Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 16.12.2019 – W 8 S 19.1548
Titel:

Ein Informationsanspruch nach dem VIG zu einer Verfahren der Lebensmittelüberwachung

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3 S. 2, Abs. 5
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4, § 5
LFGB § 40 Abs. 1 lit. a
GG Art. 19 Abs. 4
VO (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) Art. 7 Abs. 1 lit. a
Leitsätze:
1. Ein Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG steht Jedem auch ohne Geltendmachung eines rechtlichen Interesses zu, wenn von einer Lebensmittelbehörde zu einem Produkt nicht zulässige Abweichungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) festgestellt worden sind. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht ausreichend für die Annahme von festgestellten nicht zulässigen Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG ist die bloße Feststellung von naturwissenschaftlich-analytischen Abweichungen, denn vielmehr bedarf es auch einer juristisch-wertenden Einordnung. Die Feststellungen müssen aber nicht in einem bestandskräftigen Verwaltungsakt getroffen werden. (Rn. 29 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine informationspflichtige Stelle kann nicht auch dazu verpflichtet werden, mitzuteilen, ob über eine Beschwerde bereits gerichtlich entschieden worden ist, denn sie ist nicht verpflichtet Informationen beizuschaffen, die ihr nicht vorliegen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. In Bezug auf die Informationen im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG tritt der Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse von Gesetzes wegen hinter dem Informationsinteresse des Antragstellers zurück. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Auskunftserteilung nach dem VIG, Auskunftsbegehren über Name des Unternehmens und Rechtsmitteleinlegung, keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe, Interessenabwägung, Information, Auskunftsersuchen, Beschränkung, Untersagung, Ausschluss, Aussetzungsinteresse, Futtermittel, Betriebs- und Geschäftsgeheimnis
Fundstelle:
BeckRS 2019, 35294

Tenor

I...., wird zum Verfahren beigeladen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, die das Produkt "Kinder Multi Vitamine und Mineralien" vertreibt, begehrt mit ihrem Eilantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners (vertreten durch das Landratsamt W.) vom 15. November 2019, in dem einem Antrag der Beigeladenen auf Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) stattgegeben wurde.
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1. Im Zuge der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurden bei einer Planprobe des von der Antragstellerin vertriebenen Nahrungsergänzungsmittels "Kinder Multi Vitamine & Mineralien" Abweichungen zwischen bestimmten deklarierten und analysierten Gehaltsangaben festgestellt. Gegen die beabsichtigte Internetveröffentlichung einer Beanstandung des Nahrungsergänzungsmittels durch das Landratsamt W. stellte die Antragstellerin einen Eilantrag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg. Dieses lehnte den Antrag mit Beschluss vom 24. Juli 2019 (W 8 E 19.766) ab.
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Mit E-Mail vom 10. September 2019 stellte die Beigeladene beim Landratsamt W. folgenden Antrag auf Informationsgewährung gemäß § 4, § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG:
4
Mich würde interessieren,
1.
von welchem Unternehmen dieses Produkt vertrieben wurde (der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei um die Firma R. F. GmbH gehandelt hat, was ich aber gerne verifizieren möchte),
2.
ob das Unternehmen gegen den ablehnenden Beschluss des VG Würzburg Beschwerde eingelegt hat und, falls ja:
3.
wann insoweit Ihrer Kenntnis nach mit einer Entscheidung über die Beschwerde zu rechnen ist.
5
Mit Schreiben vom 11. September 2019 informierte das Landratsamt W. die Antragstellerin von dem Auskunftsersuchen, kündigte die Eröffnung bestimmter Informationen an und räumte ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.
