VG Ansbach, Urteil v. 29.04.2020 – AN 16 K 19.00989
Titel:

Rückforderung überzahlter Dienstbezüge

Normenketten:
SG § 28, § 55 Abs. 3
BBesG § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 2
BGB § 387, § 812 Abs. 1 S. 1, § 819 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
Richtlinie 2003/88/EG Art. 7 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes i.S.v. § 819 Abs. 1 BGB ist anzunehmen, wenn der Kläger seine Entlassung gemäß § 55 Abs. 3 SG auf eigenen Antrag erwirkt hat und damit mindestens hätte wissen müssen, dass sein Besoldungsanspruch mit Entlassung endet (Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG kommt nur in Betracht, wenn der Beamte bzw. Soldat aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses auszuüben. Dies ist bei einer Entlassung auf eigenen Antrag aus dem Dienst nicht gegeben (Rn. 23). (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein nationaler dienstrechtlicher Ausgleichsanspruch oder ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gleichermaßen eine vorherige Geltendmachung gegenüber dem Dienstherrn voraus (Rn. 25). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Soldatenrecht, Rückforderung überzahlter Dienstbezüge, Entreicherung / verschärfte Haftung, erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen (Urlaubsabgeltungsanspruch, Anspruch auf Vergütung von Überstunden/Mehrarbeit), Billigkeitsentscheidung, Soldat auf Zeit, Entlassung, faktisches Dienstverhältnis, finanzielle Abgeltung, Urlaubsabgeltungsanpruch, Mehrarbeit, Entreicherung, verschärfte Haftung, Aufrechnung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10431

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Bezüge durch die Beklagte.
2
Der Kläger stand im Zeitraum von 1. August 2018 bis 5. September 2018 als Soldat auf Zeit in einem faktischen Dienstverhältnis zu der Beklagten. Eine Ernennung zum Soldaten auf Zeit hat bis zu seiner Entlassung gemäß § 55 Abs. 3 SG nicht stattgefunden. Zum 1. September 2018 hat er Dienstbezüge in Höhe des Grundgehalts der Besoldungsgruppe A 3 / Stufe 1 für den Monat September 2018 in Höhe von 2.208,82 EUR abzüglich eines Anrechnungsbetrags gemäß § 39 Abs. 2 BBesG in Höhe von 120,77 EUR, mithin 2.088,05 EUR erhalten.
3
Mit Leistungsbescheid vom 12. November 2018 machte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Rückzahlung überzahlter Bezüge in Höhe von 1.618,80 EUR geltend. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 3 Abs. 3 BBesG der Anspruch auf Besoldung mit Ablauf des Tages ende, an dem der Soldat aus dem Dienstverhältnis ausscheide. Nach § 3 Abs. 4 BBesG würden Dienstbezüge monatlich im Voraus gezahlt. Der Kläger habe daher für den Monat September 2018 zum 1. September 2018 Dienstbezüge in voller Höhe erhalten. Da jedoch nur bis 5. September 2018 ein Anspruch auf Dienstbezüge bestand, seien für die Zeit von 6. September bis 30. September 2018 Dienstbezüge in Höhe von brutto 1.618,80 EUR überzahlt, wie der diesem Bescheid beigefügten Abrechnung von 12. November 2018 zu entnehmen sei. Dieser Betrag werde gemäß § 12 Abs. 2 BBesG nach den bereicherungsrechtlichen Vorschiften aus §§ 812 ff. BGB zurückgefordert. Auf Entreicherung könne sich der Kläger dabei nicht berufen, da der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG so offensichtlich gewesen sei, dass sich die Fehlerhaftigkeit der Bezügemitteilung aufdränge. Denn der Kläger habe einen Antrag auf vorzeitige Entlassung gestellt. Aufgrund der in diesem Zusammenhang vor der Entlassung erteilten Belehrung sei ihm bekannt gewesen, dass zu viel gezahlte Bezüge zurückzuzahlen seien. Billigkeitsgründe, die ein völliges bzw. teilweises Absehen von der Rückforderung rechtfertigen würden, seien nicht zu erkennen. Die Rückforderung erscheine zumutbar und stelle keine über die allgemeine Härte hinausgehende besondere Härte dar. Entsprechende Anhaltspunkte für eine solche seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Es werde aus Billigkeitsgründen jedoch Ratenzahlung eingeräumt in Höhe von monatlich 260,00 EUR bzw. abschließend 58,80 EUR.
