Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.08.2019 – 6 ZB 19.1248
Titel:

Rückforderung von Ausbildungskosten nach Kriegsdienstverweigerung

Normenketten:
SG § 46 Abs. 2 Nr. 7, 55 Abs. 1, § 56 Abs. 4 S. 1, S. 3
GG Art. 4 Abs. 3
VwGO § 114 S. 1, § 124a Abs. 4 S. 4
Leitsätze:
1. Ein als Kriegsdienstverweigerer anerkannter Soldat auf Zeit unterliegt nach der Entlassung aus der Bundeswehr gemäß § 56 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG der Pflicht zur Erstattung der Ausbildungskosten (Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Art. 4 Abs. 3 GG anzuwendende Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 S. 3 SG  führt zu einer Begrenzung der Erstattungspflicht auf solche Kosten, die der anerkannte Kriegsdienstverweigerer dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Fachkenntnissen und Fähigkeiten finanziert hat, die ihm im weiteren Berufsleben von Nutzen sind (Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)
3. Es bestehen keine Bedenken gegen die Verwaltungspraxis der Beklagten, die fiktive Berechnung der ersparten mittelbaren Ausbildungskosten auf der Grundlage der Ergebnisse der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ vorzunehmen (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
4. Die generalisierende und pauschalierende Vorteilsermittlung soll sich an den durchschnittlich ersparten Aufwendungen für eine gleichwertige Ausbildung an einer privaten Einrichtung orientieren und nicht allein an der Höhe einer steuerfinanzierten Sozialleistung (BAföG), die naturgemäß lediglich den Minimalbedarf decken kann (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Soldatenrecht, Soldat auf Zeit, Studium, Kriegsdienstverweigerer, Rückforderung von Ausbildungskosten, Ermessensentscheidung, Reduzierung des Rückforderungsbetrages, Ersparte Aufwendungen, Berechnungsgrundlage, Pauschalierende und typisierende Betrachtungsweise, Sozialerhebung des Deutschen, Studentenwerkes, BAföG-Höchstfördersätze, Antrag auf Zulassung der Berufung, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 14.05.2019 – AN 16 K 16.2403
Fundstelle:
BeckRS 2019, 17766

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Mai 2019 - AN 16 K 16.2403 - wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 62.804,06 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, greifen nicht durch (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2
1. Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung von Ausbildungskosten in Höhe von 62.804,06 €, nachdem er nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit vorzeitig entlassen worden ist.
3
Er war zum 1. Juli 2004 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in die Bundeswehr eingestellt und zum 1. August 2004 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden. Seine Dienstzeit war zuletzt auf 17 Jahre mit Dienstzeitende zum 30. Juni 2021 festgesetzt worden. Vom 2. Oktober 2004 bis zum 2. November 2011 studierte er unter Beurlaubung vom militärischen Dienst erfolgreich Humanmedizin und bezog während dieser Zeit Ausbildungsgeld nach Maßgabe des § 30 Abs. 2 SG. Mit Urkunde vom 29. September 2011 wurde er zum Stabsarzt ernannt.
4
Mit Bescheid vom 23. August 2012 wurde der Kläger auf seinen Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anerkannt und infolge dessen mit weiterem Bescheid vom 4. Oktober 2012 mit Ablauf des 8. Oktober 2012 gemäß § 55 Abs. 1 SG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SG aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit aus der Bundeswehr entlassen. Im Anschluss bezifferte die Wehrbereichsverwaltung das insgesamt an den Kläger ausbezahlte Ausbildungsgeld auf 159.063,00 € und gab diesem Gelegenheit, zur beabsichtigten Rückforderung eines Teilbetrages in Höhe von ca. 63.000,00 € Stellung zu nehmen. Auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Ratenzahlung/Stundung zu stellen, wurde hingewiesen. Mit Schreiben vom 20. April 2015 bat das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr den Kläger, zusätzlich zu der eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die letzten drei Gehaltsbescheinigungen, Nachweise über die Krankenversicherungsbeiträge, der Kammer- und/oder Gewerkschaftsbeiträge sowie den angegebenen sonstigen Kredit mit Laufzeit bis 1. November 2016 zu übersenden und darüber hinaus mitzuteilen, ob und in welcher Höhe die Ehefrau über eigene Einkünfte oder Vermögen verfüge oder ob die Familie anderweitig Unterstützung erhalte. Eine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben erfolgte nicht. Mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 22. September 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, den ihm anlässlich seines Studiums verbliebenen geldwerten Vorteil in Höhe von 62.804,06 € zu erstatten. Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2016 zurück.
