Inhalt

FG München, Urteil v. 13.05.2020 – 6 K 75/19
Titel:

Abzugsfähigkeit der Grunderwerbsteuer

Normenketten:
AO § 165 Abs. 1 S. 2
GrEStG § 1 Abs. 3
UmwStG § 4 Abs. 4, § 12 Abs. 2 S. 1
EStG § 16
KStG § 8b Abs. 2
Leitsätze:
1. Wird eine - an grundbesitzenden Personengesellschaften beteiligte -Tochterkapitalgesellschaft auf die Mutterkapitalgesellschaft verschmolzen und fällt deswegen infolge einer mittelbaren Anteilsvereinigung (§ 1 III GrEStG) bei der Muttergesellschaft Grunderwerbsteuer an, so gehört diese Grunderwerbsteuer zu den "Kosten des Vermögensübergangs“ iSd § 12 II 1 UmwStG 2006 und ist damit bei der Mutterkapitalgesellschaft nicht als Betriebsausgabe abziehbar. Da § 12 II Nr. 1 UmwStG keine zeitliche Komponente enthält, ist es auch unerheblich, wenn die Grunderwerbsteuer erst Jahre nach der Verschmelzung festgesetzt worden ist. Gemäß § 12 II 1 UmwStG 2006 müssen Betriebsausgaben in abziehbare Betriebsausgaben und nicht abziehbare Betriebsausgaben in Form von „Kosten für den Vermögensübergang“aufgeteilt werden, wobei die "Kosten für den Vermögensübergang“ nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln sind wie Veräußerungskosten iSd § 8b II KStG; entscheidend ist damit das Veranlassungsprinzip und nicht die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Betriebsausgaben und Anschaffungskosten, so dass es insoweit nicht auf § 255 HGB ankommt.
2. Gemäß § 12 II 1 UmwStG 2006 müssen Betriebsausgaben in abziehbare Betriebsausgaben und nicht abziehbare Betriebsausgaben in Form von „Kosten für den Vermögensübergang“aufgeteilt werden, wobei die "Kosten für den Vermögensübergang“ nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln sind wie Veräußerungskosten iSd § 8b II KStG; entscheidend ist damit das Veranlassungsprinzip und nicht die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Betriebsausgaben und Anschaffungskosten, so dass es insoweit nicht auf § 255 HGB ankommt.
Schlagworte:
Abziehbarkeit einer im Rahmen einer Aufwärtsverschmelzung angefallenen Grunderwerbsteuer als Betriebsausgabe, Verschmelzung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 23.11.2022 – I R 25/20
Fundstellen:
GmbHR 2020, 980
UVR 2020, 329
GmbH-Stpr 2020, 349
BeckRS 2020, 13920
DStRE 2020, 921
LSK 2020, 13920

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine auf die Klägerin festgesetzte und bezahlte Grunderwerbsteuer als Betriebsausgabe abgezogen werden kann.
2
Der Grunderwerbsteuerfestsetzung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ausgangslage vor dem …:

An GmbH alt waren bis zum … neben A und B… die X KG beteiligt.

Die GmbH alt war alleinige Gesellschafterin der Geschäftsführung GmbH und als Kommanditistin mit 100% der Kapitaleinlage an der GmbH & Co. KG (KG) beteiligt.

Die KG war alleinige Kommanditistin einer weiteren GmbH & Co. KG, diese war Eigentümerin der von der KG gemieteten und genutzten Betriebsgrundstücke.

Verträge vom …:

Mit Kaufvertrag vom … hat die X KG ihre Beteiligung an der GmbH alt an die Klägerin (GmbH neu) mit Wirkung zum … verkauft.

A und B haben ihre Anteile an der GmbH alt mit Einbringungsvertrag vom … in die GmbH neu gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Zahlung einer Barkomponente eingebracht. Auf den Einbringungsvertrag wird verwiesen.

Nach dieser Einbringung war die Klägerin alleinige Gesellschafterin der GmbH alt.

Verschmelzung zum … :

Mit Vertrag vom … wurde die Verschmelzung der GmbH alt (übertragender Rechtsträger) auf die GmbH neu (übernehmender Rechtsträger) beschlossen.

