Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 08.02.2019 – 1 Ws 165/18
Titel:

Notwendigkeit eines vorhergehenden Eröffnungsbeschlusses im selbständigen Einziehungsverfahren

Normenkette:
StPO § 203, § 434 Abs. 2, § 435 Abs. 3, § 436 Abs. 2
Leitsatz:
Die im selbständigen Einziehungsverfahren nach §§ 435 II, 203 StPO erforderliche Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens muss der Entscheidung über die Einziehung zeitlich vorausgehen.
Schlagworte:
Einziehung, Einziehungsanordnung, selbständig, Tatertrag, Einziehungsbeteiligung, Einziehungsadressat, Staatsanwaltschaft, Antragsschrift, Beschwerde, sofortige, Verfahrenshindernis, Einstellung, Eröffnung, Eröffnungsbeschluss, Nachholung, Zum Sachverhalt:, Selbständiges Einziehungsverfahren
Fundstellen:
BeckRS 2019, 3403
StV 2020, 736
LSK 2019, 3403

Tatbestand

1
Mit Antragsschrift vom 23.01.2018 beantragte die StA gegenüber dem LG die selbstständige Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Einziehungsbeteiligte in Höhe von 233.050,00 Euro. Mit Beschluss vom 01.03.2018 ordnete das LG gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 127.245,10 Euro an. Gegen diese Entscheidung wenden sich sowohl die StA als auch die Einziehungsbeteiligte mit ihren sofortigen Beschwerden. Die Rechtsmittel führten zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Einstellung des Verfahrens.

Gründe

2
Die nach den §§ 436 II, 434 II StPO statthaften und jeweils zulässig erhobenen sofortigen Beschwerden der StA und der Einziehungsbeteiligten führen zur Einstellung des Verfahrens. Das Verfahren ist einzustellen, da es an einem unbehebbaren Verfahrenshindernis leidet. Das LG hat entgegen §§ 435 III, 203 StPO vor Erlass seines Beschlusses nicht über die Eröffnung des Verfahrens entschieden. Ein Fall der Nichtausführbarkeit der Entscheidung lag nicht vor, da keine unüberwindbaren faktischen Barrieren der Durchführung des Verfahrens entgegenstanden, insbesondere die Einziehungsadressatin weder flüchtig noch unbekannten Aufenthalts war (Müko-Scheinfeld/Langlitz StPO § 435 Rn. 28; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler StPO 61. Aufl. § 435 Rn. 16).
3
Die Eröffnung des Verfahrens nach § 203 StPO erfordert eine eindeutige Willenserklärung des Gerichts hinsichtlich der nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen beschlossenen Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 04.08.2016 - 4 StR 230/16 = NStZ 2016, 747 = NStZ-RR 2017, 86). Für das selbstständige Einziehungsverfahren gilt insoweit das gleiche (Müko-Scheinfeld/Langlitz Rn. 27). Zwar kann der Eröffnungsbeschluss in der Hauptverhandlung bis zum Erlass der Erstentscheidung nachgeholt und sodann zur Sache verhandelt werden (BGHSt 29, 224; Meyer-Goßner/Schmitt § 203 Rn. 4 m.w.N.), eine Nachholung im Berufungsverfahren ist jedoch ausgeschlossen (vgl. BGHSt 33, 167; OLG Bamberg, Beschluss vom 16.06.2016 - 3 OLG 8 Ss 54/16 = wistra 2017, 80; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.), obwohl dieses noch einmal eine komplette Tatsacheninstanz eröffnet. Für das Beschwerdeverfahren kann nichts anderes gelten. Zwar kann die Entscheidung über die Zulassung der Antragsschrift zur Hauptverhandlung auch in konkludenter Form ergehen (vgl. BGH Beschluss vom 04.08.2016 a.a.O.), dies ist jedoch nicht erfolgt. Die Strafkammer ist erstmals mit ihrem Beschluss vom 01.03.2018 in ihrer vollen Besetzung tätig geworden. Auch in dem Beschluss als solchem kann die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens nicht liegen, da die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens der Entscheidung in der Sache, wie oben dargelegt, vorauszugehen hat und nicht mit dieser zusammenfallen darf.
4
Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein in diesem Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hat (BGH, Beschluss vom 04.08.2016 a.a.O. m.w.N.). […]