VG München, Beschluss v. 28.05.2020 – M 26 E 20.2135
Titel:

zulässiger Betrieb eines Sport- und Coaching-Studios im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie  

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
4. BayIfSMV § 9 Abs. 1, § 11 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei verfassungskonformer Auslegung stehen § 9 Abs. 1 4. BayIfSMV und § 11 S. 1 4. BayIfSMV der Öffnung eines „Boutique-Studios“, das Personaltraining, Pilates- und Yogaunterricht in Einzeltraining oder Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in und die geltenden Auflagen der 4. BayIfSMV, insbesondere zum Mindestabstand, einhält, nicht entgegen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage, was unter einer vergleichbaren Freizeiteinrichtung iSv § 11 S. 1 4. BayIfSMV zu verstehen ist, ist unter Heranziehung der dort genannten Regelbeispiele sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, iE dem Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, zu beantworten. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betrieb eines Pilates- und Yoga-Studios, vorläufige Feststellung, Auslegung der 4. BayIfSMV, verfassungskonforme Auslegung, Gleichheitssatz, vergleichbare Freizeiteinrichtung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 14006

Tenor

I. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 9 Abs. 1 und § 11 4. BayIfSMV sowie inhaltsgleiche Nachfolgeregelungen dem Betrieb des Studios der Antragstellerin in den in der …straße …, … München gelegenen Räumen für die Durchführung von Personaltrainings, Pilates- und Yogaunterricht in Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in in kontaktfreier Durchführung nicht entgegenstehen, sofern die geltenden Vorgaben der jeweils gültigen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit § 9 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 11 4. BayIfSMV), zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz sowie folgende Maßgaben eingehalten werden:
1. Vom Betreiber zur Verfügung gestellte Sportmittel und Matten sind in einer vom Robert-Koch-Institut im Zusammenhang mit COVID-19 für ausreichend erachteten Form zu reinigen, das vom Teilnehmer mitgebrachte Sportgerät ist von diesem wieder mitzunehmen. Die Nutzung eines Sportgeräts durch mehrere Teilnehmer während des Trainings ist nicht zulässig.
2. Die Kursdauer wird auf 60 Minuten begrenzt. Zwischen dem Ende eines Kurses und dem Beginn des nächsten Kurses muss ein Zeitfenster von mindestens 30 Minuten liegen.
3. Während und zwischen den Kursen ist für eine optimale Frischluftzufuhr durch geöffnete Fenster oder eine Lüftungsanlage mit Filter und geringem Umluftanteil zu sorgen.
4. Das Personal, insbesondere der Trainer, sowie die Teilnehmer haben eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
5. Über die allgemeine Regelung zum Mindestabstand (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 4. BayIfSMV) hinaus ist während des Trainings zwischen allen Beteiligten zu jeder Zeit ein Abstand von mindestens zwei Metern in alle Richtungen einzuhalten.
5. Es dürfen nicht mehrere Kurse gleichzeitig in einem Raum stattfinden. Die Kurse sind in festen, nicht wechselnden Gruppen von maximal vier Teilnehmern (exklusive Kursleiter/-in) abzuhalten. Die Kontaktdaten der Teilnehmer (Name, Telefonnummer und Uhrzeit) sind für die Dauer eines Monats für Dritte uneinsehbar zu speichern.
6. Vor Wiederaufnahme des Betriebs ist ein Schutz- undHyienekonzept, das den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 11 4. BayIfSMV, ergänzenden Regelungen zum örtlichen Infektionsschutz sowie den übrigen Vorgaben dieses Beschlusses Rechnung trägt, auszuarbeiten und auf Anforderung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf Euro 7.500,- festgesetzt

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin betreibt ein ca. 220 qm großes Studio, in dem sie Pilates- und Yoga-Unterricht sowie Personal-Training in Kleingruppen oder als Einzeltraining anbietet. Sie wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Schließung ihres Studios im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
2
Die Vierte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 240), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Mai 2020 (BayMBl 2020 Nr. 287), die am 11. Mai 2020 in Kraft getreten ist, untersagt unter Nennung von Regelbeispielen - darunter Fitnessstudios - den Betrieb von Freizeiteinrichtungen (§ 11) sowie grundsätzlich auch den Betrieb von Sporteinrichtungen (§ 9 Abs. 1 Satz 1).
