Inhalt

VG München, Beschluss v. 07.10.2019 – M 22 E 19.4771
Titel:

Obdachlosenunterkunft

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 113 Abs. 1 S. 1122, § 123
VwZVG Art. 32, Art. 36
BayVwVfG Art. 28 Abs. 2 Nr. 5
Schlagworte:
Obdachlosenunterkunft, Benutzungssatzung, Entfernung von, ohne Genehmigung, errichteten Gipskartonwänden, Beschaffenheit, Ausbau, Anfechtungsklage, Ermessensentscheidung, Ersatzvornahme, Zwangsgeld, Entfernung, Gipskartonwänden
Fundstelle:
BeckRS 2019, 23943

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Tatbestand

1
Der derzeit in der 33. Woche schwangeren Antragstellerin (und ihren beiden neun und vier Jahre alten Kindern) wurden von der Antragsgegnerin im Oktober 2018 zunächst zwei Zimmer in der Obdachlosenunterkunft „… … 17“ zugewiesen.
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Wegen eines in dieser Unterkunft aufgetretenen Wasserschadens wurde mit Bescheid vom 20. August 2019 (teilweise abgeändert durch Bescheid vom 28. August 2019) die Umquartierung des Haushalts der Antragstellerin verfügt. Ihr und ihren Kindern wurde unter Aufhebung der bisherigen Zuweisung ab 1. September 2019 die nunmehrige, 32,8 qm große Unterkunft in der …straße 16 H (befristet bis 31. Juli 2020) zur Nutzung zugewiesen, wobei die Benutzungssatzung der Stadt … für Obdachlosenunterkünfte zum Bestandteil des Bescheids gemacht wurde. Zur Begründung der Umsetzung wurde ausgeführt eine fachkundige Begutachtung habe ergeben, dass nur eine umfassende Trockenlegung der alten Unterkunft weitere Schäden verhindern könne und die Nutzung derzeit nicht möglich sei. Voraussichtlich müsse das Gebäude für drei Monate leer stehen, um die notwendigen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen zu können.
3
Ein gegen diese Umsetzungsverfügung gerichteter Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vom 22. August 2019 (M 22 S 19.4258) blieb ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 6. September 2019, führte die Kammer aus, dass die zugewiesene Anschlussunterkunft „im Hinblick auf ihre Größe und Beschaffenheit (jedenfalls für eine Übergangsphase bis zur Sanierung der bisherigen Unterkunft) den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entspricht“ und lehnte den Eilantrag ab. Im Rahmen der Antragserwiderung hatte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26. August 2019 unter anderem ausgeführt, dass eine andere Unterkunft derzeit nicht zur Verfügung stehe und der Antragstellerin im Rahmen einer Vorsprache am 20. August 2019 zugestanden worden sei, „sich eine Art „spanische Wand“ zu ziehen, um eine gewisse Raumteilung zu haben, die jedoch nicht verbunden mit dem Gebäude sein darf und bei Auszug von ihr entfernt werden muss.“
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Die Antragstellerin zog in der Folge in die ihr zugewiesene Anschlussunterkunft um. Über die zeitgleich erhobene Klage (M 22 K 19.4255) noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 17. September 2019, das mit „Abmahnung/Anhörung wegen Verstoßes gegen die Unterkunftsanlagen-Benutzungssatzung der Stadt …, Aufforderung zum sofortigen Rückbau der baulichen Maßnahmen und fachgerechten Entsorgung der Baumaterialien“ überschrieben worden war, stellte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin fest, dass diese sich - wie der zuständige Hausmeister am 13. September 2019 festgestellt habe - vom Baumarkt Kanthölzer und Rigips-Platten habe liefern lassen. Obwohl der Antragstellerin der Einbau von Wänden von einem Mitarbeiter bereits mehrfach untersagt worden sei und der Hausmeister die Antragstellerin vor Ort ausdrücklich aufgefordert habe, jegliche Baumaßnahmen bis zu einer Abklärung der Angelegenheit mit der Antragsgegnerin zu unterlassen, seien - wie bei einer Kontrolle am 16. September 2019 festgestellt worden sei - mit Hilfe des gelieferten Materials entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Benutzungssatzung doppelwandige Wände mit einer Stärke von ca. 10 cm sowie Elektroverkabelung in die Anschlussunterkunft eingezogen worden. Dies könne, wie der Antragstellerin bereits am 16. September 2019 erläutert worden sei, nicht geduldet werden. Da die Antragstellerin den bei dieser Gelegenheit geforderten Ausbau (bis 20. September 2019) abgelehnt habe, werde ihr letztmalig eine Frist zum 22. September 2019 zum Rückbau eingeräumt und ihr untersagt, den entstehenden Bauschutt vor Ort zu lagern, geschweige denn zu entsorgen. Am 23. September 2019 werde erneut eine Kontrolle stattfinden. Sollte die Antragstellerin die gesetzte Frist verstreichen lassen, werde die Entsorgung zu ihren Lasten in Auftrag gegeben. Die Antragsgegnerin plane zudem die Antragstellerin in eine andere Unterkunft einzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragte daraufhin am 20. September 2019 zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts München, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Einbauwände zu dulden und von dem angedrohten Ausbau und der Entsorgung der Wände abzusehen. Das Einziehen der Wände sei durch ihren handwerklich sehr begabten Freund erfolgt und mit dem zuständigen Mitarbeiter zuvor besprochen worden. Nach der Begutachtung habe der Mitarbeiter aber gemeint, er habe nicht die eingezogenen professionellen Wände, sondern nur Pappwände erlaubt. Sie sei risikoschwanger und fürchte aufgrund des Stresses um ihr Kind.
