VG Ansbach, Urteil v. 22.06.2020 – AN 19 K 19.00587
Titel:

Abwasserabgabe bei Überschreitung einzuhaltender Grenzwerte

Normenketten:
BayAbwV § 6
BayAbwAG § 4 Abs. 4, Abs. 5
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7
WHG § 3 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
Leitsatz:
Auch bei einmaliger, unverschuldeter Nichteinhaltung der Überwachungswerte ist die Zahl der Schadeinheiten zu erhöhen.  (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unverschuldetes einmaliges Ereignis, Überschreitung der Überwachungswerte, Kläranlage, Grenzwerte, Niederschlagswasser, Abwasserabgabe, Schadstoffeinheit, Berechnung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 16697

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer durch Bescheid festgesetzten Abwasserabgabe. Die Klägerin betreibt eine Kläranlage, von der aus Abwasser und verschmutztes Niederschlagswasser in das Gewässer der … eingeleitet wird.
2
Mit Bescheid vom 16. Februar 1993 (Blatt 55 ff. der Gerichtsakte) war der Klägerin die Einleitung des in der Kläranlage behandelten Abwassers, Gemarkung …, in die … genehmigt worden. Dabei wurden folgende einzuhaltende Überwachungswerte (gültig ab dem 1. Januar 2000) festgesetzt:
- CSB: 90 mg/l
- BSB 5: 20 mg/l
- Nges: 18 mg/l
- Pges: 2 mg/l.
3
Unter dem 30. November 2016 gab die Klägerin für die einzelnen Quartale im Jahr 2017 niedrigere Werte nach § 4 Abs. 5 AbwAG an:
CSB: 70 mg/l
Nges: 4 mg/l
Pges: 0,8 mg/l
4
Die Analyse einer am 7. März 2017 entnommenen Probe ergab unter anderem folgenden Wert:
CSB: 105 mg/l.
5
Die Analyse einer am 5. Juli 2017 entnommenen Probe ergab unter anderem folgende Werte (Bl. 77 GA):
CSB: 322 mg/l
Nges: 12 mg/l
Pges: 13,1 mg/l
6
Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 setzte das Landratsamt … für das Jahr 2017 eine Abwasserabgabe in Höhe von 36.896,63 EUR fest (Blatt 33 ff. der Behördenakte).
7
Für die Berechnung wurden unter anderem folgende Werte zugrunde gelegt:
8
Für den Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 sowie 1. Oktober 2017 bis 31. Dezember 2017 (Zeitraum 1):
CSB: 70 mg/l
Pges: 0,8 mg/l
Nges: 4 mg/l
9
Für den Zeitraum 1. Juli 2017 bis 30. September 2017 (Zeitraum 2):
CSB: 90 mg/l
Pges: 2 mg/l
Nges: 18 mg/l
10
Wegen einmaliger Überschreitung der Werte im Veranlagungszeitraum CSB, Pges und Nges, die für den Zeitraum 1 zugrunde gelegt wurden, betrug die für diesen Zeitraum insgesamt zu zahlende Abgabe: 26.965,28 Euro.
11
Wegen einmaliger Überschreitung der Werte im Veranlagungszeitraum CSB sowie Pges, die für den Zeitraum 2 zugrunde gelegt wurden, betrug die für diesen Zeitraum insgesamt zu zahlende Abgabe: 9.921,35 Euro.
12
Auf die Berechnung wird Bezug genommen (Bl. 36, 37 BA).
13
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin so genannte Erklärungen über die Einhaltung geringerer Werte gemäß § 4 Abs. 5 Abwasserabgabengesetz (AbwAG) abgegeben habe. Die Überprüfung der vorgelegten Messprogramme habe ergeben, dass im dritten Quartal 2017 die niedriger erklärten Werte durch die amtliche Messung am 5. Juli 2017 nicht eingehalten worden seien. Die Berechnung der Abgabe erfolge deshalb unter Berücksichtigung der anteiligen Jahresschmutzwassermenge nach den Bescheidswerten.
14
Mit Schriftsatz vom 18. März 2019, bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tag, erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 14. Februar 2019. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägervertreterin,
die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben.