5
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. Mai 2019 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Leistungsbescheid und der Widerspruchsbescheid seien rechtmäßig. Der Erstattungsbetrag sei in sachgerechter Ausübung des hier eröffneten Ermessens unter Anwendung der Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ (zu finden u.a. unter www.bmbf.de) ermittelt worden.
6
2. Die Einwände, die der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil vorbringt, können die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht rechtfertigen
7
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
8
Solche Zweifel wären begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 - 1 BvR 2228/02 - BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
9
Der Kläger zieht ausdrücklich weder die vom Verwaltungsgericht herangezogene Anspruchsgrundlage des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG noch die Feststellung in Frage, die Voraussetzungen dieser Norm seien dem Grunde nach erfüllt. Mit seinem Zulassungsvorbringen beanstandet er die Höhe des Rückforderungsbetrags und macht geltend, die Beklagte habe die Kosten der Ausbildung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts rechtsfehlerhaft berechnet. Damit dringt er nicht durch. Der Einwand, die Beklagte habe den geldwerten Vorteil des vom Kläger absolvierten Studiums ermessensfehlerhaft berechnet, weil sie eine vom Gesetz nicht mehr gedeckte Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt habe, geht fehl. Der Leistungsbescheid trägt der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG vielmehr in nicht zu beanstandender Weise Rechnung.
10
Ein als Kriegsdienstverweigerer anerkannter Soldat auf Zeit unterliegt nach der Entlassung aus der Bundeswehr gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG der Pflicht zur Erstattung der Ausbildungskosten. Diese Einbeziehung anerkannter Kriegsdienstverweigerer in die Erstattungspflicht verstößt nach einhelliger Rechtsprechung nicht gegen Art. 4 Abs. 3 GG (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2015 - 2 C 40.13 - juris Rn. 13; U.v. 30.3.2006 - 2 C 18.05 - juris Rn. 12). Denn die Rückzahlungsverpflichtung richtet sich nicht als Sanktion gegen die Gewissensentscheidung, sondern soll einen Vorteilsausgleich herbeiführen, nachdem der Soldat auf Kosten des Dienstherrn Spezialkenntnisse und -fähigkeiten erworben hat, während der Dienstherr die Kosten der Ausbildung (zum Teil) vergeblich aufgewandt hat (BVerwG, U.v. 28.10.2015 - 2 C 40.13 - juris Rn. 16; U.v. 30.3.2006 - 2 C 18.05 - juris Rn. 16). Da die Rückzahlungsverpflichtung den Soldaten aber nicht von der Ausübung seines Rechts auf Kriegsdienstverweigerung abhalten darf, stellt es ein verfassungsrechtlich gebotenes Korrektiv dar, die Erstattungspflicht, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kraft Gesetzes zu entlassender Soldat gegenübersieht, als besondere Härte im Sinn von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG anzusehen, die den Dienstherrn zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt (vgl. nur BVerwG, U.v. 28.10.2015 - 2 C 40.13 - juris Rn. 16; U.v. 30.3.2006 - 2 C 18.05 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 16.8.2018 - 6 ZB 18.1446 - juris Rn. 6). Die danach erforderliche Ermessensentscheidung über eine Reduzierung des Rückforderungsbetrages soll zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des grundrechtlich geschützten ehemaligen Soldaten einerseits und dem Dienstherrn andererseits führen.