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Mit Bescheid vom 24. September 2019 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die von ihr errichteten baulichen Anlagen in der …straße 16 H, 8* … … unverzüglich, spätestens jedoch bis 30. September 2019 zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen (Tenor Nr. 1), sowie die Fluchtwege in der Unterkunft freizuhalten und den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen (Tenor Nr. 2). Der sofortige Vollzug von Tenor Nr. 1 wurde angeordnet (Tenor Nr. 3) und die Ersatzvornahme für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnung in Nr. 1 angedroht (Tenor Nr. 4). Die von der Antragstellerin zu tragenden Kosten der Ersatzvornahme wurden auf 1.000 € „festgesetzt“ (Tenor Nr. 5). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Unterkunft, ein Erstbezug, sei vom Verwaltungsgericht zumindest für die Zeit bis zur Sanierung der bisherigen Unterkunft als ausreichend erachtet worden. Die Antragstellerin stelle die Fluchtwege aber mit Baustoffen und persönlichen Gegenständen zu und entsorge diese trotz Aufforderung nicht. Auch bauliche Maßnahmen seien der Antragstellerin entgegen ihrer Behauptung nicht erlaubt worden. Mit dem Einbau der doppelwandigen Wände mit innenseitiger Verkabelung verstoße die Antragstellerin damit - nicht zum ersten Mal - gegen die Benutzungssatzung. Zeitgleich mit der Errichtung der Wände sei ein Druckverlust im Heizungssystem festgestellt worden und mangels anderer erkennbarer Ursachen - trotz Bestreitens der Antragstellerin - nicht auszuschließen, dass bei der Befestigung der Trennwände die Fußbodenheizung beschädigt worden sei. Die vorgenommene Elektroverkabelung, die - wie von der Antragstellerin eingeräumt - nicht von einem qualifizierten Elektroinnungsbetrieb durchgeführt oder gar abgenommen worden sei, stelle eine erhebliche Gefahrenquelle für die Familie der Antragstellerin wie auch für die gesamte Obdachlosenunterkunft dar. Eine bloße Aufforderung die Verkabelung nicht ans Stromnetz anzuschließen sei nicht effektiv kontrollierbar. Auch sei bereits bei weiteren Bewohnern der Wunsch nach baulichen Veränderungen ihrer Unterkunft geweckt worden. Aus diesen Gründen sei zeitnah eine Entfernung der Wände und Überprüfung der Schäden notwendig. Das Interesse der Antragstellerin am Erhalt der trotz mehrfachen Verbots errichteten Wände müsse hinter der Gleichbehandlung mit anderen Obdachlosen und dem Wohl und Leben der Bewohner hintanstehen. Ein Ausbau der Wände sei von der schwangeren Antragstellerin, die Schwangerschaftsrisiken nicht nachgewiesen habe, gegenwärtig auch leichter zu handhaben als nach erfolgter Geburt mit dann drei Kindern. Eine Androhung von Zwangsgeld verspreche angesichts der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin keinen Erfolg.
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Am 26. September 2019 legte die Antragsgegnerin die anlässlich des Antrags nach § 123 VwGO angeforderte Behördenakte vor und verwies zu Antragserwiderung auf die im Bescheid vom 24. September 2019 gemachten Ausführungen.