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Hiervon machte die Antragstellerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. September 2019 Gebrauch. Sie widersprach der Bekanntgabe der Informationen und führte im Wesentlichen aus, die Fragen der Beigeladenen bezögen sich auf keine der sieben in § 2 Abs. 1 VIG abschließend aufgezählten Kategorien. Bereits aus diesem Grund sei die gewünschte Auskunftserteilung, da im Gesetz nicht vorgesehen, unzulässig. Insbesondere bezüglich der Anfrage zu Ziffer 3. lägen der auskunftspflichtigen Behörde keine Informationen vor, weshalb sie darüber auch keine Auskünfte erteilen könne. Hierunter falle auch die beabsichtigte Eröffnung der Information, dass der Behörde nicht bekannt sei, wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne. Weiter liege ein Ausschluss des Informationsanspruches aufgrund der Ausschlussgründe nach § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) und Satz 1 Nr. 2 VIG vor, da das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch anhängig sei. Wegen der seitens des Landratsamtes W. bei der Staatsanwaltschaft gestellten Strafanzeige dürften gemäß § 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 VIG Informationen nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft oder dem zuständigen Gericht herausgegeben werden.
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2. Mit Bescheid des Landratsamts W. vom 15. November 2019, gerichtet an die Beigeladene, wurde dem Antrag der Beigeladenen auf Auskunftserteilung stattgegeben (Nr. 1). Es wurde angeordnet, dass die Bekanntgabe der angefragten Informationen 10 Tage nach Zustellung dieses Bescheids an den betroffenen Dritten in Schriftform bekannt gegeben wird, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt ist (Nr. 2). Zur Begründung der Informationsgewährung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Information werde gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG antragsgemäß erteilt. Ausschluss- oder Beschränkungsgründe würden im vorliegenden Fall nicht greifen.
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Mit Schreiben vom 15. November 2019, der Antragstellerin zugegangen am 18. November 2019, gab das Landratsamt W. der Antragstellerin den Grundverwaltungsakt vom 15. November 2019 bekannt und kündigte die Herausgabe der in der Anhörung benannten Informationen (wobei die angefragten Informationen zu Frage 3 dem Landratsamt nicht bekannt sind) an die Antragstellerin an. Das Verbraucherinformationsgesetz ziele darauf ab, Verbraucherinnen und Verbrauchern freien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Ein berechtigtes Interesse bzw. eine bestimmte Verfahrensstellung sei nicht erforderlich. Die Antragstellerin nach VIG habe nach Wortlaut des Gesetzes auch Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten oder Maßnahmen und Entscheidungen, die mit diesen Abweichungen in Zusammenhang stehen. Dies schließe die Auskunft über das Unternehmen, welches das Produkt vertreibe, mit ein. Die beantragten Informationen seien beim Landratsamt W., so wie sie herausgegeben würden, tatsächlich vorhanden. Auch bei der Antwort zu Nr. 3 handle es sich um die hier tatsächlich vorhandene Information. Die zuständige Staatsanwältin habe am 13. November 2019 ihre Zustimmung zur Herausgabe der Informationen gegeben. Im Übrigen werde der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck nicht gefährdet.
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3. Am 26. November 2019 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 19.1547 Klage gegen den Bescheid des Landratsamts W. vom 15. November 2019 erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der entsprechende Antrag durch eine Rechtsanwältin gestellt worden sei, die also nicht als Verbraucher, sondern als Vertreterin eines Dritten tätig werde, ohne dass offengelegt sei, für welchen Dritten die Anwältin die entsprechende Frage stelle. Gemäß § 5 Abs. 1 VIG müsse jedoch ein Dritter ein rechtliches Interesse geltend gemacht haben, welches hier nicht ersichtlich sei. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG müsse der Antrag hinreichend bestimmt sein. In dem Antrag sei lediglich von einem "Verdacht" die Rede, ob ein bestimmtes Unternehmen ein bestimmtes Produkt vertrieben habe. Das VIG diene nicht allgemeinen Auskünften zu Vertriebsstrukturen und Verdachtsanfragen. Die Informationserteilung habe sich zudem auf angebliche Lebensmittelverstöße zu beschränken und nicht auf den Sachstand von Gerichtsverfahren. Darüber hinaus seien Auskünfte zu erteilen über "festgestellte, nicht zulässige Abweichungen". Ob tatsächlich nicht zulässige Abweichungen vorlägen, sei jedoch aktuell gerade Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Es bedürfe zunächst einmal der rechtskräftigen Entscheidung, ob die Abweichungen tatsächlich nicht zulässig gewesen seien. Da mit der Auskunftsgewährung die Hauptsache vorweggenommen werde, könne effektiver Rechtsschutz hier nur durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage erreicht werden gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. In diesem Sinne habe auch das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 15. März 2019 (RN 5 S 19.189) entschieden.
