Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 06.03.2019 – 4 K 268/17
Titel:

Haftungsbescheid vom 24. April 2013

Schlagworte:
Insolvenzverwalter, Insolvenzverfahren, Insolvenzmasse, Eigenheimzulage, Bescheid, Insolvenzschuldnerin, Wohnung, Pflichtverletzung, Einspruchsverfahren, Kaufvertrag, Anspruch, Haftung, Ermessensentscheidung, Insolvenzschuldner, schuldhafte Pflichtverletzung, schuldhaftes Verhalten, notarieller Kaufvertrag
Fundstelle:
BeckRS 2019, 8564

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob der Kläger in seiner Eigenschaft als ehemaliger Insolvenzverwalter der A für zurückgeforderte Eigenheimzulage der Jahre 2008 bis 2010 und Säumniszuschläge von zusammen 7.620 € haftet.
2
Auf Eigenantrag wurde über das Vermögen von A am 12.03.2007 vom Amtsgericht 1 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestellt. Einziges Grundvermögen der Insolvenzschuldnerin war die bis zum 29.01.2007 selbstgenutzte Eigentumswohnung in der Str. 1 in 1. Für diese Wohnung hatte sie am 16.12.2004 beim Finanzamt 1 Antrag auf Eigenheimzulage gestellt, die seit 2005 jährlich in Höhe von 2.000 € zum 15.03. auf ihr Konto ausbezahlt wurde.
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Die Eigentumswohnung gehörte vom 12.03.2007 bis zum 01.08.2007 zur Insolvenzmasse. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegeben, weil weitere monatlich anfallende Kosten anfielen und sich trotz Einschaltung einer Immobiliengesellschaft keine kurzfristige Verwertungsmöglichkeit ergeben hatte. Daraufhin verkaufte die Insolvenzschuldnerin diese Wohnung mit notariellem Vertrag vom 13.12.2007. Bereits am 29.01.2007 war A anlässlich ihres Umzugs nach 2 aus dieser Wohnung ausgezogen. Damit waren die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) auf Eigenheimzulage ab 2008 entfallen. Eine entsprechende Mitteilung gegenüber dem Finanzamt über den Auszug und damit den Wegfall der Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage ab 2008 nach § 12 Abs. 2 EigZulG wurde von der Insolvenzschuldnerin unterlassen. Die für die Festsetzung der Eigenheimzulage zuständige Stelle des Finanzamtes blieb daher in Unkenntnis über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für die gewährte Eigenheimzulage. Vom Kläger wurde ebenfalls keine Mitteilung nach § 12 Abs. 2 EigZulG dem Finanzamt gegenüber gemacht.
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Auf Anfrage des Finanzamts vom 19.03.2008 teilte der Kläger mit Schreiben vom 20.03.2008 die Bankverbindung des für den Insolvenzverwalter eingerichteten Anderkontos zur Auszahlung der weiteren Eigenheimzulage für die Jahre 2008 ff. mit und vereinnahmte den Betrag. Infolge dessen wurde die Eigenheimzulage am 15.03.2008, 15.03.2009 und 15.03.2010 jeweils in Höhe von 2.000 € zu Unrecht an ihn ausbezahlt.
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Das Insolvenzverfahren wurde am 25.08.2010 aufgehoben. Erst im Jahr 2010 erhielt das Finanzamt Kenntnis vom Verkauf der Wohnung, überprüfte daraufhin die Anspruchsvoraussetzungen für die Auszahlung der Eigenheimzulage und stellte fest, dass diese bereits durch den Umzug von A im Januar 2007 entfallen waren. Mit Bescheid vom 29.12.2010 hob es daraufhin die Eigenheimzulage 2008 - 2010 nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EigZulG auf und forderte sie nach § 14 EigZulG von A zurück. Nachdem diese ihrer Verpflichtung zur Begleichung der Steuerrückstände nicht nachgekommen war und Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos verliefen, nahm das Finanzamt nach erfolgter Anhörung den Kläger als ehemaligen Insolvenzverwalter mit Haftungsbescheid vom 24.04.2013 in Höhe von 7.620 € (rückständige Eigenheimzulage 2008 - 2010 von 6.000,00 € und Säumniszuschläge von 1.620,00 € gemäß §§ 191 i.V.m. 69, 34, 35 Abgabenordnung (AO) in Anspruch. Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme und zu den Ermessenserwägungen wurde in den Gründen des Bescheids unter 3. auf die beigefügte Anlage 2 verwiesen. In dieser wurde unter anderem ausgeführt, dass bislang keine Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen worden seien, die eine Inanspruchnahme im Wege der Haftung ermessensfehlerhaft erscheinen ließen. Auch der Aktenlage seien keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die die Verantwortung für das Verschulden minderten.
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Mit Schreiben vom 24.05.2013 legte der steuerliche Vertreter des Klägers gegen den Haftungsbescheid vom 24.04.2013 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, die Haftung des Klägers scheide aus, weil er keine ihm obliegende Pflicht verletzt habe. Erst recht liege keine grobe Fahrlässigkeit vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Einspruchsverfahren verwiesen.
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Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 01.02.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
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Zur Begründung führte das Finanzamt aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß §§ 69, 34, 35 AO seien im Streitfall erfüllt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das in den §§ 35 - 37 Insolvenzordnung (lnsO) bezeichnete Vermögen auf den Insolvenzverwalter über. Als Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO habe der Insolvenzverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reiche. Davon erfasst seien alle Pflichten, die dem Schuldner oblägen, wenn über sein Vermögen nicht die Insolvenz eröffnet worden wäre (unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 15.03.1994 XI R 45193, BStBI II 1994 S. 600). Maßgeblich seien alle während des Bestehens der Vertretungs- oder Verfügungsmacht durch die Abgabenordnung oder die Einzelsteuergesetze begründeten Pflichten des Erstschuldners. In diesem Sinn treffe einen Insolvenzverwalter auch die steuerliche Pflicht der Erstattung einer Anzeige im Sinne des § 12 Abs. 2 EigZulG gegenüber dem Finanzamt, wenn die Voraussetzungen für die Eigenheimzulage weggefallen seien. Erfülle er diese Pflicht nicht, liege eine haftungsrelevante Pflichtverletzung vor. Explizit hafteten die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen nach § 69 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt worden seien. Die Haftung umfasse auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Im Streitfall sei von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Kläger auszugehen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass die Pflicht zur Anzeige des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen für die Eigenheimzulage bereits vor lnsolvenzeröffnung begründet worden sei, dass er keine Kenntnis von der Selbstnutzung der Eigentumswohnung durch die Insolvenzschuldnerin gehabt hätte und nichts davon gewusst habe, dass die Insolvenzschuldnerin für dieses Objekt Eigenheimzulage beantragt und erhalten habe. Es sei ihm bekannt gewesen, dass die Insolvenzschuldnerin die Eigentumswohnung vor ihrem Umzug nach 2 selbst bewohnt habe. Dies ergebe sich eindeutig aus dem vor Insolvenzeröffnung vom Kläger erstellten Sachverständigengutachten vom 07.03.2007, in dem die Adresse der Insolvenzschuldnerin mit Str. 1 in 1 angegeben worden sei. Weiterhin gehe aus dem Sachverständigengutachten hervor (unter Hinweis auf Teil B. Wirtschaftliche Verhältnisse, Nr. 2), dass die Insolvenzschuldnerin seit dem 01.02.2007 eine vier-Zimmerwohnung unter der Anschrift Str. 2, 2, angemietet habe. Zudem sei davon auszugehen, dass der Kläger die bis Ende Januar gültige Adresse der Insolvenzschuldnerin aus den diversen Unterlagen, Belegen und Kontoauszügen, die er bei Prüfung der Voraussetzungen für die lnsolvenzeröffnung und dann im laufenden Insolvenzverfahren eingesehen habe, gekannt habe, also über die Selbstnutzung der Eigentumswohnung bis Ende Januar 2007 informiert gewesen sei, zumal es sich hierbei um den einzigen Grundbesitz der Insolvenzschuldnerin gehandelt habe. Weiter sei davon auszugehen, dass der Kläger nach Durchsicht dieser Unterlagen auch über die Eigenheimzulagenbegünstigung der Wohnung informiert gewesen war, zumal er auch die Umbuchungsmitteilung des Finanzamts vom 13.03.2007 über die Umbuchung der Eigenheimzulage 2007 erhalten habe. Die steuerliche Pflicht der Insolvenzschuldnerin gemäß § 12 Abs. 2 EigZulG, den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für die Eigenheimzulage beim Finanzamt anzuzeigen, sei im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Insolvenzschuldnerin auf den Kläger als Insolvenzverwalter übergegangen und von ihm zu erfüllen gewesen, weil die Insolvenzschuldnerin ihrer Anzeigepflicht bisher noch nicht nachgekommen sei. Dass infolge der mangelnden Anzeige die Steuervergütung zu Unrecht, d.h. ohne rechtlichen Grund, ausgezahlt worden sei, gehe auf das grob schuldhafte Verhalten des Klägers zurück.
