Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 20.11.2019 – Vf. 2-VI-19
Titel:

Verfassungsbeschwerde gegen zivilgerichtliche Berufungsentscheidung wegen eines Gehörsverstoßes erfolgreich

Normenketten:
ZPO § 139
BV Art. 91 Abs. 1
Leitsätze:
Aufhebung eines zivilgerichtlichen Berufungsurteils wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV).
1. Der Richter, der bei der Beurteilung einer Frage, die Fachwissen voraussetzt, eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelmäßig darf ein Berufungsbeklagter darauf vertrauen, dass ihm das Berufungsgericht, wenn es in der Beweiswürdigung dem Erstrichter nicht folgen will, einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilt (Anschluss an BVerfG BeckRS 2017, 121694). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
rechtliches Gehör, Fachwissen, Sachkenntnis, abweichende Beweiswürdigung, Hinweis
Vorinstanz:
OLG Bamberg, Urteil vom 08.11.2018 – 1 U 99/18
Fundstelle:
BeckRS 2019, 33921

Tenor

1. Das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. November 2018 Az. 1 U 99/18 verstößt gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV). Es wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.
2. Den Beschwerdeführern sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. November 2018 Az. 1 U 99/18, mit dem die Klage der Beschwerdeführer auf hinreichende Befestigung einer Geländeauffüllung an ihrer Grundstücksgrenze auf die Berufung der Gegenseite hin abgewiesen wurde.
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1. Die Beschwerdeführer nahmen im Ausgangsverfahren ihre Grundstücksnachbarn in Anspruch, eine an der Grenze zu ihrem Grundstück vorgenommene Geländeauffüllung und die darauf errichteten Winkelsteine so einzurichten, dass diese zu ihrem Grundstück hin ausreichend befestigt und für sich allein standsicher sind.
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Die Beschwerdeführer errichteten ein Wohnhaus auf ihrem Grundstück. Dabei wurden im östlichen Bereich der Grenze zum Grundstück der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) L-Steine aufgestellt, dahinter das Gelände aufgefüllt und als Zufahrt zur Garage des Anwesens der Beschwerdeführer befestigt. Etwas später errichteten die Beklagten auf ihrem Grundstück ein Wohnhaus. Sie setzten im östlichen Bereich der Grundstücksgrenze ebenfalls L-Steine und füllten dahinter das Gelände als Zufahrt zu ihrer Garage auf. Die Beschwerdeführer behaupteten im Ausgangsverfahren, dass die Grenzbefestigung der Beklagten nicht für sich allein standsicher im Sinn von Art. 10 Satz 1 BayBO sei. Es sei daher zu befürchten, dass bei künftigen Erdarbeiten auf dem Grundstück der Beschwerdeführer Abstützungsmaßnahmen notwendig würden. Die Beschwerdeführer beriefen sich auf ein Sachverständigengutachten, das im Rahmen eines von ihnen gegen die Beklagten betriebenen selbständigen Beweisverfahrens erstattet worden war.
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2. Das Landgericht Schweinfurt gab der Klage der Beschwerdeführer mit Endurteil vom 18. April 2018 statt. Zur Begründung führte es aus, dass den Beschwerdeführern ein Anspruch gegen die Beklagten aus § 1004 Abs. 1, § 907 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB, Art. 10 BayBO zustehe. Die Grenzbefestigung der Beklagten sei nach den Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren zumindest auf einer Länge von 1,6 m für sich allein nicht ausreichend standsicher. Wenn von der Grundstücksseite der Beschwerdeführer aus Aufgrabungen erfolgen müssten, sei die Standsicherheit auf der gesamten Länge von 4,7 m nicht gegeben. Der Anspruch der Beschwerdeführer gegen die Beklagten bestehe unabhängig davon, dass im gegenwärtigen Zustand keine negativen Folgen für das Grundstück der Beschwerdeführer zu erwarten seien. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen seien für den Fall, dass die Beschwerdeführer Aufgrabungen im östlichen Bereich ihres Grundstücks vornehmen müssten, Absicherungsmaßnahmen und deren Überprüfung durch einen Fachmann erforderlich. Dies bedeute einen Mehraufwand, den die Beschwerdeführer nicht hinnehmen müssten.
