Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.09.2019 – 4 ZB 19.572
Titel:

Nacherhebung zu gering festgesetzter Kommunalabgabe - Zweitwohnungssteuer

Normenketten:
BayKAG Art. 3 Abs. 3, Art, 13 Abs. 1 Nr. 4b
AO § 172, § 227
Leitsatz:
In der Nacherhebung einer zunächst in zu geringer Höhe festgesetzten Kommunalabgabe liegt nicht zugleich eine (Teil-)Änderung der vorangegangenen Abgabenbescheide, für die es einer speziellen Ermächtigungsnorm bedürfte. (Rn. 13 und 16)
Schlagworte:
Festsetzung der Zweitwohnungsteuer, Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, Nacherhebung der Steuer, keine Änderung der früheren Bescheide, Befreiung wegen geringen Einkommens, Ausschlussfrist für Befreiungsantrag, Zweitwohnungsteuer, Kommunalabgabe, Nacherhebung, Änderungsbescheid, Vertrauensschutz
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.02.2019 – M 10 K 17.3918
Fundstellen:
BayVBl 2020, 240
DÖV 2019, 1014
LSK 2019, 23251
BeckRS 2019, 23251

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 14.311 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger, der seit 1998 eine Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten innehat, wendet sich gegen einen nachträglich ergangenen Zweitwohnungsteuerbescheid für die Jahre 2006 bis einschließlich 2016.
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Nachdem der Kläger trotz Aufforderung zunächst keine Zweitwohnungsteuererklärung abgegeben hatte, setzte die Beklagte jeweils aufgrund einer Schätzung mit Bescheid vom 29. März 2010 für die Jahre 2006 bis 2010 und mit Bescheid vom 6. Februar 2017 für die Jahre 2016 bis 2017 sowie für die Folgejahre die Zweitwohnungsteuer fest. In einem am 1. März 2017 eingegangenen „Einspruch“ wandte sich der Kläger gegen den letztgenannten Steuerbescheid und verwies darauf, dass er als Rentner die Einkommensgrenzen des Art. 3 Abs. 3 KAG unterschreite. Sein Bevollmächtigter beantragte darüber hinaus mit Schreiben vom 5. April 2017 den Erlass der Steuern aus Billigkeitsgründen für die Jahre 2009 bis 2015. Mit Bescheiden vom 10. März 2017 und vom 10. Mai 2017 lehnte die Beklagte eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2016 wegen Verfristung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG und den beantragten Billigkeitserlass nach § 227 AO ab.
3
Mit weiterem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. April 2017 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2015 und eines Rentenbescheids für das Jahr 2016 die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Veranlagungsjahre 2017 und 2018. Er legte am 11. Juli 2017 per Telefax eine Zweitwohnungsteuererklärung vor, nach der für die Wohnung eine Nettokaltmiete von monatlich 1.214 Euro vereinbart sei.
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Die Beklagte setzte daraufhin mit Bescheid vom 21. Juli 2017 die Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2006 bis 2016 auf der Grundlage der angegebenen Miete mit höheren als den bisherigen Beträgen neu fest (neuer Gesamtbetrag: 14.311 Euro; Erhöhung um insgesamt 4.498 Euro); für die Jahre 2017 und 2018 sowie die Folgejahre wurde die Steuer jeweils auf 0 Euro festgesetzt. In den beigefügten Erläuterungen wird dargelegt, aufgrund der eingereichten Zweitwohnungsteuererklärung seien die Berechnungsgrundlagen den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst worden. Für die Jahre 2017 und 2018 sei entsprechend dem Antrag vom 5. April 2017 eine Befreiung erteilt worden; für die Jahre 2019 und die Folgejahre erfolge die Befreiung unter der Bedingung eines rechtzeitig gestellten schriftlichen Antrags.