Nach dieser Verschmelzung war die Klägerin alleinige Gesellschafterin der Geschäftsführung GmbH und der KG und damit auch mittelbar Kommanditistin der weiteren GmbH & Co. KG. Auf den Verschmelzungsvertrag wird verwiesen.

Die Verschmelzung beider Gesellschaften erfolgte steuerlich auf den … Der handelsrechtliche Verschmelzungsstichtag war der … Diese Gesellschaftsverhältnisse blieben bis zum Streitjahr … unverändert.

3
Eine mit Prüfungsanordnung vom … in der Zeit vom … durchgeführte Betriebsprüfung für die Grunderwerbsteuer zum … führte zu der Feststellung, dass die Übertragungs- und Verschmelzungsvorgänge zum … den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) einer mittelbaren Anteilsvereinigung in der Hand der Klägerin erfüllen. Der Prüfer setzte bis zur Feststellung des Bedarfswerts durch die Bewertungsstelle hilfsweise das 3,5-fache des Einheitswerts des Betriebsgrundstücks als Bemessungsgrundlage fest und errechnete eine Grunderwerbsteuer in Höhe von … €. Auf den Bericht zur Betriebsprüfung vom … wird Bezug genommen.
4
Mit Bescheid vom …, der nach § 165 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig war, wurde die Grunderwerbsteuer auf … € festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom … wurde die Grunderwerbsteuer auf … € herabgesetzt. Dieser Änderung lag der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den … vom … zugrunde. Die Bescheide wurden jeweils bestandskräftig, Rechtsmittel wurde nicht eingelegt.
5
Im Rahmen der im Jahr … für die Veranlagungszeiträume … durchgeführten Betriebsprüfungen bei der Klägerin und der KG qualifizierte der Betriebsprüfer die Grunderwerbsteuer als Kosten des Vermögensübergangs im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) und damit als Teil des außer Ansatz bleibenden Übernahmeergebnisses der Klägerin aus der Aufwärtsverschmelzung und rechnete den als Betriebsausgabe gebuchten Aufwand dem Einkommen außerbilanziell wieder hinzu. Weitere Prüfungsfeststellungen sind nicht streitig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht betreffend die Klägerin Bezug genommen.
II.
6
Die Klage ist unbegründet.
7
1. Nach § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG in der ab 7. Dezember 2006 geltenden Fassung bleibt bei der übernehmenden Körperschaft ein Gewinn oder ein Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang, außer Ansatz.
8
Nach der früheren Rechtslage waren die Kosten für den Vermögensübergang bei der Ermittlung eines Übernahmegewinns oder Verlustes dagegen nicht zu berücksichtigen. Damit waren nach der früheren Rechtslage die Kosten des Vermögensübergangs sofort abziehbare Betriebsausgaben, es sei denn, es handelte sich um zu aktivierende Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Anteile (sogenannte objektbezogene Kosten; siehe BFH-Urteil vom 20. April 2011 I R 2/10, BStBl II 2011, 761 zur Anschaffung von GmbH-Beteiligungen).
9
Nach der im Streitjahr geltenden Gesetzesfassung müssen dagegen Betriebsausgaben in abziehbare Betriebsausgaben und nicht abziehbare Betriebsausgaben in Form von „Kosten für den Vermögensübergang“ gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG aufgeteilt werden.
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2. Der Senat kann die Frage, ob die Grundsteuer zu Anschaffungskosten gehört, nicht in diesem Verfahren prüfen.
11
Auf die Klägerin ist eine Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft übergegangen. Im Gegensatz zu GmbH-Beteiligungen (vgl. hierzu Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 23. Januar 2017 6 K 1187/16, juris) sind Beteiligungen an Personengesellschaften indes keine Wirtschaftsgüter. Vielmehr verkörpert der Anteil an einer Personengesellschaft die Summe aller Anteile an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. März 2017 I R 41/16, BFH/NV 2017, 1548). Denn das Einkommensteuerrecht geht bei der Besteuerung von Personengesellschaften von der Grundwertung aus, dass die Personengesellschafter die Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens der Personengesellschaft sind (vgl. Beschluss des Großen Senats vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BStBl II 1993, 616, 621 unter C. III. 6. a).
12
