Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 24.04.2019 – 3 U 22/19
Titel:

Berichterstattung, Behandlung, Kenntnis, Zuwiderhandlung, Umwelt, Ordnungshaft

Normenketten:
GKG § 47, § 48
ZPO § 97 Abs. 1, § 522 Abs. 2
Schlagworte:
Berichterstattung, Behandlung, Kenntnis, Zuwiderhandlung, Umwelt, Ordnungshaft
Vorinstanz:
LG Regensburg, Hinweisbeschluss vom 15.03.2019 – 3 U 22/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 8534

Tenor

1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 06.12.2018, Aktenzeichen 23 O 2114/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfügungsverfahrens um Unterlassungsansprüche in Bezug auf die Berichterstattung in einem laufenden Strafverfahren.
2
Mit Endurteil vom 06.12.2018 wies das Landgericht Regensburg den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.
3
Dagegen wendet sich der Verfügungskläger in seiner Berufung. Er beantragt unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Regensburg:
4
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, die Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der KG, verboten, über den Verfügungskläger im Zusammenhang mit dem laufenden Strafverfahren vor dem Landgericht Regensburg (Az. …) gegen seine Person unter Angabe seines Vor- und abgekürzten Nachnamens, der Nennung seiner beruflichen Tätigkeit und unter/oder Verwendung seines Bildnisses identifizierend zu berichten und/oder berichten zu lassen.
5
Mit Beschluss vom 15.03.2019 wies der Senat darauf hin, dass er beabsichtige, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 06.12.2018 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
6
Mit Schriftsatz vom 04.04.2019 beantragte der Verfügungskläger die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme auf diesen Hinweis bis 18.04.2019, da sich der Verfügungskläger in ärztlicher Behandlung befinde. Die Gegenerklärung vom 17.04.2019 ging dann bei Gericht per Fax am gleichen Tag ein.
II.
7
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 06.12.2018, Aktenzeichen 23 O 2114/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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1. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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a) Nach dem Tatbestand der sogenannten „Selbstöffnung“ entfällt der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Dabei muss die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden. Das gilt auch für den Fall, dass der Entschluss, die Berichterstattung über bestimmte Vorgänge der eigenen Privatsphäre zu gestatten oder hinzunehmen, rückgängig gemacht wird (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96, Rn. 80 - Caroline von Monaco II).
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Der Senat hat im vorliegenden Fall einen Wegfall des Schutzes der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme aufgrund „Selbstöffnung“ nicht angenommen, weshalb er sich - folgerichtig - auch nicht mit der Rückgängigmachung der damit verbundenen Einwilligung befasst hat. Vielmehr hat er die Tatsache, dass sich der Verfügungskläger zunächst zu den erhobenen Vorwürfen äußerte und seine Äußerungen in der Zeitung abgedruckt wurden, nur als ein Kriterium in der Abwägung gewürdigt. Auch wenn - wie im vorliegenden Fall - zwischen „Selbstbegebung“ und beanstandeter Berichterstattung ein längerer Zeitraum liegt, kann im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, dass sich der Betroffene zunächst zum Tatvorwurf äußerte und sich somit aktiv in das „Licht der Öffentlichkeit“ begab.
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b) Der Presse ist bei einer die Identifizierung des Beschuldigten ermöglichenden Berichterstattung über das Vorliegen des Verdachts einer Straftat besondere Zurückhaltung auferlegt. Hiernach setzt die namentliche Erwähnung des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren voraus, dass auch unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen bei der erforderlichen Abwägung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Danach kommt eine Namensnennung grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten in Betracht, die die Öffentlichkeit besonders berühren. Dabei kann wegen der Stellung der Person des Beschuldigten und der Art der Straftat eine namentliche Berichterstattung auch unterhalb der Schwelle der Schwerkriminalität zulässig sein (BGH, Urteil vom 07. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, Rn. 30).
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Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt (zumal der Verfügungskläger nicht mehr Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren war, sondern die Berichterstattung über das laufende Hauptverfahren erfolgte). Zum einen war Gegenstand des Strafverfahrens der aufsehenerregende Vorwurf, in eine Kommunalwahl durch die Organisierung von Stimmen, die der eigenen Parteiwahl entsprechen, eingegriffen zu haben, weshalb die Kommunalwahl zu wiederholen war. Zum anderen verfügte der Verfügungskläger im Verbreitungsgebiet des Straubinger Tagblatts über einen erheblichen Bekanntheitsgrad.
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2. Es kann daher dahinstehen, ob darüber hinaus der Verfügungsgrund wegen Selbstwiderlegung fehlt, da der Verfügungskläger durch seinen Antrag auf Fristverlängerung zu dem gerichtlichen Hinweis zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihm nicht eilig ist (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 06. März 2018 - 4 U 1675/17, Rn. 10).
III.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
15
Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst (vgl. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).
16
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO bestimmt.