von der Versicherungspflicht, gesetzlichen Rentenversicherung, Zulassung der Rechtsanwaltschaft
Vorinstanz:
SG München, Gerichtsbescheid vom 09.08.2019 – S 14 R 282/18
Fundstelle:
BeckRS 2020, 16852

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 9. August 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob der Kläger für seine vom 15.03.2016 bis 10.06.2016 ausgeübte Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH in A-Stadt von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu befreien ist.
2
Der 1980 geborene Kläger ist Volljurist und war zunächst ab 01.05.2013 als angestellter Rechtsanwalt bei S. Rechtsanwälte beschäftigt. Auf seinen Antrag befreite die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 16.10.2013 für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei S. Rechtsanwälte ab dem 20.06.2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Der Bescheid enthält einen ausdrücklichen Hinweis, dass er auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt ist.
3
Ebenfalls seit 20.06.2013 war der Kläger Mitglied der Rechtsanwaltskammer A-Stadt sowie kraft Gesetzes Pflichtmitglied der beigeladenen Bayerischen Versorgungskammer, Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, A-Stadt (Bestätigung vom 13.09.2017).
4
Vom 15.03.2016 bis 10.06.2016 war der Kläger als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
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Am 31.03.2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten für seine Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Er verwies auf die gesetzliche Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer A-Stadt und die Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen. Er habe außerdem am 12.03.2016 bei der Rechtsanwaltskammer A-Stadt nach § 46a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt beantragt. Einen Nachweis über die Zulassung legte der Kläger nicht vor.
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Mit Bescheid vom 21.03.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Voraussetzung für die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer und zugleich in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung wegen ein und derselben Beschäftigung bestehe. Der Kläger habe keine Zulassung nach § 46a BRAO nachgewiesen, wodurch keine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer aufgrund der Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH bestehe.
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Mit Schreiben vom 28.04.2017 legte der Kläger Widerspruch ein. Die Tätigkeit eines Rechtssekretärs sei mit der eines angestellten Rechtsanwalts vergleichbar. Er vertrete Fälle vor Gericht und unterliege dabei keinen Weisungen seines Arbeitgebers. Dazu verwies er auf ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.04.2014 (Az. S 25 R 2578/13). Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2018 zurückgewiesen.
8
Am 28.02.2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er hat darauf hingewiesen, dass es sich bei der vom 15.03.2016 bis 10.06.2016 ausgeübten Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär um eine anwaltliche Tätigkeit im Rechtssinn entsprechend § 46 Abs. 3 BRAO gehandelt habe. Allerdings habe die Rechtsanwaltskammer A-Stadt aufgrund der fehlenden Mitwirkung seines Arbeitgebers dem Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht stattgegeben. Die B. GmbH wolle ihren Rechtsschutzsekretären keine Privilegierung gegenüber den Verwaltungsangestellten in der Altersvorsorge mehr zukommen lassen, sodass die erforderliche Mithilfe bei der Antragstellung, insbesondere die Bestätigung der Angaben des Klägers sowie die Bestätigung einer Tätigkeitsbeschreibung, aus „ideologischen“ Gründen nicht erfolgt sei. Dazu hat er Zeugen angeboten und folgende Unterlagen vorgelegt: - Anstellungsvertrag zwischen ihm und der B. GmbH vom 17.02.2016 - Rahmentarifvertrag - Stellenausschreibung - Qualitätshandbuch der B. GmbH - Das Formular „Tätigkeitbeschreibung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin/Rechtsanwalt“ der Rechtsanwaltskammer A-Stadt.
9
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich nach der ab 01.01.2016 geltenden Rechtslage bei der (bestandskräftigen) Zulassung als Syndikusrechtsanwalt um eine gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht handle. Diese liege im Fall des Klägers nicht vor. Damit fehle es an einer essentiellen Befreiungsvoraussetzung, nämlich der doppelten Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und der berufsständischen Versorgungseinrichtung für ein und dieselbe Tätigkeit.