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Die Beklagten legten Berufung beim Oberlandesgericht Bamberg ein. Mit Urteil vom 8. November 2018 änderte das Oberlandesgericht das Endurteil des Landgerichts ab und wies die Klage der Beschwerdeführer - soweit für die Verfassungsbeschwerde relevant - ab. In den Urteilsgründen führte es aus, dass die Voraussetzungen für einen Abwehranspruch der Beschwerdeführer aus § 907 Abs. 1
BGB nicht vorlägen. Nach der derzeit bestehenden baulichen Situation sei nicht mit Sicherheit vorauszusehen, dass die Grenzbefestigung der Beklagten eine unzulässige Einwirkung auf das Grundstück der Beschwerdeführer zur Folge habe, weil nach den Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren die Grenzbefestigungen der Beschwerdeführer und der Beklagten zusammen standsicher seien. Der Beschwerdeführer zu 1 habe bei seiner Anhörung durch den Senat angegeben, dass derzeit keine Pläne bestünden, an der bestehenden Situation etwas zu ändern. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass im Einfahrtsbereich zur Garage Versorgungsleitungen verlegt seien und bei Reparaturarbeiten an den Leitungen eine Beeinträchtigung der Grenzbefestigung drohe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn die Versorgungsleitungen seien weder unmittelbar neben den senkrechten Teilen der L-Steine verlegt noch in deren Sockelbereich, sondern allenfalls in einiger Entfernung zu den L-Steinen. Dies ergebe sich aus den von den Beschwerdeführern zur Akte gereichten Lichtbildern.
Auch ein im Zuge von Arbeiten an den Versorgungsleitungen notwendiger Erdaushub könne nicht zu einer Beeinträchtigung der Standsicherheit der Grenzbefestigung der Beschwerdeführer führen.
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3. Gegen das Urteil erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26. November 2018 Anhörungsrüge. Sie machten u. a. geltend, dass das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung Feststellungen zur Lage der Versorgungsleitungen in ihrem Grundstück getroffen habe, zu denen sie sich vorher nicht hätten äußern können. Die Feststellungen seien unrichtig. Aus den Lichtbildern ergebe sich kein Anhaltspunkt für die Lage der Versorgungsleitungen. Bei einem Hinweis des Oberlandesgerichts hätten die Beschwerdeführer zur tatsächlichen Lage der Versorgungsleitungen, die im Bereich des Fußes der L-Steine verlegt seien, vorgetragen und Sachverständigenbeweis angeboten.
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Auch zu den Feststellungen des Oberlandesgerichts, dass Erdarbeiten an den Versorgungsleitungen keine Auswirkungen auf die Standsicherheit der Grenzbefestigung hätten, seien die Beschwerdeführer nicht gehört worden. Die Feststellungen widersprächen den Ausführungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren.
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Mit Beschluss vom 4. Januar 2019 wies das Oberlandesgericht Bamberg die Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Die Frage, ob Erdarbeiten an den Versorgungsleitungen notwendig würden, die die Standsicherheit der Grenzbefestigung beeinträchtigen könnten, sei in der mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2018 mit den Beschwerdeführern, die dazu Stellung genommen hätten, erörtert worden. Der Senat habe sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer in seinem Urteil auseinandergesetzt.
II.
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1. Mit der am 7. Januar 2019 eingegangenen Verfassungsbeschwerde vom 4. Januar 2019 rügen die Beschwerdeführer Verletzungen der Art. 103 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1, Art. 101, 91 Abs. 1 BV.
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Nach dem Inhalt des Urteils des Oberlandesgerichts Bamberg genieße das Eigentum der Beschwerdeführer an ihrem Grundstück erst dann Schutz, wenn es durch eine konkrete Maßnahme beeinträchtigt werde. Dies sei fehlerhaft und verletze die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf Eigentum. Tatsächlich liege die Beeinträchtigung des Eigentums der Beschwerdeführer bereits darin, dass die Beklagten ihre bauliche Anlage nicht so errichtet hätten, dass sie für sich allein standsicher sei, und somit gegen Art. 10 Satz 1 BayBO verstoßen hätten.