15
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2020 (Bl. 25 GA) ließ die Klägerin die Klage wie folgt begründen:
16
Die Kläranlage … unterschreite die geforderten Reinigungswerte bei Normalbetrieb deutlich, so dass die Klägerin seit Jahrzehnten von der Möglichkeit Gebrauch mache, freiwillig niedrigere Werte als im Bescheid vom 16. Februar 1993 festgesetzt, quartalsmäßig im Voraus zu erklären. Die Entwässerungseinrichtung der Klägerin halte regelmäßig die Grenzwerte
- CSB: 70 mg/l
- Nges: 4 mg/l
- Pges: 0,8 mg/l ein
(Meldungen für das Jahr 2017, Anlage K2; Bl. 41-46 GA).
17
Dies führe zu einer Reduzierung der Abwasserabgabe.
18
Im Rahmen der turnusgemäßen Wartung am 4. Juli 2017 sei durch das Unternehmen ... das Handmessgerät (PH-Sonde) in der Kläranlage … überprüft worden. Zudem sei die an anderer Stelle verbaute, neue optische Sauerstoffsonde durch den Monteur der Firma überprüft worden. Bei diesen Arbeiten sei vermutlich aufgrund von Unachtsamkeit des Monteurs der Signalgeber (Messumformer) der Sauerstoffsonde deaktiviert worden. Als Folge davon habe die Kläranlage … ihre Reinigungsleistung nur noch im Notlaufprogramm erbringen können. Dies sei jedoch für den Kläranlagenleiter und den Klärwärter im Laufe dieses Tages nicht ersichtlich gewesen. Da im Belebungsbecken aufgrund des Notprogrammes nach wie vor Sauerstoff zugeführt worden sei, was am Sprudeln des Beckens erkennbar gewesen sei, hätten die Mitarbeiter von einem ordnungsgemäßen Betrieb der Klägeranlage ausgehen müssen.
19
Bereits am 5. Juli 2017 hätten die beiden Mitarbeiter unmittelbar nach Dienstbeginn gegen 6:30 Uhr festgestellt, dass die Sichttiefe im Belebungsbecken nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Unmittelbar danach sei mit der Suche nach der Ursache der Störung begonnen und der Fehler behoben worden.
20
Gegen 8:00 Uhr desselben Tages sei bereits ein Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes (WWA) … an der Kläranlage eingetroffen und habe mitgeteilt, dass aufgrund eines anonymen Anrufes eine Störmeldung der Kläranlage angezeigt worden sei (E-Mail des WWA vom 28.8.2017). Im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht sei die Abwasserbehandlungsanlage der Klägerin sodann vom WWA kontrolliert worden. Dabei sei eine Überschreitung der Bescheidswerte festgestellt worden.
21
Die vorliegende Klage richte sich gegen den Bescheid vom 14. Februar 2019, dieser sei rechtswidrig. Wie der behördlichen Akte des WWA … zu entnehmen sei, sei mit anonymem Schreiben vom 27. Februar 2017 behauptet worden, Mitarbeiter der Kläranlage … würden Abwasserwerte fälschen und hochbelastetes Abwasser in die … leiten. Dies sei nachweislich nicht zutreffend. Überdies habe ein Mitarbeiter der Kläranlage vor dem streitgegenständlichen Vorfall mehrfach Unregelmäßigkeiten auf dem Kläranlagengelände feststellen können, welche ein unbefugtes Betreten der Kläranlage nahelegten. In der Folge sei eine Überwachungskamera im Betriebsgelände angebracht worden. Bevor es jedoch zu einer Auswertung des aufgezeichneten Materials gekommen sei, sei die Kamera widerrechtlich entfernt worden. Daraufhin seien die Schlösser an der Kläranlage ausgetauscht worden.
22
Der Bescheid des Landratsamtes vom 14. Februar 2019 sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Zwar sei die Klägerin als Einleiterin von Abwasser und verschmutztem Niederschlagswasser in ein Gewässer grundsätzlich gemäß § 1 AbwAG abgabenpflichtig. Bei den vom WWA am 5. Juli 2017 festgestellten Werten handle es sich allenfalls und offensichtlich um einen einmaligen Ausreißer. Die Messwerte seien daher gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG i.V.m. § 6 Abs. 1 Abwasserverordnung (AbwV) nicht zu berücksichtigen gewesen. Der Störfall, der vorliegend keine 24 Stunden angedauert habe, habe zu einer einmaligen Überschreitung der Überwachungswerte geführt. Damit sei insgesamt nicht eine dauerhafte Einleitung von stark verschmutztem Abwasser, das die festgesetzten Grenzwerte überschreite, gegeben. Entgegen der Auffassung des WWA sei die Ursache für die ungenügende Reinigungsleistung nicht auch dadurch begründet, dass einzelne Belüftungsteller im Belebungsbecken defekt gewesen seien. Denn ein Verstopfen einzelner Perlatoren von ca. 200 verbauten Stück sei betriebsimmanent. Der Sauerstoff werde dann lediglich in konzentrierterer Form dem Abwasser zugeführt. Die Perlatoren könnten nicht einzeln getauscht werden, so dass diese bereits seit Jahrzehnten in gewissen Intervallen komplett getauscht würden. Diese Praxis habe bislang zu keinem Zeitpunkt zu einer Verschlechterung der Abwasserwerte geführt.
