Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.05.2019 – 20 ZB 17.579
Titel:

Eigenbereitstellung von Müllbehältern

Normenketten:
BayAbfG Art. 7 Abs. 1 S. 2
Hausmüllentsorgungssatzung der Landeshauptstadt München (HausmüllentsorgungsS Mü) vom 20.12.2001 (MüABl. S. 529) § 6 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 5, § 11 Abs. 1
Leitsatz:
Die Verpflichtung eines Überlassungspflichtigen, Abfallbehälter selbst zur nächsten vom Abfuhrfahrzeug ordnungsgemäß anfahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche zu verbringen, gehört zu dem in Art. 7 Abs. 1 BayAbfG ausdrücklich vorgesehenen Regelungsbereich kommunaler Abfallwirtschaftssatzungen entsorgungspflichtiger Körperschaften (ebenso BayVGH BeckRS 2015, 44749). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung der Eigenbereitstellung von Müllbehältern, Unfallverhütungsvorschriften, Abfallentsorgung, Abfuhrfahrzeug, Überlassungspflicht, Abfallwirtschaftssatzung, Denkmalschutz
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.10.2016 – M 10 K 16.2393
Fundstelle:
BeckRS 2019, 9759

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt.
2
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn die angegriffene Entscheidung mit überwiegender bzw. hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BayVGH, B.v. 5.7.2011 - 20 ZB 11.1146 - juris; BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004, 542). Schlüssige Gegenargumente liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2001/10 - NVwZ 2011, 546).
3
Die Klägerin macht in der Begründung des Zulassungsantrags im Wesentlichen geltend, dass die Anordnung der Eigenbereitstellung der Müllbehälter und Wertstoffbehälter im angefochtenen Bescheid gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, da in anderen, namentlich genannten Gebäuden die Mülltonnen im „Vollservice“ über das Hochparterre und dem Haupteingang getragen und auf die Straße gestellt würden. Dies hätte die Beklagte der Klägerin anbieten müssen, da es sich bei dem klägerischen Haus um ein sogenanntes „Traghaus“ nach der Hausmüllentsorgungssatzung der Beklagten handle und dieser Status auch nicht entfallen sei. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht ausreichend gewürdigt, welche Schranken der Denkmalschutz einer Veränderung des Eingangsbereiches setze. Es fehle an einer Abwägung zwischen den Zielen des Denkmalschutzes und den Anforderungen einer praktikablen Müllentsorgung. Diese Angriffe begründen jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
4
Die Kammer des Verwaltungsgerichts ist zutreffend in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt B.v. 29.10.2018 - 20 ZB 18.957 - juris Rn. 14) davon ausgegangen, dass die Anordnung der Eigenbereitstellung im streitgegenständlichen Bescheid auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Satz 4 der Hausmüllentsorgungssatzung der Beklagten von der Ermächtigung in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Abfallgesetzes (BayAbfG) gedeckt ist (S. 8/9 des Urteils). Danach können die entsorgungspflichtigen Körperschaften insbesondere bestimmen, in welcher Art, in welcher Weise, an welchem Ort und zu welcher Zeit ihnen die Abfälle zu überlassen sind. Die Verpflichtung der Klägerin als Überlassungspflichtigen, die Abfallbehälter selbst zur nächsten vom Abfuhrfahrzeug ordnungsgemäß anfahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche zu verbringen, gehört somit zu dem in Art. 7 Abs. 1 BayAbfG ausdrücklich vorgesehenen Regelungsfeld für kommunale Abfallwirtschaftssatzungen der entsorgungspflichtigen Körperschaften (Art. 3 Abs. 1 BayAbfG), wie der Senat in ständiger Rechtsprechung festgestellt hat (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2010 - 20 B 10.1379 - Rn. 19; B.v. 23.3.2015 - 20 ZB 15.391 - juris Rn. 3 ff.; U.v. 11.3.2005 - 20 B 04.2741 - juris Rn. 16 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Bestimmungen einer Abfallsatzung, die vorsehen, dass die Überlassungspflichtigen die Abfallbehältnisse unter bestimmten Voraussetzungen an einen grundstücksfernen Aufstellungsort verbringen müssen, rechtlich grundsätzlich unbedenklich, insbesondere stehen diese nicht im Widerspruch zu Bundesrecht (BVerwG, U.v. 25.8.1999 - 7 C 27.98 - juris Rn. 8; B.v. 17.3.2011 - 7 B 4.11 - juris Rn. 8). Dies gilt hier erst recht, als der Klägerin nur die Verbringung der Abfallbehältnisse auf den Gehsteig unmittelbar vor ihrem Grundstück auferlegt wird.
5
Dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung der Eigenbereitstellung nach § 11 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 4 der Hausmüllentsorgungssatzung der Beklagten nicht vorliegen würden, macht die Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags nicht geltend und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Vorliegend ist der Standplatz der Müllbehälter nicht i.S.v. § 6 Abs. 4 Satz 5 Hausmüllentsorgungsatzung ohne Unfallgefahr und Behinderung zugänglich. Konkret ist die Einhaltung der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift GUV-R 238-1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nicht gesichert i.S.v. § 6 Abs. 4 Satz 7 der Hausmüllentsorgungssatzung (vgl. S. 11-13 des Urteils).
6
Die Klägerin wendet sich im Ergebnis allein gegen die von der Beklagten vorgenommene Ausübung ihres Ermessens. Diese ist jedoch nicht zu beanstanden.
7
1. Die klägerische Einwendung, die Schranken des Denkmalschutzes seien nicht ausreichend gewürdigt worden, ist ohne Substanz. Weder der angegriffene Bescheid noch die ihm zugrunde liegende Satzung stehen den Zielen des Denkmalschutzes entgegen. Durch den Bescheid wird gerade kein Umbau des Anwesens oder Ähnliches gefordert. Auch wenn es zutrifft, dass nach der Normenhierarchie das Bayerische Denkmalschutzgesetz in Bezug auf die Hausmüllentsorgungssatzung der Beklagten höherrangiges Recht ist, führt dies nicht dazu, dass im konkreten Fall, wenn aus Gründen des Denkmalschutzes eine bauliche Veränderung eines Gebäudes mit dem Ziel, die arbeitsschutzrechtlichen Hindernisse für eine Beibehaltung des Vollservice zu beseitigen, unmöglich ist, eine Anordnung der Eigenbereitstellung dann ermessensfehlerhaft wäre. Denn dass die Satzung mit den Anforderungen des Denkmalschutzes nicht vereinbar wäre wird nicht substantiiert dargelegt und drängt sich auch nicht auf. Sie ist daher wirksames Recht. Auch wenn die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Kläger beim Schutz der Denkmäler unterstützen soll, kann dies weder zu einer Beschränkung ihrer Satzungshoheit noch zu einer Gefährdung ihrer Beschäftigten führen.
8
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Verzicht der Beklagten auf die Anordnung der Eigenbereitstellung in den Häusern … … und …  hat nicht zur Folge, dass die Anordnung der Eigenbereitstellung für das klägerische Anwesen ermessensfehlerhaft wäre. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die betreffenden Verfahren laut Angaben der Beklagten noch nicht abgeschlossen sind. Sollte die Beklagte sich jedoch dazu entschließen, bei diesen Anwesen auf die Anordnung der Eigenbereitstellung zu verzichten, ohne dass die beklagten Mängel hinsichtlich der Unfallverhütungsvorschriften und des Arbeitsschutzes beseitigt sind, so dürfte darin ein Verstoß gegen § 6 Abs. 4 Satz 7 der Hausmüllentsorgungssatzung der Beklagten liegen, wonach die Standplätze und deren Zugänge so einzurichten sind, dass die Einhaltung der Vorschriften zur Unfallverhütung gesichert ist. Damit wäre § 6 Abs. 1 Satz 1 Hausmüllentsorgungssatzung verletzt, da die Müll- und Wertstoffbehälter dann nicht so aufgestellt wären, dass sie vom Abfuhrpersonal behinderungsfrei erreicht werden können. Der Verzicht auf die Eigenbereitstellung wäre daher rechtswidrig. Aus einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln kann aber auch unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Anspruch auf Gleichbehandlung abgeleitet werden („kein Anspruch auf Gleichheit im Unrecht“). Ein entsprechendes Handeln der Beklagten mag aus Sicht der Klägerin ärgerlich sein, führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides.
9
3. Auch die Verhältnisse im Nachbarhaus W …  und deren Handhabung durch die Beklagte begründen keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und damit auch keinen Ermessensfehler hinsichtlich des streitgegenständlichen Bescheides. Nach dem Vortrag der Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags befinden sich dort die Mülltonnen im Garten und werden durch die Hoftür, über die Treppe hinauf ins Hochparterre und wieder hinunter zum Haupteingang getragen und auf die Straße gebracht. Bei dem Wohngebäude der Klägerin war dies im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dagegen nicht der Fall. Dass inzwischen eine Verlagerung in den Garten erfolgt ist, ist klägerseits im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen worden. Vielmehr befanden und befinden sich die Mülltonnen im Kellerraum, der allein über die arbeitsschutzrechtlich beanstandete Treppe von der Straßenseite her zu erreichen war. Die Situation im Nachbarhaus ist daher mit der im Haus der Klägerin nicht vergleichbar. Auf die Frage, wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn die Mülltonnen im Garten des klägerischen Hauses stehen würden, kommt es aus tatsächlichen Gründen vorliegend nicht an. Daher bestand auch keine Pflicht der Beklagten, der Klägerin eine Verfahrensweise, wie sie in dem Nachbarhaus praktiziert wird, anzubieten.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3 GKG, § 52 Abs. 2 GKG.
11
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.