3
Im Rahmen des E-Mail-Verkehrs mit der Antragsgegnerin vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass der Betrieb ihres Studios erlaubt sei und kündigte unter Darstellung eines Trainings- und Hygienekonzepts an, sie werde den Betrieb ab 18. Mai 2020 als Kurs- und Einzeltraining wiederaufnehmen. Vorsorglich wurde für den Fall der Untersagung des Betriebs eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Die Antragsgegnerin teilte mit, eine Öffnung des Studios sei nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich.
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Mit Schriftsatz vom … Mai 2020 beantragt die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München:
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Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu genehmigen, ihr in der H2.straße …, … München, gelegenes Studio zu öffnen und Personaltrainings, Pilates- und Yogaunterricht in Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in entsprechend den Vorgaben der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 05.05.2020 durchzuführen.
6
hilfsweise:
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es wird festgestellt, dass § 9 Abs. 1 und § 11 der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 05.05.2020 dem Betrieb des Studios der Antragstellerin in den in der H2.straße …, … München, gelegenen Räumen für die Durchführung von Personaltrainings, Pilatesund Yogaunterricht in Kleingruppen bis zu 4 Personen zuzüglich Trainer/in oder als Einzeltraining zuzüglich Trainer/in in kontaktfreier Durchführung unter Verwendung von Sporthilfsmitteln wie Kleinsthanteln, Bällen, Bändern, Matten etc. - hilfsweise: soweit der Kunde seine eigens von ihm mitgebrachten benutzt, (hilfs-hilfsweise: ohne Verwendung von Sporthilfsmitteln wie Kleinsthanteln, Bällen, Bändern, Matten etc) nicht entgegenstehen, sofern die jeweils geltenden Vorgaben der gültigen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nrn. 4-11 der 4. BayIfSMV) sowie zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden und während des Trainings ein Abstand von mindestens 1,50 m - hilfsweise: mindestens 2,00 m zwischen dem Trainer und dem/den Kunden und zwischen den Kunden eingehalten wird (hilfsweise: die Kunden - hilfs-hilfsweise: das Personal, insbesondere die Trainer und/oder die Kunden, haben eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
8
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass die Trainingskonzepte sich auf Konzentration und Körperkontrolle fokussierten und das Training auf Trainings- oder Yogamatten, gelegentlich, aber nicht zwingend, unter Verwendung von kleineren Sportmitteln, stattfinde. Körperkontakt gebe es nicht. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der mit der Betriebsuntersagung einhergehenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung. Der vorliegende Sachverhalt sei identisch, jedenfalls aber vergleichbar mit den den Beschlüssen des VG München vom 11. Mai 2020, Az. M 26 E 20.1850 und 1851, zugrundeliegenden Fallgestaltungen.
9
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 25. Mai 2020,
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den Antrag abzulehnen.
11
Das Studio der Antragstellerin sei eine aufgrund des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV untersagte Freizeiteinrichtung. Es handle sich um ein Fitnessstudio, da für ein Fitnessstudio charakteristische Dienstleistungen und Trainingsmöglichkeiten, wenn auch ohne Zurverfügungstellung von klassischen Fitnessgeräten, angeboten würden. Die Antragstellerin beabsichtige Training in Kleingruppen mit bis zu 4 Personen und der Verwendung von Kleingeräten, sodass die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 11. Mai 2020 nicht einschlägig seien.
12
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag nach § 123 VwGO auf einstweiligen Rechtsschutz hat Erfolg.
15
Nach Auslegung des Antrags anhand des Rechtsschutzbegehrens und des Vorbringens der Antragstellerin (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) begehrt sie die vorläufige Feststellung, dass sie berechtigt ist, ihr Studio auch unter Geltung der einschlägigen Vorschriften der jeweils anzuwendenden Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 11 Satz 1 4. BayIfSMV) zu betreiben. Ein Antrag, der auf die vorläufige Genehmigung des Betriebs gerichtet ist, wäre dagegen nicht zielführend, da eine solche Genehmigung durch die 4. BayIfSMV nicht vorgesehen ist (vgl. VG Regensburg, B.v. 26.5.2020, RO 14 E 20.889).
16
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
17
1. Der Antrag ist zulässig.
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§ 47 Abs. 6 VwGO, der gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex specialis ist (Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn. 40 f; Beck OK VwGO, § 123 Rn. 16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn. 22), ist hier nicht einschlägig, da der vorliegende Antrag sich nicht auf die Unwirksamkeitserklärung bzw. die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Rechtsnorm bezieht, sondern die Wirksamkeit der streitentscheidenden Norm, über deren Auslegung Streit besteht, gerade nicht in Frage stellt.