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Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 09.08.2019 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH vom 15.03.2016 bis 10.06.2016 zu Recht abgelehnt. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum als Rechtsschutzsekretär abhängig beschäftigt gewesen und aufgrund dieser Beschäftigung auch rentenversicherungspflichtig. In den Entscheidungen vom 03.04.2014 (Az. B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R) habe das Bundessozialgericht grundlegend entschieden, dass, wer als Rechtsanwalt zugelassen und zugleich rentenversicherungspflichtig beschäftigt sei, wegen seiner berufsständischen Versorgung für diese Beschäftigung nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden könne. Aus der zum 01.01.2016 erfolgten Rechtsänderung ergebe sich (ebenfalls) kein Rechtsanspruch des Klägers auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für seine Tätigkeit bei der B. GmbH. Der Gesetzgeber habe auf die oben genannte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwar dadurch reagiert, dass er zum 01.01. 2016 § 46 BRAO geändert und die §§ 46a bis 46c BRAO eingeführt habe. Dadurch würden insbesondere Syndikusrechtsanwälte ab dem 01.01.2016 bzw. mit Datum der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt Rechtsanwälten gleichgestellt. Eine solche habe der Kläger jedoch nicht inne. Betroffene, die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht erwirken könnten, seien weder laufend noch rückwirkend als Syndikusrechtsanwalt befreiungsfähig. Die Umstände, aufgrund derer von einer Antragstellung abgesehen worden bzw. eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt habe nicht erwirkt werden können, seien dabei nach dem Wortlaut des Gesetzes für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage unerheblich (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.2019, L 2 R 3561/18).
11
Ein weiterer Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die ab 10.06.2017 aufgenommene Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt bei der D. GmbH amp; Co. KG war erfolgreich. Mit seiner Berufung hat der Kläger erneut auf das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.04.2014 hingewiesen. Darin sei festgestellt worden, dass das Berufsbild eines Rechtssekretärs dem Berufsbild eines in einer Rechtsanwaltskanzlei angestellten Rechtsanwalts entspreche. Die Rechtsprechung zu Syndikusrechtsanwälten sei deshalb nicht uneingeschränkt übertragbar. Das Sozialgericht sei daher fälschlicherweise davon ausgegangen, dass das Sozialgericht die Rechtsprechung des BSG übersehen habe. Schließlich sei übersehen worden, dass dem Kläger die Antragstellung aus ideologischen Gründen des Arbeitgebers faktisch unmöglich gemacht worden sei. Das Urteil des Landessozialgerichts Stuttgart vom 20.03.2019 befasse sich nur mit der Rückwirkung.
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Im Erörterungstermin am 22.01.2020 hat der Kläger erklärt, dass es hinsichtlich der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt noch keine Entscheidung der Rechtsanwaltskammer gebe. Er habe das Verfahren nicht mehr weiter betrieben. Er hat an seiner Auffassung festgehalten, dass in diesem Fall eine eigenständige Prüfung und Entscheidung der Beklagten anhand der berufsbezogenen Merkmale, die in seinem Fall zweifellos erfüllt seien, zu erfolgen habe. Dafür benötige er eine Entscheidung des Senats. Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
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Mit Beschluss vom 31.01.2020 ist die Bayerische Versorgungskammer, Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung zum Verfahren beigeladen worden und hat ebenfalls ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
14
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 09.08.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für seine vom 15.03.2016 bis 10.06.2016 ausgeübte Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
15
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 09.08.2019 zurückzuweisen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
18
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 ist gegenüber dem Kläger rechtmäßig ergangen, weil dieser keinen Anspruch darauf hat, in der streitigen Beschäftigung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit zu werden.
19
1. Die Streitsache ist entscheidungsreif. Von einer möglichen Aussetzung des Verfahren gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG sieht der Senat ab.
