Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Beschluss v. 25.11.2019 – BayAGH III – 4 – 9/19
Titel:

Eintragung eines vorläufigen Berufsverbots in das Anwaltsverzeichnis

Normenketten:
BRAO § 31 Abs. 3 Nr. 7, § 150 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 157
GG Art. 12
VwGO § 123 Abs. 1
Leitsatz:
Auch ein vorläufiges Berufsverbot nach § 150 Abs. 1 BRAO ist nach seiner Verkündung und unabhängig von der Einlegung eines Rechtsbehelfs in das Verzeichnis der Rechtsanwaltskammern und in das Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer einzutragen. (Rn. 12 und 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht, Anwaltsverzeichnis, Eintragung, vorläufiges Berufsverbot, Berufsverbot, einstweilige Anordnung, Anspruch auf Löschung Eintragung
Fundstellen:
BRAK-Mitt 2020, 38
BeckRS 2019, 35051
LSK 2019, 35051
NJW-RR 2020, 382

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf € 5.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag vom 17. Oktober 2019 dagegen, dass das von dem Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Nürnberg hinsichtlich seiner Person am 10. Oktober 2019 beschlossene vorläufige Berufsverbot (§ 150 Abs. 1 BRAO) von der Antragsgegnerin in das Anwaltsverzeichnis eingetragen wurde.
2
Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 vergeblich aufgefordert, die beanstandeten Einträge zu löschen.
3
Er vertritt die Auffassung, die Eintragung des vorläufigen Berufsverbots in das Anwaltsverzeichnis sei unzulässig, verletze den Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes und den Antragsteller in seinem Recht auf Beratung und Vertretung gemäß § 3 BRAO iVm Art. 12 GG. Durch die Eintragung nehme die Antragsgegnerin negativ Einfluss auf Leumund und Reputation des Antragstellers und seiner Kanzlei. Denn mit einem Berufsverbot würden in der allgemeinen Wahrnehmung Annahmen über straf- oder berufsrechtliche Verfehlungen des Betroffenen ausgelöst.
4
Eine Rechtsgrundlage für die Eintragung bestehe nicht, vielmehr regele § 31 Abs. 3 BRAO ohne Einräumung eines Ermessens abschließend, welche Sachverhalte in die Verzeichnisse einzutragen sind. Ein nicht rechtskräftiges, vorläufiges Berufsverbot erfülle insbesondere nicht die in § 31 Abs. 3 Ziffer 7 BRAO statuierten Voraussetzungen und sei deshalb nicht einzutragen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers sei zu respektieren, eine Auslegung gegen den Wortlaut nicht möglich. Eine Beeinträchtigung des Verbraucherschutzes ergebe sich hieraus nicht, da die Beachtung des vorläufigen Berufsverbots durch § 156 BRAO sichergestellt sei. Hinzu komme, dass der Antragsteller gegen den Beschluss vom 10. Oktober 2019 am 17. Oktober 2019 sofortige Beschwerde eingelegt habe.
5
Im Übrigen sei die Entscheidung des Anwaltsgerichts, auf der die Eintragung beruhe, nicht begründet, der der Entscheidung zugrunde liegende dortige Verhandlungstermin trotz anderweitiger anwaltlicher Verpflichtungen nicht verlegt worden; bereits aus diesen Gründen sei es unverhältnismäßig, die Eintragung vorzunehmen.
6
Der Antragsteller beantragt,
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, im Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer Nürnberg als Teil des von der Bundesrechtsanwaltskammer zu führenden Gesamtverzeichnisses die Eintragungen beim Antragsteller
„Berufsverbote: Berufsverbot ab 10.10.2019; vorläufiges Berufsverbot § 150 Abs. 1 BRAO“ und
„Vertretungsverbote: Vorläufiges Berufsverbot gemäß § 150 Abs. 1 BRAO seit 10.10.2019“
einstweilen zu löschen, bis über den Hauptsacherechtsbehelf gegen die Eintragung, hilfsweise bis zu einer Entscheidung über ein Berufsverbot zum Nachteil des Antragstellers rechtskräftig entschieden wurde.
7
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Verfügungsantrag des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin macht geltend, dass - wie geschehen - mit Entfaltung seiner Wirkung auch ein vorläufiges Berufsverbot in dem Verzeichnis der Rechtsanwaltskammern und in dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer zu veröffentlichen sei, selbst wenn es noch nicht rechtskräftig ist. Denn ein vorläufiges Berufsverbot werde mit Verkündung - auch in Abwesenheit des Betroffenen - wirksam, § 155 Abs. 1 BRAO. Damit handele es sich um ein gemäß § 31 Abs. 3 Nr. 7 BRAO einzutragendes bestehendes Berufsverbot.
