Inhalt

VGH München, Beschluss v. 26.07.2019 – 10 ZB 19.1207
Titel:

Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen

Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 2, § 95 Abs. 1, § 108, § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4
AufenthG § 53, § 54
StVollzG § 36
Leitsätze:
1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts wegen fehlerhafter Beweiswürdigung bestehen nur dann, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zutreffend oder z. B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Feststellung der Wiederholungsgefahr können die Ausländerbehörden und demzufolge auch die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung berufenen Gerichte ohne weiteres in aller Regel von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und dürfen die darin getroffenen Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei auf deliktsspezifischen Defiziten beruhenden Straftaten kann von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht die erforderliche Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, Wiederholungsgefahr, Prognoseentscheidung, Beweiswürdigung, Bindung an Strafurteil, (fehlende) Therapiemöglichkeit, Teilnahme an mündlicher Verhandlung, Ablehnung eines Beweisantrags, Ausweisung, Sachverhaltsermittlung, Strafurteil, deliktsspezifische Defizite, Bindung, Therapiemöglichkeit, Gehörsrüge
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 29.01.2019 – M 4 K 17.5022
Fundstelle:
BeckRS 2019, 17625

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre befristet und seine Abschiebung in die Türkei angedroht wurde.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch liegen die Zulassungsgründe der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.) oder eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (4.) vor bzw. sind hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers gemäß §§ 53 ff. AufenthG als rechtmäßig erachtet, weil sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich sei. Insofern sei bei der gerichtlichen Überprüfung einer Ausweisungsentscheidung eine eigenständige Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Die Anlasstat, wegen der der Kläger am 27. März 2017 wegen Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Raub und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt worden sei, sowie die zuvor begangenen Verurteilungen aus den Jahren 2014 (Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung) und 2012 (Nötigung) wiesen eine Steigerung in ihrer Intensität auf und sprächen für eine Wiederholungsgefahr. Die zuletzt gezeigten Therapiebestrebungen änderten hieran nichts, denn der Kläger habe bislang eine Therapie weder begonnen noch ansatzweise abgeschlossen. Unabhängig davon gehe das Gericht beim Kläger von einer massiven ungelösten Gewaltproblematik aus. Auch strafgerichtlich sei eine ungünstige Sozialprognose konstatiert und eine Haftentlassung nach zwei Dritteln der Haftzeit abgelehnt worden. Die deliktsursächlichen Defizite seien noch nicht ansatzweise aufgearbeitet. Den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer komme erheblich indizielle Bedeutung zu. Die insofern von der Klägerbevollmächtigten vorgebrachten Einwände, dass die Straftaten einen familiären/beziehungsinternen Bezug aufweisen würden, seien nicht geeignet, die Taten zu rechtfertigen oder die Wiederholungsgefahr zu verringern. Es könne nicht nur von in Ausnahmesituationen begangenen Straftaten ausgegangen werden. Das in der Haft gezeigte Wohlverhalten habe nur eine beschränkte Aussagekraft für das Verhalten nach der Haftentlassung, weil der Kläger unter der Kontrolle des Strafvollzugs und unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens gestanden habe. Im Übrigen sei der Kläger in der Haft disziplinarisch geahndet worden. Auch habe es zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft, weil sich das Gericht bei der Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewege, die den Gerichten allgemein zugänglich seien, und ein Sonderfall nicht vorliege.