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Mit richterlichem Schreiben vom 26. September 2019 wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass ihr Antrag nach § 123 VwGO durch den Erlass des Bescheides vom 24. September 2019 in der Sache überholt sei. Sie wurde gebeten, dem Gericht gegenüber zu erklären, ob sie gegen den Bescheid Anfechtungsklage erhebe. Für den Fall der Klageerhebung könne der bestehende Antrag nach § 123 VwGO in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO umgedeutet werden.
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Unter dem 27. September 2019 erhob die Antragstellerin zur Niederschrift des Gerichts Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. September 2019 (M 22 K 19.4893) und beantragte - neben der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - ferner,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Zur Begründung der Klage und des (unter dem bestehenden Aktenzeichen des Antrags nach § 123 VwGO geführten) Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gibt die Antragstellerin an, die Antragsgegnerin habe den angefochtenen Bescheid ungeachtet ihres bereits bestehenden Antrag nach § 123 VwGO erlassen. Die Rigips-Wände seien nicht fest mit dem Gebäude verbaut, sondern könnten problemlos nach dem Auszug entfernt werden. Eine Abtrennung mittels einfacher Pappkartons empfinde sie als nicht ausreichend, um für ihre Kinder und sich zumindest ein Mindestmaß an Privatsphäre zu schaffen. Die ebenfalls bemängelte Elektroverkabelung habe ein Freund ihres Lebensgefährten eingezogen, der Elektriker sei. Die Kabel seien noch nicht angeschlossen. Eine einfache Überprüfung der sachgerechten Ausführung der Arbeiten wäre möglich.
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Die Antragsgegnerin teilte dem Gericht am 7. Oktober 2019 telefonisch mit, dass angesichts einer krankheitsbedingt akuten personellen Unterbesetzung von einer Stellungnahme auch zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgesehen werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

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1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere wurde er fristgerecht erhoben. Nachdem auch die Klagefrist gewahrt wurde, der Bescheid somit noch nicht unanfechtbar ist, liegt auch ein schutzwürdiges Bedürfnis für die begehrte gerichtliche Entscheidung vor.
16
Das Gericht geht dabei im Rahmen wohlwollender Auslegung (§§ 88, 122 VwGO) davon aus, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO an die Stelle des auf vorbeugenden Rechtschutz gerichteten und insoweit voraussichtlich unzulässigen Antrags nach § 123 VwGO treten sollte. Hierbei handelt es sich um eine Antragsänderung infolge einer Sachverhaltsänderung (Erlass der Beseitigungsanordnung) bei gleichbleibendem Antragsziel (Duldung/Erhalt der eingezogenen Wände), die gemäß § 91 Abs. 1 VwGO analog zulässig ist (vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 91 VwGO im selbstständigen Beschlussverfahren: ThürOVG, B.v. 18.01.2017 - 1 EO 851/16 -, juris Rn. 39; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 7 m.w.N.; W. Peters/J. Kujath, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 91 Rn. 6 m.w.N.). Ferner wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dahingehend interpretiert, dass die nicht vom Sofortvollzug umfasste Anordnung zur Freihaltung der Fluchtwege (Tenor Nr. 2) nicht antragsgegenständlich sein soll, da die mit der Antragstellung zugleich erhobene Anfechtungsklage insoweit bereits nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet.
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2. Der so verstandene zulässige Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheides vom 24. September 2019 wiederherzustellen (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und die kraft Gesetzes entfallene aufschiebende Wirkung bezüglich der Zwangsmittelandrohung in Ziffer 4 des Bescheides anzuordnen (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz - VwZVG), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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2.1 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids hinsichtlich der in Nr. 1 getroffenen Beseitigungsanordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, da sie in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise unter Berücksichtigung des Einzelfalles ausreichend begründet wurde.
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2.2 In materieller Hinsicht obliegt dem Gericht im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige umfassende Ermessensentscheidung. Maßgeblich ist die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Antragstellerin und Antragsgegnerin. Diese ist in erster Linie bestimmt durch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, hier also der Klage der Antragstellerin gegen die streitgegenständlichen Verfügungen in Nr. 1 und Nr. 4 sowie 5 des Bescheides vom 24. September 2019. Diese Interessenabwägung ergibt vorliegend aufgrund einer summarischen Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, dass die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsanordnung und die Zwangsmittelandrohung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt, da eine Rechtsverletzung der Antragstellerin erkennbar nicht gegeben sein dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.2.1 Die streitgegenständlichen Anordnungen sind vorliegend formell rechtmäßig ergangen. Die Antragsgegnerin hatte anlässlich zweier, am 16. und 23. September 2019 vor Ort erfolgter Kontrolltermine sowie des diese Termine flankierenden Schreibens vom 17. September 2019 ausreichend Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Beseitigungsanordnung und den insoweit entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Einer Anhörung auch zur Zwangsmittelandrohung bedurfte es dabei nicht, vgl. Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG. Der streitgegenständliche Bescheid wurde der Antragstellerin ausweislich des Briefkopfs ferner von der Antragsgegnerin zugestellt und damit auch dem Zustellerfordernis des Art. 36 Abs. 6 VwZVG Rechnung getragen.