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Dabei könne dahin gestellt bleiben, ob bereits die mangelnde Prüfung bei Insolvenzeröffnung, ob die Insolvenzschuldnerin ihrer Verpflichtung zur Anzeige des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen für die Eigenheimzulage beim Finanzamt nachgekommen sei, bereits eine grob schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers darstelle. Jedenfalls ergebe sich sein grob schuldhaftes Verhalten im weiteren Zusammenhang mit der Vereinnahmung der Eigenheimzulage am 15.03.2008, 15.03.2009 und 15.03.2010 auf dem lnsolvenzanderkonto. Spätestens dann habe es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Insolvenzschuldnerin selbst ihrer Anzeigepflicht nach § 12 Abs. 2 EigZulG bisher nicht nachgekommen sei. Statt die Rechtsgrundlagen des Anspruchs zu prüfen und seinen Anzeigepflichten gegenüber dem Finanzamt nachzukommen, habe der Kläger die Gelder zur Masse gezogen und hingenommen, dass die Masse insoweit ungerechtfertigt bereichert werde. Dieses Verhalten des Klägers stelle zumindest eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Den Wegfall seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Grundvermögens bei dessen Freigabe am 01.08.2007 könne der Kläger jedenfalls nicht zu seiner Entschuldigung heranziehen. Seine Mitteilungspflicht als Wissensträger und Anzeigeverpflichteter nach § 12 Abs. 2 EigZulG sei bereits bei Eröffnung des Verfahrens entstanden und mit der Freigabe der Eigentumswohnung aus dem Insolvenzbeschlag nicht entfallen, sondern habe als unerfüllte Verpflichtung fortbestanden.
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Wie der Kläger zutreffend ausführe, sei der Anspruch auf Eigenheimzulage ein persönlicher Steuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners und werde durch die insolvenzrechtliche Freigabe des Grundstücks, für dessen Eigennutzung die Eigenheimzulage gewährt werde, nicht berührt. Die Eigenheimzulage werde nicht für das Halten oder das Besitzen des Grundstücks, sondern für die Selbstnutzung durch den Anspruchsberechtigten gewährt. Im Streitfall sei die Insolvenzmasse durch die Auszahlung der Eigenheimzulage für 2008 - 2010 ohne rechtlichen Grund bereichert worden. Das Insolvenzverfahren sei jedoch bei Erlass des Rückforderungsbescheids am 29.12.2010 bereits beendet gewesen. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens hätten auch die Befugnisse des Insolvenzverwalters gemäß § 215 Abs. 2 lnsO geendet. Der Kläger habe wegen des Wegfalls der insolvenzrechtlichen Beschränkungen nicht mehr Adressat des Rückforderungsbescheids sein können. Die Rückforderung sei zu Recht gegenüber A geltend gemacht worden, die jedoch den Zahlungsanspruch des Finanzamts nicht habe erfüllen können. Der Kläger habe damit infolge seiner schuldhaften Pflichtverletzung subsidiär für die Steuerschuld einzustehen. Die zur Haftungsinanspruchnahme des Klägers führenden Ermessenkriterien seien im Haftungsbescheid dargelegt und auch nach erneuter Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren als sachgerecht angesehen worden.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hiergegen Klage erhoben und im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
§ 69 AO sei auf den Fall einer gewährten Eigenheimzulage nicht anwendbar, da diese Vorschrift eine Haftungsnorm mit Schadensersatzcharakter sei und den Fall der Haftung für eine Steuerschuld regele. Die in § 15 EigZulG normierte Verweisung beinhalte keine materiell-rechtliche Qualifizierung der Zuwendung als Steuervorteil, sondern bilde lediglich eine Vorschrift zur Regelung des Verfahrens. Da die Eigenheimzulage materiell-rechtlich gerade keine Steuervergütung sei (unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 12.01.2016 IX R 20/15), scheitere die Anwendung des § 69 AO nach dem Wortsinn bereits deshalb, weil keine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund ausbezahlt worden sei. § 15 EigZulG erkläre die Vorschriften der Abgabenordnung für anwendbar, soweit sie für Steuervergütungen gelten würden. Bei der Verweisungsnorm handele es sich um eine Rechtsgrund- und gerade nicht um eine Rechtsfolgenverweisung. Dies ergebe sich ausdrücklich aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Die Qualifikation als Rechtsgrundverweisung beinhalte, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sein müssten. Eine Haftung nach § 69 AO setze dem Grunde nach die Zahlung einer Steuervergütung voraus. Die Eigenheimzulage stelle materiell-rechtlich jedoch keine Steuervergütung dar, sondern einen Vermögensvorteil; es handele sich um eine staatliche Leistung zur Wohnungsbauförderung. Ein spezifisch steuerrechtlicher Vorteil sei nach Sinn und Zweck der Haftungsnormen der §§ 69 ff AO jedoch Grundlage einer Inanspruchnahme als Haftungsschuldner.
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Darüber hinaus fehle vorliegend auch eine Pflichtverletzung des Klägers als Insolvenzverwalters, da sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf alle zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände beschränke. Der Kläger habe als Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO zwar die steuerlichen Pflichten der Insolvenzschuldnerin zu erfüllen, beschränkt aber auf den Umfang seiner Verfügungsbefugnis. Der Kläger sei nicht nach § 12 Abs. 2 EigZulG zur Mitteilung an das Finanzamt verpflichtet gewesen. Eine solche Mitteilung wäre nicht von seiner Verwaltung- und Verfügungsbefugnis umfasst gewesen. Bei der Eigenheimzulage handele es sich um einen persönlichen Anspruch der Insolvenzschuldnerin, der nicht von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 InsO umfasst sei. Lediglich der Zahlungsanspruch der Insolvenzschuldnerin werde vom Insolvenzbeschlag nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst. Der Insolvenzverwalter werde nicht zum „Anspruchsberechtigten“ im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes. Außerdem habe nicht der Kläger, sondern die Insolvenzschuldnerin ihre Verpflichtung zur Mitteilung der Änderung ihrer Verhältnisse gemäß § 12 EigZulG verletzt. Mit dem Auszug der Insolvenzschuldnerin aus der Wohnung zum 29.01.2007 habe diese die Selbstnutzung aufgegeben; die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe jedoch erst später, nämlich am 12.03.2007, stattgefunden. Die maßgebliche Änderung der Verhältnisse sei folglich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten. Der Anspruch auf Eigenheimzulage sei im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits materiell-rechtlich erloschen gewesen. Selbst wenn das Finanzamt von einem Bestehen und einem Übergang der Pflicht der Insolvenzschuldnerin auf den Kläger ausgehe, so habe der Kläger zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung weder von einem Anspruch auf Eigenheimzulage noch von einer Änderung von Verhältnissen betreffend einen bestehenden Anspruch auf Eigenheimzulage für die Wohnung Str. 1 Kenntnis gehabt. Im Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe diese angegeben, dass sie weder „sonstige private Geldforderungen“ noch Ansprüche auf „Steuererstattungen“ habe. In Folge dessen habe der Kläger als Insolvenzverwalter im Sachverständigengutachten vom 07.03.2007 auch den Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Eigenheimzulage nicht mit aufgenommen. Auch eine entsprechende Umbuchungsmitteilung des Finanzamtes über die Eigenheimzulage 2007 sei dem Kläger nicht zugegangen, sondern, wie aus den Akten ersichtlich sei, der Insolvenzschuldnerin selbst.
