Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.08.2019 – 3 ZB 17.2479
Titel:

Kein Erfordernis eines "besonderen Gesetzes" für die Aberkennung des Ruhegehalts eines Richters bei Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren

Normenketten:
GG Art. 98 Abs. 1, Abs. 3
BayBeamtVG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Es besteht weder inhaltlich noch gesetzestechnisch Veranlassung, den Verlust der Versorgung infolge Verurteilung eines Richters im Ruhestand in einem „besonderen Gesetz“ iSd Art. 98 Abs. 1 und Abs. 3 GG zu regeln; ausreichende gesetzliche Regelung ist der Verweis des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG auf den für Ruhestandsbeamte geltenden Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der für die Einführung der Bundesbesoldungsordnung R maßgebliche Grund, nämlich die Unabhängigkeit der Richter durch eine eigenständige und von der Besoldung der Beamten unterschiedliche Besoldung zu wahren und zu betonen, kann nach Beendigung der aktiven Richtertätigkeit für Richter keine Geltung mehr beanspruchen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Regelung zum Rechtsverlust der Richter im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ist für den Begriff „einer vorsätzlichen Tat“ gemäß Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG auf die Gesamtstrafe und nicht auf die Einzelstrafen abzustellen (stRspr BVerwG BeckRS 1997, 22562). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Richter im Ruhestand, Gesamtfreiheitsstrafe, „eine vorsätzliche Tat“, Verlust der Rechte als Ruhestandsbeamter, Erfordernis einer besonderen richterrechtlichen Regelung (verneint), Alimentation, ernstlicher Zweifel, richterliche Unabhängigkeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.10.2017 – M 5 K 17.293
Fundstelle:
BeckRS 2019, 17757

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 56.297,97 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der 1945 geborene Kläger, der bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. August 1998 als Richter am Sozialgericht im Dienst des Beklagten stand, begehrt die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm Versorgungsbezüge entsprechend der Besoldungsgruppe R 1 zu bezahlen. Das Landesamt für Finanzen hatte mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 den Verlust der Versorgungsbezüge mit Ablauf des 10. Oktober 2016 gemäß Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG festgestellt, nachdem der Kläger mit Urteil des Landgerichts München I vom 12. November 2015, rechtskräftig seit 10. Oktober 2016, wegen Betrugs in 136 tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Form des Gebrauchmachens zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden war. Die abgeurteilten Sachverhalte lagen sämtlich in der Zeit nach der Versetzung in den Ruhestand.
2
Das Verwaltungsgericht wies die Feststellungsklage ab. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
3
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten), und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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1. 1 Nach Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG verlieren Ruhebestandsbeamte, die durch ein deutsches Gericht im ordentlichen Strafverfahren wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sind, mit der Rechtskraft der Entscheidung ihre Rechte als Ruhestandsbeamte. Diese Bestimmung gilt nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG entsprechend für in Ruhestand getretene Richter.
6
Der bayerische Gesetzgeber durfte den Verlust der Rechte als Richter im Ruhestand im Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz regeln. Zwar ist nach Art. 98 Abs. 3 GG die Rechtsstellung der Richter der Länder durch besondere Landesgesetze zu regeln, soweit Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG nichts anderes bestimmt. Art. 98 Abs. 3 fordert jedoch eine eigenständige richterrechtliche Regelung nur für das Richteramtsrecht, nämlich der Regelung der Statusrechte und -pflichten (v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Mai 2019, § 1 Rn. 23; BVerfG, B.v. 27.6.1974 - 2 BvR 429/72 u.a. - juris) bzw. des Amts- und Dienstrechts der Richter (Detterbeck in Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 98 Rn. 1). Der Verlust der Rechte als Richter im Ruhestand berührt keine amts- oder dienstrechtlichen Fragen.
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1.1.1 Der Kläger wurde mit Ablauf des Monats August 1998 in den Ruhestand versetzt. Damit endete nach § 21 Abs. 2 BRRG in der Fassung vom 24. Februar 1997 (BGBl 1997, 322) sein Richterverhältnis und es entstand ein Versorgungsverhältnis, dessen Hauptmerkmale die Ansprüche auf Versorgungs- und Hinterbliebenenbezüge sowie auf Fürsorge einschließlich der Beihilfeleistungen sind. Im Ruhestand befindliche Beamte und Richter haben keine Dienstleistungspflicht mehr, Inhalt und Ausmaß ihrer Pflichtenstellung ändern sich. Im Rahmen dieses Versorgungsverhältnisses hat der in den Ruhestand versetzte Richter nicht nur die nachwirkenden Pflichten des aktiven Richterverhältnisses (z.B. Schweigen über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses, vgl. § 43 DRiG), sondern weitere Verpflichtungen zu beachten, die sich u.a. aus dem Treueverhältnis gegenüber seinem Dienstherrn ergeben, insbesondere die Einhaltung der Gesetze (DGH für Richter beim OLG Stuttgart, U.v. 20.10.2009 - DGH 1/09 - juris Rn. 147). Beamten und Richtern im Ruhestand obliegt die Verpflichtung, sich rechtskonform zu verhalten, und ihr gesamtes Verhalten so einzurichten, dass die Alimentation durch die Allgemeinheit auch vertretbar erscheint (vgl. zur bundesrechtlichen Bestimmung: Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand: Juli 2019, § 59 BeamtVG Rn. 1).
