Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.05.2020 – 6 ZB 19.2344
Titel:

Ablehnung des Antrags auf Betriebsprämie

Normenketten:
ViehVerkV § 29, § 32
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 4, Art. 5, Art. 6, Anh. II, Anh. III
VO (EG) Nr. 1760/2000 Art. 7 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1122/2000 Art. 72 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs ist gesetzlich verpflichtet, den in seinem Betrieb tatsächlich vorhandenen Tierbestand im Bestandsverzeichnis und der HIT-Datenbank exakt anzugeben; das gilt auch dann, wenn ein Krankheitsgeschehen in seinem Betrieb aufgetreten ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei wiederholten und vorsätzlichen Verstößen gegen Cross-Compliance Verpflichtungen kann eine Kürzung der Betiebsprämie auch um 100% erfolgen, ohne dass darin ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Landwirtschaftliche Subventionen, Betriebsprämie, Bestandsregister, HIT-Datenbank, Registrierungs- und Meldepflichten eines Rinderhalters, Blauzungenimpfung, Krankheitsgeschehen im Betrieb, „Beweissicherung“, Vorsatz, Verhältnismäßigkeit, Cross-Compliance-Regelungen, Kürzung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 11.10.2019 – Au 8 K 19.227
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14699

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Oktober 2019 - Au 8 K 19.227 - wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.573,77 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2
1. Der Kläger wendet sich u.a. gegen die Ablehnung seines Antrags auf Betriebsprämie für das Wirtschaftsjahr 2014.
3
Er ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs und hat am 14. Mai 2014 einen Mehrfachantrag u.a. auf Betriebsprämie durch Aktivierung der Zahlungsansprüche gestellt. Er hat hierbei versichert, dass er von den Verpflichtungen und Hinweisen in der Broschüre „Cross Compliance 2014“ Kenntnis genommen habe und diese einhalte.
4
Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 4. November 2014 hat das Veterinäramt festgestellt, dass sich im Bestand des Klägers lediglich 16 Rinder befanden, während das Bestandsregister und die HIT-Datenbank einen Bestand von 64 Rindern auswiesen.
5
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 lehnte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Antrag aufgrund von Verstößen des Klägers gegen Cross-Compliance-Bestimmungen (Melde- und Registrierungspflicht des Viehbestands) ab und kürzte u.a. die Betriebsprämie um 100%. Bereits im Jahr 2011 waren dem Kläger wegen gleichartiger Verstöße Zuwendungen um 5%, 2012 um 15% und 2013 um 23% gekürzt worden.
6
Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2019 zurück.
7
Mit Urteil vom 11. Oktober 2019 hat das Verwaltungsgericht die daraufhin erhobene Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 15. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 16. Januar 2019 rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Bewilligung von Subventionen für das Jahr 2014, weil er seit 2011 bis 2014 eine Berichtigung seines Bestandsverzeichnisses und der HIT-Datenbank in Bezug auf 48 Rinder, die seit Jahren nicht mehr im Bestand stünden, unterlassen habe. Hierdurch habe er vorsätzlich, andauernd und beharrlich gegen die Cross-Compliance-Regelungen verstoßen.
8
2. Die vom Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
9
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
10
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 - 6 ZB 17.2521 - juris Rn. 4). Das ist hier nicht der Fall.
11
Wie das Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung entschieden hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Subventionen für das Jahr 2014.