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Das Ausweisungsinteresse überwiege das Bleibeinteresse des Klägers, obwohl er fast sein ganzes Leben im Bundesgebiet verbracht habe. Zu seinen Gunsten werde davon ausgegangen, dass es sich bei ihm um einen sog. faktischen Inländer handle. Er habe einen Hauptschulabschluss, sei berufstätig gewesen, seine Eltern und weitere Verwandte lebten im Bundesgebiet und er habe sich in der Strafhaft größtenteils beanstandungsfrei geführt und dort gearbeitet. Allerdings sei der Kläger wiederholt und mit sich steigernder Intensität straffällig geworden. Erschwerend sei die von hoher Aggressivität geprägte Tatbegehung, wodurch die Geschädigte psychisch stark in Mitleidenschaft gezogen worden sei, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter zu berücksichtigen. Die Integration sei nicht gänzlich geglückt, weil der Kläger vor seiner Inhaftierung zwei Monate arbeits- und zuletzt auch wohnsitzlos gewesen sei. Die Möglichkeit der therapeutischen Aufarbeitung der Gewaltproblematik sei aus in der Sphäre des Klägers liegenden Gründen bislang unterblieben. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, weil der Kläger wiederholt straffällig geworden sei, Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit begangen und die deliktsursächlichen Defizite nicht ansatzweise aufgearbeitet habe. Ihm sei es zuzumuten, sich in der Türkei eine eigene Existenz aufzubauen. Eine eigene Kernfamilie habe der Kläger in Deutschland nicht gegründet, verfüge aber andererseits über türkische Sprachkenntnisse, eine Berufsausbildung sowie Verwandte in seiner Heimat.
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Die vom Kläger in der Zulassungsbegründung dagegen vorgebrachten Einwendungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
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a) Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht sei auf seine umfangreiche und ausführliche Klagebegründung „nicht eingegangen“, habe diese „unberücksichtigt gelassen“, Aspekte davon „ignoriert“, „nicht gesehen“, „nicht geprüft“ bzw. „nicht aufgegriffen“, sondern sich die Ausführungen der Beklagten „zu eigen gemacht“, diese „wiederholt“ oder „ohne … notwendige Erläuterungen“ (nur) übernommen. Soweit er damit der Sache nach wegen einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ableiten möchte (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9), dringt der Kläger damit nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, in seinen Entscheidungsgründen auf alle Argumente der Beteiligten einzugehen. Vielmehr genügt es, wenn die wesentlichen bzw. tragenden Gründe in dem Urteil nachvollziehbar gemacht werden (vgl. OVG Saarl, B.v. 9.10.2018 - 2 A 263/18 - juris Rn. 6 m.w.N.). Dies ist vorliegend geschehen. Denn das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, weshalb es insbesondere aufgrund der Steigerung der Intensität der vom Kläger begangenen, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Straftaten sowie der fehlenden Aufarbeitung der deliktsspezifischen Defizite eine Wiederholungsgefahr angenommen hat.
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In diesem Zusammenhang ist auch der Vorwurf, das Gericht habe sich eine „fachmedizinische Diagnose“ der Beklagten zu eigen gemacht, nicht nachvollziehbar. Es wird nicht dargelegt, welche (psychische) Erkrankung die Beklagte dem Kläger in dem angegriffenen Bescheid attestiert haben soll. Soweit die Beklagte sowie das Erstgericht wegen der von hoher Aggressivität geprägten Tatbegehung eine ungelöste Gewaltproblematik sowie deliktsursächliche Defizite beim Kläger (s. bspw. UA Rn. 42) annehmen, ist damit kein medizinisch pathologischer Befund etwa im Sinne einer psychischen Erkrankung festgestellt worden. Dies gilt auch, soweit im Bescheid etwa von „impulsiven Überreaktionen“, nicht „korrektem Umgang mit Aggressionen“ oder „narzisstische Wut“ die Rede ist. Insofern richten sich die Ausführungen des Klägers der Sache nach gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweis- und Sachverhaltswürdigung, da er die Bewertung des Vorbringens eines Beteiligten durch das Gericht angreift. Damit wendet er sich aber in der Sache gegen die richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 VwGO. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen vermag, liegt folglich nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die theoretische Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (BayVGH, B.v. 25.1.2019 - 10 ZB 18.2405 - juris Rn. 7; B.v. 12.1.2017 - 10 ZB 15.399 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 14.3.2016 - 15 ZB 16.168 - juris Rn. 8; B.v. 7.12.2011 - 10 ZB 11.2125 - juris Rn. 16 m.w.N.).