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Sowohl der bayerische Gesetzgeber als auch der Bundesgesetzgeber haben in ihren Beamtenversorgungsgesetzen das Erlöschen der Versorgungsbezüge sowohl der Ruhestandsbeamten als auch der Richter im Ruhestand vorgesehen, wenn diese wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sind (Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG, § 59 BeamtVG). Der Rechtsverlust bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren beruht auf dem Rechtsgedanken der Anspruchsverwirkung. Danach kann derjenige, welcher die in der Strafrechtsordnung verankerten elementaren Regeln zum Schutze der staatlichen Gemeinschaft gravierend verletzt hat, nicht erwarten, dass sein angemessener Lebensunterhalt aufgrund eines Rechtsanspruchs auf beamtenrechtliche/richterrechtliche Versorgung finanziert wird (BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 2 B 23.13 - juris Rn. 14 unter Hinweis auf U.v. 28.5.1998 - 2 C 3.98 - juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 15.5.1997 - 2 C 39.96 - juris Rn. 22). Hierbei handelt es sich um eine typische dienstrechtliche Situation nachwirkender Loyalitätspflichten der Ruhestandsbeamten und Richter im Ruhestand, die im Dienstrecht zu regeln ist und auch geregelt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2017 - 2 C 45.16 - juris zur Tätigkeit eines in den Ruhestand versetzten Richters als Rechtsanwalt bei seinem früheren Gericht; in diesem Sinne auch Wilhelm in GKÖD, Bd. I, Stand: März 2019, § 59 BeamtVG Rn. 3).
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1.1.2 Es besteht im Übrigen weder inhaltlich noch gesetzestechnisch Veranlassung, den Verlust der Versorgung infolge Verurteilung eines Richters im Ruhestand in einem „besonderen Gesetz“ i.S.d. Art. 98 Abs. 1 und Abs. 3 GG zu regeln.
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Der in Art. 98 Abs. 1 und Abs. 3 GG enthaltene zwingende Gesetzgebungsauftrag an den Gesetzgeber in Bund und Ländern, die Rechtsstellung der Richter zu regeln, ist letztlich Ausfluss der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richter. Richterliche Unabhängigkeit dient dem ausschließlichen Zweck, der rechtsprechenden Gewalt den ihr wesenseigenen Charakter als einer neutralen, sachlich unbeteiligten Staatsgewalt zu verleihen. Die Garantie richterlicher Unabhängigkeit ist auf die Rechtsprechung als ihren sachlichen Schutzbereich beschränkt. Nur für seine richterliche Tätigkeit ist der Richter geschützt. Dies gilt neben dem Kernbereich richterlicher Spruchtätigkeit auch für die richterliche Tätigkeit im Vor- und Umfeld hierzu. Die sachliche und persönliche Unabhängigkeit ist dem Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG nur für die richterliche Tätigkeit gewährt. Sie ist weder Privileg noch Selbstzweck, sondern subjektives-öffentliches Recht, um eine gerechte, von sachfremden Einflüssen freie Rechtsprechung zu ermöglichen (Schmidt Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 6. Aufl. 2009, § 25 Rn. 9). Unabhängigkeit wird nicht dem Richter persönlich, sondern nur dem rechtsprechenden Richter als solchem zugebilligt (Fürst/Mühl/Arndt, Richtergesetz, 1. Aufl. 1992, § 25 Rn. 2). Auch aus Art. 97 Abs. 2 GG wird hinreichend deutlich, dass sich die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter auf ihre aktive Tätigkeit beschränkt, in dem dort zum Ausdruck gebracht wird, dass Berufsrichter vor Ablauf ihrer Amtszeit nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und gegen ihren Willen nur aufgrund richterlicher Entscheidung abberufen werden können. Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter zur Folge hat, dass diese bei der Ausübung rechtsprechender Gewalt keinen Weisungen unterliegen und dass auch andere, insbesondere auf das Dienstrecht gestützte Maßnahmen, die rechtsprechende Tätigkeit des Richters und damit seine sachliche Unabhängigkeit weder unmittelbar noch mittelbar beeinträchtigen dürfen. Der verfassungsrechtliche Schutz gilt somit dem rechtsprechenden Richter und nicht dem Richter im Ruhestand. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 31. August 1976 (2 BvR 565/76 - ZBR 1977, 100) zum Ausdruck gebracht. Dort hat es festgestellt, dass der für die Einführung der Bundesbesoldungsordnung R maßgebliche Grund, nämlich die Unabhängigkeit der Richter durch eine eigenständige und von der Besoldung der Beamten unterschiedliche Besoldung zu wahren und zu betonen, nach Beendigung der aktiven Richtertätigkeit für Richter keine Geltung mehr beanspruchen kann.