4
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. Dezember 2018 ließ der Kläger Widerspruch gegen den Leistungsbescheid der Beklagten vom 12. November 2018 erheben, den er wie folgt begründete: Wegen erheblicher Überstunden sei seiner Gruppe in der zweiten Woche zur Abgeltung der Überstunden bezahlte Freizeit (Heimurlaub) gewährt worden. Er selbst sei während dieser Zeit erkrankt gewesen und habe daher die zur Überstunden-Abgeltung gewährte Freizeit nicht in Anspruch nehmen können. Er besitze allerdings einen Erstattungsanspruch für eine Woche, da die Gewährung von Freizeit wegen der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr möglich sei. Gleiches gelte für die danach geleisteten Überstunden, von deren Vorliegen in erheblichem Ausmaß er ausgehe. Darüber hinaus sei er zumindest teilweise entreichert. Er sei aufgrund der Überstunden und des Guthabens davon ausgegangen, dass keine Rückforderung entstehen werde. Die Forderungen seien üblicherweise zu saldieren. Zudem weise er darauf hin, dass lediglich ein Teilbetrag der geltend gemachten 1.618,80 EUR zur Auszahlung gelangt sei. Er könne nichts zurückzahlen, was er nicht erhalten habe. Der Bezugsabrechnungsversuch vom 19. August 2018 und 15. September 2018 sei unübersichtlich und nicht nachvollziehbar. Er sei teils von 6:00 Uhr bis 23:00 Uhr tätig gewesen.
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 erläuterte die Beklagte dem Klägerbevollmächtigten die Sach- und Rechtslage wie folgt: Der Kläger habe sich ab dem Zeitpunkt seines Dienstantritts trotz verzögerter Ernennung in einem faktischen Soldatenverhältnis befunden. Ihm stünde für diese Zeit ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für seine Dienstleistungen zu. Maßstab seien die Dienstbezüge nach § 1 BBesG, die ihm zugestanden hätten, wäre ihm die Ernennungsurkunde am Tag seines Dienstantritts ausgehändigt worden. Dem Kläger seien zum Fälligkeitstag September 2018 Dienstbezüge für den Monat August und September 2018 ausbezahlt worden, wobei zu berücksichtigen sei, dass dem Bankkonto Nettobeträge gutgeschrieben werden. Ab dem 6. September 2018 sei die Zahlung aufgrund Beendigung des Dienstverhältnisses ohne Rechtsgrund erfolgt. Insoweit sei der Kläger zur Rückzahlung des Bruttobetrages verpflichtet. Die Abgeltung von Überstunden richte sich nach §§ 3 bis 5 Erschwerniszulagenverordnung (EZulV). Er werde insoweit um schnellstmögliche Vorlage einer Bescheinigung der damals zuständigen Einheit über entsprechende Dienste gebeten. Um diesen Betrag mindere sich freilich die Rückforderung. Forderungsnachweise seien jedoch bislang nicht vorgelegt worden. Für zusätzlich geleisteten Dienst außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sehe der Gesetzgeber allerdings keine Abgeltung in Form eines höheren Grundgehalts vor.
6
Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 entgegneten die Klägerbevollmächtigten, dass die Beklagte auf die Gewährung bezahlter Freizeit (Heimurlaub), die der Kläger krankheitsbedingt nicht in Anspruch nehmen konnte, weshalb insoweit ein Erstattungsanspruch bestehe, nicht eingegangen sei. Auf geleistete Überstunden habe man bereits hingewiesen. Zudem bestehe während des neunmonatigen Grundwehrdienstes ein Anspruch auf Erholungsurlaub in Höhe von 20 Tagen. Daraus ergäben sich für die Zeit vom 1. August 2018 bis 5. September 2018 aufgerundet drei Urlaubstage, die abzugelten seien. Eine nachvollziehbare Abrechnung liege immer noch nicht vor. Zudem könne der Kläger nicht auf Steuererstattungsansprüche verwiesen werden; er sei nicht verpflichtet, mehr zurückzuzahlen, als er erhalten habe.
