Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Urteil v. 06.05.2019 – BayAGH III-4-13/2018
Titel:

Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf ein neues Arbeitsverhältnis nach Beendigung des ursprünglichen

Normenkette:
BRAO § 46 Abs. 3, § 46b Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf ein weiteres Arbeitsverhältnis (§ 46b Abs. 3 BRAO) setzt nicht voraus, dass neben dem weiteren Arbeitsverhältnis auch das der Zulassung zugrundeliegende Arbeitsverhältnis noch besteht (entgegen BGH BeckRS 2020, 11743 Rn. 10). (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Übersteigt die anwaltliche Tätigkeit nicht nur in quantitativer sondern auch in qualitativer Hinsicht eine daneben ausgeübte Tätigkeit als Personalleiter deutlich, so wird das Beschäftigungsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit iSd § 46 Abs. 3 BRAO geprägt. (Rn. 73 – 74) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Syndikusanwalt, Syndikusrechtsanwalt, anwaltliche Tätigkeit, Tätigkeitsbeschreibung, Erstreckung der Zulassung, Personalleiter, Prägung
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 30.03.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 43951

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Beigeladenen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
V. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

I.
1
Der Beigeladene ist seit 17.12.2014 zum Rechtsanwalt, seit 27.08.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Der Zulassung lag seine Tätigkeit als Referent für Arbeits- und Sozialrecht beim A. e. V. zugrunde. Dieses Arbeitsverhältnis wurde am 31.10.2017 beendet.
2
Mit Antrag vom 03.11.2017 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Erstreckung seiner bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf seine ab 01.10.2017 ausgeübte Tätigkeit bei der N.D. + P. GmbH.
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Der Beigeladene legte folgende Unterlagen vor:
- Eine Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom 20.06.2017 Hiernach nimmt die nicht anwaltliche Tätigkeit lediglich 30% der Aufgaben des Beigeladenen in Anspruch (Ziffer 9. e. der Tätigkeitsbeschreibung).
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Gem. Ziffer 9. a. - d. der Tätigkeitsbeschreibung ist der Beigeladene mit einem Umfang von ca. 70% mit der Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie dem Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, mit der Erteilung von Rechtsrat und der Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere dem selbständigen Führen von Verhandlungen über die Verwirklichung von Rechten sowie dem verantwortlichen Auftreten nach außen im Sinne einer eigenständigen und weisungsfreien Wahrnehmung außergerichtlicher Verhandlungen, etwa mit gegnerischen Rechtsanwälten bei Vertragsverhandlungen oder zur Vermeidung von Prozessen, befasst.
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Gem. Ziffer 8. der Tätigkeitsbeschreibung ist der Beigeladene als Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig. Ihm obliegt die fachliche und disziplinarische Führung der Personalabteilung sowie die Verantwortung für die Abwicklung sämtlicher personalrelevanter und arbeitsrechtlicher Maßnahmen und Fragestellungen von der Personalbeschaffung bis zum Austritt der tariflichen und außertariflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
- Einen Arbeitsvertrag vom 20.06.2017, der in Ziffer II.1. auf die Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung Bezug nimmt, und mit dem der Beigeladene mit Wirkung vom 01.10.2017 als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) und Leiter Personalteam eingestellt wurde.
6
Mit Bescheid vom 04.06.2018 hat die Beklagte die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt auf das ab 01.10.2017 bestehende Arbeitsverhältnis des Beigeladenen bei der N. D.+ P. GmbH erstreckt.
7
Gegen den ihr am 13.06.2018 zugestellten Zulassungsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 11.07.2018, eingegangen per Fax am gleichen Tag.
8
Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, der Erstreckungsbescheid sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig:
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Eine Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt komme nämlich gem. § 46 b Abs. 3 BRAO nur dann in Betracht, wenn nach einer Zulassung nach § 46 a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen würden. Insoweit sei erforderlich, dass das Arbeitsverhältnis, für das eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt wurde, weiter bestehe und zumindest ein weiteres Arbeitsverhältnis hinzutrete. Dies ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/5201, Seite 36): § 46 b Abs. 3 BRAO greife nicht, wenn das Arbeitsverhältnis, für das eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt worden war, geendet habe. Denn eine Zulassung, die auf ein anderes Arbeitsverhältnis i. S. v. § 46 b Abs. 3 BRAO erstreckt werden könne, existiere dann nicht mehr. Richtigerweise habe die Zulassung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen beim Arbeitgeberverband Chemie am 31.10.2017 aufgehoben werden müssen. Es komme daher lediglich eine Neuzulassung nach § 46 a BRAO in Betracht.