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4. Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2019, den Antrag abzuweisen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Die Beigeladene sei offensichtlich als Rechtsanwältin tätig. Es ergebe sich allerdings kein Anhaltspunkt dafür, dass sie im Namen und Vollmacht eines Mandanten tätig werde. Bei dem in § 5 Abs. 1 VIG benannten Dritten handle es sich nicht, wie von der Antragstellerin angenommen, um einen Mandanten der Beigeladenen, sondern regelmäßig um die Hersteller oder Inverkehrbringer einer Ware. Der Anspruch auf freien Zugang zu den weiter benannten Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG schließe die Auskunft über das Unternehmen, welches das Produkt vertreibe, mit ein. Die Auskunft, ob gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtes Würzburg Beschwerde eingelegt wurde und bis wann nach Kenntnis des Landratsamtes mit einer Entscheidung gerechnet werden könne, beziehe sich auf Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) bis c) VIG genannten Abweichungen getroffen worden seien. Daher sei es auch nicht erforderlich, dass das Verfahren bezüglich der geplanten Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) bereits rechtskräftig abgeschlossen sei. Anders als beim Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. März 2019 (RN 5 S 19.189) liege hier kein Auskunftsersuchen über die Online-Plattform Topf-Secret vor und damit keine vergleichbare Fallkonstellation.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (insbesondere auch des Klageverfahrens W 8 K 19.1548) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
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1. Nr. I des Beschlusses beruht auf § 65 Abs. 2 VwGO. Beantragt ein Dritter die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem die informationspflichtige Stelle einem Antrag auf Zugang zu ihn betreffenden Informationen stattgibt, ist der oder die durch den Verwaltungsakt Begünstigte notwendig beizuladen. Die mit einem solchen Antrag begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kann nicht getroffen werden, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte der Beigeladenen verändert oder aufgehoben werden. Damit kann die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO ergehen. Durch die Beiladung wird die Sachentscheidung des Gerichts gemäß § 121 VwGO auch der Beigeladenen gegenüber wirksam (vgl. VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 - W 8 S 17.1396 - juris sowie Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, § 5 VIG Rn. 34; Schulz in PdK Bu K-6c, Juli 2018, § 5 VIG Erl. 6; a.A. VG Leipzig, B.v. 11.2.2014 - 5 L 555/13 - juris).
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Da vorliegend wesentlicher Bestandteil des Informationsbegehrens der Name der Antragstellerin ist und auch zum Teil aus den Ausführungen dieses Beschlusses des Eilverfahrens die gewünschten Informationen entnommen werden können, ist es ausnahmsweise nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten den Namen und die relevanten Betriebsinformationen zu anonymisieren. Um wiederum den Interessen der Beigeladenen und der Grundentscheidung des § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG - der die aufschiebende Wirkung bei Drittanfechtungsklagen im Bereich des Verbraucherinformationsgesetzes aussetzt - gerecht zu werden, wird der Beigeladenen ein nicht anonymisierter Beschluss des einstweiligen Rechtschutzes im vorliegenden Verfahren nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses zugeleitet. Da der Beschluss in diesem Verfahren die Beigeladene begünstigt, ist dieses Vorgehen verhältnismäßig.
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2. Der zulässige Antrag nach den §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg. Der an die Beigeladene gerichtete Bescheid ist nach der im Eilrechtschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung rechtmäßig, weshalb die vom Gericht im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin ausfällt.