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Allein aus einer Änderung der Anschrift der Insolvenzschuldnerin habe sich noch kein Wegfall des Anspruchs auf Eigenheimzulage aufdrängen müssen, denn eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liege nämlich auch dann vor, wenn die Wohnung unentgeltlich an Angehörige zu Wohnzwecken überlassen werde. Auch soweit das Finanzamt auf Seite 4 des Sachverständigengutachtens hinweise, ergebe sich hieraus nichts Gegenteiliges. Weder ergebe sich aus dem Gutachten der bestehende Anspruch auf Eigenheimzulage noch dass die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Str. 1 in 1 wohnhaft gewesen sei. Die gezogenen Schussfolgerungen ließen sich daher aus dem Sachverständigengutachten nicht ableiten. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzung für Ansprüche auf Eigenheimzulage für die Jahre 2008 bis 2010 komme auch vor dem Hintergrund der Freigabe der Wohnung aus der Insolvenzmasse bereits zum 01.08.2007 nicht in Betracht. Darüber hinaus habe der Kläger weder Einblicke in die Verhältnisse noch die Befugnis zur Mitteilung von Verhältnissen gehabt, welche die Kalendermonate nach seiner Verwaltungszeit oder diejenigen der Jahre 2008 bis 2010 betrafen. Anders als das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung behaupte, könne es für die Eigenheimzulage der Jahre 2008 bis 2010 keine „unerfüllte Verpflichtung“ des Klägers geben, da der Anspruch auf Eigenheimzulage erst in diesen Jahren entstehe.
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Selbst wenn, was bestritten werde, für den Kläger im Jahr 2007 eine Verpflichtung zur Anzeige von Umständen gemäß § 12 Abs. 2 EigZulG bestanden hätte, seien sämtliche Verpflichtungen mit der Übersendung der Veräußerungsanzeige durch die Notarin N erfüllt worden, denn die Veräußerung sei dem zuständigen Finanzamt 3 am 19.12.2008 (gemeint wohl: 19.12.2007) zugegangen. Die Kenntnis des Finanzamtes 3 sei dem Finanzamt 1 zuzurechnen, da das Finanzamt 3 für das Finanzamt 1 zuständig sei (unter Hinweis auf Punkt 11 der Anlage zu der Finanzamts- und Rechenzentrums-Zuständigkeitsverordnung). Weiterhin sei dem Finanzamt 1 der Wechsel der Anschrift der Insolvenzschuldnerin im Hinblick auf die erfolgte Mitteilung der Umbuchung bereits im März 2007 bekannt gewesen. Zudem habe das Finanzamt 1 von der neuen Anschrift der Insolvenzschuldnerin in 2 auch deshalb Kenntnis gehabt, weil diese ihre Einkommensteuererklärung 2007 am 24.06.2008 unter der neuen Anschrift dort eingereicht habe. Der Kläger habe das Finanzamt 1 am 26.06.2008 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens informiert und am 21.07.2008 den Einkommensteuerbescheid 2007 erhalten. Das Finanzamt 1 habe daher für das Jahr 2008 die Möglichkeit der Rückforderung der zu Unrecht gewährten Eigenheimzulage gehabt und hätte diesen bei ordnungsgemäßer Amtsführung als Masseverbindlichkeit geltend machen können. Diese Möglichkeit, einschließlich der Möglichkeit zur Wahrnehmung des Schlusstermins mit Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen, habe das Finanzamt jedoch nicht genutzt.
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Hilfsweise sei die Inanspruchnahme des Klägers ermessensfehlerhaft, da dem Finanzamt die Veräußerung der Wohnung mit notariellem Kaufvertrag vom 13.12.2007 aufgrund der Mitteilung des Notars habe bekannt sein müssen. Aus dieser Mitteilung habe das Finanzamt jedoch nicht die erforderlichen Schlussfolgerungen gezogen, was ein Verschulden des Finanzamtes begründe. Hätte das Finanzamt 1 den Anspruch auf Rückzahlung im Laufe des Insolvenzverfahrens geltend gemacht, so hätte der Anspruch als Masseverbindlichkeit bedient werden können. Diese Möglichkeit habe das Finanzamt jedoch sehenden Auges verstreichen lassen. Die Abwägung, ob nach Abschluss des Insolvenzverfahrens eine persönliche Inanspruchnahme des Klägers erfolgen solle und in welcher Höhe, sei von Seiten des Finanzamtes 1 offenkundig nicht angestellt worden. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Haftungsbescheid. Es handele sich im vorliegenden Fall um einen Ermessensnichtgebrauch, der zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe.
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Die Prozessbevollmächtigte beantragt, den Haftungsbescheid über die Eigenheimzulage 2008 bis 2010 mit Säumniszuschlägen vom 24.04.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2017 aufzuheben.
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Außerdem beantragt sie, die Kosten für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, und verweist hierzu auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend wird Folgendes vorgetragen:
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Entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten sei § 69 AO auf den Streitfall anwendbar. Nach dem vom Prozessbevollmächtigten zitierten Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19.12.2013, Az. III R 25/10, sei zwar die Anwendung von § 71 AO auf die Investitionszulage, die analog der Eigenheimzulage eine Subvention darstelle, ausgeschlossen, weil das auf die Erschleichung einer Investitionszulage gerichtete Verhalten strafrechtlich keine Steuerhinterziehung, sondern Subventionsbetrug sei. In den Urteilsgründen sei jedoch ausdrücklich ausgeführt, dass aufgrund der Verweisung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Investitionszulagengesetz (InvZulG) - entsprechend für die Eigenheimzulage § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG - im Übrigen die Haftungsnorm des § 69 AO anwendbar sei. Der Insolvenzverwalter habe als Vermögensverwalter im Sinne des § 34 AO ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung alle Verpflichtungen des Insolvenzschuldners zu erfüllen, die durch die Abgabenordnung und die Einzelsteuergesetze begründet würden. Infolge dessen gingen auch die Anzeige- und Auskunftspflichten der §§ 90, 93 AO auf den Insolvenzverwalter über. Nichts Anderes könne für einzelgesetzlich normierte Anzeigepflichten wie die in § 12 Abs. 2 Eig-ZulG gelten. Verletze er diese Pflichten, komme eine Haftung nach § 69 i. V. m. § 34 AO in Betracht. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehörten auch die einem Steuervergütungsanspruch gleichgestellten Subventionen wie die Eigenheimzulage (unter Hinweis auf Tipke/Kruse § 37 AO Rz. 6 und BFH-Urteil vom 19.12.2013 III R 25/10, BStBI II 2017, 21). Das Finanzamt halte die Pflichtverletzung des Klägers für grob fahrlässig, weil er aufgrund seiner Stellung gewusst habe bzw. habe wissen müssen,
1.
dass die Insolvenzschuldnerin die Eigentumswohnung bis Januar bewohnt habe (Nennung ihrer Adresse mit „Str. 1, 1“ in seinem Sachverständigengutachten vom 07.03.2007),
2.
dass die Insolvenzschuldnerin Eigenheimzulage dafür erhalten habe (durch die Überprüfung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Umbuchungsmitteilung der Eigenheimzulage 2007, Überprüfung der Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Wohnung bei Überprüfung der Verwertbarkeit der Wohnung bzw. bei Entscheidung über die Frage, ob sie aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben sei), obwohl sie die Wohnung nicht mehr bewohnte, und deshalb eine ungerechtfertigte Vereinnahmung vorgelegen habe.
20
Aus den vorgelegten Akten ergebe sich, dass in dem zur Frage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Kläger erstellten Sachverständigengutachten vom 07.03.2007 an das Amtsgericht 1 die Adresse der Insolvenzschuldnerin mit Str. 1 in 1 angegeben sei (Seite 1 des Sachverständigengutachtens). Weiterhin ergebe sich daraus, dass A einerseits Eigentümerin der Eigentumswohnung Str. 1 in 1 gewesen sei und andererseits ab 01.02.2007 eine 4-Zimmerwohnung in der Str.2, 2 angemietet habe (Seite 4 des Gutachtens).
