Inhalt

VGH München, Urteil v. 13.05.2019 – 12 BV 18.2142
Titel:

Keine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag bei einer Jugendhilfeleistung bei vorrangiger Verpflichtung eines anderen Trägers

Normenketten:
SGB VIII § 35a Abs. 1, § 92, § 94 Abs. 1 S. 1
SGB IX § 14
SGB X § 104 Abs. 3, § 112
Leitsatz:
Die Heranziehung eines Elternteils zu einem Kostenbeitrag für die seinem Kind gegenüber erbrachte, im Grund kostenbeitragspflichtige Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 1 SGB VIII kommt dann nicht in Betracht, wenn der Jugendhilfeträger die Leistung wegen der zunächst ungeklärten Zuständigkeit vorerst nur vorläufig erbracht hat und später die Vorrangigkeit des Anspruchs gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII festgestellt wurde. Dem Jugendhilfeträger verbleiben nämlich in diesem Fall keine Kosten bzw. Aufwendungen, da er diese vorrangig und vollständig von einem anderen Erstattungsverpflichteten ersetzt verlangen kann. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Jugendhilferechtlicher Kostenbeitrag, Kostenerstattung durch einen anderen Sozialleistungsträger, Zuständigkeit des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers, Kostenerstattung, jugendhilferechtlicher Kostenbeitrag, stationäre Unterbringung, Hilfeempfänger, kostenbeitragspflichtige Leistung, Leistungsgewährung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Entscheidung vom 14.06.2018 – AN 6 K 17.1747
Fundstelle:
BeckRS 2019, 9754

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Juni 2018 - AN 6 K 17.01747 -, der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2017 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 26. April 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2017 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um einen Kostenbeitrag, den der Beklagte vom Kläger für seinem am 6. September 1998 geborenen Sohn Robert in der Zeit vom 9. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016 in Form einer stationären Unterbringung gemäß §§ 35a Abs. 1 SGB VIII bzw. 53 ff. SGB XII gewährte Jugendhilfeleistungen erhoben hat.
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Der Beklagte leitete am 13. Mai 2015 einen bei ihm am 11. Mai 2015 eingegangenen Formblattantrag auf stationäre Jugendhilfeleistungen an den Beigeladenen mit der Begründung weiter, dass beim Hilfeempfänger eine Mehrfachbehinderung vorliege und der Beigeladene als zweitangegangener Reha-Träger gemäß § 14 SGB IX zur Leistung verpflichtet sei. Der Beigeladene sandte mit Schriftsatz vom 17. Juni 2015 den Antrag an den Beklagten wegen Versäumung der Weiterleitungsfrist nach § 14 SGB IX zurück. Der Antrag sei dem Beklagten schon länger bekannt gewesen, lediglich der Formblattantrag sei am 11. Mai 2015 beim Jugendamt eingegangen. Im Übrigen werde eine Mehrfachbehinderung bestritten.
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Nach erneuter Übersendung des Antrags an den Beigeladenen und dessen erneuter Rücksendung an den Beklagten, bewilligte der Beklagte dem Hilfeempfänger mit Bescheid vom 14. Oktober 2015 vorläufig stationäre Eingliederungshilfe in einer stationären Einrichtung ab dem 9. Oktober 2015 bis auf weiteres.
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Mit Bescheid vom 12. April 2017 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 26. April 2017 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 2.953,52 Euro im Zeitraum vom 16. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Mittelfranken mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2017 zurück.