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Das Verwaltungsgericht ist in seiner ausführlichen Urteilsbegründung auch auf den Kern des klägerischen Vortrags, insbesondere die darin vorgebrachten Bedenken gegen die Entscheidung der Beklagten eingegangen und hat in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise dargelegt, wie und warum es zu seiner richterlichen Überzeugung gelangt ist. Demgegenüber sind im Zulassungsantrag Fehler bei der Beweiswürdigung nicht substantiiert dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Dies folgt auch nicht daraus, dass nach Auffassung der Klagepartei das Verwaltungsgericht bei Beachtung seines Vorbringens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen.
10
Zweifel in tatsächlicher Hinsicht ergeben sich auch nicht daraus, dass der festgestellte Sachverhalt eine förmliche Beweisaufnahme erforderlich gemacht hätte oder Umstände übergangen worden sind, deren Entscheidungserheblichkeit sich dem Gericht hätte aufdrängen müssen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19; Kautz/Schäfer in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 124 Rn. 69; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124 Rn. 7b m.w.N.). Unter diesem Aspekt ist die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags durch das Erstgericht nicht zu beanstanden. Im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung gelangte dieses zu dem Ergebnis, dass sich das Gericht bei der Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die Gerichten allgemein zugänglich sind. Die Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2019 - 10 ZB 18.2036 - juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 14.6.2019 - 10 ZB 19.723 - juris Rn. 10). Nur ausnahmsweise bedarf es der Zuziehung eines Sachverständigen, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände nicht ohne spezielle fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 5). Im Übrigen kann auch ein Sachverständigengutachten die Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern nur Hilfestellung bieten (BVerwG, U.v. 13.3.2009 - 1 B 20.08 - juris Rn. 5).
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Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers die Prognoseentscheidung nicht ohne ein weiteres Sachverständigengutachten hätte getroffen werden können, liegen nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte psychische Sonder- oder „Ausnahmesituation“ bei Begehung seiner Straftaten nicht. Insbesondere drängte sich die Annahme einer psychischen Erkrankung oder Störung des Klägers schon mangels Vorlage entsprechender ärztlicher Befunde nicht auf. Ebenso wenig enthalten die einschlägigen Strafurteile hierzu belastbare Hinweise. Folgerichtig hat das Verwaltungsgericht überdies („darüber hinaus“, s. UA Rn. 43) schon aus der Anzahl der zunehmend gewalttätiger werdenden Übergriffe zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass der Kläger nicht nur in „Ausnahmesituationen“ straffällig werde. Auch im Übrigen weist die vom Gericht vorgenommene Beweis- und Sachverhaltswürdigung im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Persönlichkeit, sein Nachtatverhalten und „Gemütsstimmung“ bei der Begehung seiner Taten (s. Zulassungsbegründung v. 13.7.2019, S. 10 f.) keine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen auf bzw. beruht nicht auf einem „aktenwidrig“ angenommenen Sachverhalt. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Annahme des Klägers, dass der Umstand, „dass er zu den Taten provoziert wurde“, bzw. seine „gute Führung in der JVA“ zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen wäre. Ebenso wurde bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Rückkehr des Klägers in seine Heimat im Rahmen der Interessenabwägung seine persönliche Situation sowie sein familiäres Umfeld beleuchtet. Für die Annahme einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung oder gar Suizidalität des Klägers im Falle seiner Abschiebung (s. Klagebegründung v. 23.5.2018, Zulassungsbegründung v. 13.7.2019, S. 12) gab es für das Verwaltungsgericht ohne Vorlage entsprechender ärztlicher Unterlagen keinen ausreichenden Anhalt.