20
Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei. Diese Voraussetzungen sind vorliegend auch erfüllt. Rechtsgrundlage für die streitige Befreiung ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Danach setzt die Befreiung voraus, dass der Kläger in der streitigen Beschäftigung als (Syndikus-)Rechtsanwalt zugelassen ist. Die Entscheidung darüber ist, wie nachfolgend auszuführen sein wird, aber ausschließlich von der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu treffen. Da nach Aussage des Klägers eine förmliche Entscheidung in diesem Verfahren noch nicht ergangen ist, weil er das Verfahren nicht mehr weiterbetrieben hat, käme eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung der Kammer bzw. des nachfolgend ggf. anzurufenden Anwaltsgerichtshofs in Betracht. Allerdings hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass er diesen Weg nicht gehen möchte, weil er die Auffassung vertritt, die tatbestandlichen Voraussetzungen seien in diesem Fall ausschließlich durch die Beklagte zu prüfen.
21
Abgesehen hat der Senat auch von einer Beiladung der B. GmbH. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung liegen nicht vor. Nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Eine derartige Beiladung muss von Amts wegen jedoch nur ausgesprochen werden, wenn die im Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre des Dritten unmittelbar eingreift (Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG Rn. 41). Die logische Notwendigkeit einer übereinstimmenden Entscheidung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Entscheidung unmittelbar in die Rechtssphäre des Betreffenden eingreifen kann (st. Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 24.03.2016 - B 12 KR 6/14 R -, SozR 4-2500 § 5 Nr. 27). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger ist bei der B. GmbH nicht mehr beschäftigt. Nach Auffassung des Klägers hängt die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und damit die streitige Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zwar davon ab, ob der Arbeitgeber an dem Verfahren zur Anerkennung als Syndikusrechtsanwalt mitwirkt. Dies betrifft aber ebenfalls ausschließlich das Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer und ggf. nachfolgend vor dem zuständigen Anwaltsgerichtshof. Im vorliegenden Verfahren ergibt sich eine unmittelbare Betroffenheit der B. GmbH auch nicht aus der Tatsache, dass in Konsequenz einer für den Kläger günstigen Entscheidung in einem gesonderten Verfahren (noch) über die Verwendung der danach zu Unrecht an die Beklagten zu entrichteten Beiträge zu entscheiden wäre (BSG, Urteil vom 09.10.2007 - B 5b/8 KN 2/06 R -).
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2. Der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ergibt sich nicht aus dem Befreiungsbescheid vom 16.10.2013, da die darin ausgesprochene Befreiung sich ausschließlich auf die Tätigkeit bei der S. Rechtsanwälte bezieht und mit dem Ausscheiden und Wechsel zur B. GmbH zum 15.03.2016 keine rechtliche Wirkung mehr entfaltet (BSG, Urteil vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R -).
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3. Auch der Tatbestand der Fortwirkung der Befreiung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist nach dem Wechsel in ein anderes Beschäftigungsverhältnis nicht mehr erfüllt. Zwar erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet (§ 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Allerdings war die Tätigkeit des Klägers bei der B. GmbH nicht von vornherein zeitlich begrenzt oder befristet, sondern ist nach dem Anstellungsvertrag vom 17.02.2016 zunächst auf unbestimmte Zeit vereinbart worden.
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3. In der seit 15.03.2016 ausgeübten Tätigkeit des Klägers als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH sind die Voraussetzungen für die beantragte Befreiung nicht erfüllt.
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
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3.1. Der Kläger war im streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV) als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH und aufgrund dieser Beschäftigung auch rentenversicherungspflichtig (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 Alt. 1 SGB VI).