Die sich aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft ergebenden Einkünfte werden gesondert und einheitlich festgestellt (vgl. z.B. BFH vom 4. März 2009 I R 58/07, BFH/NV 2009, 1953). Eine bestandskräftige Feststellung bindet auch die Finanzgerichte.
13
Im Streitfall hat eine Betriebsprüfung sowohl bei der Klägerin als auch bei der Kommanditgesellschaft stattgefunden. Nach dem Betriebsprüfungsbericht der Klägerin wurde der Aufwand für die Grunderwerbsteuer einvernehmlich der Klägerin zugeordnet. Damit steht aufgrund der Bindungswirkung der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Kommanditgesellschaft verbindlich fest, dass keine in einer Ergänzungsbilanz zu erfassenden Anschaffungskosten vorliegen.
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3. Damit ist entscheidend, ob die Grunderwerbsteuer den „Kosten für den Vermögensübergang“ oder den unbeschränkt abziehbaren Betriebsausgaben zuzuordnen ist. Der Senat bejaht Kosten für den Vermögensübergang.
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a) Welche Aufwendungen „Kosten für den Vermögensübergang“ darstellen, ist im Gesetz nicht definiert. Auch in § 4 Abs. 4 UmwStG fehlt es an einer entsprechenden Definition.
16
Der BFH hat im Urteil vom 26. September 2018 I R 16/16, BStBl II 2020, 206 ausgeführt, Ziel der Regelungen in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG 2006 für den Fall der Aufwärtsverschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft sei, dass das verschmelzungsbedingte Übertragungsergebnis auf der Ebene der übernehmenden Körperschaft wie der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) behandelt wird. Aus diesem Ziel der Gleichbehandlung ergibt sich, dass die „Kosten für den Vermögensübergang“ nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln sind wie Veräußerungskosten im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG. Entscheidend ist damit das Veranlassungsprinzip (vgl. hierzu Schmidt/Wacker § 16 EStG Anm. 300 ff.).
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c) Bei der Prüfung der Veranlassung der Aufwendung durch den Vermögensübergang kommt dem bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheid Tatbestandswirkung zu. Da der Bescheid an den Verschmelzungsvertrag vom … anknüpft, ist hierauf abzustellen. Eine Prüfung, ob der Grunderwerbsteuerbescheid rechtmäßig ist, mit der Folge, dass im Falle der Rechtswidrigkeit die Veranlassung der Grunderwerbsteuer anhand des Lebenssachverhalts „rechtmäßige Grunderwerbsbesteuerung“ ermittelt wird, kommt nicht in Betracht.
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d) Mit der Aufwärtsverschmelzung der GmbH alt - als übertragender Rechtsträger - auf die Klägerin - als übernehmender Rechtsträger - haben sich die Eigentumsverhältnisse am Betriebsgrundstück nicht geändert. Maßgeblich veranlasst ist die Grunderwerbsteuer gleichwohl durch die Verschmelzung und den mit ihr herbeigeführten Übergang der Kommanditbeteiligung. Gegenstand der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Das Gesetz fingiert folglich mit Hilfe des Ersatztatbestandes der Anteilsvereinigung einen zivilrechtlich nicht vorhandenen grundstücksbezogenen Erwerbsvorgang. Dieser stellt den maßgeblichen Besteuerungsgrund dar, d.h. die Grunderwerbsteuer fällt durch den Übergang der Kommanditbeteiligung an (vgl. zu Verkehrssteuern als Veräußerungskosten: BFH-Urteil vom 26. März 1992 IV R 121/90, BStBl II 1992, 1038).
19
Den von der Klägerin vorgetragenen Überlegungen, die auf die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Betriebsausgaben und Anschaffungskosten zurückgehen, kommt bei der Abgrenzung zwischen abziehbaren Betriebsausgaben und nicht abziehbaren Aufwendungen für den Vermögensübergang keine Bedeutung zu. Bei der Abgrenzung zu Anschaffungskosten kommt es auf die Definition des Begriffs der Anschaffungskosten gemäß § 255 Handelsgesetzbuch (HGB) an (vgl. Schmidt/Kulosa § 6 EStG Rz. 31 ff.). Für die Zuordnung von Betriebsausgaben zu laufenden Ausgaben und Kosten des Vermögensübergangs ist § 255 HGB dagegen nicht von Bedeutung.
20
e) § 12 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG enthält keine zeitliche Komponente. Daher ist unerheblich, dass die Grunderwerbsteuer erst Jahre nach der Verschmelzung festgesetzt wurde.