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Der Einwand des Klägers betreffend die Wertung seines Nachtatverhaltens durch die Beklagte, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Auch wenn die Beklagte hierzu Ausführungen gemacht hat (s. Bescheid v. 21.9.2017, S. 9 f.), so hat das Gericht hierauf bei der Begründung der Wiederholungsgefahr nicht maßgeblich abgestellt, sondern sich insofern in erster Linie auf die sich in ihrer Intensität steigernde, wiederholte Begehung von gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichteten Straftaten sowie die bislang fehlende Aufarbeitung der deliktsursächlichen Defizite gestützt. Ungeachtet dessen geben die hierzu im Bescheid gemachten Ausführungen ohnehin im Wesentlichen (nur) die von den Ermittlungsbehörden getroffene tatsächlichen Feststellungen wieder (s. Behördenakte Bl. 72-79).
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Auch der Einwand des Klägers, dass Umstände der Tatbegehung (wie bspw. „keine Verletzungsabsichten“) wie auch die Folgen der Tat („psychisch schwere Schäden“ beim Opfer) unzutreffend erfasst worden seien, verfängt nicht. Entsprechendes gilt im Hinblick auf seine Kritik an der strafgerichtlichen Feststellung einer ungünstigen Sozialprognose. Denn das Verwaltungsgericht durfte die strafrechtlichen Verurteilungen bei der Feststellung des Vorliegens einer Wiederholungsgefahr ohne weitere Nachprüfung zugrunde legen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.1998 - 1 B 21.98 - juris zu § 47 Abs. 1 AuslG 1990; B. v. 8.5.1989 - 1 B 77.89 - InfAuslR 1989, 269 zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1965, jeweils m.w.N.) erfordert die Anwendung der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung abstellenden Ausweisungstatbestände keine Prüfung, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. Soweit es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung etwa auf die Umstände der Tatbegehung ankommt - z.B. im Rahmen der Feststellung einer Wiederholungsgefahr oder bei der Ermessensausübung - besteht zwar keine derartige strikte Bindung an eine rechtskräftige Verurteilung. Es ist aber geklärt, dass die Ausländerbehörden - und demzufolge auch die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung berufenen Gerichte - in dieser Beziehung ohne weiteres in aller Regel von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen können und die darin getroffenen Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 - 10 ZB 19.625 - juris Rn. 5; B.v. 10.4.2019 - 19 ZB 17.1535 - juris Rn. 17 m.w.N.; OVG NW, B.v. 8.12.2015 - 18 A 2462/13 - juris Rn. 11). Etwas anderes gilt nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür dargetan werden, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2018 - 10 ZB 18.1121 - juris Rn. 6).
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Solche konkreten Anhaltspunkte ergeben sich weder aus dem Vorbringen in der ersten Instanz noch im Zulassungsverfahren. Der Kläger behauptet zwar, seine Tat ohne Verletzungsabsicht begangen zu haben und dass das Opfer keine psychischen Folgen davon getragen habe. Er beruft sich insofern darauf, dass sich in den Strafakten hierfür keine Anhaltspunkte ergeben hätten. Dabei übersieht er aber, dass die strafgerichtlichen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht nicht nur auf den Akteninhalt, sondern auch auf den eigenen Angaben des Klägers sowie der Geschädigten und Zeugin beruhten. Im Übrigen legen die Angaben der Geschädigten und Zeugin im Ermittlungsverfahren, wonach sie „Angst hätte“ und „sich momentan nicht aus dem Haus zu trauen“ (s Bl. 72 f. der Behördenakten), das Vorhandensein von psychischen Folgen aufgrund der Tat durchaus nahe.
