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AG Erding, Teilanerkenntnis- und Endurteil v. 23.06.2020 – 9 C 6848/19
Titel:

Rückerstattung des Kerosinzuschlags bei Nichtantreten eines Fluges

Normenkette:
BGB § 280, § 286, § 307 Abs. 1 S. 1, § 648 S. 2
Leitsätze:
1. Die im Flugpreis enthaltenen Steuern und Entgelte einschließlich eines Treibstoffzuschlages sind von der Fluggesellschaft zu erstatten, wenn der Flug vom Passagier nicht angetreten wird. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Nichtantritt des Fluges die Erstattung von Gebühren und Steuern ausschließen, die ausschließlich im Falle der tatsächlichen Beförderung des Passagiers anfallen, benachteiligen den Passagier unangemessen und sind daher unwirksam. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Kerosinzuschläge hängen von der tatsächlichen Beförderung ab und sind daher bei einem Noshow zu erstatten. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Luftbeförderungsvertrag, Fluggast, Kündigung, Nichterscheinen, No-show, Fluggesellschaft, Rückerstattung, Kerosinzuschlag, Allgemeine Geschäftsbedingungen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14319

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 223,52 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 223,52 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
2
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I.
3
Die Beklagte hat die Hauptforderung in Höhe von 71,76 € pro Fluggast, insgesamt 143,52 € anerkannt. Insoweit war Anerkenntnisurteil zu erlassen.
II.
4
In Höhe der restlichen Hauptforderung von 40,00 € je Fluggast, insgesamt 80,00 € hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Rückerstattungsanspruch aus abgetretenem Recht der Zedentin Sch. gemäß §§ 648 S. 2, 812 Abs. 1 S. 1, S. 2 Alt. 2, 398 BGB.
5
Die Zedentin J. Sch. buchte für sich und den Mitreisenden D. R. bei der Beklagten eine Flugverbindung am 27.12.2018 von München über Warschau nach Tallin und zurück am 03.01.2019. Die Passagiere traten die Flüge nicht an. In der als Anlage K 1 vorgelegten Buchungsbestätigung mit der Buchungsnummer ... für die Passagiere Sch. und R. sind jeweils unter „Fare Details“ Steuern (“Taxes“) in Höhe von insgesamt 71,76 € sowie „Carrier Imposed Fees“ in Höhe von 40,00 € ausgewiesen. Diese hat die Zedentin Sch. an die Beklagte gezahlt. Die Zedentin hat ihre Rückerstattungsansprüche mit Abtretungsvertrag vom 29.12.2018 (Anlage K 2) an die Klägerin abgetreten.
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Die im Flugpreis enthaltenen Steuern und Entgelte einschließlich eines Treibstoffzuschlages sind von der Fluggesellschaft zu erstatten, wenn der Flug vom Passagier nicht angetreten wird, vgl. Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 35 Rn. 46. Auf den Zugang der Kündigungserklärungen kommt es nicht an, denn zur Kündigung des Luftbeförderungsvertrages ist es nicht erforderlich, dass der Flug vor der Reise vom Passagier storniert wird, sondern es ist ausreichend, dass der Passagier zur geplanten Abflug nicht erscheint, sog. „noshow“, und hierdurch zum Ausdruck bringt, dass er die gebuchte Beförderung nicht wünscht.
7
Die Parteien streiten vorliegend nur noch über die Erstattung der Kerosinzuschläge in Höhe von 40,00 € je Passagier. Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte den Anspruch der Zedentin Sch. als Vertragspartnerin auf Rückerstattung des Kerosinzuschlags „YQ“ nicht wirksam durch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen für den vorliegend gewählten Tarif ausgeschlossen.
8
Die Beklagte hat unter Ziffer 5.4 „Steuern und Gebühren“ ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, dass Steuern und Gebühren, die von den zuständigen staatlichen oder anderen Behörden bzw. vom Flughafenunternehmen unabhängig von den Flugpreisen und Gebühren der Fluggesellschaft erhoben werden bzw. zusätzlich durch die Flughafenverwaltung oder die Regierungsbehörden auferlegte und von der Fluggesellschaft unabhängige Verwaltungsgebühren dem Fluggast erstattet werden, sollte dieser den Flugschein nicht oder nur teilweise benutzen.
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Die Beklagte hat schon nicht vorgetragen, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen, aus denen sie auszugsweise die Regelung unter Ziffer 5.4 zitiert und als Anlage B5 vorlegt hat, der Zedentin Sch. als Vertragspartnerin bei der Buchung überhaupt zur Verfügung gestellt und wirksam in den Luftbeförderungsvertrag einbezogen wurden.
10
Jedenfalls aber verstoßen die Bedingungen der Beklagten gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Nichtantritt des Fluges nur die Erstattung von Gebühren und Steuern vorsehen, die die Beklagte für die Flughafenverwaltung oder Behörden als Dritte erhebt und den Rückerstattungsanspruch im Übrigen und somit auch bezüglich solcher Positionen ausschließen, die ausschließlich im Falle der tatsächlichen Beförderung des Passagiers anfallen, benachteiligen den Passagier unangemessen und sind daher unwirksam, vgl. BGH Urteil v. 20.03.2018, Az. X ZR 25/17; Schmid/Puschkarski: Die Abrechnung beim Luftbeförderungsvertrag nach Kündigung durch den Fluggast, NJW 2018, 657 unter Ziffer IV.2 und AG Erding Urteil v. 12.07.2016, Az. 7 C 2752/15, Urteil v. 24.07.2019, Az. 3 C 5140/18, Urteil v. 11.10.2018, Az. 4 C 2612/18. Zwar hat die Beklagte in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen die Steuern und Gebühren, die die Beklagte für die Flughafenverwaltung oder Behörden