Inhalt

VGH München, Urteil v. 22.06.2020 – 3 BV 18.1447
Titel:

Wartezeit für die Versorgung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bei Teilzeitbeschäftigung

Normenketten:
BeamtStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Nr. 3, § 32
BayBeamtVG Art. 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, Art. 24 Abs. 1
RL 97/81/EG Anh. § 2 Nr. 1, § 4 Nr. 1, Nr. 2, § 6 Abs. 4
AEUV Art. 288 Abs. 3
EUV § 4 Abs. 3
VwGO § 67 Abs. 4 S. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Auch Teilzeitbeamte/-innen können nach fünf Jahren Dienstzeit Anspruch auf Ruhegehalt haben. (Rn. 16)
2. Für die Berechnung der versorgungsrechtlichen Mindestdienstzeit (Wartezeit) nach § 32 BeamtStG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BayBeamtVG von fünf Jahren als Voraussetzung für die Entstehung eines Ruhegeldanspruchs sind Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung in vollem Umfang und nicht nur zu dem Teil zu berücksichtigen, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. (Rn. 25)
Schlagworte:
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, Dienstunfähigkeit, versorgungsrechtliche Wartezeit, Teilzeitbeschäftigung, Ruhegehalt, Arbeitszeit, Sinn und Zweck, Gleichbehandlung, Wartezeit, Versorgung, Teilzeitrichtlinie
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 22.03.2018 – Au 2 K 18.90
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
BayVBl 2021, 22
BeckRS 2020, 14664
LSK 2020, 14664

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Die 1971 geborene Klägerin (Grundschullehrerin Besoldungsgruppe A 12) wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem seit 16. November 2014 bestehenden Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit Ablauf des 30. Juni 2016 wegen Dienstunfähigkeit (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 BeamtStG; Bescheid v. 22.3.2016 und Widerspruchsbescheid v. 31.5.2016). Nach Ansicht des Beklagten habe die Klägerin die versorgungsrechtliche Mindestdienstzeit von fünf Jahren („Wartezeit“) nach § 32 BeamtStG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BayBeamtVG nicht erfüllt. Sie habe zwar bei Erlass der Entlassungsverfügung (unter Außerachtlassung der Zeiten ihrer familienpolitischen Beurlaubung) mehr als fünf Jahre im Beamtenverhältnis zum Dienstherrn gestanden (vom 11.9.1995 bis 16.9.1997 im Beamtenverhältnis auf Widerruf; in familienpolitischer Teilzeit vom 1.3.2004 bis 31.7.2005 [im Beamtenverhältnis auf Probe] und vom 1.8.2012 bis 31.7.2015), aber während dieser Zeit überwiegend in Teilzeit gearbeitet. Unter anteiliger Berücksichtigung ihrer Teilzeitbeschäftigung habe sie eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 4 Jahren und 98,42 Tagen abgeleistet.
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Der dagegen erhobenen Anfechtungsklage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. März 2018 statt, da der Zeitraum, in der die Klägerin teilzeitbeschäftigt war, bei der Berechnung der versorgungsrechtlichen Mindestdienstzeit nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG voll zu berücksichtigen sei. Dies ergebe sich aus der erforderlichen Auslegung der insoweit auslegungsbedürftigen und auch auslegungsfähigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG („soweit sie ruhegehaltfähig ist“). Das gesetzgeberische Ziel der Ableistung einer Mindestdienstzeit sei nicht im Sinne einer tatsächlichen Dienstleistung zu verstehen, sondern der Zeit, während der das aktive Beamtenverhältnis rechtlich bestanden habe. Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG finde als bloße Berechnungsregel für die Höhe des Ruhegehalts insoweit keine Anwendung. Das Lebenszeitprinzip solle dem Beamten eine persönliche Unabhängigkeit gewährleisten. Eine unter Umständen erhebliche Verlängerung der Zeiten einer rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Teilzeitbeamten konterkariere den Sinn und Zweck des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit und des Alimentationsprinzips. Die systematische Auslegung, Normüberschrift und Stellung des Art. 11 BayBeamtVG im Zweiten Teil, Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 stütze dieses Auslegungsergebnis. Der Bundesgesetzgeber habe durch die mit Wirkung vom 11. Januar 2017 (BGBl. I S. 17) in Kraft getretene Ergänzung von Satz 2 des § 4 Abs. 1 BeamtVG zwischenzeitlich eine Klarstellung vorgenommen, um den unionsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der bayerische Gesetzgeber gleichwohl bewusst und gewollt eine andere Regelung habe treffen wollen. Schließlich spreche auch eine europarechtskonforme Auslegung mit Blick auf eine andernfalls vorliegende Ungleichbehandlung nach § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie Nr. 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (Anhang der Richtlinie 97/81/EG; Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit) für diese Rechtsauffassung.