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Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dass das Strafgericht (Amtsgericht München) im Urteil vom 27. März 2017 zu Unrecht eine gefährliche statt einer fahrlässigen Körperverletzung als Vorstrafe eingestellt habe. Auch insofern gilt, dass die Anwendung der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung abstellenden Ausweisungstatbestände bzw. Ausweisungsinteressen keine nochmalige Prüfung erfordert, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat oder - wie hier - die verhängte Strafe auch bei einem korrekten Bundeszentralregisterauszug tat- und schuldangemessen war. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Verurteilung auf einem offensichtlichen Irrtum beruhen würde oder die Ausländerbehörde den Sachverhalt besser als die Strafverfolgungsorgane aufklären könnten (Tanneberger in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.5.2018, § 54 Rn. 9 m.w.N.). Ohnehin wurde die Verurteilung vom 20. März 2014 wegen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung vom Erstgericht richtig erfasst (s. UA Rn. 7). Nachdem das Verwaltungsgericht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse unabhängig davon und selbständig tragend auch nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG angenommen hat (s. UA Rn. 49), gehen die Rügen des Klägers betreffend die seiner Ansicht nach falschen Strafzumessungserwägungen im Urteil des Amtsgerichts München vom 27. März 2017 letztlich ohnehin ins Leere.
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Unbegründet ist ferner der Vorwurf, die Wohnsituation des Klägers sei unrichtig erfasst worden. Insbesondere haben entgegen der Darstellung des Klägers weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass er „zwei Monate wohnsitzlos“ gewesen sei, sondern lediglich festgehalten, dass der Kläger „zum Zeitpunkt der Festnahme“ bzw. „zuletzt keinen festen Wohnsitz“ gehabt habe (s. Bescheid v. 21.9.2017, S. 9; UA Rn. 54), was sich im Übrigen auch mit den Angaben des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren deckt. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auch gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung wendet, weil das Gericht u.a. deswegen von einer nicht gänzlich geglückten Integration ausging, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Denn die richterliche Überzeugungsbildung (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) beruht zum einen, wie dargelegt, auf einer zutreffenden Tatsachenfeststellung und bezieht zum anderen neben der Wohnsitzlosigkeit auch andere Umstände wie bspw. die berufliche Situation des Klägers mit ein.
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Eine unzureichende Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultiert auch nicht daraus, dass das Erstgericht bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr u.a. auf die vom Amtsgericht München im Urteil vom 27. März 2017 zum Ausdruck gebrachte ungünstige Sozialprognose abstellte. Insofern gilt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen haben und an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden sind (zu § 56 StGB: BVerwG, U.v. 28.1.1997 - 1 C 17.94 - juris Rn. 41). Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 Abs. 1 StGB stellen bei der Prognose zwar ein wesentliches Indiz dar, aber eine Vermutung für das Fehlen einer Rückfallgefahr im Sinne einer Beweiserleichterung begründen sie nicht. Voneinander abweichende Prognoseentscheidungen können gerade bei einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § § 57 Abs. 1 StGB u.a. wegen des unterschiedlichen zeitlichen Prognosehorizonts in Betracht kommen (BVerwG, U.v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - juris Rn. 18). Die ausführliche Würdigung der Persönlichkeit des Klägers und der Entscheidungen der Strafvollstreckungsgerichte vom 28. März 2018 sowie vom 10. Dezember 2018 und die diesen zugrundeliegende Stellungnahme der JVA belegen, dass das Verwaltungsgericht nicht allein die strafrechtliche Verurteilung zum Anlass für die ausschließlich spezialpräventiv motivierte Ausweisung genommen, sondern die zukünftig von seiner Person ausgehende Gefahr gewürdigt hat. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt: BayVGH, B.v. 14.6.2019 - 10 ZB 19.723 - juris Rn. 8; B.v. 14.6.2019 - 10 ZB 19.826 - juris Rn. 6 jew. m.w.N.) berücksichtigt, dass eine therapeutische Aufarbeitung der deliktsursächlichen Defizite bislang noch nicht erfolgt ist. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, etwa im Rahmen des Strafvollzugs oder auch danach in der Bewährungsphase so lange therapiert zu werden, bis ihm möglicherweise dann doch eine günstige Sozialprognose im Hinblick auf eine Rückfallgefährdung bescheinigt werden kann (OVG Saarl, B.v. 28.5.2019 - 41/19 - juris Rn. 13 m.w.N.). Insofern hat das Verwaltungsgericht dem Kläger auch zutreffend vorgehalten, sich nicht rechtzeitig um einen Therapieplatz gekümmert zu haben (s. hierzu auch: Stellungnahme der JVA v. 27.9.2018 und 3.1.2019, Bl. 156 und 137 der Gerichtsakte). Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Kritik des Klägers an „Nutzen“, „Notwendigkeit“ und „Qualität“ an einer therapeutischen Aufarbeitung, da im Strafvollzugsverfahren eine Auseinandersetzung mit den der Straftat zugrundeliegenden Problemen wiederholt für weiterhin unabdingbar erachtet wurde (s. Landgericht Augsburg, B.v. 28.3.2018 und 10.12.2018, Bl. 149 und 151 f. der Gerichtsakte).