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3.2. Die weiterhin bestehende Zulassung als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer A-Stadt mit gleichzeitiger verpflichtender Mitgliedschaft bei der Beigeladenen führt zwar dazu, dass die formalen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt sind. Allerdings gibt § 6 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die „Beschäftigung, wegen der“ sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Das war vorliegend ausschließlich die bis zum Beginn des streitigen Zeitraums ausgeübte anwaltliche Tätigkeit des Klägers für die S. Rechtsanwälte. Auch wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine „Beschäftigung“ noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, muss das Erfordernis einer anwaltlichen Tätigkeit aufgrund des Tatbestandselements derselben Beschäftigung auch für die streitige Beschäftigung geprüft werden. Dazu hat das BSG die Auffassung vertreten, dass dies bei einer neben einer anwaltlichen Tätigkeit ausgeübten abhängigen Beschäftigung von vornherein ausscheidet (vgl. dazu grundlegend Entscheidungen des BSG vom 03.04.2014 (B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R). Rechtlich unerheblich ist dabei, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich „Elemente“ der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist oder mit dieser vergleichbar ist. Aus Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt (BSG, Urteil vom 03.04.2014 - B 5 RE 13/14 R -; juris Rn. 33).
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Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des BSG vom 15.12.2016 (Az. B 5 RE 7/16 R -), wonach auch ein bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellter Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandanten der Gesellschaft in steuerrechtlichen Angelegenheiten berät und vor Gericht vertritt, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann. Denn in diesem Fall war der Rechtsanwalt wegen dieser Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der zuständigen Rechtsanwaltskammer und des berufsständischen Versorgungswerks. Jedenfalls für die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ist nach § 3 Nr. 1 Steuerberatergesetz die Zulassung als Steuerberater oder Rechtsanwalt zwingende Voraussetzung. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär bei der B. GmbH mit dem Inhalt der Beratung und Prozessführung vor den Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten entsprechend der Stellenbeschreibung und des Qualitätshandbuchs der B. GmbH erforderte dies gerade nicht (vgl. auch § 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 SGG, § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz und § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung; so auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 05.12.2018 - L 19 R 895/14 -, für eine Tätigkeit als Referent bei einer Steuerberaterkammer).
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3.3. Der Kläger ist auch nicht als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46 Abs. 2 BRAO in der seit 01.01.2016 geltenden Fassung vom 21.12.2015 zu befreien. Zwar können danach auch Angestellte anderer als der in Absatz 1 genannten Personen oder Gesellschaften ihren Beruf als Rechtsanwalt ausüben, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). Gemäß § 46c BRAO gelten für Syndikusrechtsanwälte die Vorschriften über Rechtsanwälte, d.h. es wäre bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch die Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich. Der Syndikusrechtsanwalt bedarf aber zur Ausübung seiner Tätigkeit nach Satz 1 der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 46a BRAO. Daran fehlt es vorliegend, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.
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Ob die in § 46a BRAO geregelten berufsbezogenen Merkmale für die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts während der Tätigkeit des Klägers für die B. GmbH erfüllt waren und der Kläger einen Anspruch auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt hätte, ist vom Senat nicht zu prüfen. Denn über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entscheidet nicht der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Entscheidung über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, sondern gemäß § 46a Abs. 2 BRAO ausschließlich die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer nach Anhörung des Trägers der Rentenversicherung. Der Träger der Rentenversicherung ist bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VI an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer gebunden. Gegen die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer ist gemäß § 46a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 112a Abs. 1 und 2 BRAO der Rechtsweg zu den Anwaltsgerichtshöfen eröffnet.
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Dass der Gesetzgeber damit die Entscheidung über die für die Befreiung erforderliche Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließlich den Rechtsanwaltskammern zugewiesen hat, ergibt sich zweifelsfrei auch aus der Entstehungsgeschichte und der umfangreichen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5201 S. 20 Ziffer 3 und 4). Dies gilt auch für die gerichtliche Überprüfungsentscheidung, für die in erster Instanz der Anwaltsgerichtshof und in zweiter Instanz der Bundesgerichtshof zuständig sind, die schon nach früherem Recht bisher über Rechtsmittel gegen die Versagung der Zulassung als Rechtsanwalt entschieden haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.