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Der Beklagte führte zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung an, dass sich die Einschränkung „soweit sie ruhegehaltfähig ist“ (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG) auch dem Umfang nach auf die Ruhegehaltfähigkeit der Dienstzeit beziehe. Die Annahme, der Gesetzgeber habe vom in Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG kodifizierten Grundsatz der Pro-rata-temporis-Berechnung abweichen wollen, finde weder im Wortlaut - „ruhegehaltfähig“ nehme auf die Legaldefinition in Art. 24 BayBeamtVG Bezug - noch in der Entstehungsgeschichte des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG eine Grundlage. Der bayerische Landesgesetzgeber habe die Änderung der entsprechenden bundesrechtlichen Regelung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BeamtVG) gerade nicht nachvollzogen. Auch aus der Systematik des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ergebe sich die nur anteilige Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung. Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG entspreche dem Grundsatz der Dienstzeitabhängigkeit der Beamtenversorgung. Deshalb sei es in Ansehung des Alimentationsprinzips geboten, mit Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG eine gewisse Mindestdienstleistung als Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs auf Beamtenversorgung zu verlangen. Beim Abstellen auf eine Dienstleistung nur dem Grunde nach könne - unter Berücksichtigung der in die Wartezeit einzurechnenden Vordienstzeiten - bereits eine sehr kurze tatsächliche Dienstleistung zu einem Versorgungsanspruch des Beamten oder seiner Hinterbliebenen führen, was angesichts des nach Erfüllung der Wartezeit bestehenden Anspruchs auf Mindestversorgung unverhältnismäßig wäre. So betrage die Mindestarbeitszeit bei familienpolitischer Teilzeit nach Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG lediglich 8 Stunden pro Woche (derzeit 20 v.H. der regulären Wochenarbeitszeit). Obwohl damit in einem Zeitraum von fünf Jahren lediglich ein Jahr ruhegehaltfähige Dienstzeit erdient sei, entstünde ein Anspruch auf Mindestversorgung in Höhe von 35 v.H. der ruhegehaltfähigen Bezüge (Art. 26 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG), was einer vollen Dienstzeit von fast 20 Jahren entspreche. Offenkundig sei bei Teilzeitbeschäftigten mit geringem Arbeitsumfang die Höhe der Besoldung bzw. Versorgung nicht geeignet, die persönliche Unabhängigkeit eines Beamten in dem Maße zu sichern, wie es die Alimentierung für Vollzeitbeamte gewährleiste. Das Ableisten einer Mindestdienstleistung sei zwar im Sinne einer aktiven Dienstzeit, nicht im Sinne einer tatsächlich, kalendermäßig abgeleisteten Dienststunde zu verstehen. Das Lebenszeitprinzip und das Alimentationsprinzip rechtfertigten es aber, ein ausgewogenes zeitliches Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit und damit zwischen aktiver Beschäftigungszeit und Versorgungsansprüchen zu gewährleisten. Darin komme zum Ausdruck, dass sich die Alimentation des Beamten bzw. seiner Hinterbliebenen im Ruhestand nur rechtfertige, wenn dessen Arbeitskraft dem Dienstherrn zuvor über einen längeren Zeitraum uneingeschränkt zur Verfügung gestanden habe. Ein verringerter Beschäftigungsumfang des Beamten rechtfertige es daher, ruhegehaltfähige Dienstzeiten nur anteilig zu berücksichtigen, um so dem verschobenen beamtenrechtlichen Pflichtengefüge Rechnung zu tragen. Nach dem im Leistungsprinzip verankerten Grundsatz der Dienstzeitabhängigkeit müsse sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlagen. Dieser Grundsatz sei verletzt, wenn sich das Ruhegehalt des teilzeitbeschäftigten Beamten an der Versorgung eines Vollzeitbeschäftigten orientierten. Es liege keine Ungleichbehandlung vor, da auch Vollzeitbeschäftigte eine Mindestdienstzeit zu erfüllen hätten. Auch bei Vollzeitbeschäftigten, die ihr Beschäftigungsverhältnis durch nicht ruhegehaltfähige Zeiten (zum Beispiel Elternzeit) unterbrächen, sei ein längerer Zeitraum als fünf Jahre zum Erwerb von Ansprüchen auf Ruhegehalt nötig. Die von der Klägerseite zitierte Rechtsprechung sei auf die beamtenrechtliche Versorgung nicht übertragbar, weil sich der Gerichtshof der Europäischen Union darin mit der Wartezeit in einem Betriebsrentensystem befasst habe, in dem keine Mindestversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährleistet werde. Darüber hinaus habe sich das Erstgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass die beamtenrechtliche, vergleichsweise hohe Mindestversorgung und das Ableisten einer nach zeitlichem Umfang berechneten Mindestdienstleistung keine Gründe seien, die nur Teilzeitbeschäftigte träfen. Diese Kriterien würden beispielsweise genauso für ohne Dienstbezüge beurlaubte Vollzeitbeschäftigte (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG) oder für Beamte, die wegen begrenzter Dienstfähigkeit nur eingeschränkt zu verwenden sind (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BayBeamtVG), gelten. Somit ließen die beamtenrechtlichen Besonderheiten Raum für eine Differenzierung aus sachlichen Gründen nach § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG. Der geringere Umfang der Dienstleistung stelle vor dem Hintergrund beamtenrechtlicher Besonderheiten einen solchen sachlichen Grund dar.