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Weiter lägen die gem. § 46 Abs. 2 und 3 BRAO zu erfüllenden Kriterien für die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts nicht vor. Auch sei nicht vertraglich gewährleistet, dass die Ausübung der Tätigkeit des Beigeladenen im Sinne von § 46 Abs. 4 BRAO fachlich unabhängig und eigenverantwortlich erfolge.
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Die Aufgaben des Beigeladenen als Leiter des Personalteams seien nämlich vielfältig. Unter anderem seien durch den Beigeladenen auch alle betriebsüblichen Aufgaben eines Personalleiters zu erledigen. Diese seien regelmäßig umfangreich. Es stelle sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob und inwieweit die Beschäftigung des Beigeladenen gerade durch anwaltliche Aufgaben i. S. d. § 46 Abs. 3 BRAO geprägt sei.
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Es sei erstaunlich, dass für die „weiteren“ Tätigkeiten des Beigeladenen lediglich ein Anteil von 30% zugrunde gelegt worden sei. Gerade diese Tätigkeiten - wie die Optimierung und Organisation aller Personalprozesse, die Personalbedarfsermittlung und die Rekrutierung von Personal sowie die Qualifizierungsplanung seien für die Arbeit eines Personalleiters nämlich von zentraler Bedeutung. Dies zeige, dass bei der Gewichtung qualitative Gesichtspunkte offenbar keine Rolle gespielt hätten.
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Auch in dem Arbeitsbereich, der mit 70% ausgewiesen sei, fänden sich viele nicht anwaltliche Tätigkeiten, wie z. B. Stellungnahmen zu aktuellen arbeits- und sozialrechtlichen Themen oder die Erstellung eines Leitfadens für ein betriebliches Eingliederungsmanagement.
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Nach Einschätzung der Klägerin bewegt sich der anwaltliche Anteil der Arbeit des Beigeladenen allenfalls im Bereich von 50 - 60%, was nach ihrer Ansicht für eine Prägung nicht ausreichend ist.
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Für die Klägerin ist der Umfang der Vertretungsbefugnis nach außen nicht nachvollziehbar. Der Beigeladene zeichne „i.V.“ gem. im Unternehmen geltender Unterschriftsrichtlinien. Diese Richtlinien seien jedoch nicht vorgelegt worden, so dass nicht geklärt sei, was denn genau Gegenstand der Vertretungsbefugnis nach außen sei und ob dies zur Erfüllung des Merkmales § 46 Abs. 3 Ziffer 4 BRAO ausreichend sei.
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Die Klägerin beantragt (Bl. 1 d. A.):
Der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2018, zugestellt am 13.06.2018, wird aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt (Bl. 10 d. A.):
Die Klage wird abgewiesen.
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Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 46 b Abs. 3 BRAO für die Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt lägen vor. Denn der Beigeladene sei seit 27.08.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Die Tätigkeit des Beigeladenen entspreche den Anforderungen des § 46 Abs. 2 - 5 BRAO:
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Gemäß Anstellungsvertrag vom 20.06.2017 nebst Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom 20.06.2017, die den Anstellungsvertrag konkretisiere, sei er insbesondere fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig, prüfe Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts und erarbeite und bewerte Lösungsmöglichkeiten. Weiter erteile er Rechtsrat. Seine Tätigkeit sei auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen ausgerichtet, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen. Der Beigeladene könne auch für das Unternehmen nach außen verantwortlich auftreten.
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Die nichtanwaltliche Tätigkeit nehme lediglich 30% der Arbeitszeit in Anspruch.
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Zu dem Zeitpunkt, in dem die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses bekannt geworden sei, hätten die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch das neue Arbeitsverhältnis vorgelegen. Die Erstreckungsmöglichkeit der Zulassung als Syndikusanwalt beziehe sich nicht nur auf „weitere“ Arbeitsverhältnisse neben einem bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern auch auf neue Arbeitsverhältnisse nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, wenn das vorhergehende Arbeitsverhältnis mit Aufnahme des neuen Arbeitsverhältnisses endet.
