Inhalt

SG Würzburg, Urteil v. 26.11.2019 – S 11 KR 418/19
Titel:

Beitragspflicht aus einer Halbwaisenrente

Normenketten:
SGB V § 226
SGB V § 250 Abs. 1 Nr. 1
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1
SGB XI § 20, § 57 Abs. 1
GG Art. 3
Leitsätze:
1. Versorgungsbezüge aus einer Halbwaisenrente sind auch in der Zeit zu verbeitragen in der ein Versicherter ein FSJ absolviert. Die entsprechenden Beiträge hat der Versicherte alleine zu tragen. (Rn. 15)
2. Eine Ungleichbehandlung zu anderen FSJ-Teilnehmern durch die Verbeitragung liegt von Versorgungsbezügen liegt nicht vor. (Rn. 15)
Schlagworte:
Halbwaisenrente, freiwilliges soziales Jahr, Beitragspflicht, gesetzliche Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Ungleichbehandlung
Fundstelle:
BeckRS 2019, 30001

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Beitragspflicht von Bezügen der bayerischen Ärzteversorgung (Halbwaisenversorgung).
2
Die 2000 geborene Klägerin war seit ihrer Geburt stets in der privaten Krankenversicherung versichert. Aufgrund des Todes ihres Vaters im Jahr 2009 erhält sie Versorgungsbezüge von der Bayerischen Ärzteversorgung (Halbwaisenversorgung) in Höhe von zuletzt 417,19 € monatlich bzw. ab 01.01.2019 in Höhe von 423,45 €.
3
In der Zeit vom 01.09.2018 bis 30.06.2019 leistete die Klägerin ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) ab. Dafür erhielt die Klägerin 155,- €.
4
Mit Bescheid vom 02.04.2019 setzte die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (GKV) für die Versorgungsbezüge rückwirkend ab 01.09.2018 in Höhe von insgesamt 76,14 € bzw. 79,40 € ab 01.01.2019 monatlich fest.
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Den deswegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2019 als unbegründet zurück. Personen, die sich im Jugendfreiwilligendienst engagierten, unterlägen der Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 SGB XI. Das FSJ stehe einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gleich. Die Versicherungspflicht bestehe auch dann, wenn die Beschäftigung geringfügig sei (§ 7 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 und 3 SGB V). Die Versicherungspflicht in der GKV erfasse grundsätzlich auch Personen, die vor Ausübung des FSJ privat krankenversichert gewesen seien. Die Beiträge, die aufgrund der Versicherungspflicht in der GKV im Rahmen des FSJ zu leisten seien, würden allein von dem Träger des FSJ getragen (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV). Die Personen, die sich im FSJ engagierten, erhielten also den gleichen Versicherungsschutz in der GKV die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ohne dafür eigene Beiträge zu leisten. Dies betreffe allerdings nur für das Entgelt im Rahmen des FSJ zu. Die darüber hinaus von der Bayerischen Versorgungskammer gezahlten Versorgungsbezüge seien gemäß § 226 Abs. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI zu verbeitragen. Die Beiträge habe die Klägerin allein zu tragen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).
6
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es entstehe eine Ungleichbehandlung von Nichtwaisen zu Halb- bzw. Vollwaisen, wenn sie als Halbwaise zusätzlich Beiträge aus der Halbwaisenrente an die GKV entrichten müsse. Die Versorgungsbezüge dienten der Absicherung des Lebensunterhaltes. Es sei eine nicht zu billigende Ungleichheit gegenüber anderen Teilnehmern eines FSJ festzustellen, die beide Elternteile zur Sicherung des Unterhaltes hätten. Es sei nicht zu akzeptieren, wenn sie sich ehrenamtlich freiwillig sozial engagierte und dafür im Gegensatz zu anderen Teilnehmern Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müsse.
7
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 02.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2019 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist auf die Ausführungen angefochtenen Widerspruchsbescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
Die Klage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Der Bescheid vom 02.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf den Versorgungsbezug der Bayerischen Ärzteversorgung (Halbwaisenversorgung) bei gleichzeitigem Ableisten eines FSJ im Zeitraum 01.09.2018 bis 30.06.2019 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
12
1. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung im Widerspruchbescheid der Beklagten vom 08.07.2019, macht sich diese zu eigen und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung in den Gründen ab (§ 136 Abs. 3 SGG). Nur ergänzend weist das Gericht auf das Folgende hin:
13
Sofern die Klägerin eine Ungleichbehandlung mit anderen Teilnehmern des FSJ geltend macht, vermag die Kammer diese Auffassung nicht zu teilen. Jedenfalls lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 SGG nicht feststellen.
14
a. Die im Rahmen eines FSJ erzielten Entgelte (Taschengeld) sind für alle Teilnehmer zu verbeitragen. Nach der geltenden Gesetzeslage werden diese Beiträge jedoch allein von dem jeweiligen Träger des FSJ getragen, die FSJ-Teilnehmer selbst zahlen keine Beiträge. So zahlte auch die Klägerin insoweit keine Beiträge zur GKV.
15
b. Etwas anderes gilt jedoch im Hinblick auf sonstige - vom FSJ unabhängige - Bezüge. Insoweit hat der Gesetzgeber keine Privilegierung geschaffen, die FSJ-Teilnehmer (generell) von der Beitragsverpflichtung befreit. Versorgungsbezüge - wie eine Halbwaisenversorgung - sind im System der GKV stets dem Grunde nach beitragspflichtig, unabhängig davon, ob die Versicherten andere Einnahmen erzielen und/oder freiwillig soziale Dienste leisten. Die Beiträge aus Versorgungsbezügen tragen Versicherungspflichtige stets alleine (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Anders ausgedrückt: Wäre die Klägerin schon vor Beginn des FSJ in der GKV versichert gewesen, hätte sie auch in dieser Zeit für die Versorgungsbezüge Beiträge zahlen müssen. Mithin lässt sich eine Ungleichbehandlung in der maßgeblichen Vergleichsgruppe „Versorgungsbezieher in der GKV“ nicht feststellen.
16
Der Klägerin ist durch die Teilnahme am FSJ ferner kein Schaden in Form von Doppelbeiträgen entstanden, da sie für die Zeit des FSJ keine Beiträge in der privaten Krankenversicherung zahlen musste. Sofern sie gleichwohl die private Krankenversicherung fortgeführt hat (Anwartschaft, Zusatzversicherung) ist dies unerheblich, da dies dann auf freiwilliger Basis erfolgt ist. Die GKV bietet einen ausreichenden Versicherungsschutz.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.