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. März 2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Art. 11 BayBeamtVG regele grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen, wohingegen Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG eine Berechnungsregelung enthalte. Aus dem Umstand, dass der Landesgesetzgeber die bundesrechtliche Gesetzesänderung nicht nachvollzogen habe, könne nicht der Schluss gezogen werden, Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG sei bei der Ermittlung der besoldungsrechtlichen Wartezeit heranzuziehen. Die klägerseitig vertretene Auslegung sei allein europarechtskonform. Der Grundsatz, dass die Alimentation des Beamten Korrelat zur Dienstleistungspflicht sei und sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlagen müsse, werde nicht verletzt; Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG werde insoweit nicht angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht habe hierzu ausgeführt, dass die Zweckbestimmung der Wartezeit allein an die Tätigkeit des aktiven Dienstes anknüpfe und dadurch ein hinreichender Zeitraum sichergestellt werden müsse, in dem der Beamte die Aufgaben seines (Beförderungs-)Amtes wahrgenommen und die entsprechende Versorgung erdient habe. Eine Mindestversorgung von 35 v.H. bei einem Teilzeitumfang von nur 20 v.H. sei auch nicht unverhältnismäßig; es obliege dem Gesetzgeber, etwa einen Mindestteilzeitumfang (etwa von 30 v.H.) als Voraussetzung für den Erwerb eines Versorgungsanspruchs vorzuschreiben. Im Gegenteil sei es unverhältnismäßig, wenn ein Beamter bei einem Teilzeitumfang von nur 20 v.H. eine Wartezeit von 25 Jahren abzuleisten hätte.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behörden- und Personalakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten (Schriftsätze vom 27.6.2019 und 8.7.2019) ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht der Anfechtungsklage stattgegeben. Der Bescheid der Regierung von Schwaben vom 22. März 2016, mit dem die Klägerin mit Ablauf des 30. Juni 2016 aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde, und der Widerspruchbescheid vom 31. Mai 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamte u. a. dann zu entlassen, wenn sie dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet (Nr. 3) bzw. wenn sie nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist (Nr. 2). Dementsprechend bestimmt § 32 BeamtStG, dass die Versetzung in den Ruhestand die Erfüllung einer versorgungsrechtlichen Wartezeit voraussetzt. Diese Wartezeit ist erfüllt, wenn der Beamte aufgrund der von ihm zurückgelegten Dienstzeit ein Ruhegehalt beanspruchen kann. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG wird ein Ruhegehalt nur gewährt, wenn der Beamte eine Dienstzeit von mindestens fünf Jahren abgeleistet hat. Die Dienstzeit wird ab dem Zeitpunkt der ersten Berufung in das Beamtenverhältnis gerechnet und nur berücksichtigt, soweit sie ruhegehaltfähig ist (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG). Wird das Erfordernis einer fünfjährigen Dienstzeit nicht erfüllt, so wird der Beamte, falls nicht eine gesetzliche Ausnahmeregelung eingreift, nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG entlassen.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die versorgungsrechtliche Mindestdienstzeit („Wartezeit“) von fünf Jahren gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BayBG i.V.m. § 32 BeamtStG erfüllt hat. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin bei voller Berücksichtigung des Zeitraums, in der sie teilzeitbeschäftigt war, eine Dienstzeit von mehr als sechs Jahren zurückgelegt hat. Eine bloß anteilige Berücksichtigung ihrer Teilzeitbeschäftigung, wonach die Klägerin eine Dienstzeit von (lediglich) 4 Jahren und 98,42 Tagen abgeleistet hat, kommt nicht in Betracht.
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Letztlich kann dahinstehen, ob bereits das nationale Recht es gebietet, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BayBeamtVG in dem Sinne auszulegen, dass Zeiträume, in denen der Beamte teilzeitbeschäftigt war, ohne Rücksicht auf den Umfang der individuellen Arbeitszeitermäßigung in vollem Umfang zu berücksichtigen sind. Diese nach nationalem Recht zumindest mögliche Auslegung ist jedenfalls deshalb geboten, weil allein sie europarechtskonform ist (h.M. vgl. VGH BW, B.v. 18.12.2018 - 4 S 2453/17 - juris Ls. 2 zu § 85 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG BW; OVG NW, B.v. 8.6.2012 - 6 B 390/12 - juris Ls. 2; B.v. 27.6.2014 - 3 A 125/14 - juris Rn. 20 ff.; von Roetteken, jurisPR-ArbR 30/2012 Anm. 6; v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 19. Update Juni 2020, § 23 Rn. 86 jeweils zum wortgleichen § 4 Abs. 1 Nr. 1, Satz 2 BeamtVG; Schachel in Schütz/Maiwald, Stand: Februar 2020, § 4 BeamtVG Rn. 10; Groepper/Tegethoff in Plog/Wiedow, Stand: Januar 2020, § 4 BeamtVG Rn. 29; Stadler in GKÖD § 4 BeamtVG Rn. 33; Wittmer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. I, Stand Februar 2020, § 4 BeamtVG Rn. 61 ff.; a.A. Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2019 in Art. 11 BayBeamtVG Rn. 10).