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Es führe zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verwaltungsvereinfachung, wenn die Rechtsanwaltskammer nicht zunächst die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt widerrufen müsse, obwohl nachgewiesen ist, dass der Anwalt aktuell als Syndikusrechtsanwalt tätig ist und die Voraussetzung des § 46 a BRAO vorliegen.
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Die Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom 20.06.2017 sei sowohl vom Beigeladenen als auch vom Arbeitgeber unterzeichnet und sei damit Bestandteil des Arbeitsvertrages und mithin eine vertragliche Vereinbarung. Die Angaben in der Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung seien detailliert und nachvollziehbar. Es gebe keine Anhaltspunkte für diesbezüglich unrichtige Angaben.
24
Der BayAGH habe mit Urteil vom 09.04.2018, Az: … die Auffassung vertreten, dass bei einer prozentualen Einschätzung anwaltlicher Tätigkeit in Höhe von ca. 70% und nichtanwaltlicher Tätigkeit in Höhe von ca. 30% von einer anwaltlichen Prägung des Arbeitsverhältnisses auszugehen sei.
25
Der Beigeladene hat sich mit Schriftsatz vom 14.02.2019 der Klageerwiderung umfassend angeschlossen und ausgeführt, die Darstellung der Funktions- und Stellenbeschreibung mit anwaltlichem Schwerpunkt der Tätigkeit von ca. 70% sei zutreffend.
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Die Klägerin ergehe sich hinsichtlich Inhalt und Gewichtung der nichtanwaltlichen Aufgaben in Spekulationen und Mutmaßungen. Sie stelle Vermutungen über einen typisierten Aufgabeninhalt eines Personalleiters dar. Tatsächlich würden beispielsweise die Themenkomplexe Entgeltabrechnung, betriebliche Altersversorgung und Personalentwicklung durch die Konzernmutter abgebildet. Ein Personalbudget existiere nicht.
27
Die Erstellung eines Leitfadens zum betrieblichen Eingliederungsmanagement sei ein einmal zu leistender Aufwand, der nicht prägend ins Gewicht falle. Die Erstellung des Leitfadens habe etwa drei Zeitstunden in Anspruch genommen.
28
Es dränge sich die Annahme einer sozialpolitischen Motivlage seitens der Klägerin auf.
29
Weiter hat der Beigeladene mit Schriftsatz vom 28.03.2019 mitgeteilt, im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit zeichne er insbesondere die anwaltliche und gerichtliche Korrespondenz alleine. Dies gelte auch für das Eingehen rechtlicher Verpflichtungen, etwa bei Vergleichsverhandlungen.
30
Im Rahmen seiner nicht-anwaltlichen Aufgaben zeichne er, insbesondere bei Arbeits- Werk- und Dienstverträgen, Funktions- und Stellenbeschreibungen nach der Unterschriftregelung der N.D. und P. GmbH nach dem dort geltenden Vier-Augen-Prinzip zusammen mit einem weiteren Zeichnungsberechtigten „i.V.“.
31
Der Senat hat die Parteien und den Beigeladenen persönlich angehört.
32
Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll des Senats vom 06.05.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
33
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 4.6.2018 ist gemäß § 112 c Abs. 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO die Anfechtungsklage statthaft.
34
Auch hinsichtlich der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen keine Bedenken. Insbesondere wurde die einmonatige Klagefrist (§§ 112 c BRAO i.V.m. § 74 VwGO) gewahrt.
35
Die Klägerin ist gemäß § 46 a Abs. 2 Satz 3 BRAO klagebefugt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war nicht erforderlich, Art. 15 Abs. 2 AG VwGO).
II.
36
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg:
37
Mit Recht hat die Beklagte die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusanwalt auf dessen neues Arbeitsverhältnis bei der N. D. + P. GmbH auf der Grundlage von § 46 b Abs. 3 BRAO erstreckt.
38
Denn die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46 b Abs. 3 BRAO auf Antrag nach Maßgabe des § 46 a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf weitere Arbeitsverhältnisse zu erstrecken, wenn nach einer Zulassung nach § 46 a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden.