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Das Urteil des Oberlandesgerichts weiche von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab und sei willkürlich. Das Oberlandesgericht würdige insbesondere das im selbständigen Beweisverfahren erstattete Sachverständigengutachten falsch. Die Feststellungen zur Lage der Versorgungsleitungen im Grundstück der Beschwerdeführer seien willkürlich und ohne sachverständige Beratung erfolgt.
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Das Urteil des Oberlandesgerichts schränke die Handlungsfreiheit der Beschwerdeführer unzumutbar ein, weil sie danach erst selbst Erdarbeiten vornehmen müssten, um Rechtsschutz gegen die bauordnungswidrig errichtete Grenzbefestigung der Beklagten erlangen zu können.
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Das Oberlandesgericht habe das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer verletzt, weil es zu für seine Urteilsfindung entscheidenden Punkten den Beschwerdeführern kein Gehör gewährt habe; insofern werde auf den Inhalt der Anhörungsrüge vom 26. November 2018 verwiesen, die der Verfassungsbeschwerde als Anlage beigefügt war.
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Die Verfassungsbeschwerde wurde durch weitere Schriftsätze ergänzt.
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2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde abgesehen.
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3. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie halten die von den Beschwerdeführern im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobenen Rügen für nicht durchgreifend.
III.
17
Soweit mit der Verfassungsbeschwerde ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 BV (Recht auf rechtliches Gehör) durch das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. November 2018 geltend gemacht wird, ist sie zulässig. Ob die weiteren Grundrechtsrügen zulässig sind, kann dahinstehen, da die Verfassungsbeschwerde bereits im Hinblick auf Art. 91 Abs. 1 BV Erfolg hat (vgl. unten IV.). IV.
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Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Sie hat mit der Rüge eines Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) Erfolg.
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1. Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen. Ist die angefochtene Entscheidung unter Anwendung von Bundesrecht ergangen, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat (Art. 118 Abs. 1 BV). In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie z. B. der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.1.1990 VerfGHE 43, 12/17 f.; vom 8.2.2019 - Vf. 67-VI-17 - juris Rn. 17; vom 15.7.2019 - Vf. 76-VI-17 - juris Rn. 40).
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2. Unter Beachtung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Verfassungsbeschwerde begründet, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 91 Abs. 1 BV rügen. Auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführer kommt es damit nicht mehr an (vgl. VerfGH vom 15.7.2017 - Vf. 76-VI-17 - juris Rn. 41).
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a) Das Grundrecht auf rechtliches Gehör untersagt den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.10.1993 VerfGHE 46, 293/296; vom 6.4.2001 VerfGHE 54, 29/31; vom 15.7.2019 - Vf. 76-VI-17 - juris Rn. 42). Ein solcher Fall liegt vor, wenn das Gericht einen vor seiner Entscheidung überhaupt nicht erörterten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und dadurch dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Parteien nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen konnten (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 2.4.2015 VerfGHE 68, 65 Rn. 73; vom 24.5.2019 - Vf. 23-VI-17 - juris Rn. 33).
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b) Nach diesem Maßstab liegt eine Gehörsverletzung des Oberlandesgerichts Bamberg vor.
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aa) Das Oberlandesgericht hat einen Anspruch der Beschwerdeführer aus § 1004 Abs. 1, § 907 Abs. 1 BGB mit der Begründung verneint, es sei gegenwärtig nicht mit Sicherheit vorauszusehen, dass der Bestand oder die Benutzung der Grenzbefestigung der Beklagten eine unzulässige Einwirkung auf das Grundstück der Beschwerdeführer zur Folge habe. Das Oberlandesgericht hat dabei aus seiner maßgeblichen rechtlichen Sicht tragend u. a. darauf abgestellt, dass auch eventuelle Erdarbeiten im Zusammenhang mit Reparaturen an den Versorgungsleitungen auf dem Grundstück der Beschwerdeführer eine unzulässige Einwirkung auf deren Grundstück nicht befürchten ließen. Die Versorgungsleitungen seien so weit von der Grenzbefestigung entfernt verlegt worden, dass eventuelle Arbeiten an ihnen keine Auswirkungen auf die Standfestigkeit der Grenzbefestigung hätten. Das Oberlandesgericht hat die Lage der Versorgungsleitungen im Grundstück der Beschwerdeführer dabei in eigener Sachkunde aus den von den Beschwerdeführern zur Akte gereichten Lichtbildern entnommen, ohne die Beschwerdeführer vorher darauf hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zu geben, zur Lage der Versorgungsleitungen in ihrem Grundstück vorzutragen und Beweis anzutreten. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2018 ergibt sich nicht, dass die Beschwerdeführer zur Lage der Leitungen und den Lichtbildern, aus denen das Oberlandesgericht diese entnommen hat, angehört worden sind. Dies stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, weil der Richter, der bei der Beurteilung einer Frage, die Fachwissen voraussetzt, eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss (vgl. BGH vom 9.4.2019 MDR 2019, 1083 Rn. 9).