12
Der Kläger hat als Empfänger von Zahlungen für Agrarumweltmaßnahmen (Art. 36 lit. a Unterabs. iv VO (EU) Nr. 1698/2005) für den gesamten Betrieb die in den Art. 4, 5 und 6 sowie in den Anhängen II und III der VO (EG) Nr. 73/2009 genannten Grundanforderungen an die Betriebsführung und Vorschriften für die Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (Cross-Compliance-Regelungen) zu erfüllen. Dazu gehören nach Anhang II Buchst. A Nr. 7 VO (EG) Nr. 73/2009 auch Anforderungen an die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren gemäß Art. 7 der VO (EG) Nr. 1760/2000, wonach Tierhalter ein Register auf dem neuesten Stand halten und der zuständigen Behörde alle Veränderungen des Tierbestands (jede Verbringung von Tieren in den oder aus dem Betrieb sowie die Daten aller Tiergeburten und Todesfälle) innerhalb bestimmter Fristen mitteilen müssen. Hierzu hat die Kommission in der VO (EG) Nr. 1082/2003 Durchführungsvorschriften für die in dem System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern vorgesehenen Kontrollen erlassen. Auf nationaler Ebene werden diese Vorschriften konkretisiert durch die Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr - Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV). Nach § 29 Abs. 1 ViehVerkV hat der Tierhalter der zuständigen Behörde oder einer von dieser beauftragten Stelle jede Veränderung seines Rinderbestandes innerhalb von sieben Tagen anzuzeigen unter Angabe der Registriernummer seines Betriebes sowie, bezogen auf das einzelne Tier, der Ohrmarkennummer, des Zugangsdatums und des Abgangsdatums. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 ViehVerkV hat der Tierhalter Eintragungen in das Bestandsregister unverzüglich vorzunehmen.
13
Diese Regelungen stellen auf den tatsächlich im Betrieb vorhandenen Rinderbestand ab, der im Register entsprechend verzeichnet sein muss. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt und der Kläger auch nicht bestritten hat, hat dieser seit 2011 eine Berichtigung seines Bestandsverzeichnisses und der HIT-Datenbank unterlassen, indem er den Abgang von 48 Rindern nicht eingetragen hat.
14
Die im Zulassungsantrag vom Kläger im Einzelnen genannten Gründe für diesen - wiederholten und langjährigen - Regelverstoß führen nicht zur Zulassung der Berufung. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass durch eine behördlich angeordnete Blauzungenimpfung im Jahr 2008 eine Infektion bei sämtlichen Tieren in seinem Bestand aufgetreten sei, die zum Zusammenbruch der gesamten Herde geführt habe. Infolge dieser Impfmaßnahme seien die Tiere an der Tierseuche „chronischer Botulismus“ erkrankt; auch die Familie des Klägers habe sich infiziert. Der Kläger begehre Aufklärung darüber, ob die Zwangsimpfung kausal ursächlich mit der Erkrankung der Nutztiere und der Menschen in Zusammenhang stehe. Die Ursache der Erkrankung könne nur durch ein human- und veterinärmedizinisches Sachverständigengutachten geklärt werden. Im Einvernehmen mit dem Veterinäramt sei geplant gewesen, den Betrieb des Klägers als „Isolierbetrieb“ einzurichten, um festzustellen, weshalb und woran seine Tiere erkrankt seien. Ohne vorherige Mitteilung an den Kläger, dass das Forschungsprojekt doch nicht realisiert werde, sei kurze Zeit später der gesamte Viehbestand mit Ausnahme der hochträchtigen Rinder und Kälber abgeholt worden. Bei der Abholung sei dem Kläger wahrheitswidrig mitgeteilt worden, dass die Tiere lediglich in einen anderen Betrieb verbracht würden; stattdessen habe der Kläger nur diverse Schlachtabrechnungen erhalten.
15
Hiermit kann der Kläger nicht durchdringen. Sämtliche seiner Einwände ändern nichts an der Tatsache, dass dieser seit 2011 eine Berichtigung des Bestandsverzeichnisses und der HIT-Datenbank bewusst unterlassen und damit fortdauernd gegen seine Anzeige- und Registrierpflichten als Tierhalter verstoßen hat. Auch nach dem mit der Zulassungsbegründung vorgelegten Bericht zur Vor-Ort-Kontrolle vom 1. Oktober 2019 führt der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb nach wie vor nicht „ordnungsgemäß“, wie er in der Zulassungsbegründung vortragen lässt. Vielmehr wird auch in diesem Bericht bestätigt, dass er seit 2011 keine Meldungen in der HIT-Datenbank mehr vorgenommen hat. Statt der gemeldeten 63 GV wurden im Jahr 2019 lediglich 21 Tiere einer Mutterkuh-Herde (davon 6 Kälber) und damit etwa ein Viertel des Besatzes im Betrieb festgestellt.