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1.1 Nationale Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck des Unionsrechts auszurichten, um das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, U.v. 5.10.2004 - Pfeiffer, C-397/01 u.a. - Slg. 2004, I-8835 - Rn. 47 ff; U.v. 13.11.1990 - Marleasing, C-106/89 - Slg. 1990, S. I-4135 Rn. 8; U.v. 16.12.1993 - Wagner Miret, C-334/92 - Slg. 1993, S. I-6911 Rn. 20; vgl. U.v. 10.4.1984 - von Colson und Kamann, 14/83 - Slg. 1984, S. 1891 Rn. 26; stRspr). Allerdings findet die unionsrechtliche Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV) zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (stRspr vgl. BVerfG, B.v. 26.9.2011 − 2 BvR 2216/06 u. a. - juris Rn. 47 m.w.N.; BGH, U.v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11 - juris Rn. 20). Dadurch werden die richterlichen Kompetenzgrenzen aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Art. 20 Abs. 3 GG gewahrt.
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Die versorgungsrechtlichen Bestimmungen des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes lassen eine Auslegung nach den anerkannten Auslegungsmethoden dahingehend zu, dass Zeiträume, in denen der Beamte teilzeitbeschäftigt war, ohne Rücksicht auf den Umfang der individuellen Arbeitszeitermäßigung in vollem Umfang im Rahmen der versorgungsrechtlichen Mindestdienstzeit („Wartezeit“) zu berücksichtigen sind.
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Ausgangspunkt ist die Auslegung der Einschränkung „soweit sie ruhegehaltfähig ist“ in Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG, die nach dem Wortlaut hinsichtlich der vollen oder nur anteiligen Berücksichtigung der Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nicht eindeutig ist (vgl. bereits OVG NW, B.v. 8.6.2012 - 6 B 390/12 - juris Rn. 9 zur gleichen Formulierung in § 4 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG). Diese Einschränkung kann so verstanden werden, dass sie sich auf die Ruhegehaltfähigkeit der Dienstzeit dem Grunde oder dem Umfang nach bezieht (vgl. OVG NW, B.v. 27.6.2014 - 3 A 125/14 - juris Rn. 7; B.v. 8.6.2012 a.a.O. Rn. 5 ff.).
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Dies gilt auch vor dem Hintergrund der systematischen Stellung und des Wortlauts des Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG, der nach seiner amtlichen Überschrift „Allgemeine Bestimmungen zur Berücksichtigung von Dienstzeiten“ zum Gegenstand hat. Auch nach Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG ist die gesamte Zeit der Teilzeitbeschäftigung dem Grunde nach ruhegehaltfähig, wenn auch nur zu dem Teil, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht; er stellt insoweit eine Berechnungsregel zu dem zu berücksichtigenden Zeitfaktor auf, wohingegen Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG eine Anspruchsvoraussetzung normiert (Groepper/Tegethoff in Plog/Wiedow § 4 BeamtVG Rn. 29; OVG NW, B.v. 8.6.2012 - 6 B 390/12 - juris Rn. 10, jeweils zu § 4 und § 6 BeamtVG). Art. 11 BayBeamtVG regelt - wie der Normüberschrift zu entnehmen ist und das Erstgericht zu Recht feststellte - in Abs. 1 und Abs. 2 das Entstehen des Anspruchs, in Abs. 3 hingegen die Berechnung des Ruhegehalts. Die der Anspruchsvoraussetzung folgende Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG beinhaltet eine Regelung für die Berechnung der Höhe des Ruhegehalts und findet insoweit im Rahmen des Art. 11 BayBeamtVG (in europarechtskonformer Auslegung) nur auf dessen Absatz 3 Anwendung. Eine Legaldefinition des in Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG vorausgesetzten Begriffs „ruhegehaltfähig“ im Sinn des Beklagten lässt sich dem Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG hingegen nicht entnehmen. Aus der Untätigkeit des bayerischen Gesetzgebers mit Blick auf die Änderung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG kann kein für die Auslegung maßgeblicher gesetzgeberischer Wille abgeleitet werden. Einer entsprechenden unionsrechtskonformen Auslegung kann sie jedenfalls nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.
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1.2 Die Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG („soweit sie ruhegehaltfähig ist“) ist unionsrechtlich zwingend geboten.
