Inhalt

OLG München, Beschluss v. 08.06.2020 – 29 W 721/20
Titel:

Streitwertbemessung bei Beanstandung von Äußerungen im Verfügungsverfahren

Normenkette:
GKG § 51 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4
Leitsätze:
1. Die eigene Angabe eines Antragstellers zu Beginn des Verfügungsverfahrens stellt in der Regel ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung des Streitwerts dar. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ergibt sich allerdings aus den Gesamtumständen, dass die Streitwertangabe das tatsächliche Interesse des Antragstellers offensichtlich nicht zutreffend widerspiegelt, kommt ihr keine Bedeutung zu. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Interesse an einer übermäßigen Kostenbelastung des Antragsgegners infolge der vorgenommen Streitwertangabe ist als Missbrauchseinwand gegenüber dem Unterlassungsanspruch geltend zu machen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwert, Kostentragungspflicht, Bewertung, Zeitpunkt, Streitwertbeschwerde, Verfahren, Antragsteller, Kostenentscheidung, Bedeutung, Kenntnis, Sicherheit, Interesse, Wert, Rechtsprechung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 13.02.2020 – 39 O 4466/19
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 12949

Tenor

Die Streitwertbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts München1 vom 16.01.2020 wirdzurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Von einem Tatbestand wird in entsprechender Anwendung der §§ 540 Abs. 1313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
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Die gemäß § 68 Abs. 1Satz I GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Streitwertbeschwerde ist unbegründet. Der für das insgesamt drei angegriffene Äußerungen um fassende Verfügungsverfahren aufe 80.000.00 festgesetzte Streitwert ist nicht zu beanstanden.
I.
3
Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert in Verfahren über Ansprüche nach dem UWG grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Lediglich sofern die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist als der hiernach ermittelte Streitwert. ist dieser nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG angemessen zu mindern. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich ergebende Wert nach § 51 Abs. 4 GKG in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeulung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.
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Nach allgemeiner Auffassung stellt die eigene Angabe eines Antragstellers zu Beginn des Verfahrens in der Regel ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung des Streitwerts dar (ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München. vgl. Senat. NJW-RR 2018. 575. Tz. 15 -Gebührenstreihven heim P('riehvechsel alifBeklagienselle:WRP 2008. 972. 976 -JackpotWerbung; vgl. auch BGH GRUR 1986. 93, 94 -Berufingssuminc:GRUR 1977. 748. 749-Kaf. fteverlosung ECLI:II:GRUR 1968. 106, 107 -Ratio -Mark!),weil in diesem Verfahrensstadium. in dem die spätere Kostentragungspflicht noch offen ist, erfahrungsgemäß Angaben von größerer Objektivität erwartet werden dürfen als zu einem Zeitpunkt. zu dem die Kostentragungspflieht bereits
feststeht oder zumindest mit erheblicher Sicherheit vorauszusehen ist (vgl. BGH GRUR 2012. 1288 Tz. 4 m.w.N. -Vorausbezahlie Telelimge.spräche//).Ergibt sich allerdings aus den Gesamtumständen, dass die Streitwertangabe das tatsächliche Interesse des Antragstellers Wensichtlich nicht zutreffend widerspiegelt, kommt ihr keine Bedeutung zu (v21. Senat, a.a.O..-.lackpoi-Werbung; OLG Frankfurt. Beschluss vom 3. November 2011 -6 W 65/10, juris. dort Tz. 2).
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2. Nach diesen Grundsätzen begegnet die Festsetzung des Streitwerts für das Verfügungsverfahren auff 80.000.00 im Beschluss vorn 16.01.2020 (BI. 57 d.A.) keinen Bedenken
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a) Der Antragsteller hat zu Beginn des Verfahrens den Streitwert auf Seite 2 der Antmgsschri Ii vom 29.03.2019 (BI. 2 d.A.) sogar höher. nämlich mit96.000.00 angegeben.
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Im Rahmen von § 51 Abs. 2 GKG ist das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers zu berücksichtigen, welches dadurch geprägt wird. nicht durch künrtige Äußerungen des Antragsgegners gegenüber Dritten, wie sie im Verfahren streitgegenständlich waren, in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt beeinträchtigt zu wetden. Insoweit erscheint - worauf das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 19.06.2020 (BI. 75/77 d.A.) zu Recht abgehoben hat - aufgrund der in Betracht zu ziehenden wirtschaftlichen Nachteile bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens der Ansatz von zweimal f.' 50.000.00 und einmal € 20.000.00 für insgesamt drei Äußerungen bei einem Abschlag von einem Drittel für das Verfügungsverfahren durchaus angemessen.
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b) Gesamtumstände, die darauf hindeuten, dass das tatsächliche Interesse des Antragstellers durch diesen Wert nicht angemessen abgebildet wird, sondern vielmehr nur mit höchstens e 10.000,00zu beziffern wäre, zeigt die Streitwertbeschwerde nicht auf'. Sie sind auch nicht ohnc weiteres ersichtlich.
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Dass die Äußerungen zwei Jahre zurückgelegen und nur einer einzigen dritten Person zur Kenntnis gelangt sein sollen, ändert hieran nichts. Ein erheblich geringerer Angriffsfaktor ist damit - wie das Landgericht zutreffend annimmt - nicht verbunden, weil sich auch aus einem einzigen Adressaten aufgrund der Weiterverbreitungsmöglichkeit längerfristig erhebliche wirtschallliche Nachteile ergeben können und diese das Antragstellerinteresse maßgeblich beeinflussen. Diesbezüglich bedarf es auch keiner Feststellung eines konkreten Reputationsverlustes. da es in der
in der Natur der Sache liegt, dass eine etwaige Weiterverbreitung von Äußerungen nicht direkt dem von der Äußerung Betroffenen zur Kenntnis gelangen soll.
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Ein Interesse an einer übermäßigen Kostenbelastung des Antragsgegners infolge der eingangs vorgenommen Streitwertbemessung auf 96.000.00 lässt sich nicht erkennen. Ein - unterstelltes - übermäßiges Kostenbelastungsinteresse wäre allenfalls beim Rechtsmissbrauchseinwand gegen den Unterlassungsanspruch zu verorten gewesen (vgl. BGH GRUR 2000. 1089. 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung), vermag aber eine niedrigere Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des hiesigen Antragstellers nicht zu begründen.
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Dass nach Auffassung des Antragsgegners auch der Antragsteller im hiesigen Verfahren eine ausdrucksstarke Äußerungskultur pflegen soll, spielt tatsächlich im hiesigen Verfahren keine Rolle, sondern könnte allenfalls das wirtschaftliche Interesse bei der Geltendmachung gegenläufiger Ansprüche bestimmen.
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Ein Ansatz des Regelstreitwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG kommt nicht in Betracht, weil der Sach- und Streitstand insoweit genügende Anhaltspunkte für die Bemessung des Streitwerts bildet, als die Äußerungen die berufliche Tätigkeit des Antragstellers betreffen und sich hieraus nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile ergeben könnten. 
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3. Eine Kostenentscheidung unterbleibt nach § 68 Abs. 3 GKG, da das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.