11
Nach ständiger Rechtsprechung führt die Anwendung der Härtefallregelung aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Art. 4 Abs. 3 GG zu einer Begrenzung der Erstattungspflicht auf solche Kosten, die der anerkannte Kriegsdienstverweigerer dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Fachkenntnissen und Fähigkeiten finanziert hat, die ihm im weiteren Berufsleben von Nutzen sind. Dieser im Rahmen der Ermessensausübung des Dienstherrn nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG zu bestimmende auszugleichende Vorteil besteht in der Ersparnis von Aufwendungen, die der Soldat andernfalls selbst für ein Studium in Ausbildungseinrichtungen außerhalb der Bundeswehr hätte aufbringen müssen. Erspart sind neben den unmittelbaren Ausbildungskosten wie Ausbildungsgebühren und Aufwendungen für Ausbildungsmittel insbesondere auch die mittelbaren Kosten der Ausbildung wie u.a. die während dieser Zeit aufzubringenden Lebenshaltungskosten und Kosten für die Krankenversicherung (vgl. zu alldem: BVerwG, U.v. 30.3.2006 - 2 C 18.05 - juris Rn. 15 ff.).
12
Diesen Grundsätzen hat die Beklagte in ihrem Leistungsbescheid Rechnung getragen. Sie hat in Ausübung des ihr durch den Gesetzgeber auf der Rechtsfolgenseite des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eingeräumten Ermessens ohne Rechtsfehler nicht das tatsächlich an den Kläger ausgezahlte Ausbildungsgeld in Höhe von 159.647,36 € geltend gemacht, sondern lediglich den wesentlich niedrigeren Betrag von 62.804,06 € zurückverlangt. Diese Entscheidung lässt keine Ermessensfehler erkennen (§ 114 Satz 1 VwGO).
13
Eine Ermessensentscheidung ist von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten und vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dabei stellt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Beklagte eine gesetzliche Ermessensgrenze dar.
14
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Verwaltungspraxis der Beklagten, die fiktive Berechnung der ersparten mittelbaren Ausbildungskosten auf der Grundlage der Ergebnisse der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ vorzunehmen (so bereits BayVGH, B.v. 20.4.2018 - 6 ZB 18.510 - juris Rn. 13; B.v. 20.10.2017 - 6 ZB 17.1371 - juris Rn. 15; B.v. 26.10.2017 - 6 ZB 17.1640 - juris Rn. 14). Diese alle drei bis vier Jahre durchgeführte Erhebung stellt eine tragfähige Grundlage für die nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG zu treffende Ermessensentscheidung dar. Denn sie berücksichtigt mit den verschiedenen Elementen monatlicher Ausgaben von „Normalstudierenden“ genau jene ansatzfähigen Kosten, mit denen die vom Kläger ersparten Aufwendungen für ein Studium außerhalb der Bundeswehr realistisch und nachprüfbar abgebildet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine rückwirkende, zwangsläufig auf hypothetischen Annahmen beruhende Kostenermittlung niemals mehr als eine kalkulatorische Annäherung an den tatsächlichen Umfang der real ersparten Aufwendungen sein kann (HessVGH, B.v. 28.11.2008 - 1 ZU 2203/07 - juris Rn. 7). Dies führt dazu, dass sich die Aufwendungen, die der Kläger dadurch erspart hat, dass er sein Studium nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen, nur generalisierend und pauschalierend bestimmen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.2015 - 2 C 40.13 - juris Rn.18; im Anschluss daran OVG BB, B.v.12.4.2019 - 10 N 62.16 - juris Rn. 7; SächsOVG, B.v. 5.12.2018 - 2 A 631/17 - juris Rn. 29, 34; BayVGH, B.v. 5.2.2018 - 6 ZB 17.1416 - juris Rn. 9; OVG NW, U.v. 25.8.2016 - 1 A 2105/14 - juris Rn. 50; OVG RhPf, U.v. 10.6.2016 - 10 A 11136/15 - juris Rn. 36).
15
aa) Ohne Erfolg macht der Zulassungsantrag geltend, die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes stelle keine taugliche Grundlage für die Feststellung des Vorteils dar, der dem Kläger in Form von ersparten Aufwendungen durch die ihm gewährte unentgeltliche Ausbildung zugeflossen ist.