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Es kommt hinzu, dass das Landgericht Schweinfurt ohne weitere Einschränkungen davon ausgegangen ist, dass bei Aufgrabungen auf dem Grundstück der Beschwerdeführer wegen der nicht allein standsicheren Grenzbefestigung der Beklagten Absicherungsmaßnahmen erforderlich seien bzw. ein Fachmann zugezogen werden müsse. Das Landgericht hat sich insoweit auf die Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren gestützt. Das Oberlandesgericht geht ohne Anhörung des Sachverständigen vom Gegenteil aus, ohne die Beschwerdeführer vorher darauf hingewiesen zu haben. Damit hat es dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben, mit der die Beschwerdeführer nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen konnten. Denn regelmäßig darf ein Berufungsbeklagter darauf vertrauen, dass ihm das Berufungsgericht, wenn es in der Beweiswürdigung dem Erstrichter nicht folgen will, einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilt (BVerfG vom 1.8.2017 NJW 2017, 3218 Rn. 52).
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bb) Durch die Ausführungen im Beschluss vom 4. Januar 2019 über die Anhörungsrüge hat das Oberlandesgericht die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör nicht geheilt. Der Beschluss geht auf die Ausführungen der Anhörungsrüge zur tatsächlichen Lage der Versorgungsleitungen im Grundstück der Beschwerdeführer und das diesbezügliche Beweisangebot nicht ein. Es ist aus dem Beschluss auch nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 4. Oktober 2018 nach der Lage der Versorgungsleitungen in ihrem Grundstück gefragt worden wären, ohne dass dies im Protokoll festgehalten worden ist.
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c) Das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg beruht auf dem Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 BV. Die Frage, wo die Versorgungsleitungen im Grundstück der Beschwerdeführer liegen, und ob und inwieweit bei Arbeiten an diesen die Grenzbefestigung betroffen ist bzw. Abstützungsmaßnahmen erforderlich sind, ist nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts sowohl für die Frage des Bestehens eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1, § 907 Abs. 1 BGB als auch eines (quasinegatorischen) Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB, Art. 10 Satz 1 BayBO, der weniger strengen Anforderungen unterliegt als § 907 Abs. 1 BGB (vgl. Brückner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 907 Rn. 2), von entscheidungserheblicher Bedeutung. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht eine für die Beschwerdeführer günstigere Entscheidung getroffen hätte, wenn es ihnen Gelegenheit gegeben hätte, sich zu äußern und Beweis anzutreten. So haben die Beschwerdeführer in der Anhörungsrüge vorgetragen, „[t]atsächlich [lägen] die weiteren Versorgungsleitungen und hier insbesondere die Elektroleitungen deutlich näher an der Winkelstützwand als die Abwasserleitung, nämlich im Bereich des Fußes der Winkelstützen“. Hinzu komme, „dass die Abwasserleitung eine Abzweigung für die Dachentwässerung aufweist, was im Falle von Arbeiten an den Leitungen eine größere Baugrube erforderlich macht“. Die zu erwartenden Schäden beim Freilegen der Winkelstützen seien im Sachverständigengutachten beschrieben.
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3. Durch die Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. November 2018 wird dessen Beschluss vom 4. Januar 2019, mit dem es die Gehörsrüge der Beschwerdeführer zurückgewiesen hat, gegenstandslos (VerfGH vom 14.7.2014 VerfGHE 67, 175 Rn. 26; vom 16.11.2017 - Vf. 1-VI-17 - juris Rn. 26; vom 12.6.2019 - Vf. 26-VI-19 - juris Rn. 25).
IV.
28
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Den Beschwerdeführern sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 VfGHG).