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Gegen die im Bescheid vom 21. Juli 2017 getroffenen Regelungen bezüglich der Jahre 2006 bis 2016 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München, die mit Urteil vom 21. Februar 2019 (berichtigt mit Beschluss vom 14. Juni 2019) abgewiesen wurde. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Neufestsetzung der Steuer sei kein Änderungsbescheid, sondern im Rahmen der Festsetzungsverjährungsfristen ohne eine über die Satzung hinausgehende Rechtsgrundlage zulässig. Vertrauensschutz hinsichtlich der zunächst ergangenen Schätzungsbescheide bestehe nicht, da die §§ 172 ff. AO auf Kommunalabgaben nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG nicht anwendbar seien. Auch eine Analogie komme mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Der Bescheid sei formell rechtmäßig. Ein Verböserungshinweis sei nicht notwendig gewesen, da es sich um eine Neufestsetzung gehandelt habe. Einer Anhörung habe es nicht bedurft; jedenfalls sei sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt worden. Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten, da eine Berechnung der Zweitwohnungsteuer erst nach Vorlage der Erklärung möglich gewesen sei. Der Steuerfestsetzung stehe auch nicht ein Befreiungsanspruch wegen geringen Einkommens nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG entgegen. Die Voraussetzungen dafür würden nur auf Antrag in einem eigenständigen Verfahren geprüft; für die Jahre bis 2016 sei ein solcher Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden. Da es sich um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handle, könne eine Entscheidung über die Nichterhebung selbst bei Vorliegen der materiellen Befreiungsvoraussetzungen nicht getroffen werden. Die Befreiungsvorschrift des Art. 3 Abs. 3 KAG sei auch nicht über § 177 AO zu berücksichtigen, da diese Bestimmung bei Kommunalabgaben nicht anwendbar sei. In der unterschiedlichen Behandlung von fristgerechten und nicht fristgerechten Befreiungsanträgen liege kein Gleichheitsverstoß.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
7
Die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses treten dem Zulassungsantrag entgegen.
8
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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a) An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernsthaften Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), denn der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - juris Rn. 32 m.w.N.).
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aa) Der Kläger macht geltend, bei dem Bescheid vom 21. Juli 2017 handle es sich um einen sogenannten Änderungsbescheid, durch den der Erstbescheid vollständig oder in Teilen aufgehoben werde. Eine parallele Festsetzung für dieselben Veranlagungsjahre durch drei Bescheide (vom 29.3.2010, 6.2.2017 und 21.7.2017) sei rechtlich nicht möglich. Wegen der mit den Bescheiden vom 6. Februar 2017 und 21. Juli 2017 erfolgten Festsetzung einer höheren Steuer handle es sich um eine Verböserung, die nur nach vorherigem Hinweis zulässig sei und für die es einer Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Eine solche sei weder in der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten noch im Kommunalabgabengesetz ausdrücklich enthalten. Es handle sich demnach um eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der §§ 172 ff. AO erzwinge. Dabei hätte gemäß § 177 AO berücksichtigt werden müssen, dass der Kläger in den betreffenden Zeiträumen unstreitig die Befreiungsvoraussetzungen nach Art. 3 Abs. 3 KAG erfüllt habe; im Ergebnis hätte hiernach eine Festsetzung der Zweitwohnungsteuer für die Jahre bis 2016 auf 0 Euro erfolgen müssen.
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bb) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung darzutun.
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Unzutreffend ist bereits der Ausgangspunkt der klägerischen Ausführungen, wonach es sich bei dem (allein streitgegenständlichen) Zweitwohnungsteuerbescheid vom 21. Juli 2017 um einen die früheren Festsetzungen teilweise außer Kraft setzenden Änderungsbescheid handle. Mit dem genannten Bescheid wird vielmehr, wie die dort unter II. enthaltene Auflistung der Differenzbeträge für die Jahre 2006 bis 2016 zeigt, lediglich die für diese Besteuerungszeiträume zu entrichtende Zweitwohnungsteuer erstmals festgesetzt, soweit sie in den vorangegangenen Bescheiden wegen der (schätzungsbedingt) zu niedrig angesetzten Berechnungsgrundlagen noch nicht berücksichtigt war. Dass eine solche Nacherhebung in den Fällen einer zu niedrig festgesetzten Abgabe grundsätzlich zulässig und im Interesse eines rechtsstaatlichen, am Gleichheitsgrundsatz orientierten Verwaltungsvollzugs sogar geboten ist, entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1996 - 8 C 14.94 - NVwZ-RR 1996, 465/466; OVG NW, U.v. 1.10.1990 - 22 A 1393/90 - NVwZ-RR 1992, 94/98 f.; OVG LSA, B.v. 18.3.2005 - 4 M 701/04 - juris Rn. 8 f.; BayVGH, B.v. 26.11.2008 - 6 CS 08.1957 - juris Rn. 13; B.v. 23.4.2009 - 22 ZB 07.819 - juris Rn. 15). Eine Nacherhebung bis zur materiellrechtlich richtigen Höhe der Abgabe ist danach jederzeit möglich, solange - wie hier - noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