21
Mit Schreiben vom 07.12.2018 hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach Schluss der mündlichen Verhandlung an das Gericht gewandt und sein Vorbringen, dass ein Haftungsbescheid nach § 191 AO nicht auf § 60 InsO gestützt werden könne sowie das Ermessenserwägungen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachgeholt werden könnten, wiederholt.
22
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, den Inhalt der Akten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 06.12.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
24
Der angefochtene Haftungsbescheid vom 24.04.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO).
25
1. Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolge dessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Gesetzliche Vertreter und Vermögensverwalter (§ 34 AO) sowie Verfügungsberechtigte (§ 35 AO) haben gemäß § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten der vertretenen Person zu erfüllen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern gemäß § 34 Abs. 3 AO zu, so haben die Vermögensverwalter die in § 34 Abs. 1 AO bezeichneten Pflichten, soweit ihre Vertretung reicht.
26
a) Die in § 191 Abs. 1 AO normierte Haftung beschränkt sich nicht nur auf die Haftung für Steuerschulden, sondern umfasst generell die Haftung für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 Abs. 1 AO (vgl. Intemann in Koenig, AO-Kommentar, § 191 AO, Rz 34). Zu den Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis gehört auch der Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2009 IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404; Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO Rz. 6). Das Haftungsverfahren nach § 191 AO ist daher im Grundsatz auch auf die Eigenheimzulage anwendbar. Die in § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG enthaltene (allgemeine) Verweisung, nach der die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden sind, umfasst auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. AO.
27
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2013 III R 25/10, BFHE 244, 217, BStBl II 2015, 119), nach der die in dieser Vorschrift ebenfalls enthaltene (allgemeine) Verweisung auf die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung nach ihrem Wortsinn nicht erlaubt, das auf die „Erschleichung“ einer Investitionszulage gerichtete Verhalten als eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 71 AO zu behandeln. Gleiches hat der Bundesfinanzhof zur „Erschleichung“ der Eigenheimzulage entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2016 IX R 20/15, BFHE 252, 386, BStBl II 2017, 21). Nach der zitierten Rechtsprechung ist das strafbare Erschleichen der Eigenheimzulage als einer Subvention nicht von §§ 370, 378 AO erfasst, sondern von § 263 Strafgesetzbuch (Betrug) bzw. § 264 des Strafgesetzbuchs (Subventionsbetrug). Von der grundsätzlich entsprechenden Anwendung der Haftungsnormen der §§ 69 ff. AO ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofes die Anwendung des § 71 AO auf die Eigenheimzulage ausgeschlossen.
28
c) Die speziell zu § 71 AO ergangene Rechtsprechung lässt sich nach Ansicht des Senates nicht auf die Haftung nach § 69 AO übertragen, da nach dem Wortsinn des § 71 AO die Begehung einer „Steuerhinterziehung“ oder einer „Steuerhehlerei“ vorausgesetzt wird und das Erschleichen der Eigenheimzulage strafrechtlich jedoch einen Betrug bzw. Subventionsbetrug darstellt, der nicht von der Anwendung der §§ 370, 378 AO erfasst wird. Der Bundesfinanzhof stellt damit maßgeblich auf die materiell-rechtliche Bewertung des „Erschleichens“ der Eigenheimzulage als strafrechtlichen Betrug bzw. Subventionsbetrug ab.
29
Im vorliegenden Streitfall geht es jedoch um die Erfüllung von Mitteilungsverpflichtungen gemäß § 12 Abs. 2 EigZulG im Rahmen der Regelung des Verfahrens über die Festsetzung, Auszahlung und Rückforderung der Eigenheimzulage als einer staatlichen Förderung. Durch die Verweisungsnorm des § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG wird die Eigenheimzulage abgabenrechtlich zwar nicht in eine Steuervergütung materiell-rechtlich umqualifiziert, sondern allgemein das Eigenheimzulagenverfahren in Anlehnung an das Investitionszulagenverfahren geregelt (ebenso Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 06.06.2007 5 StR 127/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 2007, 1157) und daher folgerichtig nur eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der Abgabenordnung angeordnet. § 12 EigZulG regelt in seinem Abs. 2 die materiell-rechtliche Verpflichtung zur Mitteilung einer Änderung der Verhältnisse, die zu einer Minderung oder dem Wegfall der Eigenheimzulage führen und betrifft damit gerade das Verfahren über die Festsetzung der Eigenheimzulage. § 12 Abs. 2 EigZulG stellt nach der Gesetzesbegründung (vgl. BRDrs. 498/95) „eine auf das besondere Verfahren der Eigenheimzulage zugeschnittene Mitwirkungspflicht dar“. Die Mitteilung führt regelmäßig zu einer Neufestsetzung nach § 11 Abs. 2 EigZulG oder zu einer Aufhebung nach § 11 Abs. 3 EigZulG. Demnach ist eine Verletzung der Verfahrensvorschrift in § 12 Abs. 2 EigZulG vom Verweis des § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG auf die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung (§ 69 AO) erfasst.
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Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 19.12.2013, Az. III R 25/10 (BFHE 244, 217, BStBl II 2015, 119) klargestellt, dass aufgrund der in § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG enthaltenen (allgemeinen) Verweisung auf die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. AO entsprechend anwendbar sind. Nichts Anderes kann nach Ansicht des Senats für die in § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG enthaltene Verweisung gelten.
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2. Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der hier vom Finanzamt benannten Haftungsvorschrift des § 69 AO vor; auch ist die Ermessensausübung nicht zu beanstanden.
32
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift des § 69 AO liegen vor.
33
Der Insolvenzverwalter ist Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 15.09.2010 II B 4/10, BFH/NV 2011, 2). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird von diesem Zeitpunkt an vom Insolvenzverwalter ausgeübt. Da alle Steuerarten in engem Zusammenhang mit dem vom Insolvenzverwalter verwalteten Vermögen stehen, hat dieser grundsätzlich auch die gesamten steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die bisher dem Insolvenzschuldner oblägen, wenn über sein Vermögen nicht das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 19.11.2007 VII B 104//07, BFH/NV 2008, 334 und die Nachweise bei Loose, Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 34 AO, Rz. 19 und 25). Zu den vom Vermögensverwalter zu erfüllenden steuerlichen Pflichten gehören insbesondere die Erklärungspflichten (§ 149 AO), die Anzeigepflichten (§ 137 ff. AO), Mitwirkungs- und Auskunftspflichten (§§ 90, 93 AO) sowie die Zahlungspflichten (§ 224 AO; vgl. etwa BFH-Beschluss vom 21.12.1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745).
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aa) Entgegen dem Vorbringen des Klägers bestehen diese Verpflichtungen des Insolvenzverwalters nicht nur für die Zeit der Verwaltung, sondern auch für die Zeit vorher, soweit sie noch nicht erfüllt sind (vgl. Schwarz in Schwarz/Pahlke, AO/FGO-Kommentar, § 34 AO, Rz. 18). Da der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vermögensverwalter alle gesetzlichen Pflichten wahrzunehmen hat, die der Insolvenzschuldner im Fall seiner Handlungsfähigkeit hätte erfüllen müssen, ist § 34 Abs. 3 AO so auszulegen, dass auch solche (unrichtigen) Steuererklärungen zu berichtigen sind, die zeitlich vor Beginn der „Amtszeit“ des Insolvenzverwalters abgegeben wurden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 153 AO, Rz. 3). Auch die Pflicht zur Berichtigung einer vom Insolvenzschuldner vor Insolvenzeröffnung abgegebenen Erklärung nach § 153 AO hat der Insolvenzverwalter. Er ist schließlich auch zur Abgabe von Steuererklärungen für die Zeit vor der Verfahrenseröffnung verpflichtet (vgl. BFH-Beschluss vom 19.11.2007 VII B 104/07, BFH/NV 2008, 334).