23
Die Erhöhung der Abgabe führe insoweit zu einer ungebührlichen Belastung der Klägerin, die den Störfall nicht verschuldet habe. Die Sauerstoffsonde habe am 4. Juli 2017 um 9:59 Uhr ein letztes Signal gegeben. Genau zu dieser Zeit sei der Vertreter der beauftragten Firma … mit seiner Überprüfung des Gerätes beschäftigt gewesen. Erst ab diesen Zeitpunkt sei der übliche und nötige Reinigungsablauf der Kläranlage massiv eingeschränkt gewesen. Da die Klägerin die Überwachung der Kläranlage einem Fachunternehmen übertragen habe, habe sie darüber hinaus alles Erforderliche getan, um das Eintreten eines derartigen Störfalles zu vermeiden und sicherzustellen, dass die maßgebliche Technik der Kläranlage reibungslos funktioniere.
24
Darüber hinaus gelte gemäß § 6 Abs. 1 AbwV der erklärte Wert als eingehalten, da das Ergebnis der streitgegenständlichen Probe und der vier vorausgegangenen staatlichen Überprüfungen in vier Fällen jeweils den maßgeblichen Wert nicht überschritten hätten. Überdies seien im Jahr 2017 niedrigere Werte erklärt und eingehalten worden, als durch Bescheid festgesetzt. Dies bestätige die Konstanz der Anlage und der Werte. Die Nichteinhaltung der Werte für eine Dauer von unter 24 Stunden stelle einen Ausreißer dar. Die Erhöhung der Abwasserabgaben für das gesamte Jahr 2017 widerspreche dem Festsetzungszweck wie auch der Verhältnismäßigkeit. Die Festsetzung der erhöhten Abwassergebühren durch den streitgegenständlichen Bescheid sei damit rechtswidrig und würde die Rechte der Klägerin verletzen.
25
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2020 nahm das Landratsamt … für den Beklagten zur Klage Stellung und führte aus, dass aufgrund der im Rahmen der amtlichen Überwachung am 7. März 2017 festgestellten Probleme auf der Kläranlage … (Bescheidswertüberschreitungen bei BSB 5 und CSB) vom WWA eine weitere zeitnahe amtliche Überwachung der Anlage vorgesehen gewesen sei (vgl. E-Mail vom 12. April 2017, Bl. 75 der Gerichtsakte). Aufgrund einer anonymen Mitteilung sei diese kurzfristig am 5. Juli 2017 vom PSW und vom zuständigen Flussmeister des WWA durchgeführt worden. Vor Beginn der Beprobung seien vom anwesenden Betriebspersonal der Kläranlage … keine Hinweise auf Probleme der Kläranlage gemacht worden, die z.B. den Verzicht auf die amtliche Überwachung gerechtfertigt hätten. Die amtliche Überwachung sei gemäß den Vorgaben des Wasserrechtsbescheids vom 16. Februar 1993 als „nicht abgesetzte homogenisierte Zweistundenmischprobe“ durchgeführt worden und habe eine massive Überschreitung der Bescheidswerte ergeben. Die bei der Anlagenbegehung gemachten Feststellungen vor Ort hätten Hinweise auf eine unzureichende Abwasserreinigung ergeben. Deren Ursache habe jedoch nicht eindeutig bestimmt werden können, da hierfür verschiedene Einflussfaktoren (EWSwidrige Einleitungen, unzureichend funktionierende Belüftung, später festgestellte Nichtfunktion der Sauerstoffsonde) in Frage gekommen seien. Somit hätten aus wasserwirtschaftlicher Sicht zu keinem Zeitpunkt Sachverhalte vorgelegen, die einen Verzicht auf die amtliche Überwachung angebracht erscheinen ließen. Die Durchführung der amtlichen Überwachung sei bescheidsgemäß und nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt. Dementsprechend seien die Messergebnisse vom 5. Juli 2017 bei der Berechnung und Festsetzung der Abwasserabgabe für das Jahr 2017 zu berücksichtigen und zu würdigen gewesen. Insofern habe das Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit anlässlich einer Dienstbesprechung der Wasserrechtsreferenten festgestellt, dass bereits eine einmalige Überschreitung zu einer Abgabesteigerung führe. Hier sei auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 1997, 8 B 170.97, und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. November 2006, 7 C 5.06, verwiesen worden. Das Wasser- und Abgabenrecht kenne den Begriff der „Betriebsstörung“ nicht. Jede Überschreitung eines einzuhaltenden Wertes gehe in die Abgabenberechnung ein, dabei seien alle korrekten Messungen zu berücksichtigen; eine Nichtbeachtung oder Streichung von amtlichen Messergebnissen sei unzulässig.
