Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 12.09.2019 – 1 VA 86/19
Titel:

Abgrenzung des rechtlichen Interesses vom wirtschaftlichen Interesse an Akteneinsicht

Normenketten:
EGGVG § 23, § 26 Abs. 2 S. 1 u. S. 2
BGB § 810, § 882g Abs. 2 Nr. 3, § 1378
InsO § 4
ZPO § 299 Abs. 2
GG Art. 20 Abs. 1, Abs. 3
GNotKG § 22 Abs. 1
Leitsatz:
Zur Abgrenzung des rechtlichen Interesses vom wirtschaftlichen Interesse an Akteneinsicht (hier in Insolvenzakte)
Schlagwort:
Insolvenzverfahren
Fundstellen:
ZVI 2020, 21
ZInsO 2019, 2060
ZIP 2020, 333
LSK 2019, 20914
BeckRS 2019, 20914
NZI 2019, 830

Tenor

1. Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist gewährt.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
3. Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 13.000 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt Einsicht in die Gerichtsakte des abgeschlossenen Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Ehemannes (im Folgenden: Schuldner). Sie hat zur Begründung ihres beim Insolvenzgericht am 15. Februar 2019 gestellten Gesuchs vorgetragen, in der rechtshängigen Folgesache Zugewinnausgleich spiele die Höhe der Verbindlichkeiten des Schuldners eine Rolle.
2
Nach Anhörung des Schuldners hat das Amtsgericht München mit Bescheid vom 10. Mai 2019 die Akteneinsicht versagt. Die Gesuchstellerin sei weder gegenwärtig noch vor Verfahrensabschluss Beteiligte im Insolvenzverfahren (gewesen). Da der Schuldner ausdrücklich die Zustimmung zur Einsicht verweigert habe und nach Aktenlage kein rechtliches, sondern lediglich ein wirtschaftliches und auf Ausforschung gerichtetes Interesse an der Akteneinsicht bestehe, sei diese zu versagen. Ein rechtliches Einsichtsinteresse setze einen konkreten rechtlichen Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akte voraus. Daran fehle es hier. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:lautet dahin, dass Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG zum Oberlandesgericht München gestellt werden könne.
3
Gegen den am 15. Mai 2019 zugegangenen Bescheid hat die Antragstellerin, anwaltlich vertreten, beim Oberlandesgericht München am 17. Juni 2019, einem Montag, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit dem sie ihr Einsichtsgesuch weiterverfolgt. Sie beantragt,
das Amtsgericht München - Abteilung für Insolvenzsachen - unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Mai 2019 zu verpflichten, die begehrte Akteneinsicht zu gewähren,
hilfsweise das Akteneinsichtsgesuch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
4
Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, der Schuldner berühme sich im familiengerichtlichen Verfahren einer Zugewinnausgleichsforderung, deren Berechnung ein mit „Null“ angesetztes Anfangsvermögen zugrunde liege. Tatsächlich jedoch sei dessen auf den maßgeblichen Stichtag, den 4. Dezember 2004, bezogenes Anfangsvermögen wegen seiner damaligen erheblichen Verbindlichkeiten negativ gewesen, nachdem das Insolvenzverfahren frühestens am 29. August 2006 mit einer Entscheidung zur Restschuldbefreiung und nicht - wie im angefochtenen Bescheid wiedergegeben - durch Aufhebungsbeschluss vom 6. August 2001 beendet worden sei. Der Schuldner habe somit in der Ehe Schulden abgebaut. Zur genauen Bezifferung sei die Einsicht in die Insolvenzakte erforderlich, da der im familiengerichtlichen Verfahren bereits am 7. November 2018 zur Auskunft verurteilte Schuldner seiner Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Weil sich die Höhe der Schulden aus der Insolvenzakte ergebe, sei der dem Insolvenzverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt für die rechtlichen Belange der Gesuchstellerin von konkreter Bedeutung. Die benötigte Kenntnis über die genaue Höhe der Verbindlichkeiten diene ihrer Rechtsverteidigung. Das Familiengericht habe die Insolvenzakte antragsgemäß beigezogen und auch erhalten. Aufgrund des angefochtenen Beschlusses dürfe der Inhalt der Akte jedoch im familiengerichtlichen Verfahren nicht weitergegeben und somit bei der anstehenden Entscheidung nicht verwertet werden. Somit bestehe nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein rechtliches Interesse an der Einsicht. Zu bezweifeln sei außerdem, dass die Entscheidung über das Einsichtsgesuch von der zuständigen Stelle ergangen sei. In diesem Antragsschriftsatz sind der Schuldner als Antragsteller und die Einsichtsbegehrende als Antragsgegnerin bezeichnet.