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Denn die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung einer nur anteiligen Berücksichtigung der Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung steht in Widerspruch zu § 4 Nr. 1 und 2 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997. Dieser Anhang enthält die von der Union der europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände, dem Europäischen Gewerkschaftsbund und dem europäischen Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl EG Nr. L 14 v. 20.1.1998 S. 9, ber. ABl EG Nr. L 128 v. 30.4.1998 S. 71). Aufgrund der Übernahme als Anhang in die Richtlinie 97/81/EG stellt diese Vereinbarung einen Bestandteil der Richtlinie dar und nimmt an deren Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten teil. Diese sind verpflichtet, ihr Recht den inhaltlichen Vorgaben der Rahmenvereinbarung anzupassen (Art. 288 Abs. 3 AEUV; BVerwG, U.v. 25.3.2010 - 2 C 72.08 - juris Rn. 17).
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1.2.1 Gemäß § 2 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG gilt die Rahmenvereinbarung für Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fällt die Klägerin als Beamtin in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie (BVerwG, U.v. 23.9.2004 - 2 C 61.03 - juris Rn. 27; U.v. 25.3.2010 - 2 C 72.08 - juris; OVG NW, U.v. 23.2.2011 - 3 A 750/10 - juris; Wittmer a.a.O. § 4 BeamtVG Rn. 63). Denn Arbeitnehmer ist, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält, unabhängig davon, in welchem Status diese Tätigkeit ausgeübt wird (EuGH, U.v. 3.7.1986 - Lawrie-Blum, 66/85 - Slg. 1986, 2121 Rn. 17; U.v. 26.2.1992 - Raulin, C-357/89 - Slg. 1992, S. I-1027 Rn. 10; zur vergleichbar formulierten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG: EuGH, U.v. 16.09.2010 - Chatzi, C-149/10 - Slg. 2010, I-8489, Rn. 27 ff.; von Roetteken, jurisPR-ArbR 30/2012 Anm. 6).
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1.2.2 Nach § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG ist es untersagt, Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Der Begriff „Beschäftigungsbedingungen“ erfasst auch den Zugang zum Altersversorgungssystem (EuGH, U.v. 1.3.2012 - O’Brien, C-393/10 - NZA 2012, 313 Rn. 55; U.v. 10.6.2010 - Bruno u. Pettini, C-395/08 u. C-396/08 - Slg. 2010, I-5119, Rn. 42). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Fragen der betrieblichen Altersversorgung, denen strukturell die Beamtenversorgung zuzurechnen ist, ausdrücklich dem sachlichen Geltungsbereich der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit zugeordnet und dabei u.a. auf ein früheres die deutsche Beamtenversorgung betreffendes Urteil (v. 23.10.2003 - Schönheit und Becker, C-4/02 und C-5/02 - Slg. I 12575 Rn. 58) Bezug genommen (EuGH, U.v. 10.06.2010 - Bruno u. Pettini a.a.O. Rn. 51). Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.3.2010 - 2 C 72.08 - juris Rn. 19) ist geklärt, dass nach dem Zweck des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG der dort in § 4 Nr. 1 verwendete Begriff der Beschäftigungsbedingungen die Gesamtheit der Rechte und Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis umfasst, wozu das Entgelt für die Arbeitsleistung und damit auch Leistungen der Altersversorgung wie das Ruhegehalt gehören, die nach Grund und Höhe auf das Beschäftigungsverhältnis zurückzuführen sind. Vor diesem Hintergrund dringt der Beklagte mit seinem Einwand nicht durch, die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der Wartezeit in einem Betriebsrentensystem (U.v. 10.6.2010 - Bruno u. Pettini a.a.O.) sei auf die beamtenrechtliche Versorgung nicht übertragbar.
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1.2.3 Die unterschiedliche (schlechtere) Behandlung der Teilzeitbeschäftigten ergibt sich daraus, dass sie im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigten nach einer fünfjährigen Dienstzeit im Beamtenverhältnis eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn vom Zugang zum beamtenrechtlichen Versorgungssystem ausgeschlossen wären. Ihnen würde das Ruhegehalt nicht nur entsprechend des Zeitanteils ihrer Teilzeitbeschäftigung gekürzt, sondern vollständig versagt. Teilzeitbeschäftigte würden damit nicht nur in quantitativer, sondern in qualitativer Hinsicht im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten benachteiligt.