16
Fehl geht der Einwand, die genannte Studie sei nicht ausreichend repräsentativ, weil die Zahl der befragten Studierenden (16.370) gemessen an der Gesamtzahl der Studierenden (2.121.190) zu gering sei. Das reine zahlenmäßige Verhältnis zwischen Befragten und der Anzahl der Gesamtgruppe ist für die Repräsentativität einer Studie kein (ausreichendes) Qualitätsmerkmal. Bei einer repräsentativen Untersuchung geht es gerade darum, dass eine (relativ) kleine Gruppe möglichst gut eine viel größere Gruppe repräsentieren soll, damit man nicht alle befragen muss. Repräsentativ ist eine Studie also dann, wenn eine Stichprobe in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur relevanter Merkmale möglichst ähnlich der Grundgesamtheit ist. Dies wird durch ein optimales Auswahl- und Befragungsverfahren erreicht. Bei einer sorgfältigen Auswahl der Befragten und Durchführung der Befragung wird sich das Ergebnis kaum noch ändern, auch wenn mehr oder weniger zahlreiche weitere Mitglieder der Gesamtgruppe befragt werden. Dafür, dass die bei der Sozialerhebung angewandte Befragungsmethode insbesondere im Hinblick auf Stichprobenbildung, Rücklauf und Repräsentativität fehlerhaft sein könnte, trägt der Kläger nichts Stichhaltiges vor und ist auch nichts ersichtlich.
17
bb) Schon im Ausgangspunkt nicht überzeugen kann der Einwand, der von der Studie ermittelte Betrag könne nicht mit dem sozialleistungsrechtlichen Bedarf gleichgesetzt werden, da er „einen“, aber nicht „den“ Durchschnittswert wiedergebe und auch Ausgaben einbeziehe, „die über den von einem zu berücksichtigenden Bedarf“ hinausgingen, weshalb die Studie nicht als Berechnungsgrundlage tauge. Diese Argumentation verkennt, dass bei der Ermittlung der ersparten Aufwendungen nicht zwingend auf einen (minimalen) Bedarf abzustellen ist. Vielmehr ist in einer generalisierenden und pauschalierenden Betrachtung der Betrag zu ermitteln, der sich an den durchschnittlichen Aufwendungen für eine gleichwertige Ausbildung an einer privaten Einrichtung orientiert (HessVGH, B.v. 28.11.2008 - 1 ZU 2203/07 - juris Rn. 13). Dieser wiederum wird am ehesten durch das abgebildet, was der durchschnittliche Student verbraucht, nicht durch das, was er minimal benötigt.
18
cc) Keine Richtigkeitszweifel ergeben sich aus dem Vorbringen, die Beklagte hätte die Vorteilsermittlung auf der Grundlage der BAföG-Bedarfssätze vornehmen müssen, da insoweit zum einen von einer Ermessensreduzierung auf „Null“ auszugehen sei und zum anderen bei der Abwägung stets der Wert heranzuziehen sei, der am realistischsten den geldwerten Vorteil abbilde. Die Ansicht, das BAföG biete einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Bedarfs, der für einen Auszubildenden zur Erhaltung seines Lebensunterhalts und Führung seiner Ausbildung erforderlich sei, und stelle daher im Vergleich zu den Ergebnissen der Sozialstudie die geeignetere und realitätsnähere Berechnungsgrundlage dar, kann nicht überzeugen.
19
Der Kläger verkennt insoweit den maßgeblichen Umfang der gerichtlichen Überprüfung der streitgegenständlichen Ermessensentscheidung. Hierbei ist nur zu prüfen, ob die in § 114 VwGO genannten Voraussetzungen eingehalten wurden, nicht dagegen, ob vielleicht andere Lösungen zweckmäßiger gewesen wären. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung ist mit Blick auf § 114 Satz 1 VwGO allein von Bedeutung, ob die Beklagte die dem Kläger durch die ihm gewährte unentgeltliche Ausbildung zugeflossenen Vorteile sachgerecht und in angemessener Höhe festgesetzt und damit das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Eine Ermessensreduzierung auf „Null“ kommt nur in Betracht, wenn das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
20
Die Höhe des Vorteils aus dem bei der Bundeswehr absolvierten Studium hat die Beklagte nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG in Ausübung ihres Ermessens zu bestimmen. Dabei hat sie ihrer Entscheidung eine sachgerechte und tragfähige Berechnungsgrundlage zugrunde zu legen, die zu einem angemessenen Ergebnis führt. Es liegt auf der Hand, dass im Rahmen einer pauschalierenden und typisierenden Betrachtungsweise verschiedene Ansätze denkbar sind, unter denen aber nicht die Verwaltungsgerichte, sondern die Beklagte nach Ermessen eine Auswahl treffen muss.