5
Das Oberlandesgericht München hat die Antragstellerin auf die seit 1. Februar 2019 geänderte Zuständigkeit hingewiesen und den Antrag an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet, wo er am 19. Juni 2019 eingegangen ist. Mit Schriftsatz gleichen Datums, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat die Antragstellerin zum Bayerischen Obersten Landesgericht Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist beantragt und dies mit der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:begründet.
6
Für den Antragsgegner, den Freistaat Bayern, beantragt die Generalstaatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf eine beim Amtsgericht eingeholte Stellungnahme, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
7
Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Antragsschrift sei kein rechtliches Interesse an der begehrten Einsicht dargetan, denn ein konkreter, rechtlicher Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akte bestehe nicht. Daher sei eine Abwägung des lediglich wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin an Informationsgewinnung gegen das Recht des Schuldners auf Geheimhaltung nicht erforderlich. Ein etwaiger Auskunftsanspruch gegen den Schuldner sei vielmehr im Zivilverfahren zu verfolgen.
8
Die Antragstellerin hat an ihrer gegenteiligen Sicht festgehalten.
II.
9
Der Antragstellerin ist auf Antrag nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EGGVG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der einmonatigen Antragsfrist (§ 26 Abs. 1 EGGVG) zu bewilligen, weil sie die Frist unverschuldet versäumt hat und der Wiedereinsetzungsantrag den gesetzlichen Anforderungen des § 26 Abs. 3 EGGVG genügt, insbesondere fristgerecht gestellt ist.
10
Fehlendes Verschulden ist gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 EGGVG zu vermuten, wenn - wie hier - die Fristversäumnis ihren Grund in einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung:hat. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Vielmehr erweist sich der durch die falsche Belehrung bei der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hervorgerufene Rechtsirrtum als entschuldbar, denn die Belehrung war nicht in dem Sinne offenkundig fehlerhaft, dass sie - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte, und lässt den durch sie verursachten Irrtum nachvollziehbar erscheinen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2017, V ZB 109/16, NJW 2018, 164). Dies gilt vorliegend erst recht deshalb, weil die nach (Wieder-)Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgericht gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 BayAGGVG geänderte Zuständigkeit für Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG erst seit dem 1. Februar 2019 gilt (§ 2 Nr. 12, § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. Juli 2018, BayGVBl 13/2018, S. 545).
III.
11
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
12
1. Der Antrag ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG statthaft, denn bei der angefochtenen Ablehnung der beantragten Akteneinsicht für die Antragstellerin als Dritte (§ 4 InsO, § 299 Abs. 2 ZPO) handelt es sich um eine Maßnahme einer Justizbehörde auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts im Sinne der genannten Vorschrift (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015, XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827 Rn. 10; Lückemann in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 23 EGGVG Rn. 12 m.w.N.).
13
Nach Wiedereinsetzung erweist sich der Antrag auch im Übrigen als zulässig. Soweit gemäß § 24 Abs. 1 EGGVG eine Rechtsverletzung infolge der Maßnahme oder ihrer Ablehnung oder Unterlassung geltend zu machen ist, genügt im Rahmen der Zulässigkeit, dass die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in die Insolvenzakte für gegeben und infolge der Ablehnung des Einsichtsgesuchs für verletzt hält. Ob das Recht tatsächlich besteht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags.
14
Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht auch die unzutreffende Bezeichnung der am Verfahren Beteiligten nicht entgegen. Da sich aus der Antragsschrift das Begehren seinem Inhalt und seiner Art nach in eindeutiger Weise ergibt, ist auch nicht zweifelhaft, sondern durch Auslegung ohne weiteres zu erkennen, gegen wen sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung richtet.
15
2. In der Sache selbst ist der Antrag sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsbegehrens nicht begründet, denn der zur Darlegung des Einsichtsinteresses vorgetragene Sachverhalt begründet lediglich ein wirtschaftliches, jedoch kein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Insolvenzakte. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtmäßig (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EGGVG).