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bb) Nichts Anderes gilt nach Auffassung des Senats für die in § 12 Abs. 2 EigZulG normierte Mitteilungspflicht, da § 12 Abs. 2 EigZulG lediglich eine spezialgesetzliche Regelung der allgemeinen Anzeigepflicht nach § 153 AO für das Eigenheimzulagenverfahren darstellt (vgl. Wacker, EigZulG-Kommentar, § 12, Rz. 11). Mit dem Auszug der Insolvenzschuldnerin aus ihrer Eigentumswohnung in der Str. 1, 1, zum 29.01.2007 und der damit verbundenen Aufgabe der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne von § 4 EigZulG entfielen ab diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage. Die Insolvenzschuldnerin war demnach gemäß § 12 Abs. 2 EigZulG verpflichtet, ihren Auszug aus der Wohnung und die Aufgabe der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dem Finanzamt 1 mitzuteilen. Diese im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 12.03.2007 bestehende unerfüllte Mitteilungsverpflichtung aus § 12 Abs. 2 EigZulG traf mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO nunmehr auch den Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter. Nach § 34 Abs. 3 AO hat der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vermögensverwalter alle gesetzlichen Pflichten wahrzunehmen, die der Insolvenzschuldner im Fall seiner Handlungsfähigkeit hätte erfüllen müssen.
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cc) Der Senat folgt nicht der klägerseitigen Auffassung, den Kläger habe im Streitfall keine Mitteilungspflicht nach § 12 Abs. 2 EigZulG getroffen, da er im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keine Kenntnis von der Förderung der streitgegenständlichen Wohnung in 1 durch Eigenheimzulage gehabt habe. Weder § 34 Abs. 3 AO noch § 80 Abs. 1 InsO ist zu entnehmen, dass sich die Verpflichtung zur Erfüllung der dem Insolvenzschuldner ursprünglich obliegenden gesetzlichen Pflichten nur auf jene Pflichten bezieht, von denen der Insolvenzverwalter tatsächlich Kenntnis erlangt hat. Ob und inwieweit der Insolvenzverwalter Kenntnis von bestimmten Umständen hat oder hätte haben müssen, ist vielmehr im Rahmen der Prüfung des Tatbestandmerkmals „schuldhafte“ Pflichtverletzung des § 69 AO zu würdigen.
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dd) Nicht anders verhält es sich mit dem Argument des Klägers, er habe die Eigentumswohnung in der Str. 1, 1, zum 01.08.2007 aus der Insolvenzmasse freigegeben und sei deshalb unter keinen Umständen nach § 12 Abs. 2 EigZulG zur Mitteilung an das Finanzamt verpflichtet gewesen, weil eine solche Mitteilung nicht von seiner Verwaltung- und Verfügungsbefugnis umfasst gewesen sei. Jedenfalls bis zur Freigabe der Wohnung aus der Insolvenzmasse zum 01.08.2007 bestand nach Auffassung des Senats unstreitig die Verpflichtung des Klägers zur Mitteilung der Änderung der Verhältnisse nach § 12 Abs. 2 EigZulG.
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ee) Zwar wurde die im Rahmen der Gewährung von Eigenheimzulage geförderte Wohnung in 1 aus der Insolvenzmasse freigegeben, allerdings ist nach Ansicht des Senats zwischen dem Vermögensgegenstand (Wohnung) und dem Vermögensgegenstand (öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Eigenheimzulage, § 10 EigZulG) zu differenzieren. Der Anspruch auf Eigenheimzulage entsteht nach Maßgabe der in dem jeweiligen Jahr des (achtjährigen) Förderzeitraums verwirklichten Tatbestandsmerkmale (sog. materielles Jahresprinzip); er entsteht jährlich nach Maßgabe der in dem jeweiligen Jahr gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände (vgl. Wacker, EigZulG-Kommentar, § 10 Rz. 5 ff.). Ausreichend für den vollen Zulagenanspruch eines Kalenderjahres ist, dass die erforderlichen Voraussetzungen zu irgendeinem Zeitpunkt dieses Jahres vorliegen.
39
Allein mit der Freigabe der Wohnung aus der Masse zum 01.08.2007 wurde zur Überzeugung des Senats nicht zugleich auch der ggf. künftig erst noch entstehende Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Gewährung von Eigenheimzulage aus der Masse freigegeben. In Bezug auf den künftig erst noch entstehenden Anspruch aus § 10 EigZulG (für 2008 ff.), der grundsätzlich weiterhin zur Masse gehörte, bestand die Verpflichtung des Klägers fort, die Änderung der Verhältnisse nach § 12 Abs. 2 EigZulG anzuzeigen. Soweit der Prozessbevollmächtigte vorgetragen hat, vor dem Hintergrund der Freigabe der Wohnung aus der Masse komme eine Pflichtverletzung des Klägers nicht in Betracht, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Wohnung zum 01.08.2007 geendet habe, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Wie der Prozessbevollmächtigte selbst einräumt, ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Eigenheimzulage und dem Vermögensgegenstand Eigentumswohnung zu differenzieren. Der Anspruch auf Eigenheimzulage ist ein persönlicher Steuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners und wird durch die insolvenzrechtliche Freigabe des Grundstücks, für dessen Eigennutzung die Eigenheimzulage gewährt wird, nicht berührt, denn der Anspruch auf Eigenheimzulage und die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Grundstück bedingten einander nicht. Die Eigenheimzulage wird nicht für das Halten oder das Besitzen des Grundstücks, sondern für die Selbstnutzung durch den Anspruchsberechtigten gewährt.
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Die Mitteilungspflicht des Klägers als Wissensträger und Anzeigeverpflichteter nach § 12 Abs. 2 EigZulG ist bereits bei Eröffnung des Verfahrens entstanden und mit der Freigabe der Eigentumswohnung aus dem Insolvenzbeschlag nicht entfallen, sondern hat als unerfüllte Verpflichtung fortbestanden. Durch die Mitteilung der neuen Bankverbindung zur Auszahlung der Eigenheimzulage 2008, 2009 und 2010 auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters mit Schreiben vom 20.03.2008 und der späteren Vereinnahmung der Eigenheimzulage zur Masse hat der Kläger von seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über diesen - vermeintlich bestehenden - öffentlich-rechtlichen Anspruch tatsächlich Gebrauch gemacht und diesen im Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter für sich reklamiert. Infolgedessen kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Eigenheimzulage habe ihn keine Verpflichtung aus § 12 Abs. 2 EigZulG mehr getroffen. Gerade durch die bewusste Vereinnahmung der Eigenheimzulage und der damit verbundenen Kenntnis von der Existenz der Zulage hätte der Kläger als Insolvenzverwalter die Anspruchsberechtigung der Insolvenzschuldnerin - wie bei anderen staatlichen Förderungen auch - prüfen müssen. Er hätte demnach, zumal er von der Existenz der Eigenheimzulage nach seinen Ausführungen bislang keine Kenntnis hatte, prüfen müssen, für welches Objekt das Finanzamt Eigenheimzulage gewähren will und ob hierfür überhaupt noch die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Spätestens bei Vornahme dieser Prüfung musste dem Kläger klar sein, dass eine Verpflichtung zur Mitteilung nach § 12 Abs. 2 EigZulG noch besteht, da er Kenntnis vom Auszug der Klägerin aus dieser Wohnung und vom Verkauf dieser Wohnung hatte und es sich bei dieser Wohnung um das einzige Grundvermögen der Insolvenzschuldnerin gehandelt hatte. In Konsequenz der klägerseitigen Argumentation hätte der Kläger dem Finanzamt jedoch mitteilen müssen, dass ein etwaiger Anspruch auf Eigenheimzulage der Insolvenzschuldnerin selbst zustehe, da er die Wohnung aus der Insolvenzmasse freigegeben habe. Dies hat der Kläger gerade nicht getan. Eine Loslösung des Anspruchs von den Pflichten in dem Sinne, dass die Einziehung des Geldbetrages durch den Insolvenzschuldner zur Masse erfolgt und die steuerlichen Pflichten diesbezüglich beim Insolvenzschuldner verbleiben, scheidet nach Ansicht des Senats aus. Die mit dem Anspruch zwangsläufig verbundenen steuerlichen Pflichten treffen vielmehr unabwendbar auch den Insolvenzverwalter.
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ff) Der Kläger hat seine Pflichten im Sinne des § 69 AO grob fahrlässig verletzt.
42
Die Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens indiziert im Allgemeinen zumindest die grobe Fahrlässigkeit (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 14.09.1999 VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303; vom 25.07.2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 13.03.2003 VII R 46/02, BStBl II 2003, 556). Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, anders formuliert, wer außer Acht lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 07.03.1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941 m.w.N.; vom 04.04.1998 I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, 1462 und Loose, in Tipke/Kruse, AO-Kommentar, § 69 AO, Rz. 26).