21
Die Veranschlagung monatlicher Beträge für ersparte Lebenshaltungskosten von 698,- € (10/2004 bis 12/2005), 738,- € (2006 bis 2008) und 757,- € (2009 bis 11/2011) erweist sich dabei nicht als ermessensfehlerhaft. Derartige monatliche Aufwendungen an deutschen Hochschulstandorten für Lebensunterhalt und Lernmittel stellen sich weder als unangemessen hoch noch als unverhältnismäßig dar, sondern vielmehr als durchaus realistisch. Dass die Fördersätze nach dem BAföG niedriger waren, steht dem nicht entgegen. Denn der den BAföG-Sätzen zugrunde gelegte Bedarf ist nicht deckungsgleich mit den hier maßgeblichen durchschnittlichen Aufwendungen eines Studierenden. Die Ermittlung der Bedarfssätze nach dem BAföG erfolgt vielmehr in Abwägung zur finanzwirtschaftlichen Gesamtentwicklung und dem Erfordernis der Haushaltskonsolidierung (BT-Drs. 18/460, S. 52). Sie müssen finanzpolitisch vertretbar sein. Zudem findet ein Vergleich zur Entwicklung der finanziellen Situation anderer auf staatliche Transferleistungen angewiesener gesellschaftlicher Gruppierungen statt, um sicherzustellen, dass die BAföG-Sätze sozial gerechtfertigt sind. Dabei hatte der Gesetzgeber im Blick, dass neben den BAföG-Leistungen meist auch nicht anrechenbares Einkommen zur Verfügung steht, insbesondere Kindergeld. Zudem hält der Gesetzgeber selbst fest, dass der Förderhöchstbetrag mit der von der HIS ermittelten Summe der untersuchten Einzelpositionen studentischer Ausgaben nicht gleichgesetzt werden kann, weil letzterer einen Durchschnittswert wiedergibt und auch Ausgaben einbezieht, die über den von einer steuerfinanzierten Sozialleistung zu berücksichtigenden Bedarf hinausgehen (BT-Drs. 18/460, S. 51).
22
Die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angezeigte generalisierende und pauschalierende Vorteilsermittlung soll sich jedoch an den durchschnittlich ersparten Aufwendungen für eine gleichwertige Ausbildung an einer privaten Einrichtung orientieren und nicht allein an der Höhe einer steuerfinanzierten Sozialleistung, die naturgemäß lediglich den Minimalbedarf decken kann. Die oben dargestellten Umstände zeigen, dass die BAföG-Fördersätze solche durchschnittlichen Kosten gerade nicht abbilden. Offensichtlich aus diesem Grunde hat das Bundesverwaltungsgericht auch ausgeführt, dass der Umfang der ersparten Lebenshaltungskosten (nur) „notfalls anhand vergleichender Betrachtung der BAföG-Fördersätze“ ermittelt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 - 2 C 18.05 - juris Rn. 25), wenn keine andere sachgerechte Berechnungsgrundlage vorhanden ist.
23
Die Beklagte hält sich mit der gewählten Berechnungsgrundlage innerhalb des ihr eingeräumten Pauschalierungs- und Typisierungsermessens.