16
a) Zutreffend geht der angefochtene Bescheid davon aus, dass der Antragstellerin als „dritter Person“ i. S. v. § 4 InsO, § 299 Abs. 2 ZPO ohne Einwilligung des Schuldners Einsicht in die Insolvenzakte nur gestattet werden kann, wenn hierfür ein rechtliches Interesse dargetan und glaubhaft gemacht ist, denn das Insolvenzverfahren ist bereits abgeschlossen (vgl. BGH, NJW 2015, 1827 Rn. 11); zudem war die Antragstellerin schon am laufenden Insolvenzverfahren nicht als „Partei“ i. S. v. § 4 InsO, § 299 Abs. 1 ZPO beteiligt. Dies wird von der Antragstellerin zu Recht nicht angegriffen.
17
b) Den vielfach verwendeten Begriff des rechtlichen Interesses (vgl. etwa § 368 Satz 2 BGB, § 810 BGB, § 1256 Abs. 2 BGB, § 1953 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 2081 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 2146 Abs. 2 BGB, § 14 Abs. 1 InsO, § 48 Abs. 1 WEG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 299 Abs. 2 ZPO, § 107 Abs. 4 Satz 2 FamFG, § 108 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 357 FamFG, § 4 Abs. 3 Satz 3 UKlaG, § 14 Abs. 7 GewO, § 244 Satz 2 AktG, § 125 VVG, § 477 Abs. 3 StPO) hat der Gesetzgeber nicht allgemein - anders etwa speziell für das selbständige Beweisverfahren in § 485 Abs. 2 ZPO - definiert. Das gegenüber dem „berechtigten Interesse“ (vgl. § 93b Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 299 Abs. 3 Satz 3 ZPO, § 811c Abs. 2 ZPO, § 882g Abs. 2 Nr. 3 ZPO, § 1056 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b ZPO) enger gefasste „rechtliche Interesse“, das nach der Bestimmung in § 299 Abs. 2 ZPO für die Akteneinsicht durch eine dritte Person verlangt wird, setzt nach der Umschreibung, die dem Begriff durch die Rechtsprechung gegeben wurde, voraus, dass durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akte Einsicht begehrt wird, persönliche Rechte des Antragstellers berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis des Gesuchstellers zu einer Person oder Sache. Danach muss das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand (im streitigen Parteienprozess dessen „Streitstoff“) für die rechtlichen Belange des Gesuchstellers von konkreter rechtlicher Bedeutung sein (BGH, Beschluss vom 5. April 2006, IV AR (VZ) 1/06, juris Rn. 15; BGHZ 4, 323/325, 327; OLG Frankfurt, Beschl v. 21. Juni 2016, 20 VA 20/15, juris Rn. 34 f.; Brandenburg. OLG, Beschluss vom 25. Juli 2000, 11 VA 7/00, ZIP 2000, 1541/1542; OLG Köln, Beschluss vom 18. August 1997, 7 VA 4/97, NJW-RR 1998, 407).
18
c) Das ist hier nicht der Fall. Der rechtlich geschützte Interessenkreis der Antragstellerin wird durch das Insolvenzverfahren nicht berührt.
19
Ein rechtlicher Bezug des gegenwärtig im Streit stehenden Rechtsverhältnisses zwischen der Antragstellerin und dem vormaligen Schuldner zu dem Verfahrensstoff der einzusehenden Insolvenzakte besteht nicht. Die zwischen der Antragstellerin und dem vormaligen Schuldner streitige Ausgleichsforderung wegen Zugewinn, § 1378 BGB (bei Anwendung deutschen Rechts), steht in keinem rechtlichen Bezug zu dem durchgeführten Insolvenzverfahren. Sie gründet im ehelichen Güterrecht und ist gemäß § 1378 Abs. 3, § 1384 BGB erst mit der Beendigung des Güterstands, somit weit nach Abschluss des Insolvenzverfahrens entstanden. Weder hatte die Antragstellerin eine Gläubigerstellung im Insolvenzverfahren inne noch besteht sonst ein auch nur entfernter rechtlicher Bezug zu dem auf gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger gerichteten Verfahren (§ 1 Satz 1 InsO). Ein solcher rechtlicher Bezug resultiert auch nicht daraus, dass dem redlichen Schuldner mit dem Insolvenzverfahren Gelegenheit gegeben wird, sich von seinen nach Verwertung und Verteilung der Masse verbleibenden Verbindlichkeiten im Verfahren der Restschuldbefreiung zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO).