39
a) Formell rechtmäßig hat die Beklagte einen Erstreckungsbescheid auf der Grundlage des § 46 b Abs. 3 BRAO erlassen:
40
Der Beigeladene ist seit 17.12.2014 zum Rechtsanwalt, seit 27.8.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Der Zulassung lag seine Tätigkeit als Referent für A. e.V. zu Grunde. Dieses Arbeitsverhältnis wurde am 31.10.2017 beendet.
41
Gem. § 46b Abs. 3 BRAO kann, wenn nach einer Zulassung nach § 46a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden, auf Antrag die Zulassung auf diese Arbeitsverhältnisse erstreckt werden.
42
Zwar soll nach von der Klägerin zitierten Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/5201 (Entwurf eines Gestzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte), Seite 36) § 46 b Abs. 3 BRAO klarstellen, dass die Zulassung auf Antrag nur auf anwaltliche Tätigkeiten innerhalb weiterer nachträglich hinzutretender Anstellungsverhältnisse unter den dort genannten Voraussetzungen zu erstrecken sei.
43
Hierfür findet sich jedoch weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzessystematik Anhalt:
44
Denn § 46 b Abs. 3 BRAO hat lediglich zur Voraussetzung, dass zeitlich nach einer Zulassung nach § 46 a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusanwalt aufgenommen werden.
45
Nach dem Gesetzeswortlaut ist für eine Erstreckung nicht erforderlich, dass diese Arbeitsverhältnisse neben dem der Zulassung zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis bestehen.
46
Der Beigeladene hat vorliegend während seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit beim A. e.V. ein weiteres Arbeitsverhältnis als Syndikusrechtsanwalt bei der N.D.+ P. GmbH aufgenommen.
47
Eine Erstreckung der Zulassung auf die neue Tätigkeit war auch deshalb möglich, weil ein Grund, die bestehende Zulassung gem. § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO nach Beendigung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses zu widerrufen, weil die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nach Aufnahme der neuen Arbeitstätigkeit nicht mehr den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entsprochen hätten, zu keinem Zeitpunkt vorlag:
48
Der Beigeladene war nämlich durchgängig als Syndikusanwalt, zunächst bis 31.10.2017 beim A. e.V., sodann ab 01.10.2017 bei der N. D.+ P. GmbH beschäftigt .
49
Für die Frage des Widerrufs der Zulassung als Syndikusanwalt auf der Grundlage des § 46 b Abs. 2 Satz 2 BRAO kommt es auf die Fortdauer der Voraussetzungen des § 46 BRAO an, sodass kein Widerruf erfolgt, wenn -wie hierdie Zulassungsvoraussetzungen durchgehend, mithin auch im neuen Anstellungsverhältnis fortbestehen.
50
Im Übrigen erscheint es auch unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung vorzugswürdig, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen den Erstreckungsbescheid anstatt eines Widerrufsbescheides mit anschließender Neuzulassungsprüfung ausreichen zu lassen, vgl. AnwGH NRW, Az.: 1 AGH 62/17, Urteil vom 29.06.2018.
51
b) Der Erstreckungsbescheid ist auch materiell rechtsmäßig, denn die Tätigkeit des Beigeladenen bei der N. D. + P. GmbH entspricht den Anforderungen des § 46 a BRAO, insbesondere des § 46 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO:
52
Denn der Beigeladene ist Angestellter der N. D. + P. GmbH, mithin einer anderen als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Stelle.
53
Rechtsanwälte, die bei anderen als den in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften ihren Beruf als Rechtsanwalt ausüben, sind Syndikusanwälte, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind, § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
54
Eine anwaltliche Tätigkeit liegt vor, wenn der Beigeladene fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig ist und seine Tätigkeit durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1-4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt ist.
55
Durch das Tatbestandsmerkmal der Prägung soll hierbei sichergestellt werden, dass der ganz eindeutige Schwerpunkt der im Rahmen des Anstellungsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten und der bestehenden vertraglichen Leistungspflichten im anwaltlichen Bereich liegt.
56
Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten, § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO.
57
Die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung hat sich auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zu beschränken, § 46 Abs. 5 BRAO.
58
Diese Voraussetzungen sind im Fall des Beigeladenen erfüllt:
59
Nach dem Anstellungsvertrag vom 20.6.2017 nebst Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom gleichen Tag, die den Anstellungsvertrag konkretisiert, ist der Beigeladene fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig, prüft Rechtsfragen einschließlich der Sachverhaltsaufklärung und erarbeitet und bewertet Lösungsmöglichkeiten. Weiter erteilt er Rechtsrat. Verhandlungen führt er selbständig. Er tritt für das Unternehmen nach außen verantwortlich auf.