26
Ferner führte das Landratsamt für den Beklagten aus, dass die Aussage in der Klagebegründung unter Ziffer II. 2, der „erklärte“(?) Wert nach § 6 Abs. 1 AbwV unter Anwendung der sog. Vier-von-Fünf-Regel sei eingehalten worden, so nicht richtig bzw. unvollständig sei. Einerseits handle es sich bei den einzuhaltenden Werten um Bescheidswerte und nicht um erklärte Werte; andererseits sei ein Wert, der um mehr als 100% im Rahmen der amtlichen Messung überschritten werde, für sich alleine nicht eingehalten; die Vier-von-Fünf-Regel sei hier nicht anzuwenden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz AbwV: „und kein Ergebnis den Wert um mehr als 100% übersteigt“).
27
Der Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten, wegen der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
29
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 14. Februar 2019, mit dem für das Jahr 2017 eine Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt 36.896,33 Euro festgesetzt wurde, ist rechtmäßig.
30
1. Nach § 1 Satz 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne des § 3 Nrn. 1 bis 3 WHG eine Abwasserabgabe zu entrichten. Die Klägerin ist als Einleiter abgabepflichtig, § 9 Abs. 1 AbwAG.
31
2. Die Höhe der Abwasserabgabe richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nach der Schädlichkeit des Abwassers, die unter Heranziehung verschiedener dort genannter Faktoren in Schadeinheiten bestimmt wird. Grundsätzlich errechnet sich die der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten zugrundeliegende Schadstofffracht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides. Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG ist die Einhaltung des Bescheids im Rahmen der Gewässerüberwachung nach den wasserrechtlichen Vorschriften durch staatliche oder staatlich anerkannte Stellen zu überwachen. Ergibt die Überwachung, dass ein der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert im Veranlagungszeitraum nicht eingehalten ist und auch nicht als eingehalten gilt, wird die Zahl der Schadstoffeinheiten erhöht, § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG.
32
a) Vorliegend war die Zahl der Schadstoffeinheiten zu erhöhen, weil im Rahmen der staatlichen Überwachung eine Überschreitung der durch einen Bescheid festgesetzten zulässigen Grenzwerte für CSB und Pges bzw. die erklärten Werte für CSB, Pges und Nges festgestellt wurde und die Messergebnisse vom 5. Juli 2017 verwertbar sind (1) sowie die „Vier-von-Fünf-Regel“ keine Anwendung findet (2):
33
(1) Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass bei der am 5. Juli 2017 entnommenen Probe erhöhte Überwachungswerte gemessen wurden.