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Die Nacherhebung war weder durch die §§ 172 ff. AO ausgeschlossen noch konnte der nicht fristgerecht geltend gemachte Befreiungsanspruch zugunsten des Klägers im Rahmen des § 177 AO berücksichtigt werden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, sind diese Bestimmungen, auf die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG nicht verwiesen wird, bei der Festsetzung von Kommunalabgaben auch nicht analog anwendbar, da es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Dass der Gesetzgeber beim Erlass der hochgradig ausdifferenzierten Regelungen des Art. 13 KAG den gesamten Abschnitt über die Bestandskraft von Steuerbescheiden (§§ 172 bis 177 AO) versehentlich außer Betracht gelassen haben könnte, kann von vornherein ausgeschlossen werden. Wie die Landesanwaltschaft Bayern in ihrer Stellungnahme zu Recht ausführt, geht aus den Gesetzesmaterialen im Gegenteil unmissverständlich hervor, dass die Nichterwähnung der §§ 172 bis 177 AO auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung beruhte. In der Begründung zu dem damaligen Gesetzentwurf wird festgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Bereich des Kommunalabgabenrechts die Nacherhebung von Abgaben grundsätzlich bis zum Eintritt der Verjährung möglich sei, wenn die zustehende Abgabe durch die Festsetzungen des ersten Abgabenbescheides nicht voll einverlangt worden sei; dabei solle es auch im künftigen Kommunalabgabenrecht bleiben (LT-Drs. 8/3476 S. 9 f.). Die darin klar zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht durch die ebenfalls in den Gesetzesmaterialien enthaltene Bemerkung in Frage gestellt, dass die einengenden Vorschriften der §§ 172 bis 177 AO insbesondere für die Nachveranlagung von Gebühren und Beiträgen nicht sinnvoll seien, da der Abgabeschuldner stets eine Gegenleistung in Höhe der vollen Abgabeschuld erhalten habe (LT-Drs. 8/3476 S. 10). Wie das Wort „insbesondere“ erkennen lässt, handelte es sich insoweit lediglich um ein auf die genannten Vorzugslasten abzielendes Zusatzargument, das die eindeutig getroffene Grundentscheidung des Gesetzgebers für das gesamte Kommunalabgabenrecht einschließlich der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 3 KAG) unberührt ließ.
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Die mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Juli 2017 vorgenommene Nacherhebung der Zweitwohnungsteuer war auch nicht an die Bestimmungen über die Rücknahme bzw. den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte (§§ 130, 131 AO) gebunden. Bei den früheren Bescheiden vom 29. März 2010 und vom 6. Februar 2017 handelte es sich nach ihrem objektiv erkennbaren Regelungsgehalt (§§ 133, 157 BGB) um ausschließlich belastende Verwaltungsakte, mit denen die Festsetzung eines darüber hinausgehenden Steuerbetrags für die Zukunft nicht ausgeschlossen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2008 - 6 CS 08.1957 - juris Rn. 13; B.v. 23.4.2009 - 22 ZB 07.819 - juris Rn. 20). Zwar können auch solche Bescheide unter bestimmten Umständen ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen begründen (BVerwG, U.v. 6.1.1996 - 8 C 14.94 - NVwZ-RR 1996, 465/466). Dies ist hier aber schon deshalb zu verneinen, weil die früheren „günstigeren“ Bescheide - für den Kläger ersichtlich - lediglich auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruhten, die durch seine pflichtwidrig nicht abgegebene Zweitwohnungsteuererklärung veranlasst worden war.
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Entgegen den Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrags lag somit in dem Bescheid vom 21. Juli 2017 keine eigenständige „Verböserung“ der vorangehenden Bescheide, an die besondere Anforderungen hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage zu stellen wären und zu der es einer gesonderten Anhörung bedurft hätte. Die allgemeine Anhörung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc KAG i. V. m. § 91 Abs. 1 AO dürfte hier nach § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO entbehrlich gewesen sein; jedenfalls wurde sie nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i. V. m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt.
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b) Auch der Zulassungsgrund der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht gegeben.
18
Besondere Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift liegen vor, wenn die Sache voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht.