20
Vielmehr ist die Höhe der anfänglichen Verbindlichkeiten des Schuldners nach Maßgabe der den Zugewinnausgleich regelnden Normen für die Berechnung des Anspruchs erheblich, weil § 1373 BGB als Zugewinn den Betrag definiert, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt, und Verbindlichkeiten nach § 1374 Abs. 3 BGB über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen sind. Dies gilt allerdings - wie die Antragstellerin selbst unter Verweis auf BR-Drs. 635/08 (S. 18, 33) ausführt - unabhängig davon, dass ein Insolvenzverfahren und ein anschließendes Verfahren über Restschuldbefreiung durchgeführt wurden. Der Umstand, dass die anfängliche Vermögenslage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs rechtserheblich ist, begründet keinen rechtlich relevanten Bezug des gegenwärtigen streitigen Rechtsverhältnisses zum Verfahren wegen Insolvenz, in das Einsicht begehrt wird. Die Klärung des für die Berechnung des Zugewinns maßgeblichen Anfangsvermögens steht deshalb in keiner rechtlichen Beziehung zum Gegenstand des Insolvenzverfahrens. Letzteres soll vielmehr als Auskunftsquelle für die in anderem rechtlichen Zusammenhang bedeutsame Höhe der damaligen Verbindlichkeiten genutzt werden, weil nach dem Vorbringen der Antragstellerin der Betrag des negativen Anfangsvermögens des Schuldners wegen der zeitlichen Überschneidung zwischen Insolvenzsowie Restschuldbefreiungsverfahren einerseits und Stichtag für die Berechnung des Anfangsvermögens andererseits mithilfe der Insolvenzakte festgestellt werden könne. Eine rechtliche Beziehung zum Gegenstand des Insolvenzverfahrens begründet dies nicht.
21
Deshalb wird auch mit dem Vorbringen, die Akteneinsicht diene der Abwehr eines unberechtigten Anspruchs sowie einer effektiven Rechtsverteidigung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Oktober 2003, WpÜG 2/02, NJW-RR 2004, 1194/1194 [juris Rn. 20]), hier kein rechtliches Interesse i. S. v. § 299 Abs. 2 ZPO aufgezeigt, weil es der Antragstellerin lediglich darum geht, aus der Insolvenzakte tatsächliche Informationen über die Höhe der damaligen Verbindlichkeiten des Schuldners zur Durchsetzung eigener, in keinem rechtlichen Bezug zu dem Verfahrensgegenstand stehender oder mit dem Insolvenzverfahren in rechtlicher Sicht zusammenhängender Ansprüche zu gewinnen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. Februar 2007, 20 VA 13/16, 20 VA 14/16, juris Rn. 27 m.w.N.).
22
d) Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zu der von der Antragstellerin angeführten obergerichtlichen Rechtsprechung. Dass in den dortigen Verfahren ein rechtliches Interesse des Einsichtsbegehrenden bejaht wurde, hat seinen Grund jeweils darin, dass sich die Sachlage in entscheidungserheblicher Weise von der vorliegenden Gestaltung unterschied.
23
So lag der bereits oben unter III. 2. b) in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 21. Juni 2016 (20 VA 20/15) zugrunde, dass die dortige Antragstellerin die Gläubiger der späteren Insolvenzschuldnerin im Zusammenhang mit deren Sanierungsbemühungen beraten hatte und vom Insolvenzverwalter auf Rückgewähr hierfür erhaltener Anwaltshonorare nach den Vorschriften über die Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen wurde; sie begehrte Einsicht in die Akten eines Parallelverfahrens, in dem der Insolvenzverwalter von den für die letztlich gescheiterten Sanierungsbemühungen vergüteten Anwälten Rückzahlung wegen Gläubigerbenachteiligung forderte.
24
In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 1. Februar 2007 (20 VA 13/06, juris) ging es um das Einsichtsbegehren eines Anlegers, der Genussscheine an einer Hypothekenbank erworben hatte und mit deren Totalausfall rechnete wegen Pflichtverletzungen, die Gegenstand eines zwischen dem Institut und dessen Vorstandsmitgliedern geführten Schadensersatzverfahrens waren.