8
Entgegen der Darstellung des Antragstellers sei der Beschluss des Anwaltsgerichts Nürnberg vom 10. Oktober 2019, mit dem das vorläufige Berufsverbot verhängt worden sei, begründet worden (AG 1). Die Zustellung an die Antragsgegnerin sei am 17. Oktober 2019 erfolgt.
9
Im Übrigen sei die Zulassung des Antragstellers wegen Vermögensverfalls mit Bescheid vom 15. Oktober 2019, dem Antragsteller zugestellt am 21. Oktober 2019, mit Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen worden (AG 5). Bereits am 9. Dezember 2017 sei ebenfalls der Widerruf der Zulassung des Antragstellers wegen Vermögensverfalls erfolgt. Deshalb sei selbst dann, wenn hinsichtlich der Eintragung eine Abwägung vorzunehmen gewesen wäre, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet worden.
10
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
11
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO iVm § 123 Abs. 1 VwGO zulässig, er ist allerdings nicht begründet.
12
Ein Anordnungsanspruch besteht nicht, da der Antragsteller keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Löschung der Eintragung hat. Vielmehr war die Antragsgegnerin gemäß § 31 Abs. 3 Nr. 7 BRAO verpflichtet, das gegen den Antragsteller verhängte vorläufige Berufsverbot in das fragliche Verzeichnis aufzunehmen.
13
Die Ansicht des Antragstellers, dass § 31 Abs. 3 Nr. 7 BRAO, wonach „bestehende Berufs-, Berufungsausübungs- und Vertretungsverbote sowie bestehende, sofort vollziehbare Rücknahmen und Widerrufe der Zulassung“ zwingend in die Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern und das Gesamtverzeichnis einzutragen sind, vorläufige Vertretungsverbote gemäß § 150 BRAO nicht erfassten, trifft nicht zu.
14
Vielmehr ist auch ein vorläufiges Berufsverbot nach seiner Verkündung und unabhängig von der Einlegung eines Rechtsbehelfs (§ 155 Abs. 1 BRAO, § 157 BRAO) ein wirksames (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, § 31 Rn. 38) und damit ein „bestehendes“ Berufsverbot im Gegensatz zu einem „nicht (mehr) bestehenden“ Berufsverbot, das allein nicht eingetragen sein darf. Die Argumentation des Antragstellers, dass der Wortlaut der Bestimmung der Eintragung auch eines vorläufigen Berufsverbots entgegenstehe, teilt der Senat deshalb nicht (ebenso Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 31 BRAO Rn. 68).
15
Als bestehendes Berufsverbot war das vorliegend verhängte vorläufige Berufsverbot nach ganz herrschender Meinung in die Verzeichnisse einzutragen (Henssler/Prütting, BRAO, § 31 Rn. 14; . Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 31 BRAO Rn. 68; Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Auflage 2016, § 31 Rn. 38 mwN).
16
Soweit der Antragsteller sich auf eine vermeintlich anderslautende Kommentierung bei Feuerich/Weyland (AS 10) stützt, legt er schon nicht die gesamte Bearbeitung der fraglichen Vorschrift vor, sondern nur die Randnummern 38b bis 41. Hieraus ergibt sich zwar, dass der Bearbeiter in dieser Passage die Ansicht vertritt, dass § 31 Abs. 3 Nr. 7 BRAO die Eintragung eines vorläufigen Berufsverbots gemäß § 150 BRAO nicht umfasse. Allerdings begründet er diese Ansicht damit, dass die vorläufigen Berufsverbote andernfalls in den Gesetzesmaterialien genannt worden wären, übergeht insoweit aber, dass dies tatsächlich der Fall ist (vgl. BT-Drs. 16/11385, S. 35 und BT-Drs. 18/9521, S. 106) Hinzu kommt, dass der Bearbeiter Weyland in der Randnummer 38 dieser Kommentierung mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien ausdrücklich feststellt: „Ein vorläufiges Berufs- und Vertretungsverbot, das sofortige Wirkung entfaltet, ist dagegen zum Schutz der Rechtsuchenden mit dem Eintritt seiner Wirkung zu veröffentlichen“ (Hervorhebung in der Fundstelle; Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Auflage 2016, § 31 Rn. 38).
III.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG.
18
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 112c Abs. 1 Satz 1, 2 BRAO.