Inhalt

SG München, Beschluss v. 29.06.2020 – S 46 SO 507/19 ER
Titel:

Anwaltsgebühren im Zwangsgeldverfahren nach § 201 Abs. 1 SGG

Normenketten:
RVG § 3 Abs. 1, § 33
SGG § 183, § 197a, § 201
Leitsatz:
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG werden die Gebühren im Verfahren nach § 201 Abs. 1 SGG immer nach dem Gegenstandswert berechnet. Wenn das dem Zwangsgeldverfahren zugrundeliegende sozialgerichtliche Verfahren gerichtskostenfrei ist, ist auch das Zwangsgeldverfahren gerichtskostenfrei. Dann ist gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit selbständig festzusetzen. Als Gegenstandswert ist die Hälfte des angedrohten Zwangsgelds festzusetzen. (Rn. 5 – 7)
Schlagworte:
Gebühren, Gegenstandswert, Zwangsgeld, Zwangsgeldverfahren, Sozialgericht, anwaltliche Tätigkeit, Wertfestsetzung
Fundstellen:
JurBüro 2020, 482
BeckRS 2020, 15922
LSK 2020, 15922

Tenor

Der Gegenstandswert für das Zwangsgeldverfahren zum Eilverfahren S 54 SO 507/19 ER wird auf 375,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner wurde im Eilverfahren S 54 SO 507/19 ER [später geführt unter dem Aktenzeichen S 46 SO 507/19 ER] mit Beschluss vom 16.01.2020 durch einstweilige Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 17.10.2019 bis 30.06.2020 weitere Leistungen der Hilfe zur Pflege für eine dauernde Anwesenheitsbereitschaft zu gewähren.
2
Am 03.02.2020 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Androhung eines Zwangsgeldes und gegebenenfalls nach vergeblichem Fristablauf dessen Festsetzung. Der Antrag wurde nicht beziffert. Der Antragsgegner habe den vorangegangenen Beschluss nicht umgesetzt. Das Sozialgericht teilte dem Antragsgegner mit, dass ein erstes Zwangsgeld von 750,- Euro als angemessen erscheine. Anfang März 2020 bestätigten die Beteiligten eine Zahlung an den Pflegedienst, der die Pflegeleistung aus dem Eilverfahren erbracht hatte. Die Hauptsache des Zwangsgeldverfahrens wurde von der Antragstellerin für erledigt erklärt. Der Antragsgegner gab ein Kostengrundanerkenntnis ab.
3
Die Antragstellerin beantragte die Festsetzung des Gegenstandswertes. Die Beteiligten wurden zur Wertfestsetzung angehört.
II.
4
§ 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) regelt die Anwaltsgebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten. Zwangsgeldverfahren nach § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind besondere Angelegenheiten mit eigenem Gebührenanspruch. Umstritten war, ob Zwangsgeldverfahren zur Durchsetzung von Entscheidungen in gerichtskostenfreien Verfahren nach § 183 SGG mittels Betragsrahmengebühren (so z.B. SG Fulda, Beschluss vom 05.09.2012, S 4 U 8/0) oder mittels Gegenstandswert (so z.B. SG Berlin, Beschluss vom 04.03.2009, S 164 SF 194/09 E) zu berechnen sind.
5
Mit dem Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz wurde zum 01.08.2013 in § 3 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVG klargestellt, dass im Verfahren nach § 201 Abs. 1 SGG die Anwaltsgebühren immer nach dem Gegenstandswert zu berechnen sind.
6
Gemäß § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch einen gesonderten Beschluss fest, wenn sich die Gebühren nicht nach dem Wert für die Gerichtsgebühren berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Das dem Zwangsgeldverfahren zugrundeliegende Eilverfahren ist gemäß §§ 183, 197a SGG gerichtskostenfrei, weil die Antragstellerin als Leistungsempfängerin beteiligt war. Das Zwangsgeldverfahren nach § 201 SGG ist dann gleichfalls ein gerichtskostenfreies Verfahren. Die Festsetzung eines Streitwerts nach § 197a SGG i.V.m. §§ 63, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) kommt daher nicht in Betracht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2019, L 32 AS 2265/18 B ER PKH, Juris Rn. 18). Damit fehlt es an einem Wert für die Gerichtgebühren im Sinn von § 33 Abs. 1 RVG. Der entsprechende Festsetzungsantrag wurde von der Antragstellerin gestellt.
7
Im Verfahren nach § 201 SGG ist der Gegenstandswert entsprechend § 23 Abs. 3 RVG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG auf die Hälfte des in Aussicht gestellten Zwangsgeldes festzusetzen. Ein bezifferter Antrag liegt nicht vor, so dass von dem Zwangsgeld auszugehen ist, das das Gericht mit 750,- Euro als angemessen erachtete. Nicht maßgeblich ist dagegen der Wert der Leistung aus dem Hauptsacheverfahren, um deren Durchsetzung es geht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.12.2006, L 7 B 124/03 KA in Anlehnung an den Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit; SG Berlin, Beschluss vom 04.03.2009, S 164 SF 194/09 E unter Hinweis auf das unmittelbare Ziel der zwangsweisen Durchsetzung der vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung). Die Halbierung ergibt sich daraus, dass es im ersten Schritt lediglich um die Androhung eines Zwangsgeldes geht, erst in einem zweiten Schritt um dessen Festsetzung.
8
Dieser Beschluss ergeht ohne Kostenentscheidung, § 33 Abs. 9 RVG. Gründe für eine Zulassung der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG sind nicht erkennbar.