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2.2.2 Auch materiell-rechtlich begegnet die in Nr. 1 des Bescheids getroffene Beseitigungsanordnung keinen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 1 Nr. 7, § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Benutzungssatzung für die Obdachlosenunterkünfte der Stadt … vom 30. November 2001.
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§ 7 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 der Benutzungssatzung ermächtigt die Antragsgegnerin dazu, zum Vollzug der Satzung Anordnungen für den Einzelfall zu treffen. § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung verbietet es den Benutzern der Unterkünfte mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Bewohner und im Interesse einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Unterkünfte, ohne schriftliche Einwilligung der Antragsgegnerin Bauwerke irgendwelcher Art zu errichten bzw. bauliche Änderungen oder Installationen jeglicher Art innerhalb und außerhalb des betreffenden Gebäudes vorzunehmen.
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Vorliegend hat die Antragstellerin mit Hilfe ihres Lebensgefährten zwei jeweils ca. 10 cm starke, beidseitig mit Rigips beplankte Wände in die ihr zugewiesenen Unterkunft eingezogen, die augenscheinlich am vorhandenen Mauerwerk fixiert bündig an dieses anschließen und innenseitig mit einer Elektroverkabelung versehen sind. Damit wurden - entgegen der Einschätzung der Antragstellerin - bauliche Änderungen und Installationen an der zugewiesen Unterkunft vorgenommen. Dass diesen Maßnahmen in ihrer konkreten Ausführung eine (schriftliche) Einwilligung der Antragsgegnerin zugrunde liegen würde, wie die Antragstellerin vorträgt, wird von der Antragsgegnerin ausdrücklich bestritten und ist auch für das Gericht nicht ersichtlich. Ausweislich der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 26. August 2019 im Verfahren M 22 S 19.4258 sowie des Schreibens der Antragsgegnerin vom 17. September 2019 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin lediglich zugestanden, die zugewiesene Unterkunft mit einem - nicht mit dem Mauerwerk verbundenen - Raumteiler bzw. einer Pappkartonwand auszustatten. Die konkret erfolgten Einbauten weichen von diesem Zugeständnis jedoch deutlich ab und sind damit keinesfalls von diesem abgedeckt. Dies musste auch der Antragstellerin bewusst sein, zumal ihr die konkrete Baumaßnahme, als sich das Ausmaß der beabsichtigten Arbeiten aufgrund der Materialanlieferung abzuzeichnen begann, auch noch einmal ausdrücklich vom Hausmeister untersagt worden war. Die dennoch eigenmächtig vorgenommene Unterteilung der zugewiesenen Wohneinheit mit Rigips-Wänden nebst entsprechender Elektroverkabelung stellt damit unzweifelhaft einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Benutzungssatzung dar, weshalb die Antragsgegnerin gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 der Satzung auch dazu ermächtigt war, Anordnungen zum Zwecke der Wiederherstellung eines satzungsgemäßen Zustände zu treffen.