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Der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
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Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin ist der Antrag dahingehend sachgerecht auszulegen (§ 88 VwGO), dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage W 8 K 19.1547 bezüglich der Nr. 1 und 2 des Bescheids vom 15. November 2019 begehrt.
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Statthaft ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, § 80 Abs. 5, VwGO i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG, da die in der Hauptsache statthafte Drittanfechtungsklage in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Vorliegend geht es um Informationen im Zusammenhang mit festgestellten nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen des LFGB und unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und c VIG.
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Die Antragstellerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Adressat des angegriffenen Bescheids ist zwar nur die Beigeladene und nicht die Antragstellerin, jedoch kann die Antragstellerin auf der Grundlage ihres Antragsvorbringens die Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG sieht nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auch den Schutz privater Belange vor. Hiernach entfällt der Anspruch auf Informationsgewährung, wenn die dort abschließend aufgezählten Belange berührt werden. Die Veröffentlichung von Informationen über bzw. im Zusammenhang mit Abweichungen eines Produkts der Antragstellerin von rechtlichen Anforderungen kann möglicherweise dazu führen, dass Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c VIG offenbart werden. Im Übrigen folgt die Antragsbefugnis eines Unternehmers wie der Antragstellerin gegen staatliche Informationstätigkeit, die sich nachteilig auf den Marktanteil oder die Chancen im Wettbewerb auswirken kann, auch aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG (BVerwG, U.v. 18.4.1985 - 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183; U.v. 18.10.1999 - 3 C 2.88 - BVerwGE 87, 37; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 134 m.w.N.).
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den an die Beigeladene adressierten Bescheid vom 15. November 2019 ist jedoch unbegründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Dabei hat das Gericht das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 80 Rn. 152; Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 89). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 90 ff.).
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Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die Klage voraussichtlich mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Es spricht vieles dafür, dass die in Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Beschlusses getroffenen Regelungen formell und materiell rechtmäßig sind und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
Der streitgegenständliche Bescheid ist in formeller und materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
25
In formeller Hinsicht ist der Bescheid rechtmäßig. Insbesondere ist eine Anhörung der Antragstellerin erfolgt. Die Behörde hat grundsätzlich vor Erteilung der Verbraucherinformationen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 VIG einen Dritten, dessen rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, nach dem BayVwVfG anzuhören.
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Auch in materieller Hinsicht ist die Informationsgewährung nicht zu beanstanden. Der Beigeladenen steht der geltend gemachte Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zu. Im Rahmen der Probenahme am 8. Februar 2019 wurden hinsichtlich des Produkts, auf welches sich die streitgegenständliche Auskunft bezieht, laut dem Gutachten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 16. Mai 2019 und laut dem Schreiben des Landratsamtes W. an die Antragstellerin vom 15. November 2019 nicht zulässige Abweichungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) festgestellt.
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Anspruchsberechtigt ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG "jeder". Die Geltendmachung eines rechtlichen Interesses ist insoweit nicht erforderlich. "Dritter" im Sinne von § 5 Abs. 1 VIG, der die Beteiligung Dritter regelt, ist entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nicht der Antragsteller im Auskunftsverfahren nach dem VIG, sondern vielmehr der betroffene Unternehmer, Hersteller oder Inverkehrbringer (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 174. EL Juli 2019, § 2 Rn. 7, § 5 Rn. 7; BeckOK, Informations- und Medienrecht / Rossi, 26. Edition, Stand: 1.5.2019, VIG § 2 Rn. 8). Im Übrigen ist vorliegend angesichts der Formulierung des Auskunftsbegehrens in der E-Mail der Beigeladenen vom 10. September 2019 ("ich bin . aufmerksam geworden, ."; "Mich würde interessieren, .") davon auszugehen, dass die Beigeladene selbst die Auskunft begehrt und nicht, wie von der Antragstellerin angenommen, als Vertreterin eines Dritten tätig wird.
