Inhalt

AG Regensburg, Endbeschluss v. 07.11.2019 – 207 F 1427/19
Titel:

Ehegattenunterhalt - Leistungsfähigkeit durch fiktive Wohnwertzurechnung

Normenketten:
FamFG § 238 Abs. 1
BGB § 1572 Nr. 1, § 1573 Abs. 2, § 1577 Abs. 1, Abs. 3, § 1578 Abs. 1, § 1581
Leitsätze:
1. Ein Unterhaltspflichtiger, kann gehalten sein, den Erlös aus dem Verkauf einer anderen Immobilie zur Renovierung der selbst genutzten Immobilie zu verwenden, wenn seine Leistungsfähigkeit auf der Zurechnung des Wohnwertes der selbst genutzten Immobilie beruht. (Rn. 16 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Unterhaltspflichtiger, kann gehalten sein, den Erlös aus der Veräußerung einer bislang selbst genutzten Immobilie als Vermögen zur Unterhaltsleistung einzusetzen, wenn seine Leistungsfähigkeit auf der Zurechnung des Wohnwerts dieser Immobilie beruhte. (Rn. 16 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ehegattenunterhalt, Leistungsfähigkeit, Wohnwert, Zurechnung, fiktiv
Vorinstanz:
AG Regensburg, Endbeschluss vom 13.04.2017 – 207 F 2583/16
Rechtsmittelinstanzen:
AG Regensburg, Beschluss vom 26.11.2019 – 207 F 1427/19
OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.07.2020 – 10 UF 1286/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 50232