19
Ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf (vorläufige) Feststellung gerichteten Antrag mittels einstweiliger Anordnung ist gegeben, da sich die Frage der Zulässigkeit des Betriebs des streitgegenständlichen Studios unmittelbar nach der 4. BayIfSMV beurteilt, ohne dass eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 11 Satz 1 4. BayIfSMV ist zwischen den Beteiligten streitig, denn die Antragstellerin hatte sich vor Antragstellung bei Gericht mit ihrem Begehren, ihr Studio zu öffnen, an die Antragsgegnerin gewandt, welche unter Verweis auf die 4. BayIfSMV erklärt hatte, dass ihr Studio nach geltender Rechtslage nicht öffnen dürfe.
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Der Antragstellerin ist es - auch mit Blick auf die Bußgeldbewehrung in § 21 Nr. 9 und Nr. 10 4. BayIfSMV - im Übrigen nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung ihr Studio zu betreiben und erst gegen eine etwaige künftige polizeiliche Maßnahme oder gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 21.4.2020 - 14 K 1360/20 - juris Rn. 12).
21
2. Der Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig feststellt, dass die Regelungen in § 9 Abs. 1 und § 11 der 4. BayIfSMV dem Betrieb ihres Studios zur Durchführung von Personaltrainings, Pilates- und Yogaunterricht in Einzeltraining oder Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in entsprechend den Vorgaben der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. Mai 2020 und unter Einhaltung der angeordneten Auflagen zum Infektionsschutz nicht entgegenstehen.
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2.1 Der Anordnungsgrund im Sinn der Eilbedürftigkeit der Feststellung ist glaubhaft gemacht. Er folgt daraus, dass die Auslegung der genannten Regelungen der 4. BayIfSMV durch den Antragsgegner in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie in das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG eingreift und Rechtsschutz in der Hauptsache dagegen angesichts des Außerkrafttretens der Verordnung am 29. Mai 2020 (bzw. einer Nachfolgeregelung voraussichtlich am 7. Juni 2020) zu spät kommen würde. Der Antragstellerin entsteht durch die Schließung ihres Studios ein täglich wachsender wirtschaftlicher Schaden.
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2.2 Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat glaubhaft gemacht, dass § 9 Abs. 1 und § 11 Satz 1 der 4. BayIfSMV dem Betrieb ihres Studios zur Durchführung von Personaltrainings, Pilates- und Yogaunterricht in Einzeltraining oder Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in aller Voraussicht nach nicht entgegenstehen.
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Gemäß § 11 Satz 1 4. BayIfSMV sind Vereinsräume, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Clubs, Diskotheken, Badeanstalten, Thermen, Wellnesszentren, Saunas, Jugendhäuser, Freizeitparks, Stadtführungen, Fitnessstudios, Tanzschulen, Vergnügungsstätten, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen. § 9 Abs. 1 untersagt grundsätzlich den Betrieb von Sporthallen, Sportplätzen, Sportanlagen und Sporteinrichtungen und deren Nutzung, erlaubt jedoch unter näher definierten Maßgaben den Trainingsbetrieb von Individualsportarten im Breiten- und Freizeitbereich (§ 9 Abs. 1 Satz 2).
25
Nach der verfassungskonformen Auslegung des erkennenden Gerichts stehen diese Regelungen der vorliegend begehrten Öffnung eines „Boutique-Studios“, das Personaltraining, Pilates- und Yogaunterricht in Einzeltraining oder Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in und die geltenden Auflagen der 4. BayIfSMV, insbesondere zum Mindestabstand, einhält, nicht entgegen. Bereits eine Auslegung nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Systematik der genannten Regelungen lassen nicht darauf schließen, dass der Betrieb des Studios in der in Rede stehenden Form unter die genannten Verbote fällt.