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Zudem ist der Antrag hinreichend bestimmt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG. Er lässt insbesondere erkennen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Der Zusatz in der Klammer, mit der die Beigeladene ihren Verdacht, von welchem Unternehmen das Produkt vertrieben wird, zum Ausdruck bringt, steht dem nicht entgegen, sondern ist nur eine Erläuterung ihres Antrags.
29
Die Informationen, die das Landratsamt W. der Beigeladenen zur Verfügung stellen möchte, sind auch sachlich vom Informationsanspruch umfasst.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG umfasst der Anspruch auf freien Zugang alle Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen "festgestellte nicht zulässige Abweichungen" von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) und des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSiG), der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen und unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den genannten Abweichungen getroffen worden sind.
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Die streitgegenständlichen begehrten Informationen stehen im Zusammenhang mit festgestellten nicht zulässigen Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Nicht ausreichend für die Annahme von festgestellten nicht zulässigen Abweichungen ist die bloße Feststellung von naturwissenschaftlich-analytischen Abweichungen. Vielmehr bedarf es auch einer juristisch-wertenden Einordnung (Schulz in PdK, K 6 c Bund, VIG, Stand Dezember 2015, § 2 Rn. 5.1.1; BT-Drs. 17/7374 S. 14/15). Notwendig und auch ausreichend ist für das Vorliegen einer festgestellten Abweichung, dass die zuständige Behörde eine rechtliche Subsumtion der Kontrollergebnisse vornimmt (BayVGH, U. v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 47). Bereits das zugrundeliegende Gutachten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, welches der geplanten Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB zugrunde liegt, enthält nicht nur naturwissenschaftlich-analytische Feststellungen, sondern darüber hinaus auch die erforderliche juristisch-wertende Einordnung dieser Feststellungen, und zwar die Beurteilung als irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV). Eine Subsumtion wurde zudem auch im Schreiben des Landratsamtes W. vom 15. November 2019 an die Antragstellerin vorgenommen.
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Nicht erforderlich ist hingegen, dass die nicht zulässigen Abweichungen durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt sind. Nach bisher überwiegender Auffassung ist die Feststellung durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt nicht erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - LRE 74, 122; Schulz in PdK Bu K-6c, Juli 2018, § 2 VIG, Erl. 5.1.1; Rossi in BeckOK, Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 23. Edition, Stand 1.5.2019, § 2 VIG Rn. 16). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat laut Pressemitteilung (BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29.17 - juris) entschieden, dass eine nicht zulässige Abweichung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nicht durch Verwaltungsakt festgestellt werden müsse. Vor allem könnte aber ein Bestandskrafterfordernis auch dem gesetzgeberischen Anliegen einer umfassenden Information des Verbrauchers nicht gerecht werden. Denn der Informationszugang kann seinen Zweck nur erreichen, wenn er die relevanten Vorgänge auch zeitnah erfasst. Aus denselben Erwägungen ist auch eine rechtskräftige Entscheidung über die geplante Internetveröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB durch das Landratsamt W. bzw. über das Vorliegen nicht zulässiger Abweichungen nicht erforderlich.
33
Der Name des Unternehmens, welches das betroffene Produkt, hinsichtlich dessen nicht zulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Anforderungen festgestellt wurden, vertreibt, ist Gegenstand des Informationsanspruchs nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG und von diesem umfasst. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Produkt identifizierbar sein muss und zum anderen aus einem Umkehrschluss aus § 3 Satz 6 VIG, der Regelungen zur Anwendbarkeit von Ausschlussgründen bezüglich der Information u.a. über den Händler- bzw. Herstellernamen trifft.
34
Ferner umfasst der Auskunftsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG auch Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a bis c genannten Abweichungen getroffen worden sind, also auch judikative Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse, anhängige Verfahren) und verwaltungsrechtliche Maßnahmen (Zipfel/Rathke, a.a.O., § 2 Rn. 20). Folglich muss sich der Auskunftstatbestand auch auf die Information beziehen, ob gegen die von einer Behörde getroffene Maßnahme (hier die geplante Internetveröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB) gerichtlich vorgegangen wird.