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Durch Urteil vom 14. Juni 2018 wies das Verwaltungsgericht die mit Schriftsatz vom 25. August 2017 erhobene Klage ab. Auf die Frage der Einhaltung der zweiwöchigen Weiterleitungsfrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX komme es entscheidungserheblich nicht an, da jedenfalls der Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger eine Jugendhilfeleistung nach § 35a Abs. 1 SGB VIII erbracht habe. Der Beklagte sei nach Art. 53 Abs. 1 AGSG vorrangig zur Leistung verpflichtet gewesen, was sich auch aus § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII begründen lasse. Seien beide Träger einer kongruenten Leistung sachlich zuständig, bedeute dies gleichzeitig, dass der die Leistung tatsächlich erbringende Träger eine Leistung nach seinen Rechtsvorschriften bewirke und nicht etwa für einen anderen Leistungsträger nur nach dessen Rechtsvorschriften leiste. Daher ergebe sich die Verpflichtung des Beklagten, auch einen Kostenbeitrag vom Kläger zu fordern. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beigeladene zwischenzeitlich für den stationären Aufenthalt vom 9. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016 vollständig Kostenerstattung geleistet habe. Zur Lösung des Problems, dass einerseits der Beklagte nach den Rechtsvorschriften des von ihm anzuwendenden Leistungsrechts einen Kostenbeitrag gegen den Kläger habe geltend machen müssen, andererseits der Beigeladene nach § 104 Abs. 3 SGB X ohne Berücksichtigung der Einnahmen aus dem Kostenbeitrag auf Seiten des Jugendhilfeträgers Kostenerstattung zu gewähren habe, sei unter Beachtung des Interessenwahrungsgrundsatzes eine Erstattung des Kostenbeitrags an den Beigeladenen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 112 SGB X zu empfehlen. Demgegenüber verbiete sich eine Nichterhebung des Kostenbeitrags, zumal sich der Kläger mit dem Formblattantrag vom 11. Mai 2015 ausdrücklich an den Jugendhilfeträger gewandt habe. Der hiervon abweichenden Rechtsprechung des OVG Lüneburg (B.v. 21.1.2014 - 4 LC 57/11 -), wonach gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ein Kostenbeitrag nur erhoben werden dürfe, wenn dem Jugendhilfeträger durch die Leistungsgewährung tatsächlich Kosten bzw. Aufwendungen entstanden seien und auch verblieben, könne nicht gefolgt werden.
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Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Verwaltungsgericht verkenne die Regelung des § 43 SGB I bzw. des Art. 53 Abs. 1 AGSG, deren Sinn und Zweck es sei, beim Antragsteller keinen Nachteil entstehen zu lassen. Gleiches sei in den §§ 13, 14, 16 SGB I geregelt. Auch auf den Rechtsgedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs werde verwiesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege eine ungerechtfertigte Bereicherung vor. Die Berufung werde darüber hinaus zugleich auch auf die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 21. Januar 2014 gestützt.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Juni 2018 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Eine ungerechtfertigte Bereicherung liege nicht vor, da der Beklagte aus dem Interessenwahrungsgrundsatz heraus gehalten sei, vereinnahmte Kostenbeiträge an den Erstattenden weiterzuleiten. Art. 53 AGSG sei gegenüber § 43 SGB I lex specialis. Auch der angeführte sozialrechtliche Herstellungsanspruch greife nicht, da es an den notwendigen Tatbestandsmerkmalen fehle. Mit dem Verwaltungsgericht werde dem OVG Lüneburg nicht gefolgt, da dieser Entscheidung keine dem Art. 53 AGSG entsprechende Kollisionsregel zugrunde gelegen habe und der Interessenswahrungsgrundsatz im Verhältnis zwischen Sozialleistungsträgern ohne jede nähere Begründung als nachrangig gegenüber einer im Gesetz so gar nicht angelegten günstigstmöglichen Heranziehung des Kostenbeitragspflichtigen angesehen werde.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
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Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Festsetzung eines Kostenbeitrags für die dem Sohn des Klägers gewährten vorläufigen Jugendhilfeleistungen vom 9. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016 gemäß §§ 35a Abs. 1 SGB VIII bzw. 53 ff. SGB XII zu Unrecht abgewiesen.
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1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweisen sich der Kostenbeitragsbescheid des Beklagten vom 12. April 2017 in der geänderten Fassung vom 26. April 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2017 als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.1 Das Verwaltungsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es sich bei der dem Sohn des Klägers gewährten Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 1 SGB VIII um eine dem Grunde nach kostenbeitragspflichtige Leistung handelt (§ 91 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII). Daran ändert auch der Umstand, dass der Beklagte die Leistung wegen der zunächst ungeklärten Zuständigkeit vorerst nur vorläufig erbracht hat und später die Vorrangigkeit des Anspruchs gegenüber dem Beigeladenen nach §§ 53 ff. SGB XII festgestellt wurde, nichts.
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1.2 Allerdings kommt trotz der insoweit vorliegenden grundsätzlich kostenbeitragspflichtigen Leistungsgewährung eine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag nach dem SGB VIII entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht in Betracht.