24
dd) Der Kläger macht weiter geltend, man müsse bei der Berechnung des dem Soldaten verbliebenen geldwerten Vorteils berücksichtigen, dass sich eine überwiegende Zahl an Studierenden einer Einnahmequelle - meist aus einer Nebentätigkeit - bedienten. Insoweit müsse man einen durchschnittlichen Verdienst eines Studierenden von 300 € vom berechneten Vorteil in Abzug bringen. Auch daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
25
Es ist schon nicht nachvollziehbar, inwiefern die Erzielung von Einkommen aus einem Nebenjob die zu ermittelnden durchschnittlichen Lebenshaltungskosten eines Studierenden mindern sollte. Denn der erzielte Lohn wird in der Regel gerade für die Deckung der monatlich anfallenden Kosten für die Lebenshaltung und das Studium benötigt und eingesetzt. Bei Anwendung der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG geht es indes gerade darum, welche Lebenshaltungskosten der anerkannte Kriegsdienstverweigerer dadurch erspart hat, dass sein Studium durch die Bundeswehr finanziert worden ist. Eine „Ersparnis“ in diesem Sinne liegt vor, wenn und soweit der Betroffene im Rahmen einer zivilen Ausbildung die insoweit erforderlichen Mittel „selbst hätte aufbringen müssen“, wenn er sie also selbst hätte finanzieren müssen, sei es durch Einsatz seines sonstigen Vermögens, durch Aufnahme von Nebenjobs, durch Geltendmachung etwaiger Unterhaltsansprüche gegenüber seinen Eltern oder durch Inanspruchnahme staatlicher Ausbildungsförderung nach dem BAföG (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 - 6 ZB 14.1841 - juris Rn. 13 m.w.N.). Die Beklagte hat hier der Sache nach die Mittel für die Lebenshaltung getragen und es damit dem Kläger ermöglicht, ein zivil verwertbares Medizinstudium zu absolvieren, ohne es selbst finanzieren zu müssen. Darin liegt der zu erstattende wirtschaftliche Vorteil für den Kläger.
26
ee) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich für eine Reduzierung des zu erstattenden Betrages auf die ersparten Aufwendungen entschieden und nicht auf einen noch höheren Betrag verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2014 - 6 ZB 13.1527 - juris Rn. 6).
27
Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers, im angefochtenen Urteil werde nicht darauf eingegangen, inwiefern der Ermessensspielraum ausgeschöpft worden sei. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr in ausreichender Weise dargelegt, die Beklagte sei der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend zutreffend davon ausgegangen, dass die nach § 56 Abs. 4 Satz 1 SG grundsätzlich bestehende Erstattungsverpflichtung für den Kläger wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer eine besondere Härte darstelle; sie habe in Ausübung des ihr insoweit zustehenden Ermessens rechtsfehlerfrei (nur) die Rückerstattung eines Teilbetrags der tatsächlich angefallenen Ausbildungskosten verlangt. Anhaltspunkte für die Annahme einer - weiteren - besonderen Härte, die eine weitere Reduzierung oder gar einen vollständigen Verzicht gebieten würde, seien nicht ersichtlich (S. 22 des angefochtenen Urteils).
28
b) Der Rechtsstreit weist keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, die nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
29
Die Frage, ob zur Ermittlung des von Kriegsdienstverweigerern im Rahmen des § 56 Abs. 4 SG zu erstattenden geldwerten Vorteils eines ihm durch die Bundeswehr finanzierten Studiums auf die Regeln des BaföG zurückgegriffen werden muss oder ob die Beklagte die Höhe der ersparten Ausbildungskosten anhand der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ ermitteln darf, kann ohne weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung beantwortet werden und bedarf nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren.
30
c) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt.
31
Um die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 22.6.2017 - 6 ZB 17.30679 - juris Rn. 3; B.v. 16.2.2017 - 6 ZB 16.1586 - juris Rn. 25 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Es fehlt schon an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage, der eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt.
32
Soweit dem Vorbringen sinngemäß die Frage zu entnehmen ist, ob der Umfang der während der notwendigen Dauer der Ausbildung ersparten Lebenshaltungskosten ausschließlich unter Zugrundelegung der Fördersätze nach dem BAföG zu ermitteln ist, kann dies die Zulassung der Berufung nicht begründen. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzes und der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ohne weiteres im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten lässt.
33
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
34
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).