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Mit Schreiben vom 8. Januar 2019 wies die Beklagte die Klägerbevollmächtigten zur Sach- und Rechtsaufklärung bezüglich der Auszahlung von Urlaubstagen darauf hin, dass sich der Kläger als Soldat auf Zeit nicht in einem Wehrdienstverhältnis nach dem Wehrpflichtgesetz („Grundwehrdienst“) befunden habe, sein Urlaubsanspruch richte sich nach § 28 SG i.V.m. der Soldatenurlaubsverordnung. Mit Ausscheiden aus der Bundeswehr würden alle Urlaubsansprüche erlöschen, eine Geldentschädigung für nicht in Anspruch genommenen Urlaub werde nicht gewährt, vgl. Nr. 111 lit. b der Ausführungen der Soldatenurlaubsverordnung. Hinsichtlich der Auszahlung von Überstunden seien keine Forderungsnachweise zugesandt worden. Zuletzt erläuterte die Beklagte die Abrechnung der Dienstbezüge, die Bestandteil des Leistungsbescheides ist, ausführlich.
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Mit Schreiben vom 15. Februar 2019 wiesen die Klägerbevollmächtigten ergänzend darauf hin, dass nach den Grundsätzen des EuGH nicht in Anspruch genommener Urlaub nicht ersatzlos entfallen dürfe, sondern abzugelten sei. Der Kläger werde gegenüber anderen Zeitsoldaten gleichheitswidrig benachteiligt. Zu den geleisteten Überstunden werde mitgeteilt, dass sich die tägliche Arbeitszeit größtenteils von 6:00 Uhr bis 23:00 Uhr erstreckte, lediglich am Freitag hätten die Soldaten bereits nachmittags nach Hause gehen dürfen. Am 4. August 2018 und 5. August 2018 sei zudem am Wochenende gearbeitet worden. Die erstellten Lohnabrechnungen seien nicht nachvollziehbar.
9
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2019, den Klägerbevollmächtigten zugestellt am 17. April 2019, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2018 zurück.
10
Zur Begründung führte sie in rechtlicher Hinsicht aus, dass die gemäß § 12 Abs. 2 BBesG durchgeführte Rückforderung nicht zu beanstanden sei. Da dem Kläger nie eine Ernennungsurkunde ausgehändigt worden sei, sei kein Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit begründet worden. Der Kläger habe sich vielmehr seit seinem Dienstantritt am 1. August 2018 in einem faktischen Soldatenverhältnis befunden. Er habe für seine insoweit geleisteten Dienste einen Anspruch auf angemessene Entschädigung vom Tag des Dienstantritts an. Maßstab seien die Dienstbezüge, die ihm bei Ernennung am Tag des Dienstantritts zugestanden hätten. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung habe am 1. August 2018 begonnen und am 5. September 2018 geendet. Für den Monat August 2018 habe der Kläger einen Abschlag auf seine Dienstbezüge erhalten, der bei rückwirkender Aufnahme der Bezügezahlung zum 1. September 2018 verrechnet worden sei, wie der Bezügeabrechnung vom 19. August 2018 entnommen werden könne. Da ihm bis 30. September 2018 eine Entschädigung in Höhe der Dienstbezüge gezahlt worden sei, obwohl diese ihm für die Zeit ab dem 6. September 2018 nicht zustand, seien 1.618,80 EUR ohne Rechtsgrund geleistet worden und demgemäß zurückzufordern. Die Rückforderung stütze sich auf § 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. §§ 812 ff. BGB. Der Kläger hafte gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG verschärft. Er sei auf eigenen Wunsch am 5. September 2018 aus dem Soldatenverhältnis ausgeschieden, daher sei ihm klar gewesen, dass er ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Geldleistungen mehr habe. Eine verschärfte Haftung sei ferner nach § 820 BGB zu bejahen, da die Entschädigung in Höhe der Dienstbezüge unter dem gesetzlichen Vorbehalt erfolgt sei, dass das Dienstverhältnis den gesamten Monat fortbestehe. Ein Verbrauch zu viel erhaltenen Geldes entlaste den Kläger daher nicht. Die Rückforderung erweise sich auch nicht im Sinne des § 242 BGB als treuwidrig. Die Rückforderung des Bruttobetrages