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1.2.1 Dies erschließt sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 91 Abs. 5 SGB VIII tragen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der in Abs. 1 und 2 genannten Leistungen und werden nach § 92 Abs. 1 Ziff. 5 SGB VIII Elternteile zu den Kosten der in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen herangezogen. Durch die Erhebung eines Kostenbeitrags wird deshalb die kostenbeitragspflichtige Person an den Kosten der Maßnahme beteiligt (vgl. Kunkel in LPK-SGB VIII, 4. Aufl., § 92 Rn. 1). Daraus folgt zugleich, dass eine Beteiligung an einer dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe letztlich nicht verbleibenden Kostenlast wegen anderweitiger Kostenerstattung nicht möglich ist. Diese Überlegung rechtfertigt sich auch aus § 94 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VIII, wonach die Kostenbeiträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten dürfen. Der tatsächliche Aufwand bildet demnach die Obergrenze der Heranziehung (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 94 Rn. 6).
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1.2.2 Auch das OVG Lüneburg (B.v. 21.1.2014 - 4 LC 57/11 -, juris Rn. 44) folgert aus § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, wonach die Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen sind, und aus § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII, wonach die Kostenbeiträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten dürfen, dass ein Kostenbeitrag nur dann verlangt werden kann, wenn dem Jugendhilfeträger durch die Leistungsgewährung Kosten bzw. Aufwendungen entstanden sind und auch verbleiben. Dem Jugendhilfeträger verbleiben jedoch keine Kosten bzw. Aufwendungen, wenn er diese vorrangig von einem anderen Erstattungsverpflichteten ersetzt verlangen kann. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass ein eventuell bestehender und durchsetzbarer Kostenerstattungsanspruch gegenüber einem Dritten im Falle der Leistung eines Kostenbeitrags durch den Kostenschuldner selbstverständlich um diesen Betrag zu kürzen sei (vgl. Kunkel/Kepert in LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 92 Rn. 15), gilt dies jedenfalls nicht für die streitgegenständliche Fallkonstellation der bereits vollständigen Kostenerstattung durch den Beigeladenen. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung des OVG Lüneburg zugrunde liegenden Sachverhalt muss der Beklagte nicht auf einen lediglich erst vorrangig geltend zu machenden Kostenerstattungsanspruch verwiesen werden, sondern er ist bereits nicht - mehr - mit Kosten belastet, an denen er den Kläger überhaupt beteiligen könnte.
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1.2.3 Demgegenüber kann der Einwand des Verwaltungsgerichts, nach dem Interessenwahrungsgrundsatz habe der erstattungsberechtigte Leistungsträger dafür Sorge zu tragen, dass der Erstattungsverpflichtete in möglichst geringem Umfang belastet wird, nicht überzeugen. Gleiches gilt hinsichtlich der Überlegungen zur Rückerstattung eines vereinnahmten Kostenbeitrags an den Beigeladenen. Der sogenannte Interessenwahrungsgrundsatz wird aus dem auch im Verwaltungs- und Sozialrecht anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet (BVerwG v. 13.6.2013 - 5 C 30/12 -, juris; BayVGH, U.v. 28.6.2006 - 12 BV 04.677 -, juris; Büttiger in Schlegel/Voelzke, SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 110 Rn. 22.1 m.w.N.). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten verpflichtet ist (BVerwG v. 29.6.2006 - 5 C 24.05 -, BVerwGE 126/201). Der Sozialleistungsträger ist kraft Gesetzes grundsätzlich gehalten, die ihm zugewiesenen Aufgaben rechtmäßig und vollständig zu erfüllen (Art. 20 Abs. 3 GG, § 31 SGB I). Dies betrifft in erster Linie den Leistungsauftrag gegenüber dem Leistungsberechtigten, der rechtmäßig und vollständig zu erfüllen ist. Der vorleistende Träger darf rechtmäßig nicht mehr, aber auch nicht weniger leisten, als vom Gesetz für den konkreten Leistungsfall vorgesehen ist (Büttiger in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 110 SGB XII Rn. 22.2). Auch wenn der erstattungsfähige Aufwand gering bleiben soll, so rechtfertigt es dieser Gesichtspunkt gleichwohl nicht, dem erstattungsverpflichteten Leistungsträger Einnahmen zu verschaffen, die ihm von Gesetzes wegen gar nicht zustehen. Aus dem Erstattungsverhältnis einen Zwang abzuleiten, darüber hinaus auch noch zu Gunsten des Erstattung begehrenden Trägers die erstattungsfähigen Kosten etwa durch Inanspruchnahme vorrangiger Leistungsverpflichteter zu verringern, ginge ersichtlich zu weit und widerspräche darüber hinaus auch Sinn und Zweck des Systems der Erstattungsansprüche (Büttiger in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 110 SGB XII Rn. 22.7). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts berücksichtigt dies nicht.