35
Dagegen ist die Information, wann mit einer Entscheidung über die Beschwerde zu rechnen ist, dem Landratsamt W. nicht bekannt. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VIG ist die informationspflichtige Stelle nicht dazu verpflichtet, Informationen, die bei ihr nicht vorhanden sind, zu beschaffen. Die beabsichtigte Information der Beigeladenen, wie in der Anhörung durch das Landratsamt W. benannt, entspricht dieser Regelung gerade. Es kann insoweit keinen Unterschied machen, ob die Behörde ausdrücklich mitteilt, dass ihr die gewünschte Information nicht bekannt ist, oder insoweit überhaupt keine Auskunft erteilt.
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Dem Informationsanspruch stehen auch keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 3 VIG entgegen, insbesondere nicht § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b oder Nr. 2 VIG. So greift § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b VIG nach dessen letzten Halbsatz nicht - wie hier - bei Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Auch ein Ausschlussgrund nach § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG, insbesondere nach Buchst. b), ist nicht gegeben. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse liegen dann vor, wenn Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers sowie dessen berechtigten wirtschaftlichen Interessen geheim gehalten werden sollen (Zilkens, NVwZ 2009, 1465 - 1469; Schulz in PdK, K 6 c Bund, VIG, Stand Dezember 2015, § 3 Rn. 5.1.3). Einer Abwägung der privaten Belange mit den öffentlichen Interessen, die grundsätzlich nach § 3 Satz 2 Alt. 2 VIG vorzunehmen ist, bedarf es im Falle von festgestellten nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c VIG indes nicht. § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c VIG bestimmt ausdrücklich, dass sich der von dem Informationsgesuch Betroffene nicht auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis berufen kann, wenn wie im vorliegenden Fall die beantragten Informationen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder Europäischen Union im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches - hier die VO (EG) Nr. 852/2004 (siehe oben) - betreffen. In Bezug auf die Informationen im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG tritt der Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse von Gesetzes wegen hinter dem Informationsinteresse des Antragstellers zurück. Nach § 3 Satz 6 VIG gilt Gleiches u.a. für den Namen des Händlers, der das Erzeugnis oder Verbraucherprodukt an Verbraucher abgibt, und in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zusätzlich für den Namen und die Anschrift u.a. des Herstellers.
37
Gründe, die im Rahmen der vom Gericht eigenständig zu treffenden Abwägungsentscheidung bezüglich der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage dafür sprächen, trotz voraussichtlicher Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids dem Aussetzungsinteresse den Vorzug zu geben, sind nicht erkennbar. Zu berücksichtigen ist bei dieser Abwägung insbesondere die gesetzgeberische Grundentscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG (Kopp/ Schenke VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 152, 152a). Aus dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist zu entnehmen, dass grundsätzlich dem Interesse der Verbraucherinformation der Vorrang gegenüber den privaten Belangen der betroffenen Unternehmen zukommt. Andernfalls könnte eine zeitnahe, die Entscheidung von Verbrauchern beeinflussbare, Informationsoffenbarung in den überwiegenden Fällen durch die Einlegung von Rechtsbehelfen derart verzögert werden, dass durch Zeitablauf die begehrten Informationen erheblich an Bedeutung verlieren würden. Dies widerspräche dem Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes, weitgehend verbraucherfreundliche Regelungen zu treffen. Zudem erachtet der Gesetzgeber gemäß § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse bei Informationen über festgestellte nicht zulässige Abweichungen als grundsätzlich nicht schutzwürdig (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 16). Besondere Umstände des Einzelfalls, die ausnahmsweise das Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin begründen könnten, sind weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Dem vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zitierten Beschluss des VG Regensburg vom 15. März 2019 (RN 5 S 19.189) liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, insbesondere wurden dort die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen bewertet.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten mangels Antragsstellung gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
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4. Die Streitwertfestsetzung resultiert aus § 52 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mangels konkreter Anhaltspunkte geht das Gericht im vorliegenden Fall im Hauptsacheverfahren vom Regelstreitwert aus, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.