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Der Kläger hält den Rechtsstreit für besonders schwierig, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht auf den Einzelrichter übertragen und weil eine mündliche Verhandlung anberaumt worden sei; auch habe es das Gericht für notwendig gehalten, die rechtlichen Ausführungen des Klägervertreters im Protokoll festzuhalten. Die Härtefallregelung des Art. 3 Abs. 3 KAG sei aus verfassungsrechtlichen Gründen in das Gesetz eingefügt worden. Dem (Zweitwohnung-)Steuerrecht lägen das Rechtsstaatsprinzip, das Leistungsfähigkeitsprinzip, das Sozialstaatsprinzip, das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und das Gebot der Folgerichtigkeit zugrunde. Daraus ergebe sich die besondere Schwierigkeit der Rechtssache, denn die analoge Anwendung der Regelungen über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden sei aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zwingend geboten.
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Mit diesen Ausführungen wird eine besondere Schwierigkeit des vorliegenden Falles weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht dargetan.
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Die Verwendung identischer Begriffe in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO und § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bedeutet nicht, das aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf einen Einzelrichter auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden könnte; einem solchen Unterlassen kommt nicht einmal indizielle Bedeutung zu (BayVGH, B.v. 23.4.2013 - 4 ZB 12.2229 - juris Rn. 19 m.w.N.). Andernfalls wäre dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit eröffnet, entgegen § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO auch die Frage des Vorliegens besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten mit bindender Wirkung für das höhere Gericht zu entscheiden. Aus demselben Grund gibt auch die als gesetzlicher Regelfall vorgesehene Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 1 VwGO) und die Aufnahme der wesentlichen Vorgänge ins Protokoll (§ 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 1 ZPO) noch keinen Aufschluss darüber, ob es sich um eine Rechtssache handelt, die einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufweist.
22
Soweit in der Antragsbegründung auf verschiedene bei der Ausgestaltung und Anwendung des Steuerrechts zu beachtende Verfassungsgrundsätze verwiesen wird, ist nicht ersichtlich, inwiefern sich daraus besondere Probleme bei der Auslegung der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschiften ergeben könnten. Dass das Rechtsstaatsprinzip mit seiner speziellen Ausprägung des Vertrauensschutzes einer Nacherhebung von Abgaben nicht entgegensteht, wenn diese zunächst in zu geringer Höhe festgesetzt wurden, entspricht - wie oben dargelegt - allgemeiner Auffassung. Die Nichtanwendung der §§ 172 bis 177 AO im Kommunalabgabenrecht ist danach auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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c) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn es für die Streitentscheidung auf eine über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage ankommt, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - juris Rn. 33 m.w.N.).
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Der Kläger macht insoweit wiederum geltend, dass es an einer für die Änderung von Zweitwohnungsteuerbescheiden erforderlichen Norm im Sinne der Art. 48, 49 BayVwVfG oder §§ 172 ff. AO im Kommunalabgabenrecht und in der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten fehle. Ferner sei klärungsbedürftig, inwieweit bei einer Festsetzung auch das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtliche Garantie zu berücksichtigen sei. Es gebe keine Rechtsprechung dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Festsetzung geändert werden dürfe und inwieweit dabei steuerentlastende Umstände zu berücksichtigen seien.
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Aus diesen Ausführungen ergibt sich kein grundsätzlicher Klärungsbedarf im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Vorbringen des Klägers beruht auf der unzutreffenden Prämisse, dass durch den angegriffenen Steuerbescheid die vorangegangenen Bescheide geändert worden seien. Dies war aus den oben genannten Gründen jedoch nicht der Fall, so dass es einer zur (Teil-)Aufhebung ermächtigenden Norm nicht bedurfte. Dem Gesichtspunkt einer eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat der bayerische Gesetzgeber bei der Zweitwohnungsteuer mit den in Art. 3 Abs. 3 KAG getroffenen Regelungen in jedem Fall hinreichend Rechnung getragen. Dass eine gesetzliche Ausschlussfrist wie Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG, die sobald wie möglich Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herbeiführen soll, grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar ist, ist auch im Steuerrecht unbestritten (vgl. BVerfG, B.v. 8.10.1985 - 1 BvL 17/83 u.a. - BVerfGE 70, 278). Einen weitergehenden Klärungsbedarf hat der Kläger insoweit nicht aufgezeigt.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).