43
Der Kläger wusste, dass die Insolvenzschuldnerin als einziges Grundvermögen nur die Eigentumswohnung in 1 hatte. Ihm muss bekannt gewesen sein, dass die Insolvenzschuldnerin die Eigentumswohnung vor ihrem Umzug nach 2 selbst bewohnt hat. Dies ergibt sich eindeutig aus dem vor Insolvenzeröffnung vom Kläger erstellten Sachverständigengutachten vom 07.03.2007, in dem die Adresse der Insolvenzschuldnerin mit Str. 1 in 1 angegeben wurde. In diesem hat der Kläger auch ausgeführt, dass die Insolvenzschuldnerin ihre erste selbständige Tätigkeit von ihrer Privatwohnung aus organisiert hat (vgl. Seite 4, B, Nr. 2). Der Umzug nach 2 ist in diesem Gutachten ebenfalls unter der Nr. 2 erwähnt.
44
Soweit das Finanzamt darauf verweist, dass dem Kläger aus der Umbuchungsmitteilung vom 13.03.2007 bekannt gewesen sein muss, dass der Insolvenzschuldnerin für diese Wohnung Eigenheimzulage gewährt wird, sie diese Wohnung bis Ende Januar 2007 selbst genutzt hat (durch Sichtung diverser Belege, Kontoauszüge und Unterlagen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und dass diese anschließend nach 2 gezogen ist, so dass der Kläger im Hinblick auf die unterlassene Mitteilung der veränderten Umstände nach § 12 Abs. 2 EigZulG grob fahrlässig gehandelt hat, vermag der Senat dem nicht folgen. Allein der pauschale Verweis auf die zu sichtenden Unterlagen reicht nicht aus, um die grob fahrlässige Pflichtverletzung zu begründen, zumal die Umbuchungsmitteilung vom 13.03.2007 laut handschriftlichem Aktenvermerk (Haftungsakte Blatt 89) höchst wahrscheinlich an die Insolvenzschuldnerin als Steuerpflichtige gegangen ist, da der Grundinformationsdienst erst am 19.03.2007 auf den Insolvenzverwalter geändert wurde.
45
Durch Nennung der neuen Bankverbindung zur Auszahlung der Eigenheimzulage 2008, 2009 und 2010 auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters im Schreiben vom 20.03.2008 und die jeweilige Vereinnahmung der in diesen Jahren ausgezahlten Eigenheimzulage zur Masse ohne vorherige Prüfung, ob der Insolvenzschuldnerin für ihr bislang einziges Grundvermögen (Eigentumswohnung in 1) überhaupt noch Eigenheimzulage zusteht, hat der Kläger die ihm obliegenden Pflichten grob fahrlässig verletzt. Spätestens durch die Aufforderung des Finanzamtes vom 19.03.2008, die Bankverbindung des Anderkontos mitzuteilen, auf das Eigenheimzulage ausgezahlt werden könne, hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass als einziges förderfähiges Objekt die Eigentumswohnung in der Str.1, 1, in Betracht kommt und er diese Eigentumswohnung bereits Mitte 2007 aus der Masse freigegeben hat. Weiterhin war ihm bekannt, dass die Insolvenzschuldnerin zum 01.02.2007 aus dieser Wohnung ausgezogen war und offensichtlich zuvor die Gewährung von Eigenheimzulage beantragt hatte, die ihr auch gewährt worden war. Denn als nichts Anderes war die Nachfrage des Finanzamtes, auf welches Konto die Eigenheimzulage ausgezahlt werden soll, zu verstehen.
46
Statt die Rechtsgrundlagen des Anspruchs zu prüfen und seinen Anzeigepflichten gegenüber dem Finanzamt nachzukommen, hat der Kläger die Gelder zur Masse gezogen und hingenommen, dass die Masse insoweit ungerechtfertigt bereichert wird. Dieses Verhalten des Klägers stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar, da der Kläger nach seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande war, die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen vorzunehmen. Dazu sind keine komplizierten steuerrechtlichen Überlegungen anzustellen. Vielmehr wusste der Kläger durch die Nachfrage des Finanzamtes, dass der Insolvenzschuldnerin noch Eigenheimzulage (vermeintlich) zustand, dass das einzig in Frage kommende Grundvermögen aus der Masse freigegeben worden war und dass die Insolvenzschuldnerin aus der Wohnung ausgezogen war. Unter Beachtung dieser Umstände war es absolut naheliegend - hat sich geradezu aufgedrängt -, die Anspruchsvoraussetzungen für die Eigenheimzulage zu prüfen, mithin jedenfalls den Auszug aus der Wohnung dem Finanzamt mitzuteilen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger nach den Angaben der Insolvenzschuldnerin im Schreiben vom 10.01.2011 an das Finanzamt 1 eine Kopie des Kaufvertrags über die Eigenheimzulage (notarieller Kaufvertrag vom 13.12.2007) zum damaligen Zeitpunkt von ihr erhalten hatte. Bei Prüfung der Voraussetzungen wäre dem Kläger aufgefallen, dass die Insolvenzschuldnerin ihrer Anzeigepflicht nach § 12 Abs. 2 EigZulG bisher nicht selbst nachgekommen war, so dass die Eigenheimzulage weiter ausgezahlt wurde, ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen hierfür vorlagen.
47
gg) Die vom Kläger begangenen Pflichtverletzungen waren im Streitfall auch ursächlich für den Haftungsschaden, da der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzungen nicht eingetreten wäre (vgl. BFH-Urteile vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776; vom 05.09.1989 VII R 61/87, BStBl II 1989, 979). Bei Mitteilung der veränderten Verhältnisse gegenüber dem Finanzamt 1 in Beantwortung des Schreibens vom 19.03.2008, nämlich Auszug und Verkauf der von der Insolvenzschuldnerin selbst genutzten Wohnung, wäre es nicht zur Auszahlung der Eigenheimzulage für die Jahre 2008 ff. gekommen.
48
hh) Mit Bescheid vom 29.12.2010 hat das Finanzamt die Eigenheimzulagengewährung für 2008 - 2010 nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EigZulG aufgehoben und diese nach § 14 EigZulG von A zurückgefordert. Damit wurde die Eigenheimzulage für die Jahre 2008 - 2010 schließlich ohne rechtlichen Grund im Sinne von § 69 Satz 1 AO gezahlt.
49
b) Die Ermessensausübung durch das Finanzamt ist nicht zu beanstanden.
50
Unter Berücksichtigung des vorangegangenen Schriftwechsels mit dem Kläger und insbesondere mit der dem Haftungsbescheid vom 24.04.2013 beigefügten Anlage 2 und der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2017 hat das Finanzamt seine Ermessenserwägungen hinreichend dargestellt, das ihm gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen zweckentsprechend ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (§ 5 AO) eingehalten. Das Gericht hat insoweit nach § 102 Satz 1 FGO nur zu prüfen, ob die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens über- oder unterschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
51
aa) Die Rückforderung der Eigenheimzulage wurde zu Recht gegenüber A geltend gemacht, die jedoch den Zahlungsanspruch des Finanzamts nicht erfüllen konnte. Nach den unbestrittenen Ausführungen des Finanzamtes blieben entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO) und insbesondere Steuervergütungen nicht zu Unrecht zu gewähren (§ 85 Satz 2 AO), kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Rückforderung zu Unrecht gewährter Eigenheimzulage von der Insolvenzschuldnerin nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen - wie auch im Streitfall - mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (vgl. BFH-Urteile vom 13.06.1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4; vom 29.09.1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176). Im Streitfall ist zudem noch zu berücksichtigen, dass die Eigenheimzulage auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters ausgezahlt wurde und nicht auf ein Konto der Insolvenzschuldnerin, der Vermögensvorteil mithin dem Haftenden in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter zufloss.