sei rechtlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Überstunden, die krankheitsbedingt nicht mit der Gruppe im Heimurlaub abgefeiert werden konnten, werde mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsamt lediglich die Bezüge zahlende Stelle sei. Es habe keine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich Überstunden- und Urlaubsabgeltung. Wie bereits mitgeteilt, sei die Einheit zuständig, bei der der Kläger gedient habe. Daher werde um dortiges Vorbringen des Anliegens gebeten. Bei Eingang entsprechender durch diese Einheit ausgestellter Unterlagen könne der Rückforderungsbetrag angepasst werden. Im Übrigen sei das AGG nicht anwendbar. Schließlich sei auch nicht gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abzusehen gewesen. Die im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde stehende Billigkeitsentscheidung bezwecke, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen. Vorliegend sei die Überzahlung der Entschädigung durch die monatlich erfolgende Vorauszahlung entstanden. Der Zeitpunkt der Entlassung des Klägers liege nach Auszahlung der Bezüge für September 2018. Es fehle an einem Verschulden oder Fehlverhalten der Behörde. Dem Kläger werde jedoch Ratenzahlung zugestanden.
11
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. Mai 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragt,
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts Außenstelle … (Az …) vom 12. November 2018 in Form des Widerspruchsbescheids des Bundesverwaltungsamts Außenstelle … (Az. …) vom 16. April 2019 wird aufgehoben.
12
Zur Klagebegründung wiederholten die Klägerbevollmächtigten im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führten ergänzend aus, dass das Bundesverwaltungsamt nicht darauf verweisen könne, lediglich auszahlende Stelle zu sein. Eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung und Rückforderung sei Angelegenheit der Beklagten, die die Rückforderung geltend mache; der Kläger könne nicht an seine frühere Dienststelle verwiesen werden. Soweit die Beklagte Bruttobeträge zurückfordert, sei der Kläger durch abgeführte Lohnsteuer nicht bereichert. Die Beklagte handle hinsichtlich der Abführung von Lohnsteuer zudem nicht für den Kläger, sondern in eigener gesetzlicher Verpflichtung.
13
Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2019 beantragt die Beklagte,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen, und bezieht sich zur Klageerwiderung auf den Widerspruchsbescheid vom 16. April 2019 sowie ihre Hinweisschreiben vom 12. Dezember 2018 und 8. Januar 2019.
14
Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 erwiderte der Klägerbevollmächtigte, dass geleistete Überstunden des Klägers nicht ersatzlos entfallen können. Die Beklagte stelle die Überstunden nicht in Abrede. Sie hätte im Übrigen nach den Grundsätzen des EuGH die Arbeitszeit des Klägers dokumentieren müssen. Dies sei möglicherweise nicht erfolgt, oder die Beklagte weigere sich, entsprechende Aufstellungen in Vorlage zu bringen. Das Bundesverwaltungsamt könne den Kläger nicht an die zuständige Einheit verweisen, es sei vielmehr selbst für die Vergütung des Klägers und die Rückforderung zuständig.
15
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17
1. Die Rückforderungsentscheidung der Beklagten erweist sich als formell rechtmäßig.
18
Die Beklagte hat den Kläger zwar vor Erlass ihres Bescheides vom 12. November 2018 nicht angehört, obwohl § 28 Abs. 1 VwVfG verlangt, dass einem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Anhörungsmangel ist jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG unbeachtlich geworden, weil die erforderliche Anhörung des Klägers jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden ist. Dort hatte der Kläger umfassend Gelegenheit zur Äußerung über entscheidungserhebliche Tatsachen.