als Dritte erhebt, von dem Rückzahlungsausschluss ausgenommen, nicht jedoch die Kerosinzuschläge, obwohl auch diese von der tatsächlichen Beförderung abhängen und daher bei einem Noshow zu erstatten sind. Kerosinzuschläge, in der Buchungsbestätigung vorliegend ausgewiesen als „Carrier Imposed Fees“, sind schon ihrer Begrifflichkeit nach keine Gegenleistung für die Flugbeförderung, sondern Zuschläge für den gewichtsabhängigen Treibstoffverbrauch, mit welchem z.B. auf Schwankungen der Preise auf den Rohölmärkten reagiert wird, vgl. LG Düsseldorf Beschluss v. 13.02.2017, Az. 22 S 307/16. Da diese Zuschläge von jedem Passagier erhoben werden und ein entsprechender gewichtsabhängiger Kerosinverbrauch durch den einzelnen Passagier aber nur dann eintreten kann, wenn dieser tatsächlich mitfliegt, ist ein berechtigtes Interesse der Fluggesellschaft für einen Ausschluss eines Rückerstattungsanspruchs für den Kerosinzuschlag im Falle einer Flugstornierung nicht erkennbar.
III.
11
Die Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € gründet sich auf §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286, 288 BGB.
12
Denn die Beauftragung der klägerischen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs erfolgte, nachdem sich die Beklagte bereits durch die Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 29.12.2018 unter Fristsetzung bis zum 06.01.2019 (Anlage K 3) in Verzug befand. Die Höhe der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist auch schlüssig dargetan. Der Vortrag der Beklagten, sie habe mit den Emails vom 10.02.2019 und vom 18.10.2019 die Klägerin zur Vorlage erforderlicher Unterlagen, ausweislich der Anlagen B 3 und B4 einer power of attorney/ assignment form aufgefordert, ändert nichts an dem Verzugseintritt zum 07.01.2019. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt einen Anspruch auf die Vorlage der angeforderten Unterlagen hatte. Denn die Klägerin hat bestritten, die Email der Beklagten vom 10.02.2019 (Anlage B 3) erhalten zu haben. Die für den Zugang der Email vom 10.02.2019 bei der Klägerin beweisbelastete Beklagte ist insofern beweisfällig geblieben. Der als Anlage B 3 vorgelegte einfache Ausdruck der Email vom 10.02.2019 mit der Empfängeradresse ...@... reicht als Nachweis für den Zugang dieser Email bei der Klägerin nach Auffassung des Gerichts nicht aus. Ohne Eingangs- oder Lesebestätigung ist ein Anscheinsbeweis für den Zugang der Email nicht anzuerkennen, vgl. BGH, Beschluss vom 17.7.2013, Az. I ZR 64/13; AG Bremen Urteil v. 15.04.2009, Az. 23 C 496/06; Gomille in: beckonline.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.09.2019, § 130 BGB Rn. 133.
13
Auf den Zugang der weiteren Email der Beklagten vom 18.10.2019 (Anlage B 4) kommt es vorliegend nicht an, da die klägerischen Prozessbevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 23.09.2019 außergerichtlich tätig wurden und bereits zu diesem Zeitpunkt die Rechtsanwaltskosten in Form einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale sowie 19% MwSt. entstanden sind. Im Übrigen werden in der Email vom 18.10.2019 die angeforderten Unterlagen nicht konkret benannt, sondern es wird auf die mit Email vom 10.02.2019 angeforderten Dokumente Bezug genommen, der Zugang gerade dieser Email vom 10.02.2019 bei der Klägerin wurde jedoch von der Beklagten nicht nachgewiesen.
IV.
14
Die Verurteilung zur Zahlung von Prozesszinsen aus der Hauptforderung sowie den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 291, 288 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 26.11.2019 zugestellt.
V.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
16
Hinsichtlich des anerkannten Teils der Hauptforderung kam vorliegend § 93 ZPO entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Zwar hätte die Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben, wenn sie berechtigt war, auf die Zahlungsaufforderung der Klägerin hin die Vorlage einer power of attorney/ assignment form zu verlangen. Ob die Beklagte überhaupt einen Anspruch auf einen entsprechenden Nachweis einer Ermächtigung der Klägerin hatte, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn die Klägerin hat jedenfalls bestritten, die Email der Beklagten vom 10.02.2019 (Anlage B 3) mit der entsprechenden Aufforderung erhalten zu haben. Für den Zugang der Email ist die Beklagte beweisbelastet, da es sich bei § 93 ZPO um einen Ausnahmetatbestand handelt, dessen Voraussetzungen derjenige beweisen muss, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen herleiten möchte, vgl. BGH Beschluss vom 21.12.2006, Az. I ZB 17/06. Die Beklagte ist jedoch für den Zugang der Email beweisfällig geblieben.
17
Auch die Email der Beklagten vom 18.10.2019 (Anlage B 4), die der Klägerin unstreitig zugegangen ist, führt nicht dazu, dass sich die Klägerin nicht veranlasst sehen durfte, Klage zu erheben. Denn die Beklagte benennt in dieser Email nicht konkret, welche aus ihrer Sicht erforderlichen Unterlagen von der Klägerin noch vorzulegen sind, vielmehr nimmt die Beklagte in dieser Email Bezug auf die Email vom 10.02.2019 (Anlage B 3), für deren Zugang bei der Klägerin sie jedoch beweisfällig geblieben ist. Folglich hat die Beklagte mit Email vom 18.10.2019 keine konkreten, noch vorzulegenden Unterlagen benannt, so dass sich die Klägerin mangels unbedingter Zahlungsankündigung zur Klage veranlasst sehen durfte.
VI.
18
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
VII.
19
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 4 ZPO.