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Fehl geht schließlich die Kritik des Klägers an der „vom Gericht vorgenommenen Abwägung“, soweit er sich ausdrücklich auf Randnummer 42 des angegriffenen Urteils bezieht (s. Zulassungsbegründung v. 13.7.2019, S. 19), weil dort nicht die Abwägungsentscheidung begründet, sondern die Annahme einer Wiederholungsgefahr geprüft wird. Insofern hat das Verwaltungsgericht, wie oben dargelegt, alle relevanten Umstände in den Blick genommen (vgl. BVerwG, U.v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - juris Rn. 17 f. m.w.N.). Soweit die Rügen des Klägers auch der Sache nach die Abwägungsentscheidung des Gerichts betreffen (s. u.a. Zulassungsbegründung v. 13.7.2019, S. 20 f.), wendet er sich gegen die richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 VwGO. Es ergeben sich aber entgegen der Auffassung der Klagepartei keine Hinweise dafür, dass das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung in der Weise verfahren wäre, indem es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte (s.o.). Insbesondere ergeben sich - wie oben dargetan - keine belastbaren Anhaltspunkte für eine relevante gesundheitliche Einschränkung des Klägers im Falle seiner Rückkehr. Allein die theoretische Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (BayVGH, B.v. 25.1.2019 - 10 ZB 18.2405 - juris Rn. 7; B.v. 12.1.2017 - 10 ZB 15.399 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 14.3.2016 - 15 ZB 16.168 - juris Rn. 8; B.v. 7.12.2011 - 10 ZB 11.2125 - juris Rn. 16 m.w.N.). Völlig zutreffend hat das Gericht gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG im Rahmen der Interessenabwägung zu Ungunsten des Klägers seine wiederholte Straffälligkeit und damit seine fehlende rechtliche Integration gewertet (vgl. Tanneberger in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.5.2018, § 53 Rn. 57).
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2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor bzw. ist schon nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (BayVGH, B.v. 9.5.2019 - 10 ZB 19.317 - juris Rn. 9; B.v. 20.2.2019 - 10 ZB 18.2343 - juris Rn. 18; Roth in BeckOK Posser/Wolff, VwGO, Stand: 1.1.2019, § 124a Rn. 75 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger legt nicht hinreichend konkret dar, welche der „geltend gemachten Umstände“ in seinem Fall wesentlich höhere Anforderungen an den Tatrichter stellen. Insbesondere rechtfertigt die Verneinung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache („soweit das Berufungsgericht die geltend gemachten Umstände nicht als von grundsätzlicher Bedeutung erachtet“) nicht die Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten. Auch liegt zu den insofern relevanten Fragestellungen etwa zur Ermittlung der Wiederholungsgefahr und Würdigung strafrechtlich relevanten Verhaltens im Rahmen der Abwägung eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung vor.
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3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor bzw. ist nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 - 10 ZB 19.275 - juris 7; B.v. 14.2.2019 - 10 ZB 18.1967 - juris Rn. 10; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
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Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 - 1 BvR 3007/07 - juris Rn. 21; Roth in Posser/Wolff BeckOK, VwGO, Stand 1.1.2019, § 124 Rn. 55 m.w.N; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 38). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr, BVerwG, B.v. 9.4.2014 - 2 B 107.13 - juris Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, B.v. 29.7.2010 - 1 BvR 1634/04 - juris Rn. 64).