60
Gerichtliche und anwaltliche Korrespondenz zeichnet er allein und eigenverantwortlich. Dies gilt auch für das Eingehen rechtlicher Verpflichtungen - etwa bei Vergleichsverhandlungen. Die Zeichnung wird nicht durch den Zusatz „i.V.“ begleitet. Wertgrenzen für die Zeichnung gelten nicht.
61
Insoweit der Beigeladene vorträgt, seine nichtanwaltliche Tätigkeit nehme lediglich 30% seiner Aufgaben in Anspruch, ist festzustellen, dass eine entsprechende Gewichtung sich bereits in der Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom 20.06.2017 findet.
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Die Anhörung des Beigeladenen stützt dessen Vortrag:
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Er ist derzeit schwerpunktmäßig mit der Umsetzung eines Reorganisationskonzeptes betraut.
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Dies umfasst die Betreuung arbeitsgerichtlicher Verfahren, die individuelle Anpassung von Arbeitsverträgen, die selbständige Durchführung von Verhandlungen mit dem Betriebsrat insbesondere bezüglich arbeitszeitrechtlicher Themen und den Kontakt mit der Aufsichtsbehörde.
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Der Beigeladene führt auch Mitarbeitergespräche zu arbeits- und tarifrechtlichen Fragestellungen.
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Darüber hinaus ist der Beigeladene auch außerhalb arbeitsrechtlicher Bezüge für seinen Arbeitgeber juristisch tätig:
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So betreut er beispielsweise eine abwasserrechtliche Problematik und ein handelsrechtliches Verfahren.
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Die Leitung der Personalabteilung beschränkt sich auf kurze Impulse zwischen Tür und Angel. Bezüglich des Personalcontrollings nimmt er lediglich Kennzahlen zur Kenntnis, die er dann zur Grundlage seiner Entscheidungen macht.
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Weitere Projekte neben der Reorganisation und der Minderung des hohen Krankenstandes gibt es nicht.
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Die Grundlage für die Organisation der Personalprozesse hat er bisher einmal redaktionell überarbeitet.
71
Entgegen der Auffassung der Klägerin hält der Senat angesichts der vom Beigeladenen arbeitsvertraglich auszuübenden nichtanwaltlichen Tätigkeiten im Vergleich mit dem umfangreichen anwaltlichen Aufgabenbereich des Beigeladenen zur rechtlichen Beratung und Vertretung seines Arbeitgebers einen Tätigkeitsanteil von 30% für plausibel. Dies auch deshalb, weil der Beigeladene unwidersprochen vorgetragen hat, die Themenkomplexe Entgeltabrechnung, betriebliche Altersversorgung und Personalentwicklung werde durch die Konzernmutter abgebildet, ein Personalbudget existiere nicht.
72
Mag auch die Erstellung eines Leitfadens für ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement, wie die Klägerin mit Recht einwendet, keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 BRAO sein, so hat doch diese Tätigkeit nach den nachvollziehbaren Angaben des Beigeladenen lediglich einnmalig drei Zeitstunden in Anspruch genommen.
73
Letztlich kann dahinstehen, ob die prozentuale Einschätzung des Beigeladenen hinsichtlich 70% anwaltlicher Tätigkeit und 30% nichtanwaltlicher Tätigkeit genau zutrifft. Der Senat hat jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht nur in quantitativer sondern auch in qualitativer Hinsicht die daneben ausgeübte Tätigkeit des Beigeladenen als Personalleiter jedenfalls deutlich übersteigt.
74
Das Beschäftigungsverhältnis wird damit durch die anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO geprägt.
Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung fußt auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO:
Nachdem der Beigeladene mit Antragstellung das Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat, erscheint es billig, der Klägerin als unterliegender Partei auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG.
Der Senat hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die -soweit ersichtlich- noch nicht vom Bundesgerichtshof geklärte Frage zugelassen, ob eine Erstreckung der Zulassung als Syndikusanwalt nach § 46 b Abs. 3 BRAO möglich ist, wenn das frühere Arbeitsverhältnis bei Erstreckungsantragstellung bereits beendet ist, §§ 112 e BRAO, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.