52
bb) Die Einwendungen des Klägers gegen die Ermessensentscheidung des Finanzamtes sind nicht gerechtfertigt. Soweit der Kläger vorträgt, das Finanzamt 1 habe vom Verkauf der Eigentumswohnung und damit von den veränderten Umständen im Sinne von § 12 Abs. 2 EigZulG mit Übersendung der Veräußerungsanzeige an das Finanzamt 3 durch die Notarin N Kenntnis erlangt, da nach Punkt 11 der Anlage zur Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über Bezeichnung, Sitz, Bezirk und Zuständigkeit der Finanzämter sowie über Einrichtung und Zuständigkeit eines Landesrechenzentrums die Kenntnis des Finanzamtes 3 dem Finanzamt 1 zuzurechnen sei, vermag der Senat dieser Zurechnung nicht folgen, da ausweislich der Anlage zu der erwähnten Verordnung das Finanzamt 3 nur hinsichtlich der Grunderwerbsteuer auch für das Finanzamt 1 zuständig ist, nicht jedoch für den Bereich der Eigenheimzulage. Eine weitergehende Wissenszurechnung vermag die ausschließlich auf die Grunderwerbsteuer beschränkte Zuständigkeitsübertragung nicht begründen.
53
Auch soweit der Kläger vorträgt, das Finanzamt 1 habe spätesten durch die Einreichung der Steuererklärung 2007 durch die Insolvenzschuldnerin beim Finanzamt Würzburg und Mitteilung der neuen Anschrift vom Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage wissen müssen - zumal der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 21.07.2008 vom Finanzamt 1 erlassen worden sei -, weshalb ein Mitverschulden des Finanzamtes 1 bei der Ermessensentscheidung zwingend zu berücksichtigen gewesen sei, begründet dies nach Ansicht des Senats nicht die Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist das Mitverschulden der Finanzbehörde nur dann zu berücksichtigen, wenn es ein solches Ausmaß annimmt, dass demgegenüber das Verschulden des Haftungsschuldners nicht entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. BFH-Beschluss vom 11.05.2000 VII B 217/99, BFH/NV 2000, 1442; BFH-Urteil vom 30.08.2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232 und BFH-Beschluss vom 21.09.2009 VII B 85/09, BFH/NV 2010, 11). Von einem solchen Mitverschulden des Finanzamtes ist im Streitfall nicht auszugehen, da dem für die Festsetzung der Eigenheimzulage zuständigen Sachbearbeiter die Mitteilung der veränderten Verhältnisse gemäß § 12 Abs. 2 EigZulG nicht mitgeteilt wurde. Lediglich aus der Zusammenschau einzelner Indizien leitet der Kläger eine Kenntnis des Finanzamtes 1 ganz allgemein ab und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass auch die für die Festsetzung der Eigenheimzulage zuständige Stelle des Finanzamtes 1 Kenntnis von den veränderten Umständen hatte. Nach Ansicht des Senats ist bereits diese Schlussfolgerung nicht gerechtfertigt, da ausweislich der Akten (Haftungsakte Blatt 31) erst mit Übersendung der Veräußerungsanzeige vom Finanzamt 1-Süd an das Finanzamt 1 am 07.10.2010 letzteres Kenntnis vom Verkauf der Wohnung und damit vom Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für die Eigenheimzulage hatte. Zwar enthalten die Akten auch den Hinweis (vgl. Haftungsakte Blatt 30), dass sich auf dem Vordruck InSo 02 (bei Eröffnung InSo) keine Eintragung zur Eigenheimzulage und sich keine Veräußerungsanzeige im Übrigen bei den Akten befindet, allerdings lässt sich daraus keine besonders grobe oder gar vorsätzliche Pflichtverletzung durch das Finanzamt ableiten.
54
Ebenso greift der Einwand, das Finanzamt 1 habe den Anspruch auf Rückzahlung der Eigenheimzulage im Laufe des Insolvenzverfahrens geltend machen können, so dass der Anspruch als Masseverbindlichkeit bedient worden wäre, nicht durch, da das Insolvenzverfahren am 25.08.2010 aufgehoben wurde und die zuständige Stelle des Finanzamtes 1 erst am 07.10.2010 Kenntnis von der Veräußerung der streitgegenständlichen Wohnung erlangt hat.
55
Demgegenüber wiegt das Verschulden des Klägers schwer, da er wusste, dass das einzig in Frage kommende Grundvermögen aus der Masse freigegeben, die Insolvenzschuldnerin aus der Wohnung ausgezogen und die Wohnung Ende Dezember 2007 verkauft worden war. Unter Berücksichtigung des Wissens um diese Umstände stellt die Mitteilung der Kontoverbindung für die Auszahlung der Eigenheimzulage im Schreiben vom 20.03.2008 und die Vereinnahmung der Eigenheimzulage in den Jahren 2008, 2009 und 2010 eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar.
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Schließlich vermag auch der Einwand des Klägers, es liege ein Ermessensnichtgebrauch vor, da das Finanzamt 1 es unterlassen habe zu prüfen, ob und in welcher Höhe der Kläger In Anspruch genommen werden solle, nicht durchzugreifen. Ausweislich der als Anlage 2 beigefügten Ausführungen zum Haftungsbescheid vom 24.04.2013 hat das Finanzamt 1 geprüft, ob eine Haftungsinanspruchnahme überhaupt erfolgen soll. Es hat jedoch weder ausreichende Tatsachen noch Beweismittel für ein Absehen von der Haftungsinanspruchnahme gesehen. Weiterhin wurde auch geprüft, ob ggf. eine nur teilweise Inanspruchnahme in Betracht kommt, denn nicht anders sind die Ausführungen auf Seite 2, erster Absatz der Anlage zu verstehen: „auch der Aktenlage sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die die Verantwortung für das Verschulden mindern“.
57
3. Unabhängig davon haftet der Kläger auch nach § 191 Abs. 1 i.V.m. § 60 Abs. 1 InsO wegen schuldhafter Verletzung seiner Pflichten als Insolvenzverwalter.
58
a) Forderungen nach § 60 Abs. 1 InsO können auch nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden.
59
Nach § 60 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. Hierbei handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch, der dem Haftungsbegriff des Steuerrechts entspricht. Dieser umfasst das Einstehenmüssen für den Schaden, der durch die Verletzung von Pflichten bei der Erfüllung der fremden Steuerschuld dem Steuergläubiger entstanden ist. Entsprechend setzt die Haftung nach den §§ 34, 69 AO grundsätzlich voraus, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität besteht. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Haftung nach den genannten Vorschriften. Ziel der Haftung ist es danach, Steuerausfälle auszugleichen, die durch schuldhafte Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO genannten Personen verursacht worden sind. Eine Haftung kommt dann in Betracht, wenn zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem auszugleichenden Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (vgl. BFH-Urteile vom 02.03.1993 VII R 90/90, BFH/NV 1994, 526; vom 05.03.1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, 678; vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97; vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Dieses Ziel verfolgt auch § 60 Abs. 1 InsO, sodass Forderungen des Steuergläubigers grundsätzlich auch nach dieser Vorschrift durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden können (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO, § 191, Rz. 83).
60
b) Der Kläger haftet als Insolvenzverwalter auch nach § 60 Abs. 1 InsO.
61
Gemäß dieser Vorschrift muss der Insolvenzverwalter Aussonderungsrechte beachten und dafür Sorge tragen, dass Gegenstände, auf die sich Rechte Dritter beziehen, von der Verwertung der Masse ausgenommen werden. Diese Pflicht hat der Insolvenzverwalter allerdings nur, wenn ihm entsprechende Rechte vor der Verwertung bekannt geworden sind. Denn zur uneingeschränkten Sachaufklärung ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet. Auf deutliche Anhaltspunkte muss er jedoch eingehen und sein Verhalten entsprechend darauf einstellen, selbst wenn er ein Aussonderungsrecht bestreiten will (vgl. z.B. OLG Jena, Urteil vom 27.10.2004 2 U 414/04, ZInsO 2005, 44).
62
Nach § 47 Satz 1 InsO ist kein Insolvenzgläubiger, wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstandes bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten (Satz 2). Aussonderungsfähig im Sinne des § 47 InsO sind Gegenstände. Dies sind u.a. auch persönliche Rechte und Forderungen aller Art, die individuell bestimmt sind (vgl. Wimmer, FK-InsO 2015, § 47 InsO, Rz. 6 f.).
63
Im Streitfall bestand zugunsten des Finanzamtes ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Kläger als Insolvenzverwalter.