24
Der Kläger erachtet als klärungsbedürftig, dass „weiterhin zum Nachteil eines Menschen nicht gewürdigt werden [kann] betreffend seine Gesinnung und zukünftige straffreie Handlungsweise, was ihm objektiv nicht möglich war anders zu gestalten“. Soweit der Kläger damit gemeint haben sollte, dass eine fehlende Therapiemöglichkeit bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr nicht zu seinen Ungunsten gewertet werden dürfe, fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit der Frage, weil - wie oben dargelegt - dem Kläger die Möglichkeit der Aufnahme in eine Gewaltpräventionsgruppe eingeräumt wurde, er hiervon aber zu spät Gebrauch gemacht hat (s. auch Landgericht Augsburg, B.v. 28.3.2018, S. 3, Gerichtsakte Bl. 149). Entsprechendes gilt soweit der Kläger sinngemäß das „pauschale Ablehnen der positiven Sozialprognose ohne Gruppentherapie (…), das Unterstellen, es sei jeweils die Gruppentherapie die richtige Therapieart andererseits, ohne Prüfen des Individuums und seiner Vita …“ als „falsch“ erachtet. Abgesehen davon formuliert der Kläger damit keine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage, sondern wendet sich der Sache nach gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Er zeigt auch nicht auf, dass hierzu unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung vertreten werden würden, die einen entsprechenden Klärungsbedarf auslösen könnten.
25
Schließlich wird auch mit der weiter vom Kläger zur unterbliebenen Aufarbeitung seiner deliktsursächlichen Defizite vertretenen Ansicht, dass „diese Feststellungen einem Sachverständigengutachten vorbehalten bleiben müssen“ bzw. „eine diffizile Beurteilung … einem Mediziner zu überlassen ist“ (s. Zulassungsbegründung v. 13.7.2019, S. 21), weder eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert noch aufgezeigt, weshalb dies im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs, dass bei auf deliktsspezifischen Defiziten beruhenden Straftaten von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Ausländer nicht die erforderliche Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (zuletzt: BayVGH, B.v. 14.6.2019 - 10 ZB 19.723 - juris Rn. 8; B.v. 14.6.2019 - 10 ZB 19.826 - juris Rn. 6 jew. m.w.N.; bei Suchterkrankungen: B.v. 8.4.2019 - 10 ZB 18.2284 - juris Rn. 10 m.w.N.)
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Soweit der Kläger weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet, dass bei der Würdigung der Integrationsleistungen zu seinem Nachteil seine Straffälligkeit gewertet worden sei, rechtfertig dies ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn die Frage ist geklärt und ergibt sich aus dem Gesetz (§ 53 Abs. 2 AufenthG), in dem die Rechtstreue des Ausländers als Abwägungskomponente ausdrücklich aufgeführt ist.
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4. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nicht gegeben.
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a) Der Kläger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht ermöglicht worden sei. Zwar trägt die Möglichkeit der Teilnahme eines am verwaltungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten an der mündlichen Verhandlung dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten‚ der ihn im Termin vertreten kann‚ ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt‚ wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann‚ VwGO‚ 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 6). Insbesondere verlangt Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht‚ dem Beteiligten neben seinem Anwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben (BayVGH, B.v. 8.2.2017 - 11 ZB 17.30041 - juris Rn. 17 m.w.N.).
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Das Verwaltungsgericht hatte das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hätte aber, wenn er sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz anwaltlicher Vertretung für unerlässlich hielt, unter substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit seiner Anwesenheit sprechenden Gründe die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung oder die Anordnung seines persönlichen Erscheinens vor Gericht (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beantragen können und müssen. Insofern hätte es der Bevollmächtigten des Klägers oblegen, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung mit ihrem Mandanten Kontakt aufzunehmen, ihn über die Ladung und den Termin zur mündlichen Verhandlung in Kenntnis zu setzen und ggf. von der Möglichkeit gemäß § 36 StVollzG Gebrauch zu machen. Dass dies nicht geschehen ist, steht dem Erfolg der Rüge entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1982 - 9 C 912.80 - juris Rn. 11 f. m.w.N.; B.v. 18.4.1983 - 9 B 2337.80 - juris Rn. 1; B.v. 22.5.2006 - 10 B 9.06 - juris Rn. 9).