19
2. Auch in materieller Hinsicht erweist sich die Rückforderung überzahlter Bezüge in Höhe von 1.618,80 EUR durch die Beklagte als rechtmäßig.
20
a) Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist das ohne Rechtsgrund Erlangte herauszugeben. Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten - wie vorliegend im Falle erlangten Buchgeldes - nicht möglich, so ist der Wert zu ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB). Der Kläger erhielt für den Zeitraum vom 6. September 2018 bis 30. September 2018 Dienstbezüge ohne Rechtsgrund, da mit seiner Entlassung mit Ablauf des 5. September 2018, die gemäß § 55 Abs. 3 SG auf Antrag des Klägers aus persönlichen Gründen erfolgt ist, sein (mangels Ernennung faktisches) Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit und mithin sein Anspruch auf Besoldung gemäß § 3 Abs. 2 BBesG geendet hat. Die Beklagte bestimmte die Höhe der überzahlten Dienstbezüge auf 1.618,80 EUR. Die hierzu erstellte Anlage „Abrechnung der Dienstbezüge (Brutto)“, die einen Bestandteil des angefochtenen Leistungsbescheides der Beklagten vom 12. November 2018 bildet, enthält eine übersichtliche Darstellung der dem Kläger zustehenden sowie an ihn ausgezahlten Dienstbezüge. Dass sich diese als fehlerhaft erweist, hat weder der Klägerbevollmächtigte substantiiert vorgebracht noch ist dies sonst ersichtlich. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang kritisierte Unübersichtlichkeit von Bezügeabrechnungen der Beklagten vom 19. August 2018 und 15. September 2018 erweist sich bereits deshalb als unbehelflich, weil letztere nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden.
21
b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen. Hiernach ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Dass der Kläger das Erlangte verbraucht hat, ohne sich eigene Aufwendungen erspart zu haben, wurde jedoch nicht ansatzweise substantiiert vorgebracht. Soweit der Kläger Gegenforderungen geltend macht, handelt es sich um eine erklärte Aufrechnung, die als rechtsvernichtende Einwendung allenfalls zum Erlöschen des Rückforderungsanspruchs der Beklagten führen kann (vgl. 2. c)), jedoch keine Entreicherung des Klägers zu begründen vermag. Im Übrigen könnte sich der Kläger auch deshalb nicht auf Entreicherung berufen, weil er jedenfalls nach § 12 Abs. 2 Sätze 1, 2 BBesG i.V.m. §§ 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB verschärft haftet. Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre (§ 819 Abs. 1 BGB). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung i.S.v. § 819 Abs. 1 BGB gleich, wenn der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Mangel des rechtlichen Grundes offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, U.v. 28.2.1985 - 2 C 31/82 - DÖD 1985, 199). Vorliegend ist jedenfalls eine solche grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes anzunehmen, weil der Kläger seine Entlassung gemäß § 55 Abs. 3 SG auf eigenen Antrag erwirkt hat und damit mindestens hätte wissen müssen, dass sein Besoldungsanspruch mit Entlassung endet.
22
c) Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist schließlich auch nicht infolge einer wirksamen Aufrechnung durch den Kläger (§§ 387 ff. BGB) mit einem vermeintlich zustehenden Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Erholungsurlaub und einem Anspruch auf Vergütung geleisteter Überstunden (ganz oder teilweise) erloschen. Derartige Gegenforderungen stehen dem Kläger nämlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zur Seite.
23
aa) Ein Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung gegenüber der Beklagten ergibt sich weder auf nationaler noch unionsrechtlicher Anspruchsgrundlage.