64
Ist u.a. eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, hat nach dieser Vorschrift derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Dies gilt auch, wenn der Grund für die Zahlung später wegfällt. Anspruchsbegründender Tatbestand ist die Zahlung eines nicht geschuldeten Betrags. Der Erstattungsanspruch entsteht auch dann mit der Zahlung der nicht geschuldeten Steuer bzw. Steuervergütung, wenn diese durch Bescheid falsch festgesetzt und der Bescheid noch nicht geändert oder aufgehoben worden ist. Dementsprechend entsteht der Erstattungsanspruch bei späterem Wegfall des rechtlichen Grundes durch nachträglichen Eintritt für die Besteuerung bedeutsamer Ereignisse mit dem Eintritt dieses Ereignisses. Für die Entstehung des Erstattungsanspruchs kommt es daher nicht auf dessen Festsetzung oder dessen Fälligkeit an (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO, Rz. 42 f.).
65
Nach § 4 Satz 1 EigZulG bestand der Anspruch auf Eigenheimzulage für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Der Anspruch auf Eigenheimzulage entstand mit Beginn der angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken, für jedes weitere Jahr des Förderzeitraums mit Beginn des Kalenderjahres, für das eine Eigenheimzulage festzusetzen war (§ 10 EigZulG).
66
Im Streitfall zog die anspruchsberechtigte Insolvenzschuldnerin im Januar 2007 aus der begünstigten Eigentumswohnung aus und verkaufte diese mit notariellem Vertrag vom 13.12.2007. Mit der Aufgabe der Selbstnutzung der Eigentumswohnung entfielen, wie bereits ausgeführt, ab dem Jahr 2008 die Voraussetzungen für den Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Eigenheimzulage. Die jeweils in den Jahren 2008, 2009 und 2010 auf das Anderkonto des Klägers als Insolvenzverwalter überwiesene Eigenheimzulage erfolgte damit ohne rechtlichen Grund. Mit der jeweiligen Zahlung der Eigenheimzulage entstand daher zugunsten des Beklagten ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Kläger als Insolvenzverwalter und damit ein (bestimmter) Anspruch auf Aussonderung dieser Forderung im Sinne des § 47 InsO.
67
Dem Kläger war im Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter bekannt, dass, wie bereits ausgeführt, die Insolvenzschuldnerin Eigentümerin einer Eigentumswohnung in 1, Str. 1, war, aus dieser sie im Januar 2007 aus- und nach 2 umgezogen ist. Außerdem war ihm in dieser Eigenschaft bekannt, dass diese zur Insolvenzmasse gehörende Eigentumswohnung veräußert werden sollte. Aus diesem Grund gab er die Wohnung zum 01.08.2007 aus der Insolvenzmasse frei. Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 12.03.2007 wurde der Kläger als Insolvenzverwalter am 19.03.2008 vom Finanzamt um die Mitteilung des Bankkontos gebeten, auf das die Eigenheimzulage überwiesen werden sollte. Daraufhin teilte der Kläger als Insolvenzverwalter dem Finanzamt die Nummer eines Anderkontos mit. Unabhängig davon, dass die Insolvenzschuldnerin in dem von ihr erstellten Vermögensverzeichnis keine Angaben zum Bezug von Steuervergütungen z.B. in Form der Eigenheimzulage gemacht hatte, ist bereits in diesem Vorgang nach Auffassung des Senats ein deutlicher Hinweis auf einen unberechtigten Vermögenszufluss der Insolvenzschuldnerin zu sehen, der den Kläger als Insolvenzverwalter im Hinblick auf das zu beachtende Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO zur gewissenhaften Klärung der Sach- und Rechtslage hätte veranlassen müssen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger persönlich als Insolvenzverwalter mit der Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens und damit mit der Erfassung und auch der anschließenden Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden, ursprünglich selbstgenutzten Eigentumswohnung befasst war und diese im August 2007 zum Verkauf freigegeben hat. Ihm war daher zum Zeitpunkt der Anfrage des Finanzamts am 19.03.2008 auch aufgrund des überschaubaren Vermögens der Insolvenzschuldnerin und des vorangegangenen Geschehensablaufs bekannt, dass die (begünstigte) Eigentumswohnung nicht mehr zur Insolvenzmasse gehörte und unter Umständen zwischenzeitlich verkauft wurde. Bei der Eigenheimzulage handelte es sich um eine Steuervergütung, mit der die Bildung von selbst genutztem Wohnungseigentum gefördert wurde. Dass die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage an bestimmte Voraussetzungen gebunden war, war nach Auffassung des Senats zumindest den Steuerpflichtigen bekannt, die im betreffenden Zeitraum Wohneigentum erworben haben. Davon ausgehend war auch von einem fachlich vorgebildeten Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter als Organ der Rechtspflege zu erwarten, dass er sich, soweit er nicht über entsprechende Kenntnisse verfügt, zumindest im Rahmen seiner Aufgaben als Insolvenzverwalter darüber kundig macht. Wie der Geschehensablauf zeigt, hat sich der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter offensichtlich mit der Begründetheit des Anspruchs der Insolvenzschuldnerin auf Eigenheimzulage u.a. auch im Hinblick auf die zwischenzeitliche Freigabe der Eigentumswohnung nicht bzw. nicht mit der gebotenen Sorgfalt auseinandergesetzt. Durch die Mitteilung eines Anderkontos hat er als Insolvenzverwalter vielmehr dem Finanzamt gegenüber zu erkennen gegeben, dass die Voraussetzungen für die Eigenheimzulage weiterhin vorliegen, obwohl dies - für ihn auch erkennbar - tatsächlich nicht mehr der Fall war. Weiter hat er als Insolvenzverwalter trotz gewichtiger entgegenstehender Anhaltspunkte die jeweils auf sein Anderkonto überwiesene Eigenheimzulage für die Jahre 2008, 2009 und 2010 unwidersprochen und ohne weitere erkennbare sachliche und rechtliche Prüfung eines Anspruchs der Insolvenzschuldnerin auf Eigenheimzulage angenommen und der Insolvenzmasse zugeführt. Als Mindestanforderung hätte sich dem Kläger als Insolvenzverwalter bereits im Zusammenhang mit der Mitteilung eines Anderkontos eine Anfrage beim Finanzamt wegen der Klärung eines weiterhin bestehenden Anspruchs der Insolvenzschuldnerin auf Eigenheimzulage aufdrängen müssen. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger als Insolvenzverwalter durch seine Handlungen wiederholt die auch für ihn geltenden Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters verletzt, zumal außerdem, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, die unberechtigte Zurechnung der ausgezahlten Eigenheimzulage von insgesamt 6.000 € zur Insolvenzmasse zu einer erheblichen Erhöhung der Insolvenzverwaltervergütung geführt hat. Im Rahmen der wiederholten Sorgfaltspflichtverletzungen nahm es der Kläger als Insolvenzverwalter nach Auffassung des Senats billigend in Kauf, dass der Beklagte hinsichtlich seines Erstattungsanspruchs im Sinne des § 37 Abs. 2 AO sein Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO nicht ausüben konnte.
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Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur Haftung des Klägers nach § 69 AO unter I. Nr. 2 Buchst. a) der Urteilsgründe verwiesen.
II.
69
Aufgrund des nachgereichten Schriftsatzes vom 07.12.2018 ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht geboten. Sie wäre dann angezeigt, wenn neue, entscheidungserhebliche Tatsachen oder Rechtsmeinungen vorgetragen würden, die eine Partei bisher unverschuldet nicht vorbringen konnte (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, FGO § 93, Tz 9).
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Die Ausführungen des Klägers nach Schluss der mündlichen Verhandlung enthalten jedoch keine neuen Tatsachen oder Rechtsansichten, die nicht bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert worden wären. Soweit der Kläger erörtert, ob der vorliegende Haftungsbescheid nach § 191 AO auch auf § 60 InsO gestützt werden könnte, wurde diese Frage bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert. Neue Gesichtspunkte wurden diesbezüglich nicht vorgetragen. Hinsichtlich des Mitverschuldens verweist der Kläger selbst auf die in der mündlichen Verhandlung bereits stattgefundene Erörterung.
III.
71
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.