Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.08.2019 – M 22 M 19.32599
Titel:

Erfolglose Erinnerung hinsichtlich einer Kostenentscheidung

Normenketten:
VwGO § 151, § 165 S. 2, § 172
RVG § 13, § 25 Abs. 1 Nr. 3
Schlagworte:
Kostenerinnerung, Kostenfestsetzung im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO, Kostenfestsetzungsbeschluss, Gegenstandswert, Mehrwertsteuer, Streitgegenstand, Vollstreckungsverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2019, 20276

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin (vormals Beklagte) wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2016 (M 22 K 16.31637) verpflichtet, dem Antragsgegner (vormals: Kläger) unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 24. Juni 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
2
Da die Antragstellerin dem vorbezeichneten Urteil in der Folge nicht nachgekommen war, beantragte der Antragsgegner mit am 19. März 2017 bei Gericht eingegangenem Schreiben die Vollstreckung aus dem Urteil vom 27. Oktober 2016 nach § 172 VwGO (M 22 V 17.35980). Das Vollstreckungsverfahren wurde nach Erlass des begehrten Bescheides am 4. April 2017 übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Beschluss vom 20. April 2017 eingestellt; die Kosten dieses Verfahrens wurden der Antragstellerin auferlegt.
3
Auf Antrag der Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 6. Juni 2019 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Juli 2019 für das Verfahren Az. M 22 V 17.35980 insgesamt 129,80 EUR notwendige Aufwendungen inkl. Verzinsung ab 11. Juli 2019 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gegenüber der Antragstellerin fest. Die Festsetzung basierte auf folgenden Angaben der Bevollmächtigten des Antragsgegners:
Gegenstandswert: € 5.000
0,3 Verfahrensgebühr 3109 RVG-VV € 90,90
Postpauschale 7002 RVG-VV € 18,18
19% Mehrwertsteuer € 20,72
€ 129,80
4
Mit Schreiben vom 8. Juli 2019, bei Gericht am 15. Juli 2019 eingegangen, beantragte die Antragstellerin die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung wird im Wesentlichen angegeben, Streitgegenstand des Vollstreckungsverfahrens sei die Androhung eines Zwangsgeldes mit dem Ziel, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihrer Verpflichtung aus dem zugrunde liegenden Urteil nachkomme. Gemäß Ziffer 1.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit betrage der Gegenstandswert in selbstständigen Vollstreckungsverfahren lediglich ¼ des Wertes der Hauptsache, vorliegend demgemäß 1.250,00 Euro und nicht 5.000,00 Euro. Das Begehren sei weder von der Bedeutung für den Vollstreckungsgläubiger noch vom Aufwand für den Prozessbevollmächtigten vergleichbar mit einer Sachentscheidung durch das Gericht.
5
Der Antragsgegner bringt mit Schreiben vom 19. August 2019 vor, es gebe keinen Grund, den Gegenstandswert vorliegend herabzusetzen, da im Rahmen der Zwangsvollstreckung ohnehin nur eine 0,3 Gebühr geltend gemacht werden könne.
6
Die Kostenbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom 15. Juli 2019 dem Gericht zur Entscheidung vor.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und in den Verfahren M 22 K 16.31637 und M 22 V 17.35980 verwiesen.
II.
8
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 - 1 N 01.1845 - juris Rn. 10), hier also durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
9
1. Die gemäß § 165 Satz 2 VwGO i.V.m. § 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Kostenerinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Dem Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zutreffend der - vorliegend allein streitige - Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde gelegt (5.000 EUR).
10
2. Bei einem Vollstreckungsverfahren nach §§ 167 ff. VwGO erhält der beauftragte Rechtsanwalt nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3309 der Anlage I zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Vergütungsverzeichnis) eine 3/10-Vollstreckungsverfahrensgebühr (sowie ggf. eine 3/10-Vollstreckungsterminsgebühr nach Nr. 3310 des Vergütungsverzeichnisses). Der Gebührensatz bezieht sich dabei auf den Gegenstandswert (vgl. § 13 RVG), der sich bei einer Vollstreckung nach § 172 VwGO nach dem Wert bestimmt, den die zu erwirkende Handlung (Erlass des Anerkennungsbescheides) für den Gläubiger (Kläger des Ausgangsverfahrens) hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Dieser Wert ist zu schätzen und entspricht regelmäßig dem Wert des zugrundeliegenden Erkenntnisverfahrens, hier also nach Maßgabe der Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG einem Betrag von 5.000,00 Euro. Das wirtschaftliche Interesse im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren ist im vorliegenden Fall eines Verpflichtungsausspruchs hinsichtlich einer zuerkannten materiell-rechtlichen Rechtsposition in einem Gerichtsurteil in einer Asylstreitigkeit nicht gegenüber dem zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren gemindert. Denn solange der gerichtliche Verpflichtungsausspruch im Nachgang nicht als Bescheid durch die Behörde der unterliegenden Beklagten umsetzt wird, aber erst an dessen Existenz nachfolgend andere (positive) Wirkungen wie z.B. die Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde geknüpft werden, ist das wirtschaftliche Interesse im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren gegenüber dem zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren schlechterdings nicht gemindert (vgl. hierzu VG München, B.v. 11.6.2019 - M 7 M 19.30323 - juris Rn. 20; überzeugend auch OVG NRW, B.v. 11.8.2010 - 8 E 555/10 - juris; VGH BW, B.v. 12.7.2000 - 13 S 352/00 - juris Rn. 3 und HessVGH, B.v. 26.3.1999 - 11 TM 3406/98, 11 TM 4200/ 98 - juris Rn. 32; Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. Ergänzungslieferung Februar 2019, § 172 Rn. 61 mit Fn. 191).
11
Der Gegenauffassung, wonach für die Vollstreckung regelmäßig eine Herabsetzung des Wertes gerechtfertigt sei (vgl. etwa VG Stuttgart, B.v. 18.7.2018 - A 11 K 9544/16 - juris) bzw. unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Streitwertkatalogs an die Zwangsgeldhöhe angeknüpft werden könne, folgt das Gericht nicht, da diese Ansätze nicht hinreichend auf das Erfüllungsinteresse hinsichtlich der Hauptsache als dem für die Wertbestimmung maßgeblichen Kriterium abstellen und im Übrigen bezüglich der Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit im Vollstreckungsverfahren der typischerweise geringeren Bedeutung gegenüber dem Betreiben des Erkenntnisverfahrens ohnehin durch die im Vergleich deutlich niedrigeren Gebührensätze Rechnung getragen ist.
12
Irgendwelche Umstände, die hier ausnahmsweise eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Juli 2019 ist daher nicht zu beanstanden.
13
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).