34
Diese gemessenen Werte sind auch verwertbar. Dabei steht ihrer Verwertbarkeit nicht entgegen, dass die erhebliche Überschreitung der Überwachungswerte nach Angaben der Klägerin auf einem unverschuldeten, einmaligen Ereignis beruhen. Bereits dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 4 AbwAG ist zu entnehmen, dass bei einmaliger Nichteinhaltung der Überwachungswerte die Zahl der Schadeinheiten zu erhöhen ist. Warum es zu einer Nichteinhaltung der Überwachungswerte kam, spielt bereits nach dem Gesetzeswortlaut keine Rolle. Auch nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Festsetzung der Abgabe ein derartiges Ereignis zu berücksichtigen (BayVGH, Beschluss vom 23.04.2009, Az. 22 ZB 07.819; Beschluss vom 19.2.1999, Az. 22 ZB 97, 1961, BVerwG, Beschluss vom 20.08.1997, Az. 8 B 169/97). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dessen Argumentation das Gericht vorliegend folgt, führt dazu in seinem Beschluss vom 23. April 2009, Az. 22 ZB 07.819, aus: „Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass Störfälle zu erheblichen Überschreitungen der Überwachungswerte und damit zu einer starken Erhöhung der Abwasserabgabe führen können und sie auch möglicherweise nicht vom Abgabepflichtigen verschuldet worden sind, hat der Gesetzgeber im Regelungssystem des § 4 Abs. 4 AbwAG die Abgabenrelevanz sog. ´Ausreißer´ durch Störfälle in von Verfassungs wegen nicht zu beanstandender Weise grundsätzlich in Kauf genommen, zumal § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG auf die Problematik von Störfällen insoweit Rücksicht nimmt, als von einer Erhöhung dann abgesehen wird, wenn ein Überwachungswert - trotz tatsächlicher Überschreitung - ´als eingehalten gilt´(vgl. § 6 Absatz 1 AbwV).“
35
Da die behördliche Überwachung ergeben hat, dass Bescheidswerte nicht eingehalten wurden, ist die Erhöhung nach § 4 Abs. 4 AbwAG zu berechnen. Danach ist die Zahl der Schadeinheiten für den gesamten Veranlagungszeitraum zu erhöhen, wenn in diesem Zeitraum der Bescheidswert einmal nicht eingehalten wurde. Dabei ist ein erklärter Wert für die Berechnung der Zahl der Schadeinheiten ohne Bedeutung, § 4 Abs. 6 AbwAG.
36
Diese erhöhten Werte waren gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 AbwAG auch für das gesamte Jahr 2017 und nicht nur für das Quartal, in dem die erhöhten Werte gemessen wurden, zu Grunde zu legen. Auch insoweit hat sich der Gesetzgeber bewusst für harte finanzielle Folgen bei der Überschreitung der Überwachungswerte entschieden (BVerwG, Beschluss vom 15. 4. 2008 - 7 B 9/08.
37
Auch das Argument der Klägerseite, dass ein Kläranlagenbetreiber und damit am Ende die Gebührenschuldner für das Verschulden eines Dritten haften müssen, verfängt nicht. Hält der Kläranlagenbetreiber einen Dritten für die Überschreitung der Werte verantwortlich, so bleibt es ihm unbenommen, auf dem Zivilrechtsweg Schadensersatz einzuklagen. Dies spielt jedoch für die verwaltungsrechtliche Bewertung der Überwachungswerteüberschreitung keine Rolle.
38
(2) Die „Vier-von-Fünf-Regel“ nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV findet keine Anwendung. Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV gilt ein nach dieser Verordnung einzuhaltener oder in der wasserrechtlichen Zulassung festgesetzter Wert als eingehalten, wenn die Ergebnisse dieser und der vier vorausgegangenen staatlichen Überprüfungen in vier Fällen den jeweils maßgebenden Wert nicht überschreiten und kein Ergebnis den Wert um mehr als 100 Prozent übersteigt. Die Analyse der am 5. Juli 2017 entnommenen Probe hat sowohl beim Wert CSB (322 mg/l statt 90 mg/l) als auch beim Wert Pges (13,1 mg/l statt 2 mgl) eine Überschreitung von weit mehr als 100 Prozent ergeben, so dass diese Ergebnisse der Berechnung der Abwasserabgabe zugrunde zu legen sind. Beim Wert Nges wurde keine Überschreitung der festgesetzten Werte festgestellt, so dass es insoweit auch nicht zu einer Erhöhung der Abgabe diese festgesetzten Werte betreffend kam. Da jedoch der gemessene Wert Nges mit 12mg/l über den erklärten Werten lag, wurde die Abgabe in Bezug auf die erklärten Werte erhöht. Ausweislich des Wortlautes findet § 6 Abs. 1 AbwV keine Anwendung bei erklärten Werten. Im Übrigen läge hier auch eine Überschreitung von weit mehr als 100 Prozent vor (12 mg/l statt der erklärten 4 mg/l).
39
b) Fehler bei der Berechnung des Erhöhungsfaktors nach § 4 Abs. 4 AbwAG sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Gleiches gilt für die Berechnung der Höhe der Abwasserabgabe.
40
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.