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Nach der Präambel des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG verfolgt die Rahmenvereinbarung den Zweck, Benachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten zu beseitigen und einen Beitrag zur Entwicklung der Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu leisten. Nach § 6 Abs. 4 gilt sie unbeschadet spezifischer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere derjenigen zur Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Männern und Frauen. Dementsprechend schreibt § 4 Nr. 1 vor, dass Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nicht nur deswegen gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden dürfen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt. Nach § 4 Nr. 2 gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz. Daraus folgt, dass sich Teilzeitbeschäftigung aber nur in quantitativer, nicht aber in qualitativer Hinsicht von gleicher oder gleichwertiger Vollzeitbeschäftigung unterscheiden darf (BVerfG, B.v. 27.11.1997 - 1 BvL 12/91 - juris Rn. 38). Folglich sind ungleiche Beschäftigungsbedingungen für Voll- und Teilzeitbeschäftigte nach § 4 Nr. 1 und 2 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG im Regelfall nur insoweit zulässig, als die Ungleichbehandlung dem unterschiedlichen zeitlichen Arbeitsumfang Rechnung trägt (BVerwG, U.v. 25.3.2010 - 2 C 72.08 - juris Rn. 17 ff.; U.v. 26.3.2009 - 2 C 12.08 - juris Rn. 14).
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Vor diesem Hintergrund sind Zeiträume, in denen der Beamte teilzeitbeschäftigt war, voll auf die versorgungsrechtliche Wartezeit anzurechnen. Maßgeblich ist allein die Zeitspanne des Dienstverhältnisses. Denn im Gegensatz zur Höhe der daraus abgeleiteten Versorgungsbezüge besteht bei der Entscheidung, „ob“ Teilzeitbeschäftigte im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigten bei gleicher Zugehörigkeitsdauer zum öffentlichen Dienst von dem Zugang zum beamtenrechtlichen Versorgungsystem ausgeschlossen werden dürfen, nicht nur eine quantitative, sondern qualitative unterschiedliche Behandlung. Insoweit verfängt der Einwand des Beklagten nicht, die Alimentation für geleistete Dienste stelle keine Ungleichbehandlung dar, weil die Abgeltung der geleisteten Dienste für alle Versorgungsempfänger gleich sei. Im vorliegenden Fall würde bei der vom Beklagten favorisierten Auslegung des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG ein vollzeitbeschäftigter Beamter bereits nach fünf Jahren der Beschäftigung im Beamtenverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn in den Genuss einer Versorgung gelangen, ein teilzeitbeschäftigter Beamter wegen der nur verhältnismäßigen Anrechnung seiner Dienstzeit (Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG) aber erst später. Dies ist eine Ungleichbehandlung allein wegen der Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG (vgl. OVG NW, B.v. 27.6.2014 - 3 A 125/14 - juris Rn. 21).
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Im Ansatz nicht weiterführend ist der Einwand des Beklagten, dass die beamtenrechtliche, vergleichsweise hohe Mindestversorgung und das Ableisten einer nach zeitlichem Umfang berechneten Mindestdienstleistung keine Gründe seien, die nur Teilzeitbeschäftigte träfen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, da diese Kriterien auch bei ohne Dienstbezüge beurlaubte Vollzeitbeschäftigte (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG) oder für Beamte, die wegen begrenzte Dienstfähigkeit nur eingeschränkt verwendbar seien (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BayBeamtVG), gelten würden. Denn die versorgungsrechtliche Bewertung anderer Fallkonstellationen verschiedener Gruppen von Beamten durch den Gesetzgeber vermag nicht darüber hinwegzuhelfen, dass im vorliegenden Verfahren eine teilzeitbeschäftigte Beamtin gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten „nur deswegen“ schlechter behandelt wurde, „weil sie teilzeitbeschäftigt“ war (§ 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG).
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Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 10.6.2010 - Bruno und Pettini a.a.O. Rn. 65 f.). Danach ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Höhe der Versorgung nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz unmittelbar vom Umfang der geleisteten Arbeit und den entsprechenden Beiträgen abhängt. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Unionsrecht bei Teilzeitbeschäftigung einer Berechnung der Altersversorgung gemäß der Pro-rata-temporis-Regel nicht entgegensteht. Denn die Berücksichtigung des Umfangs der von einem Teilzeitbeschäftigten während seines Berufslebens tatsächlich geleisteten Arbeit im Vergleich zum Umfang der Arbeitsleistung eines Beschäftigten, der während seines gesamten Berufslebens in Vollzeit gearbeitet hat, stellt ein objektives Kriterium dar, das eine proportionale Kürzung der Altersversorgung des Teilzeitbeschäftigten zulässt (vgl. in diesem Sinne EuGH, U.v. 23.10.2003 - Schönheit und Becker a.a.O. Rn. 90 f.; U.v. 16.7.2009 - Gómez-Limón, C-537/07, Slg. 2009, I-0000 Rn. 59).