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1.1.3 Dem steht auch die klägerseitig in Bezug genommene Begründung des Beschlusses des Bayerischen Dienstgerichts für Richter des Oberlandesgerichtsbezirks München vom 23. März 2016 (DG 4/15) nicht entgegen. Dort war das Dienstgericht davon ausgegangen, dass Art. 69 BayRiG nur den vorläufigen Einbehalt von Gehalt von aktiven Richtern regelt, jedoch nicht auf Richter im Ruhestand Anwendung findet. Da der Einbehalt von Teilen des Ruhegehalts in den Richterstatus eingreife, könne insoweit auch nicht über § 67 Abs. 1 BayRiG die Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Satz 1 BayBeamtVG zur entsprechenden Anwendung kommen. Die in den Status des Richters eingreifenden disziplinarrechtlichen Vorschriften des Bayerischen Richtergesetzes seien vielmehr abschließend; ein Rückgriff auf die darüber hinaus geltenden Vorschriften des Bayerischen Disziplinargesetzes sei nicht möglich, soweit mit der Disziplinarmaßnahme auch in den Status des Richters eingegriffen werde (S. 8 des BA). Das Dienstgericht hat damit lediglich klargestellt, dass die Vorschriften des Bayerischen Richtergesetzes abschließend sind und insoweit kein Rückgriff über Art. 67 Abs. 1 BayRiG auf das Bayerische Disziplinargesetz zulässig ist. Vorliegend steht jedoch keine Disziplinarmaßnahme, sondern eine ausdrücklich gesetzlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG (auch) für Richter im Ruhestand angeordnete versorgungsrechtliche Folge einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren inmitten. Soweit das Dienstgericht davon ausgeht, Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG greife in den Richterstatus ein, folgt der Senat dem aus den vorstehenden Gründen (unter 1.1.1) nicht, zumal das Dienstgericht seine Auffassung hinsichtlich der Statusbezogenheit nicht weiter begründet hat.
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1.2 Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG im Fall des Klägers vorliegen.
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1.2.1 Ausgehend von dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung läge es zwar - bezogen auf den Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG in Verbindung mit den §§ 53 ff. StGB - nahe, den Begriff „einer vorsätzlichen Tat“ so zu verstehen, als damit nur eine (singuläre) konkrete Handlung oder Unterlassung gemeint ist. Danach käme es nicht auf die Höhe der Gesamtstrafe, sondern auf die jeweilige Einzelstrafe an. Dies entspräche jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Regelung. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe auch vorliegt, wenn wegen mehrerer vorsätzlicher Rechtsverletzungen eine Gesamtfreiheitsstrafe - selbst wenn sie nachträglich gebildet wird - ausgesprochen worden ist (BVerwG, B.v. 10.6.1992 - 2 B 88.92, 2 C 13.92 - juris; U.v. 15.5.1997 - 2 C 39.96 - juris Rn. 29 dem folgend: OVG NW, U.v. 15.4.1999 - 12 A 2950/98 - juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 10.6.2016 - 3 ZB 14.1307 - juris Rn. 9). Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sind zu § 59 Abs. 1 Nr. 1 und § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeamtVG ergangen, können aber ohne weiteres auf das Landesrecht übertragen werden. Ein Richter im Ruhestand, der durch mehrere Rechtsverstöße eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren oder mehr verwirkt hat, hat sich nicht weniger untragbar gemacht als ein Beamter, der eine solche Strafe bereits durch einen einzigen Rechtsverstoß verwirkt hat. Es besteht kein Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes. Als „eine vorsätzliche Tat“ im Sinne der beamtenrechtlichen Regelungen ist das dem Strafausspruch wegen vorsätzlichen Handelns insgesamt zugrundeliegende Verhalten anzusehen. Dem folgt die überwiegende Kommentarliteratur (Kazmaier/Eck in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: März 2019, Art. 80 Rn. 36; zu vergleichbaren bundesrechtlichen Bestimmungen: Leihkauff a.a.O. § 59 BeamtVG Rn. 11; von Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Mai 2019, § 24 Rn. 57; Hoffmann in Schütz/Maiwald; Beamtenrecht, Stand: Juni 2019, § 24 BeamtStG Rn. 23; Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand: Juli 2019, § 41 BBG Rn. 8; Zängl in GKÖD, Bd. I, Stand: März 2019, § 41 BBG Rn. 22), der sich der Senat anschließt. Die vom Kläger wiedergegebene Auffassung von Reich (Beamtenversorgungsgesetz, 1. Aufl. 2013, § 59 Rn. 6), wonach es nicht auf die Höhe der Gesamtstrafe, sondern auf die jeweilige Einzelstrafe ankommt, ist vereinzelt geblieben und überzeugt angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht.