16
Der Kläger ist jedoch gesetzlich verpflichtet, den in seinem Betrieb tatsächlich vorhandenen Tierbestand im Bestandsverzeichnis und der HIT-Datenbank exakt anzugeben. Seine Annahme, dass er gleichsam gezwungen sei, keine Berichtigungsmeldung vorzunehmen, weil er keine andere Möglichkeit der Beweissicherung habe, geht fehl. Das von ihm geschilderte Krankheitsgeschehen in seinem Betrieb und das erstrebte Sachverständigengutachten berechtigen den Kläger nicht dazu, seine Melde- und Registrierpflichten seit Jahren außer Acht zu lassen. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach entschieden (BayVGH, B.v. 9.5.2017 - 13a ZB 16.2075 - juris Rn. 4 und 5; B.v. 9.5.2017 - 13a ZB 16.1974 - juris Rn. 4 und 5). Aus welchem Grund der Tierbestand des Klägers dezimiert worden ist, ist dabei ebenso wenig maßgeblich wie seine Behauptung, dass die gesundheitlichen Probleme seiner Tiere auf die Blauzungenimpfung zurückzuführen und die zur Zwangsimpfung in den Jahren 2008/2009 führenden bayerischen Impfvorschriften nicht EUkonform gewesen seien.
17
Mit dem Verwaltungsgericht ist angesichts des langjährigen, wiederholten und beharrlichen Pflichtenverstoßes von Vorsatz des Klägers auszugehen, auch wenn dieser das bestreitet. Er war von Vertretern des Beklagten mehrfach auf seine Pflichten hingewiesen worden und wusste dies auch aufgrund der vorangegangenen Kürzungsbescheide aus den Jahren 2011, 2012 und 2013. Auch aus Gerichtsverfahren waren ihm diese Tatsachen bewusst (BayVGH, B.v. 9.5.2017 - 13a ZB 16.2075 - juris Rn. 4 und 5; B.v. 9.5.2017 - 13a ZB 16.1974 - juris Rn. 4 und 5). Die von ihm angestrebte „Beweissicherung“ lässt sich nicht dadurch erreichen, dass er sich hartnäckig weigert, seine Melde- und Registrierpflichten zu erfüllen. Vielmehr führt ein solches Verhalten unweigerlich zu (weiteren) finanziellen Einbußen in Form von Subventionskürzungen, ohne dass der Kläger damit seinem Ziel, die Ursachen der Erkrankung zu erforschen, in irgendeiner Weise näher kommt.
18
Das Verwaltungsgericht hat schließlich zu Recht die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Kürzung für das Jahr 2014 auf 100% festzulegen, nicht beanstandet. Verstöße gegen Cross-Compliance Verpflichtungen führen nach Art. 19 Abs. 2 VO (EU) Nr. 65/2011 zu Kürzungen gemäß Art. 70 ff. VO (EG) Nr. 1122/2009. Nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 beläuft sich die Kürzung bei einem vom Betriebsinhaber begangenen vorsätzlichen Verstoß in der Regel auf 20% des Zuwendungsbetrags; der Kürzungsbetrag kann aber auch - wie hier - auf 100% erhöht werden. Angesichts der Dauer und Wiederholungen des Verstoßes sowie der Tatsache, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Tuns bewusst sein musste, ist die Kürzung in dieser Höhe gerechtfertigt. Für einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird nichts Substantiiertes dargelegt (BayVGH, B.v. 9.5.2017 - 13a ZB 16.2075 - juris Rn. 4; B.v. 19.8.2013 - 21 ZB 13.1097 - juris Rn. 16).
19
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
20
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).