§ 28 SG sieht für Soldaten keine finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen vor. Ein Anspruch nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung auf finanzielle Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dieser voraussetzt, dass der Kläger, der als Soldat zwar grundsätzlich unter die o.g. Richtlinie fällt, krankheitsbedingt vor seiner Entlassung nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen. Dies war jedoch nicht der Fall, da der Kläger nach eigenen Angaben lediglich für die Dauer von einer Woche krankheitsbedingt keinen Dienst leisten konnte. Eine Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in der Folgezeit war daher nicht krankheitsbedingt ausgeschlossen. Auch wenn man annähme, dass die von der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Grundsätze zu Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG auf andere als Krankheitsgründe entsprechend angewendet werden können (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 16.8.2019 - 12 A 157/17 - juris Rn. 31 f.; OVG Münster, U.v. 3.6.2015 - 6 A 23/26/12 - juris Rn. 85 f. mit weiteren Nachweisen), ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn Voraussetzung eines solchen Anspruchs wäre jedenfalls, dass der Beamte bzw. Soldat aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses auszuüben. Tatsachen, die diese Annahme stützen könnten, hat der Kläger, der auf eigenen Antrag aus dem Dienst bei der Beklagten entlassen worden ist, nicht vorgebracht.
24
bb) Auch ein Anspruch auf Vergütung für geleistete Überstunden, die nicht durch Freizeitausgleich abgegolten wurden, kommt nicht in Betracht.
25
Dies gilt bereits deshalb, weil der Kläger in tatsächlicher Hinsicht zu keinem Zeitpunkt substantiierte Nachweise dafür erbracht hat, dass und in welchem Umfang er Überstunden geleistet hat. Selbst bei geleisteter Mehrarbeit stünde dem Kläger auch aus Rechtsgründen aufgrund folgender Erwägungen kein Anspruch zur Seite: Ein nationaler dienstrechtlicher Ausgleichsanspruch oder ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gleichermaßen eine vorherige Geltendmachung gegenüber dem Dienstherrn voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 2 C 40.17 - juris Rn. 25 ff. m.w.N., U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 26 - 29, BayVGH, B.v. 11.9.2018 - 6 ZB 18.1356). Während sich Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten unmittelbar aus dem Gesetz (§ 2 Abs. 1 BBesG) ergeben und keines Antrages bedürfen, müssen Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vorher gegenüber dem Dienstherrn geltend gemacht werden. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nämlich nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Erst sekundär kommt ein entsprechender finanzieller Anspruch in Betracht. Der Kläger hat jedoch nicht vorgebracht, während seiner Dienstzeit die Arbeitszeit gegenüber seinem Dienstherrn beanstandet zu haben bzw. einen Ausgleichsanspruch geltend gemacht zu haben. Dass er in der zweiten Dienstwoche erkrankt gewesen sein will und deshalb im Gegensatz zu seinen Kollegen zu dieser Zeit keinen Freizeitausgleich in Anspruch nehmen konnte, stand einer solchen Geltendmachung nicht entgegen, da der Kläger auch nach Gesundung ausreichend Gelegenheit hierzu hatte.
26
Zuletzt ist anzumerken, dass nicht durch Freizeitausgleich ausgeglichene Überstunden oder Mehrarbeit auch keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG auslösen (vgl. BVerwG, B.v. 1.7.2014 - 2 B 39/13 - juris Rn. 10).
27
d) Schließlich erweist sich auch die auf Rechtsfolgenseite von der Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG als ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
28
Hiernach kann mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle aus Billigkeit ganz oder zum Teil von der Rückforderung abgesehen werden. Diese Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Soldaten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (vgl. BVerwG, U.v. 26.04.2012 - 2 C 15.10 - juris Rn. 18). Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Soldaten abzustellen.
29
Nach diesen Grundsätzen ist die Billigkeitsentscheidung der Beklagten bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil der Kläger weder Einwände gegen die bewilligte Ratenzahlung noch sonstige Umstände vorgebracht hat, nach denen sich das Rückforderungsbegehren der Beklagten als unbillig erweisen könnte.
30
Der Kläger hat mithin überzahlte Dienstbezüge in der geltend gemachten Höhe zu erstatten, wobei die Beklagte auch zu Recht Bruttobeträge zurückfordert (vgl. BVerwG, U.v. 12.5.1966 - II C 197.62 - juris Rn. 56 f.).
31
3. Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten trifft die Kammer keine Entscheidung, weil sie davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft des Urteils nicht vollstreckt.