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1.2.2 Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf die Gesetzeshistorie. Der Kläger weist darauf hin, dass Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG wortlautgemäß anzuwenden sei, weil die Bestimmung in Kenntnis eines Bekanntmachungsfehlers im Jahr 1969 übernommen worden sei. Während seinerzeit ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille Berücksichtigung habe finden können, sei dies bei der bayerischen Bestimmung nicht der Fall. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils legt der Kläger damit nicht dar.
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Ursprünglich wurde der Verlust der Beamtenrechte an eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr wegen „vorsätzlich begangener Tat“ geknüpft, sodass auch eine Gesamtstrafe für mehrere vorsätzliche Taten zur Erfüllung des gesetzlichen Verlusttatbestandes ausreichte. Diese Bestimmung ging auf § 23 des Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935 (RGBl. I S. 609) zurück (v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Mai 2019, § 24 Rn. 55). Mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) erhielten § 24 BRRG durch Art. 18 Nr. 1 und § 48 BRRG durch Art. 19 Nr. 1 ihre bis zum Februar 2009 geltenden Fassungen: „wegen einer vorsätzlichen Tat“ (BGBl. I S. 645/664). Die Bekanntgabe entsprach jedoch nicht der Fassung der Ausschussvorlage, die - wie bisher - an der Verurteilung „wegen vorsätzlicher Tat“ festhielt und mit der das Gesetz vom Deutschen Bundestag tatsächlich beschlossen worden war (Sten. Berichte V. WP Bd. 70 S. 12791 f.).
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Der Gesetzgeber wollte offenkundig die Rechtslage in Bezug auf die Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung unverändert beibehalten. Daher kann allein aus dem - seinerzeit falsch verkündeten - Wortlaut, der in den Nachfolgebestimmungen, § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG, § 41 BBG, § 59 BeamtVG und - schließlich auch - Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG, übernommen und damit beibehalten worden ist, nicht auf eine engere Fassung der Tatbestandsvoraussetzungen geschlossen werden (v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Mai 2019, § 24 Rn. 55). Vielmehr kommt es auf die Zielsetzung des Gesetzgebers und den Zweck der Regelung an, das Dienstverhältnis eines Beamten jedenfalls dann kraft Gesetzes zu beenden, wenn er sich in einer Weise strafbar gemacht hat, dass der oben beschriebene Rechtsgedanke der Anspruchsverwirkung zum Tragen kommt. Diese für § 24 BRRG geltenden Auslegungsmaßstäbe haben sich durch die Übernahme in das Beamtenstatusgesetz nicht geändert, da nicht erkennbar ist, dass der Gesetzgeber insoweit eine Einschränkung vornehmen wollte (v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, a.a.O.).
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Gleiches gilt für Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG. Der bayerische Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 16/3200, S. 502) Fälle regeln, „in denen ähnlich wie in § 24 BeamtStG einer als Reaktion auf das Fehlverhalten ergangenen gerichtlichen Entscheidung Tatbestandwirkung für den Verlust der Versorgung zukommt“. Er wollte die Fälle „straffällig gewordener Versorgungsberechtigter, in denen die Schwere der Straftaten den Verlust der Versorgung“ gebieten, erfassen. Beamte, die sich besonders schwerwiegender Rechtsverstöße schuldig gemacht haben, verlieren, als schlechthin untragbar für den öffentlichen Dienst, kraft Gesetzes ihre Beamtenrechte, ohne dass es dazu noch eines Disziplinarverfahrens bedarf. Insoweit ist nochmals auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 1992 (2 B 88.92 - juris Rn. 1) zu verweisen, wonach „eine vorsätzliche Tat“ auch bei einer Gesamtfreiheitsstrafe zu bejahen ist.
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2. Aus den unter 1.1 dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
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3. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen
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„Kann bei einem Richter im Ruhestand der Verlust der Versorgungsbezüge nach Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG eintreten, oder bedarf es hierzu einer Regelung im Bayerischen Richtergesetz?“
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„Umfasst die Formulierung in Art. 80 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG ‚wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren‘ auch den Fall einer Verurteilung von mehreren Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren?“
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sind nicht klärungsbedürftig. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter 1. ergibt, lassen sich beide Fragen ohne weiteres aus dem Gesetz bzw. anhand des bislang erreichten Klärungsstands in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung und des allgemein anerkannten Meinungsstands im Schrifttum beantworten.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 5 Nr. 1 GKG (wie Vorinstanz).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).