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2. Die Heranziehung des Klägers zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag nach § 92 SGB VIII gibt vorliegend zugleich auch deshalb erheblichen Anlass zu Bedenken, weil eigentlich der Beigeladene die Leistung hätte erbringen müssen, der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX für die Leistungserbringung zuständig geworden ist. Dessen Vorgehensweise der zweimaligen Rückgabe des an ihn weitergeleiteten Antrags ist nicht zu rechtfertigen. Denn die rasche Weiterleitungsverpflichtung des sich für unzuständig erachtenden erstangegangenen Leistungsträgers trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken. Die zeitgerechte, zügige Erbringung von Leistungen zur Teilhabe liegt im Interesse der Leistungsberechtigten, aber auch der zuständigen Rehabilitationsträger (BT-Drs. 14/5074 S. 102). Wird der Antrag jedoch von dem zuerst angegangenen Rehabilitationsträger weitergeleitet, ist damit der zweitangegangene Träger zuständig. Eine erneute Weiterleitung ist nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich ausgeschlossen (BT-Drs. 15/1783; Knittel, SGB IX, 8. Aufl., § 14 SGB IX Rn. 116, Haines in: Dau, Düwell, Haines, SGB IX, 2. Aufl., § 14 Rn. 11). Selbst wenn der Beklagte die Zwei-Wochen-Frist zur Weiterleitung versäumt haben sollte, kommt eine Rückgabe durch den zweitangegangenen Träger nicht in Frage, vielmehr hat er in diesen Fällen auch dann den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen, die Leistung zu erbringen und gegen den erstangegangenen Träger einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX geltend zu machen (Knittel, a.a.O., § 14 Rn. 89 unter Hinweis auf die in der Praxis allerdings verbreitete „Rückgabefreudigkeit“ mit teilweise - wie hier - mehrfachem Hin- und Herleiten des Antrags). Ein hiervon abweichendes Vorgehen entspricht jedoch eindeutig nicht den Vorgaben des Gesetzes. Ebenso ausgeschlossen ist eine Rückgabe an den ersten Rehabilitationsträger nach der Weiterleitung, selbst im Falle deren Verspätung (Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 3. Aufl., § 14 Rn. 34a; Haines in Dau/Dübel/Haines, SGB IX, 2. Aufl., § 14 Rn. 11).
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Daraus folgt, dass eigentlich der Beigeladene als zweitangegangener Träger die Leistung nach Maßgabe der §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII hätte erbringen müssen, sodass sich bei einer von vornherein rechtmäßigen Leistungserbringung die Frage eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags erst gar nicht gestellt hätte.
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3. Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, der Beklagte habe vorläufige Leistungen gemäß § 14 SGB IX i.V.m. Art. 53 Abs. 1 AGSG für den Hilfeempfänger erbringen müssen, verkennt es, dass Art. 53 AGSG vorliegend nicht einschlägig ist. Diese Vorschrift regelt eine lediglich vorläufige Leistungsverpflichtung des zuerst angegangenen Trägers bei unklarer Zuständigkeit; sie findet jedoch keine Anwendung bei einer - gleichrangigen - Leistungsverpflichtung beider Rehabilitationsträger wie im vorliegenden Fall. Davon geht das Verwaltungsgericht zwar zunächst zutreffend aus, übersieht dann jedoch, dass in einem solchen Fall die Vorschriften im Vor-/Nachrangverhältnis der Leistungspflichten zum Tragen kommen mit der Folge, dass eine vorläufige Leistungserbringung durch einen der Leistungsträger ausscheidet (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 17.2.2014 - 12 C 13.2646 -, juris).
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4. Der Beklagte kann demnach vom Kläger keinen Kostenbeitrag erheben. Das Verwaltungsgericht hat deshalb mit Urteil vom 14. Juni 2018 die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat deshalb in vollem Umfang Erfolg.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
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6. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
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7. Gründe, nach § 132 VwGO die Revision gegen die vorliegende Entscheidung zuzulassen, sind nicht gegeben. Lässt sich eine aufgeworfene Rechtsfrage - wie hier - ohne Weiteres aus dem Gesetz bzw. anhand des bislang erreichten Klärungsstands in Rechtsprechung und Schrifttum beantworten, so liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vor (BVerwG, B. v. 3.6.2008 - 9 B 3/08 - juris, Rn. 6).