25
Nicht anders verhält es sich jeweils mit den weiteren von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidungen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. Januar 2014, 4 VA 2218/13 juris; OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Mai 2010, 5 VA 11/10, juris; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Januar 2009, 12 VA 11/08, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. Mai 2008, 20 VA 5/08, juris). Indem die Antragstellerin darauf abstellt, dass nach dieser Rechtsprechung ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht auch bei Vorliegen eines rechtlich begründeten wirtschaftlichen Interesses gegeben sein kann und ein Individualinteresse vorliegen kann, wenn persönliche Rechte des Antragstellers durch den Inhalt der einzusehenden Akte auch nur mittelbar berührt werden, verstellt sie sich selbst den Blick darauf, dass ein rechtliches Einsichtsinteresse - bei Vorliegen dieser Voraussetzungen - nur bejaht wird, sofern ein rechtlicher Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akten besteht (Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 19. Dezember 2018, 2 VA 13/18, juris Rn. 12; KG, Beschluss vom 12. April 2016, 1 VA 14/15, juris Rn. 12; OLG München, Beschluss vom 27. Januar 2011, 9 VA 8/10, juris Rn. 13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. Februar 2007, 20 VA 13/06, juris Leitsatz 1 sowie Rn. 27; Beschluss vom 29. Mai 2008, 20 VA 5/08, juris Rn. 9; Greger in Zöller, ZPO, § 299 Rn. 6a).
26
In dem Sachverhalt, welcher der bereits genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2006, IV AR (VZ) 1/06, zugrunde gelegen hat, wurde dieser rechtliche Bezug zum Verfahrensstoff der Insolvenzakte durch die Stellung des Einsichtsbegehrenden als früherer Insolvenzgläubiger der Schuldnerin begründet. Für den hier zu entscheidenden Sachverhalt ergibt sich daraus - wie auch aus den übrigen von der Antragstellerin genannten obergerichtlichen Entscheidungen - nichts zu deren Gunsten.
27
Die Antragstellerin ist zur Durchsetzung ihres Auskunftsanspruchs (§ 1379 BGB) vielmehr auf die geltenden prozessualen und vollstreckungsrechtlichen Instrumentarien zu verweisen.
28
e) Der angefochtene Bescheid unterliegt auch nicht wegen Verfahrensfehlern der Aufhebung.
29
Ob der Antragstellerin vor Erlass des zurückweisenden Bescheids zwar nicht unter dem geltend gemachten Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), aber nach dem Grundsatz der Verfahrensfairness (Art. 20 Abs. 3 GG) Gelegenheit zu ergänzender Darstellung des von ihr angenommenen rechtlichen Interesses hätte gewährt werden müssen, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, denn auch das mittlerweile ergänzte Vorbringen trägt die Annahme eines rechtlichen Interesses an der Akteneinsicht nicht.
30
Die ablehnende Entscheidung wurde zudem durch die funktional zuständige Stelle, die Gerichtsverwaltung, getroffen. Beim Amtsgericht München sind die Entscheidungen über Akteneinsichtsgesuche nach § 299 Abs. 2 ZPO der jeweiligen Abteilungsleitung übertragen (Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts München für das Jahr 2019, Abschnitt J „Justizverwaltung“, S. 216 unter Ziff. 13). Der Organisationsplan des Amtsgerichts München weist die Unterzeichnerin des angefochtenen Bescheids als Leiterin der Abteilung 15 (Insolvenzgericht und Vollstreckungsgericht) aus.
IV.
31
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Antragstellerin die gerichtlichen Kosten des Verfahrens bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19 GNotKG i. V. m. § 22 Abs. 1 GNotKG). Eine Nichterhebung der Kosten für das gerichtliche Verfahren nach § 21 Abs. 1 GNotKG kommt nicht in Betracht, auch nicht wegen des behaupteten verfahrensrechtlichen Defizits im Verwaltungsverfahren. Beschränkt sich ein anwaltlich vertretener Gesuchsteller zur Begründung seines rechtlichen Interesses an der Akteneinsicht auf eine einzeilige Begründung, so gebietet auch der Gesichtspunkt des fairen Verfahrens nicht zwingend einen Hinweis auf die Unzulänglichkeit des Vorbringens. Gesichtspunkte für eine andere Wertung sind vorliegend nicht gegeben.
32
Die nach § 3 Abs. 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 KV GNotKG erforderliche Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG. Das Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht bemisst der Senat mit einem Bruchteil ihres wirtschaftlichen Abwehrinteresses, das wiederum durch die Höhe der gegen sie erhobenen Ausgleichsforderung bestimmt wird.
33
Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.