Tenor

1. Der Antragssteller wird in Abänderung des Endbeschlusses des Amtsgerichts Regensburg vom 13.04.2017, Aktenzeichen 207 F 2583/16 verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab dem 01.04.2019 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 474,00 € zu bezahlen.
Ab dem 01.07.2019 hat der Antragsteller an die Antragsgegnerin einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 521 € zu zahlen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
3. Der Widerantrag wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 18/19 und die Antragsgegnerin zu 1/19.
5. Der Verfahrenswert wird auf 6.372,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um die Abänderung des Endbeschlusses des Amtsgerichts Regensburg vom 13.4.2007, wonach der Antragsteller der Antragsgegnerin monatlich 531 € Unterhalt zu zahlen hat.
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Die Parteien haben am 18.10.1974 geheiratet und sind seit 18.09.2007 rechtskräftig geschieden.
3
Seit dem 01.04.2019 bezieht die Antragsgegnerin eine Altersrente in Höhe von 798,28 €.
4
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass aufgrund der Tatsache, dass beide Parteien nunmehr Regel-Altersrente beziehen und außerdem ein Wohnvorteil auf seiner Seite entfallen ist, nunmehr kein Unterhalt mehr zu zahlen ist. Eine jetzt bestehende Versorgungslücke habe die Antragsgegnerin sich selbst zuzurechnen, weil sie darauf verzichtet hätte, zuvor neben dem Unterhalt auch einen Vorsorgeunterhalt geltend zu machen.
5
Der Antragsteller beziehe seit dem 01.12.2016 eine Rente in Höhe von 981,31 € und außerdem eine Zusatzrente in Höhe von 221,37 €.
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Der Antragsteller beantragt
Der Endbeschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 13.04.2017, Aktenzeichen 204 F (gemeint ist 207 F) 2583/16 wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab 01.04.2019 keinen Unterhalt mehr schuldet.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Endbeschluss des Amtsgerichts Regensburg - Abteilung für Familiensachen -, Aktenzeichen 200 7F 2583 aus 16, wird nach § 242 vom FG in Verbindung mit § 769 ZPO bis zum Erlass des Beschlusses in diesem Verfahren ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt.
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Die Antragsgegnerin beantragt Antragsabweisung und außerdem stellt sie Widerstufenantrag auf Auskunft zum Unterhalt.
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Insoweit beantragt der Antragsteller Antragsabweisung.
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Die Antragsgegnerin bestreitet die Höhe der beiden Altersrenten des Antragstellers. Sie trägt vor, dass im Hinblick auf einen vor dem Oberlandesgericht am 30.12.2014 geschlossenen Vergleich im Verfahren 207 F 621/12 (10 UF 260/14 beim OLG) die Einwendungen des Antragstellers ausgeschlossen sein. Der Aufbau einer eigenen Altersversorgung wäre der Antragsgegnerin nicht möglich gewesen. Während der Ehe sei man davon ausgegangen, dass die Altersvorsorge durch den Immobilienbesitz des Antragstellers gesichert gewesen sei. Der Antragsteller verfüge neben dem ehelichen Anwesen, welches mit zwei Häusern bebaut sei, über wesentliche Vermögenswerte.
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Insoweit beantragt der Antragsteller Abweisung.
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Es wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten, ferner auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2019 und auf die beigezogenen Akten 207 F 621/12.
12
Über den Antrag zur Einstellung der einstweiligen Zwangsvollstreckung hat das Gericht mit Beschluss vom 28.08.2019, Blatt 30 der Akten entschieden.
II.
1. Abänderung
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Zum Vergleich, der am 23.12.2014 vor dem Oberlandesgericht Nürnberg geschlossen wurde, ist festzustellen, dass die Befristung bis November 2016 sich auf die Unterhaltshöhe bezieht. Der Vergleich enthält ausdrücklich unter Ziffer 4 Satz 2 den Satz: Die Beteiligten sind sich einig, dass zum 01.12.2016 aufgrund der dann gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und der dann gültigen Gesetzeslage eine völlige Neuberechnung erfolgen muss.
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Dies ist zuletzt durch die Entscheidung vom 13.04.2017 erfolgt. Der Unterhalt wurde durch diese Entscheidung nicht befristet. Es wurde aber darauf hingewiesen, dass zum Renteneintritt mit einer Neuberechnung des Unterhalts zu rechnen ist.
2. Rentenhöhe
15
Der Antragsteller hat seine Renteneinkünfte belegt. Die Betriebsrente bei der bayerischen Versorgungskammer beträgt seit 1. Juli 2019 monatlich 222,21 €. Die Rente bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beträgt seit 1. Juli 2019 monatlich 1.013,13 €, zuvor betrug die laufende Zahlung 981,86 €.
3. Wohnwert
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Der Wohnwert für das mietfreie Wohnen im eigenen Anwesen ist wie zuvor mit 6,80 € pro Quadratmeter anzusetzen, also insgesamt mit einem Betrag in Höhe von 605,20 €.
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Es steht dem Antrag frei, über sein Eigentum zu verfügen, wie er dies für richtig hält. Unterhaltsrechtlich muss er sich jedoch an der Tatsache festhalten lassen, dass ihm ein mietfreies Wohnen bislang möglich war und wirtschaftlich sinnvoll auch in Zukunft möglich gewesen wäre. In diesem Punkte ist er nicht besser zu stellen als ein Arbeitnehmer, der einen lukrativen Arbeitsplatz für einen möglicherweise interessanten aber weniger einträglichen Arbeitsplatz aufgibt.
18
Im Termin vorgelegt hat der Antragsteller einen notariellen Kaufvertrag vom 02.10.2019, aus dem hervor geht, dass das Grundstück mit dem Wohnhaus des Antragstellers für einen Kaufpreis von 350.000 € verkauft wurde. Außerdem hat er dargelegt, dass das Wohnhaus der Mutter für 250.000 € verkauft wurde.
19
Ob wegen eines nicht zustimmenden Renovierungsstaus der Verkauf einer Immobilie erforderlich war oder nicht, ist nicht erheblich, weil der Antragsteller, wie die Antragsgegnerseite richtig vorträgt, die Möglichkeit gehabt hätte, nur eines der beiden Anwesen zu verkaufen, um im anderen Anwesen entweder selbst wohnen zu bleiben oder dieses zu vermieten und entsprechende Mieteinnahmen zu erzielen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Wohnhauses der Mutter, 215.000 €, bestand für den Antragsteller die Möglichkeit, das von ihm genutzte Grundstück so herzurichten, dass er es entweder weiterhin selbst hätte bewohnen können oder Mieteinnahmen in Höhe des bislang eingesetzten Wohnwertes hätte erzielen können.
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Diese Einkünfte sind daher fiktiv anzusetzen. Auf die Einvernahme der Zeugin A. V. konnte daher verzichtet werden, weil es nicht erheblich ist, ob der Antragsteller außerdem noch Aufwendungen für seine Wohnbedürfnisse tätigt. Wohnaufwendungen sind im Selbstbehalt enthalten und können deswegen nicht angesetzt werden.
4. Widerantrag auf Auskunft
21
Der Antragsteller hat über seine Renteneinkünfte Auskunft gegeben und diese auch belegt. Er hat nunmehr auch dargelegt und belegt, was mit seinem Immobilienvermögen geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass er weitere Einkünfte hat, die unterhaltsrechtlich relevant sind, liegen nicht vor. Der Widerantrag auf Auskunft zum Unterhalt ist aus diesem Grunde zurückzuweisen.
5. Unterhaltsberechnung
5.1. Aktueller Unterhalt
22
Der Unterhalt für die Antragsgegnerin ist daher aktuell wie folgt zu berechnen:

Rente Antragsteller

1.013,13 €

BVK

222,37 €

Wohnvorteil 89 × 6,80

605,20 €

1.840,70 €

Rente Antragstellerin

798,28 €

798,28 €

Eheeinkommen

2.638,98 €

Hälfte des Eheeinkommens

1.319,49 €

abzügl. Eigenes Einkommen

- 798,28 €

521,21 €

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Gerundet beträgt der ab dem 01.07.2019 zu zahlende Unterhalt daher 521 €. 5.2. Unterhalt für April bis Juni 2019
24
Für den Zeitraum April bis Juni 2019 ist der niedrigere Rentenbetrag von 981,86 € anzusetzen. Die Unterhaltsberechnung für diesen Zeitraum erfolgt dann so:

Rente Antragsteller

918,86 €

BVK

222,37 €

Wohnvorteil 89 × 6,80

605,20 €

1.746,43 €

Rente Antragstellerin

798,28 €

798,28 €

Eheeinkommen

2.544,71 €

Hälfte

1.272,36 €

abzügl. Eigenes Einkommen

- 798,28 €

474,08 €

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Gerundet beträgt der Unterhalt für April Mai und Juni 2019 daher 474 €. Abweichend zum Beschluss vom 28.08.2019 ist daher festzustellen, dass für die Monate April bis Juni ein Betrag in Höhe von 84 € zu viel gezahlt wurde und seit dem 1. Juli 2019 ein Betrag von 10 € pro Monat.
Kosten und Nebenentscheidungen
26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen.
27
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 FamGKG.