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Jedoch gilt der Pro-rata-temporis-Grundsatz nicht für die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem ein Anspruch auf Altersversorgung besteht, da dieser ausschließlich von den berücksichtigungsfähigen Zeiten abhängt, die der Arbeitnehmer erworben hat. Diese Zeiten entsprechen nämlich der tatsächlichen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und nicht dem Umfang der während des Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Arbeit. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten erfordert daher, dass die Zeiten, die bei der Bestimmung des Zeitpunkts berücksichtigt werden, ab dem ein Anspruch auf Altersversorgung besteht, bei einem Teilzeitbeschäftigten so berechnet werden, als hätte dieser eine Vollzeitstelle innegehabt, und arbeitsfreie Zeiträume insoweit in vollem Umfang berücksichtigt werden (EuGH, U.v. 10.6.2010 - Bruno und Pettini a.a.O. Rn. 66; OVG NW, B.v. 8.6.2012 - 6 B 390/12 - juris Rn. 17; Wittmer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. I, Stand Februar 2020, § 4 BeamtVG Rn. 64). Der Umstand, dass sich die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. Juni 2010 (a.a.O.) mit der Wartezeit in einem Betriebsrentensystem befasst hat, vermag die Übertragbarkeit der dort aufgestellten Grundsätze auf die beamtenrechtliche Versorgung nicht in Zweifel zu ziehen (dazu 1.2.2).
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Die Annahme des Beklagten, es würde keine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten im Sinne der Richtlinie vorliegen, weil auch Letztere eine Mindestdienstzeit erfüllen müssten, vermag der Senat nicht zu teilen. Gerade in Folge des Pro-rata-temporis-Grundsatzes dauert der Erwerb eines Anspruchs auf Altersversorgung regelmäßig länger als bei einer Vollzeitbeschäftigung (25 Jahre bei einer durchgehenden Mindestarbeitszeit von acht Stunden/Woche, was 20 v.H. der regelmäßigen Arbeitszeit entspricht). Der vom Beklagten für seine Argumentation ins Feld geführte Gesichtspunkt, dass auch bei Vollzeitbeschäftigten, die ihr Beschäftigungsverhältnis durch nicht ruhegehaltfähige Zeiten (z.B. Elternzeit) unterbrechen, ein längerer Zeitraum als fünf Jahre zum Erwerb von Ansprüchen auf Ruhegehalt nötig sei, greift deutlich zu kurz, da diese besonderen Unterbrechungszeiten auch bei teilzeitbeschäftigten Beamten zu einer entsprechenden Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums führen. Die vom Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Mai 2013 (3 AZR 266/11 - juris Leitsatz 2) vermag ebenfalls nicht dessen Auffassung zu stützen, da dort mit Blick auf die Versorgungsregelung wiederum nicht der Zugang zum Versorgungssystem selbst, sondern die anteilige Höhe der erworbenen Versorgung Streitgegenstand war.
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1.2.4 Eine nach § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG im Ansatz mögliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu den im Übrigen hinsichtlich des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten scheidet aus. Es bestehen keine objektiven Gründe, die diese überproportionale Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigung gerechtfertigt oder angemessen erscheinen lassen.
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Der Begriff „objektive Gründe“ im Sinne des § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG ist so zu verstehen, dass eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten Norm vorgesehen ist. Vielmehr muss nach diesem Begriff die in Rede stehende Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entsprechen und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sein (EuGH, U.v. 1.3.2012 - O’Brien, C-393/10 - NZA 2012, 313 Rn. 64). Es müssen Gründe vorliegen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Beschäftigungsumfangs zu tun haben und auch nicht dazu führen, dass tragende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ausgehöhlt werden (BVerwG, U.v. 23.9.2010 - 2 C 27.09 - juris Rn. 14 m.w.N.).
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(1) Fiskalische Erwägungen reichen hierfür nicht aus. Das Ziel einer Begrenzung öffentlicher Ausgaben kann nicht zur Rechtfertigung einer an den Beschäftigungsumfang anknüpfenden Ungleichbehandlung angeführt werden (EuGH, U.v. 1.3.2012 - O’Brien a.a.O. Rn. 66; U.v. 23.10.2003 - Schönheit und Becker a.a.O. Rn. 84; BVerwG, U.v. 25.3.2010 2 C 72.08 - juris Rn. 21; U.v. 23.09.2010 a.a.O. Rn. 14).
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(2) Der Beklagte kann sich zudem nicht auf den geringeren Umfang der Dienstleistung vor dem Hintergrund beamtenrechtlicher Besonderheiten als sachlichen Grund stützen. Der hergebrachte beamtenrechtliche Grundsatz der Hauptberuflichkeit steht der Anwendung des Proportionalitätsgebots für die Teilzeitbeschäftigung nicht entgegen. Vielmehr ist die Geltung dieses Gebots Folge der Grundentscheidung des Gesetzgebers, Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2008 - 2 BvL 6/07 - juris Rn. 73).