26
Während § 2 Abs. 1 2. BayIfSMV und § 4 Abs. 1 3. BayIfSMV ohne Ausnahme den Betrieb von nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienenden Einrichtungen untersagten, verfügt § 11 Satz 1 4. BayIfSMV im Freizeitbereich die Schließung von „Vereinsräumen, Tagungs- und Veranstaltungsräumen, Clubs, Diskotheken, Badeanstalten, Thermen, Wellnesszentren, Saunas, Jugendhäusern, Freizeitparks, Stadtführungen, Fitnessstudios, Tanzschulen, Vergnügungsstätten, Bordellbetrieben und vergleichbarer Freizeiteinrichtungen“. Die Frage, was unter einer vergleichbaren Freizeiteinrichtung in diesem Sinne zu verstehen ist, ist unter Heranziehung der genannten Regelbeispiele sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, i. E. dem Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, zu beantworten. Allen explizit in § 11 Satz 1 4. BayIfSMV genannten Einrichtungen ist gemein, dass sie der Freizeitgestaltung einer Mehrzahl von Personen dienen, die sich gemeinsam bzw. gleichzeitig dort aufhalten. Dieser gleichzeitige oder nicht vollständig kontrollierbare Aufenthalt einer größeren Zahl von Personen zum Zwecke der Freizeitgestaltung soll im Interesse des auch mit der 4. BayIfSMV weiterhin verfolgten Gebots der Kontaktreduzierung vermieden werden. Eine vergleichbare Interessenlage besteht jedoch bei Studios wie dem der Antragstellerin, in denen gemäß dem Antrag ausschließlich Einzeltrainings oder Trainings mit Kleingruppen bis zu vier Personen zuzüglich Trainer/in entsprechend den Vorgaben der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung stattfinden, erkennbar nicht.
27
Insbesondere kann das Studio in der im Antrag dargestellten Form nicht unter den Begriff des Fitnessstudios subsumiert werden, da in einem Fitnessstudio herkömmlicherweise Geräte bereitgestellt werden, an denen mehrere Kunden ohne Voranmeldung in einem größeren Raum gleichzeitig trainieren, oder in Gruppenkursen Trainingsstunden abgehalten werden. Die Infektionsgefahren sind angesichts der in einem Fitnessstudio gegebenen Kontakte mit einem größeren Kreis an Personen (Personal und Kunden) sowie mit gemeinsam genutzten Geräten und Trainingsutensilien erkennbar höher.
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§ 9 Abs. 1 4. BayIfSMV begründet ebenfalls dem Wortlaut und Sinn und Zweck nach kein zwingendes Verbot des Betriebs des Studios der Antragstellerin. Die Bestimmung erfasst Studios wie das der Antragstellerin dem Wortlaut nach nicht; § 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV erlaubt allerdings zugleich nunmehr unter näher definierten Voraussetzungen explizit den Trainingsbetrieb von Individualsportarten im Freizeitbereich auf Freiluftsportanlagen und in Reithallen allein oder in kleinen Gruppen von bis zu fünf Personen. Schließlich dürfte das Studio der Antragstellerin unter den Begriff der Dienstleistungseinrichtung gemäß § 12 Abs. 2 4. BayIfSMV subsumiert werden können, da das Personal Training und damit die Dienstleistung eines Trainers von wesentlicher Bedeutung für das Angebot ist.
29
Bei Betrachtung des Normensystems der 4. BayIfSMV ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Durchführung von Einzeltrainings oder Trainings in Kleingruppen mit bis zu vier Personen zuzüglich Trainer in einem Studio mit überschaubarer Fläche untersagt sein muss. Die 4. BayIfSMV verfolgt ihrer Konzeption nach zum Zwecke der Eindämmung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus ein Gebot der Kontaktreduzierung unter gleichzeitiger Zulassung vorsichtiger Lockerungen, deren Umfang sich nach den mit der jeweiligen Tätigkeit verbundenen infektionsschutzrechtlichen Gefährdungen richtet. Mit dem Übergang von den vormaligen Ausgangsbeschränkungen, die das Verlassen der Wohnung nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes erlaubten, hin zu einem Kontaktreduzierungsgebot, der begrenzten Öffnung von Sport- und Freizeiteinrichtungen wie beispielsweise Sport- und Spielplätzen sowie der branchenunabhängigen Öffnung des gesamten Einzelhandels hat sich der Verordnungsgeber zudem davon verabschiedet, die Zulässigkeit von Betätigungen anhand der Dringlichkeit oder Wichtigkeit des hierfür bestehenden Bedürfnisses zu beurteilen. Entscheidend für die Zulässigkeit bestimmter Betätigungen sollen mithin erkennbar primär die Gefahren sein, die hiermit für eine Förderung der Ausbreitung von Infektionen mit dem Virus einhergehen, wobei dem Verordnungsgeber bei der Beurteilung angesichts der Neuartigkeit des Virus ein Beurteilungsspielraum zukommt. Vor dem Hintergrund dieser Zielrichtung hat sich der Verordnungsgeber nunmehr dafür entschieden, anders als in den Vorgängerverordnungen nicht mehr sämtliche, nicht unmittelbar der Befriedigung eines dringenden Bedarfs dienende Einrichtungen zu schließen, sondern nur noch jene, bei denen er wegen größeren oder unkontrollierten Publikumsverkehrs größere Infektionsgefahren sieht. So werden Spielplätze (§ 10), Dienstleistungsbetriebe wie Friseure oder Kosmetikstudios (§ 12 Abs. 2) und in begrenztem Umfang auch Einrichtungen für den Individualsport wieder geöffnet (§ 9 Abs. 1 Satz 2). In dieses Konzept des § 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV fügt sich vor dem Hintergrund, dass das Verbot des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV dem Wortlaut und Sinn und Zweck nach nicht greift, auch das Studio der Antragstellerin ein, wenn es in der in der Antragsschrift dargelegten Form betrieben wird. Die betreffenden Kunden treiben nämlich, so betrachtet, Individualsport in Kleingruppen (vgl. hierzu § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 4. BayIfSMV).