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Die Antragsgegnerin hat in diesem Zuge aus brandschutzrechtlichen und generalpräventiven Erwägungen sowie unter dem Gesichtspunkt der Minimierung etwaiger Schäden am Heizungssystem eine Beseitigungsanordnung ausgesprochen. Dies ist für das Gericht durchaus nachvollziehbar und unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt die Anordnung auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Antragsgegnerin hat sich ausweislich der ausführlichen Begründung des streitgegenständlichen Bescheids insbesondere mit der Frage der Verhältnismäßigkeit intensiv auseinandergesetzt und die Interessen der Antragstellerin, mit den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgewogen. Sie hat insbesondere auch die Tatsache berücksichtigt, dass die Antragstellerin in wenigen Wochen ihr drittes Kind erwartet. Die von der Antragstellerin im Antragsverfahren geäußerte Befürchtung, sie könnte infolge des durch die Beseitigungsanordnung ausgelösten Stresses ihr Kind verlieren, vermag das Gericht - ungeachtet dessen, dass die Antragstellerin darauf hinzuweisen ist, dass sie selbst es war, die durch ihr eigenmächtiges, satzungswidriges Handeln die Ursache für diesen Stress gesetzt hat - auf der Grundlage des von der Antragstellerin vorgelegten Mutterpasses und Arztbriefes des Klinikums … vom 26. September 2019 nicht zu teilen. Bei der am 26. September 2019 vorgenommenen Untersuchung zeigten sich ausweislich des Arztbriefes durchgängig unauffällige Befunde, weshalb wohl die Antragstellerin die ihr angebotene stationäre Aufnahme zur Beobachtung auch ablehnte. Soweit die Antragstellerin ferner auf eine Überprüfung der Elektroinstallation als milderem Mittel gegenüber einer Beseitigung verweist, ist festzustellen, dass eine solche Maßnahme sowohl den generalpräventiven Erwägungen (Verhinderung weiterer ungenehmigter Umbauten) als auch dem Wunsch der Antragsgegnerin nach rascher Abklärung des Druckabfalls im Heizungssystem keine Rechnung tragen würde. Dessen ungeachtet kann der Antragsgegnerin die von ihr nicht gewünschte Elektroverkabelung weder aufgedrängt werden, noch dürfte es angesichts der damit verbundenen Haftung ohne weiteres möglich sein, einen geeigneten Meisterbetrieb zu finden, der die innenseitig verbaute und damit schwer einsehbare Elektrik abnimmt, ohne sie selbst installiert zu haben.
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2.2.3 Auch die Androhung der Ersatzvornahme begegnet materiell-rechtlich keinen Bedenken.
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Die in Nr. 4 und 5 des Bescheides enthaltene Androhung, die Beseitigung der errichteten Wände bei Nichtbeachtung der Anordnung aus Nr. 1 des Bescheides auf Kosten der Antragstellerin im Wege der Ersatzvornahme vornehmen zu lassen, hat ihre Rechtsgrundlage in den Art. 19 Abs. 1, 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 32 und 36 VwZVG und entspricht den gesetzlichen Anforderungen. So lässt das grundsätzlich vorrangig zu wählende Zwangsmittel des Zwangsgeldes vorliegend keinen Erfolg erwarten, da die obdachlose Antragstellerin zum einen vermögenslos ist und zum anderen auch mehrfach geäußert haben soll, unter keinen Umständen gewillt zu sein, der Verpflichtung zur Beseitigung nachzukommen. Bei der in die Grundverfügung aufgenommenen Fristbestimmung („spätestens jedoch bis zum 30. September 2019“) handelt es sich ferner um die gem. Art. 36 Abs. 1 VwZVG zu setzende Vollstreckungsfrist und nicht um eine Bescheidsfrist als Bestandteil des Grundverwaltungsaktes mit materiell-rechtlichem Charakter (zur Unterscheidung: Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, RdNr. 185 zu § 18). Die Fristbestimmung in der Beseitigungsanordnung ist daher auch Bestandteil der unter Nr. 4 des Bescheides verfügten Ersatzvornahmeandrohung. Obwohl durchaus knapp bemessen, ist die gesetzte Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles dabei auch als (noch) angemessen zu bewerten. Sie berücksichtigt das behördliche Interesse an der alsbaldigen Ausführung zum Zwecke der Gefahrenabwehr und gibt den Betroffenen, die die Wand augenscheinlich auch in nur einem Wochenende errichtet haben, dennoch die erforderliche Zeit, der Verpflichtung nachzukommen. Schließlich wurden die voraussichtlichen Kosten einer etwaigen Ersatzvornahme entsprechend Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG auch in Ziffer 5 des Bescheides veranschlagt.
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Auch die Tatsache, dass über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bis zum Ablauf der Vollstreckungsfrist noch nicht entschieden war, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Androhung. Es ist vielmehr Sache der Antragsgegnerin, der Antragstellerin im Rahmen des Anwendungsermessens nochmals eine angemessene Frist für die Befolgung der Beseitigungsanordnung einzuräumen, bevor das angedrohte Zwangsmittel angewendet wird (vgl. BayVGH, U.v. 16.11.2010 -1 B 10.1068 - juris).
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffer 1.5 sowie Ziffer 35.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war ungeachtet der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin gleichfalls abzulehnen, da die Rechtsverfolgung den obigen Ausführungen entsprechend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 Abs. 1 Satz1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO) bietet.