30
b) Die Gehörsrüge kann auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass das Verwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung u.a. der Wiederholungsgefahr und des Gesundheitszustands des Klägers abgelehnt hat.
31
Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 10; B.v. 8.3.2006 - 1 B 84.05 - juris Rn. 7), das heißt ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (stRspr, vgl. zuletzt z.B. BayVGH, B.v. 14.1.2019 - 10 ZB 18.1413 - juris Rn. 23 m.w.N.).
32
Die Einholung von Sachverständigengutachten steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 86 Rn. 106 m.w.N.; Breuing in BeckOK, VwGO, Stand 1.10.2018, § 86 Rn. 84). Ein dahingehender Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn das Gericht mit fehlerfreien Ermessenserwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich selbst die notwendige Sachkunde für die Würdigung des Sachverhalts zutraut. Dieses Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2009 - 9 B 64.08 - juris Rn. 6 m.w.N.; s. auch Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 86 Rn. 107 m.w.N.; Breuing in BeckOK, VwGO, Stand 1.10.2018, § 86 Rn. 84; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, § 86 Rn. 77).
33
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Senats konnte das Erstgericht darauf abstellen, dass es sich bei der Prognoseentscheidung hinsichtlich der Wiederholungsgefahr regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 12, 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.1.2019 - 10 ZB 18.2036 - juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 31.1.2019 - 10 ZB 18.1534 - juris Rn. 15 m.w.N.). Von einer derartigen Sachverhaltskonstellation ist vorliegend indes nicht auszugehen. Der Verweis auf „psychische Belastungen“ bzw. „Ausnahmesituationen“ bei Tatbegehung oder andere psychische Auffälligkeiten wie angebliche Suizidalität des Klägers reichen insofern nicht aus. Im Übrigen kann auch ein Sachverständigengutachten die Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern nur Hilfestellung bieten (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2009 - 1 B 30.08 - juris Rn. 5). Der Kläger vermochte daher nicht darzulegen, dass die Ablehnung seines beantragten Sachverständigenbeweises als nicht notwendig im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2017 - 10 ZB 17.730 - juris Rn. 11).
34
c) Schließlich liegt auch keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor, weil der „rechtskräftige Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens nicht abgewartet“ worden ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet zum einen, dass der Beteiligte Gelegenheit hat, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was aus seiner Sicht zu seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch Maßnahmen und Unterlassungen verletzt, die den Beteiligten daran hindern, sich zu äußern. Zum anderen muss das Gericht den Vortrag des Beteiligten zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehen. Das Gericht hat in den Entscheidungsgründen in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen es von einer Auseinandersetzung mit dem rechtlichen und tatsächlichen Vorbringen eines Beteiligten abgesehen hat (Neumann/Korbmacher in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 105 ff.).
35
Gemessen hieran scheidet ein Gehörsverstoß schon deswegen aus, weil das Gericht den Umstand, dass über die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 30. September 2018 im Wiederaufnahmeverfahren noch nicht entschieden worden ist, zur Kenntnis genommen hat (s. UA Rn. 48 a.E.). Im Übrigen war der Ausgang des Beschwerdeverfahrens für das Verwaltungsgericht auch nicht entscheidungserheblich, weil es ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse neben § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch aus § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG ableitete (s. UA Rn. 49: „unabhängig davon“). Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts München vom 27. März 2017 nunmehr beseitigt worden wäre, so dass demzufolge keine Veranlassung besteht, hiervon auszugehen (vgl. VGH BW, B.v. 16.3.2005 - 11 S 2599/04 - juris Rn. 34).
36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
37
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
38
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).