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(3) Das - zu den tragenden Grundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG gehörende - Leistungsprinzip, wonach sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlagen muss (BVerfG, B.v. 20.3.2007 - 2 BvL 11/04 - juris Rn. 59; U.v. 27.9.2005 - 2 BvR 1387/02 - juris Rn. 107; B.v. 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 - juris Rn. 125 ff.; BayVerfGH, B.v. 30.5.2017 - Vf. 14-VII-15 - juris Rn. 33 ff.), rechtfertigt gleichfalls keine insoweit vorliegende überproportionale Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigung. Denn gemäß dem Grundsatz der Dienstzeitabhängigkeit der Alimentation und dem Leistungsprinzip muss zwar die Höhe der Ruhegehaltsbezüge (sowohl das zuletzt bezogene Diensteinkommen als auch) die Zahl der Dienstjahre bzw. Länge der aktiven Dienstzeit widerspiegeln (vgl. BayVerfGH, B.v. 10.2.2015 - Vf. 1-VII-13 - juris Rn. 31; B.v. 30.5.2017 a.a.O. Rn. 39), um ein Ungleichgewicht zwischen Alimentierung und Dienstleistung und die damit einhergehende Verschiebung des Pflichtengefüges zu vermeiden. Dieser Grundsatz wird durch die unionsrechtskonforme Auslegung jedoch nicht verletzt, da sie zunächst (nur) das gleichberechtigte Entstehen eines Anspruchs auf Ruhegehalt dem Grunde nach für einen Teilzeitbeamten sicherstellt, wie er einem hinsichtlich der Dienstzeit vergleichbaren Vollzeitbeamten bereits zukommt, ohne dass die konkrete Höhe der Ruhegehaltsbezüge hierbei eine Rolle spielen würde.
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(4) Insoweit geht auch der Einwand des Beklagten zur Unverhältnismäßigkeit einer Versorgung in Höhe von 35 v.H. bei einer Mindestarbeitszeit von acht Stunden/Woche fehl, da es dem Dienstherrn innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen grundsätzlich freisteht, einen höheren Teilzeitumfang für die Erlangung der Mindestversorgung zu verlangen oder im Rahmen der Bemessung der Höhe der Mindestversorgung das Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit zu berücksichtigen. So fügte der Bundesgesetzgeber als Folge der Ergänzung von Satz 2 des § 4 Abs. 1 BeamtVG zeitgleich dem § 14 Abs. 4 BeamtVG die Sätze 4 und 5 an, um zu vermeiden, dass ein Anspruch auf Mindestversorgung in einer Höhe entsteht, der aus seiner Sicht in keinem Verhältnis zur abgeleisteten Dienstzeit stehe (Art. 3 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 8 des Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 5.1.2017 - BGBl. I S. 17 - BT-Drs. 18/9532 S. 40). In der Folge verfängt auch der Einwand des Beklagten nicht, gerade die Höhe der Versorgung sei ein Argument, ein Mindestmaß an tatsächlicher Dienstleistung zu fordern. Denn der ungleiche Umfang an tatsächlicher Dienstleistung rechtfertigt lediglich eine Ungleichbehandlung „pro rata temporis“, soweit dies angemessen ist (vgl. § 4 Nr. 2 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG), also eine Reduzierung der Gegenleistung im Verhältnis zur Arbeitszeit, aber keinen völligen Ausschluss (BVerwG, U.v. 25.3.2010 - 2 C 72.08 - juris Rn. 19; U.v. 26.3.2009 - 2 C 12.08 - juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 27.6.2014 - 3 A 125/14 - juris Rn. 23).
36
(5) Als ebenfalls nicht tragfähig erweist sich die Kritik der Beklagtenseite, die vom Erstgericht gewählte Gesetzesauslegung führe zu einer Privilegierung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten, welche eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung beim Zugang zum Versorgungssystem zur Folge habe (so auch Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2019 in Art. 11 BayBeamtVG Rn. 10). Auch wenn es in der Folge dazu führt, dass Teilzeitbeschäftigte einen entsprechenden Mindestversorgungsanspruch erwerben, obwohl sie entsprechend ihrer verminderten regelmäßigen Arbeitszeit für den Dienstherrn nur zeitlich gemindert eingesetzt werden können, gilt doch für beide Gruppen von Beamten gleichermaßen, dass sie innerhalb eines gleichen Zeitraums von fünf Jahren im Beamtenverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn beschäftigt sind und ihm in dieser Zeit (nur mit unterschiedlichen Arbeitszeitanteilen) mit ihren Leistungen zur Verfügung stehen. Die zeitanteilige Mehrarbeit der Vollzeitbeschäftigten rechtfertigt insoweit keine Ungleichbehandlung, da unter objektiven Gründen im Sinne des § 4 Nr. 1 des Anhangs der Richtlinie 97/81/EG nur Gründe zu verstehen sind, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Beschäftigungsumfangs zu tun haben und auch nicht dazu führen, dass tragende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ausgehöhlt werden (BVerwG, U.v. 23.9.2010 a.a.O. Rn. 14).
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2. Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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3. Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtssache im Hinblick auf die Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG), ob Teilzeitbeschäftigungszeiten bei der Berechnung der versorgungsrechtlichen Wartefrist von fünf Jahren im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BayBeamtVG i.V.m. § 32 BeamtStG voll oder nur im Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit zu berücksichtigen sind.