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Eine andere Auffassung wäre jedenfalls mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
31
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, B. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, juris Rn. 40; BVerfG, B. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 - juris Rn. 119 m.w.N.). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, B. v. 11.10.1988 - 1 BvR 777/85- juris; BVerfG, B. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - juris; BVerfG, B. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, B. v. 7.7.2009 - 1 BvR 1164/07 - juris; BVerfG, B.v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, B. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, juris Rn. 30; BVerfG, B. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, juris Rn. 65; BVerfG, B. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - juris Rn. 79).
32
Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, U. v. 6.3.2002 - 2 BvL 17/99 - juris; BVerfG, B. v. 4.12.2002 - 2 BvR 400/98 - juris; BVerfG, B. 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - juris; BVerfG, B.v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).
33
Unter Anwendung dieses Maßstabs stellt die von der Antragsgegnerin vorgenommene Auslegung der in Rede stehenden Vorschriften der Verordnung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Antragstellerin als Inhaberin eines Studios, in dem lediglich Einzel- bzw. Kleingruppentrainings angeboten werden, im Vergleich zu Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben mit Kundenverkehr wie Friseursalons, Einrichtungen des Individualsports wie zum Beispiel Reithallen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 4. BayIfSMV) sowie Geschäften des Einzelhandels aller Art, die sämtlich öffnen dürfen, dar. Dem Gericht ist dabei bewusst, dass Pauschalierungen zur Erreichung eines legitimen Zwecks, hier also der Vermeidung einer Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus, unter bestimmten Voraussetzungen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass die vollständige Schließung eines Studios wie das der Antragstellerin einen massiven Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG darstellt und für den Betreiber existenzbedrohend sein wird, bedarf allerdings eine Ungleichbehandlung jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung, die sich aus dem mit der 4. BayIfSMV verfolgten Zweck und ihrer Systematik jedenfalls nicht ergibt. Die Auslegung der Antragsgegnerin, wonach das Studio der Antragstellerin unter den Begriff der „vergleichbaren Freizeiteinrichtung“ i.S.v. § 11 4. BayIfSMV fällt und der Betrieb daher untersagt ist, ist bei der mit der 4. BayIfSMV nunmehr vorgenommenen Wiederzulassung von Freizeit- und Kontaktmöglichkeiten aber weder geeignet noch erforderlich noch verhältnismäßig, um das mit der 4. BayIfSMV verfolgte Ziel, eine Ansteckung und Ausbreitung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus zu verhindern bzw. einzudämmen, zu erreichen. Mit der Zulassung der Öffnung auch großflächiger Einzelhandelsbetriebe aller Art lässt der Verordnungsgeber unter infektionsschutzrechtlichen Auflagen wechselnden Publikumsverkehr in geschlossenen Räumen zu und knüpft dies nicht mehr an ein besonderes Bedürfnis der Bevölkerung zur Befriedigung eines zwingenden oder wichtigen Bedarfs. Auch Sport z.B. in Reithallen oder auf Sportplätzen wird unter Auflagen - auch in Kleingruppen von bis zu fünf Personen - zugelassen, ebenso wie Dienstleistungseinrichtungen. Wenn der Verordnungsgeber ein „Anfahren“ der wirtschaftlichen Betätigung für vertretbar hält, dann muss er vergleichbare Sachverhalte auch vergleichbar regeln.
34
Dies gilt umso mehr, als der Verordnungsgeber aus der Privilegierung von Berufssportlern, § 9 Abs. 2 Satz 1 4. BayIfSMV, ersichtlich auch die wirtschaftliche Bedeutung der Sportausübung für die Betroffenen berücksichtigt hat. Da jedoch sowohl Berufssportler als auch gewerbliche Anbieter von Sportmöglichkeiten in vergleichbarer Weise von der Untersagung betroffen sind, da in beiden Fällen die wirtschaftliche Existenzgrundlage und damit die Berufsausübungsfreiheit intensiv betroffen ist, sind diese auch in vergleichbarer Weise zu behandeln. Wird daher Berufssportlern das Indoortraining in Gruppen von bis zu fünf Personen erlaubt, muss dies dem Grundsatz nach auch Kursanbietern wie der Antragstellerin unter vergleichbaren Bedingungen erlaubt sein.
35
Es liegt auf der Hand, dass die für zugelassene Sporteinrichtungen, Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleistungs- bzw. Handwerksbetriebe geltenden spezifischen Vorgaben auch in einem kleinen Studio wie dem der Antragstellerin, in dem lediglich Einzel- oder Kleingruppentrainings angeboten werden, umsetzbar sind. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, warum die Umsetzung besonderer Hygieneund Zugangsmaßnahmen in einem kleinen Studio, in dem nur Einzel- bzw. Kleingruppentrainings angeboten werden, nicht mindestens ebenso leistbar ist wie in Kaufhäusern, Friseursalons oder Kosmetikstudios. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie die im Beschlusstenor angeordneten Auflagen erfüllen kann. Die Notwendigkeit der Einhaltung eines Mindestabstands von zwei Metern ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus der auch mit dem im Antrag beschriebenen Training einhergehenden erhöhten Transpiration und Atemfrequenz. Hingewiesen wird zudem darauf, dass die Trainings grundsätzlich kontaktfrei durchzuführen sind und dass die Hygienemaßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayIfSMV insbesondere eine vollständige Flächendesinfektion und Desinfektion des Trainingsgeräts umfassen. Die Einhaltung der notwendigen Schutzmaßnahmen ist Sache der Antragstellerin und es ist Sache des Gesundheitsamts der Antragsgegnerin, sich auf Verlangen ein entsprechendes Hygiene- und Schutzkonzept vorlegen zu lassen und dessen Einhaltung zu überwachen. Auch die Möglichkeit der Rückverfolgung von Kontakten hält das Gericht angesichts der ohnehin erforderlichen vorherigen Terminvereinbarung für gegeben.
36
Damit kann das der Konzeption der 4. BayIfSMV zugrundeliegende Ziel, eine Ansteckung und Ausbreitung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus unter gleichzeitiger Wiederzulassung von Freizeit- und Kontaktmöglichkeiten zu verhindern, im vorliegenden Fall auch durch andere gleichheitskonforme Maßnahmen erreicht werden.
37
2.3 Die mit der einstweiligen Anordnung einhergehende partielle Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Blick auf die dargelegte Grundrechtsbetroffenheit einerseits und auf die - bei etwaig sich verschärfender Sach- und Rechtslage - jederzeit gegebene Reversibilität der Regelung andererseits gerechtfertigt.
38
Der Antragsgegnerin ist es zum einen unbenommen, beim Gericht zu beantragen, dass der Antragstellerin eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage gesetzt wird (§ 123 VwGO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO). Zum anderen hat sie jederzeit die Möglichkeit, bei einer Änderung der Sachoder Rechtslage einen Antrag auf Aufhebung oder Abänderung der einstweiligen Anordnung zu stellen.
39
3. Nach den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Das Gericht ist an den von der Antragstellerin gestellten Antrag nicht gebunden. Es hat daher zur Verdeutlichung der Tragweite der Anordnung den Tenor eigenständig und in Abweichung vom Antrag der Antragstellerin formuliert. Die angeordneten Auflagen sind erforderlich und angemessen, da durch sie der Betrieb des Studios infektionsschutzrechtlich vertretbar wird und die Antragstellerin, wie bereits ihr vorgelegtes Trainings- und Hygienekonzept zeigt, willens und in der Lage ist, die Auflagen umzusetzen.
40
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1,52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit den Nrn. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in sinngemäßer Anwendung.