Inhalt

VG München, Beschluss v. 26.07.2019 – M 5 E 19.2689
Titel:

Anordnung einer ärztlichen Untersuchung auf Polizeidienstfähigkeit

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
BayBG Art. 128
VwGO § 44a
BeamtStG § 35 S. 2
Leitsätze:
1. Eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Polizeidienstfähigkeit eines Beamten ist gem. § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar; ein hierauf gerichteter Rechtsschutzantrag ist deshalb unzulässig.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Aufgabe der bisherigen höchstrichterlichen Rspr. vgl. BVerwG BeckRS 2019, 6003. (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Antrag des Beamten, das Verbot der Waffenführung ihm gegenüber vorläufig auszusetzen, ist auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sodass er keinen Erfolg haben kann, da nicht erkennbar ist, welche für ihn unzumutbaren Nachteile mit einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache verbunden wären. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf einstweilige Anordnung (erfolglos), Polizeivollzugsbeamter, Anordnung einer ärztlichen Untersuchung auf Polizeidienstfähigkeit, Verbot des Führens einer Polizeiwaffe, Polizeidienstfähigkeit, Polizeiwaffe, Anordnung einer ärztlichen Untersuchung, behördliche Verfahrenshandlungen, nicht isoliert gerichtlich angreifbar
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 09.07.2019 – 3 C 19.1218
VG München, Entscheidung vom 14.06.2019 – M 5 E 19.2689
Fundstelle:
BeckRS 2019, 15759

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) hat insgesamt keinen Erfolg.
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1. Der Antrag Nr. I. im Antragsschriftsatz vom *. Juni 2019 mit dem Inhalt
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„Der Antragsteller wird vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen/psychiatrischen Untersuchung aufgrund der Anordnung vom 21. Mai 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens freigestellt.“
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hat keinen Erfolg, weil er gemäß § 44a VwGO bereits unzulässig ist.
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a) Nach § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nach § 44a Satz 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
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b) Nachdem der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 10. April 2014 (2 B 80.13 - juris Rn. 17) die Frage der isolierten gerichtlichen Angreifbarkeit einer Untersuchungsanordnung aufgeworfen hatte, beantwortet er sie nunmehr mit Beschluss vom 14. März 2019 (2 VR 5/18 - juris Rn. 16 ff.; die Entscheidung ist auch über die Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts verfügbar: www.bverwg.de) dahingehend, dass eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens gemäß § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar ist und ein hierauf gerichteter Rechtsschutzantrag deshalb unzulässig ist.
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c) Die erkennende Kammer folgt dem bezüglich - wie hier - einer Untersuchungsanordnung hinsichtlich der Polizeidienstfähigkeit nach Art. 128 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung (so auch - allerdings in juris noch nicht veröffentlicht - VG München, B.v. 12.6.2019 - M 5 E 19.1034; B.v. 12.6.2019 - M 5 E 19.1478; B.v. 5.6.2019 - M 5 E 1699). Es wird auf die vom Bundesverwaltungsgericht ausführlich dargelegten Argumente im Beschluss vom 14. März 2019 (Rn. 19 ff.) verwiesen. Die Kammer macht sich diese zu Eigen und sieht von deren bloßer Wiedergabe an dieser Stelle ab, nachdem die Entscheidung öffentlich zugänglich ist.
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2. Antrag Nr. II. im Antragsschriftsatz vom *. Juni 2019 mit dem Inhalt
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„Das Verbot vom 13. November 2018 gegenüber dem Antragsteller, eine Polizeiwaffe zu führen, wird vorläufig ausgesetzt.“
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hat ebenfalls keinen Erfolg.
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a) Das dem Antragsteller am 13. November 2018 mündlich erteilte Verbot, eine Dienstwaffe zu tragen, stellt keinen Verwaltungsakt sondern eine dienstliche Anordnung im Sinne des § 35 Satz 2 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) dar (vgl. VG München, B.v. 31.5.2010 - M 5 E 10.1006 - juris Rn. 22). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher grundsätzlich statthaft, weil die dagegen mit Schriftsatz vom *. Juni 2019 erhobene Klage (M 5 K 19.2687) keine aufschiebende Wirkung haben kann.
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b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).
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Eine derartige einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Das Vorliegen eines derartigen Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Aber auch wenn diese Voraussetzungen zum maßgeblichen Zeitpunkt, das ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, vorliegen, ist es dem Gericht regelmäßig verwehrt, mit seiner Entscheidung die Hauptsache vorwegzunehmen. Denn es würde dem Wesen und dem Zweck einer einstweiligen Anordnung widersprechen, wenn einem Antragsteller in vollem Umfang das gewährt würde, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann.
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Allerdings gilt im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die Ablehnung der begehrten Entscheidung für den Antragsteller mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre und mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Obsiegen in der Hauptsache auszugehen ist.
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c) Vorliegend ist der Antrag auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, so dass er keinen Erfolg haben kann.
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aa) Im Falle einer vorläufigen Aussetzung des Verbots, ggfs. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, käme es für diesen Zeitraum zu einer Vorwegnahme der Hauptsache. Denn der Antragsteller hätte dann in dieser Zeit - unumkehrbar - eine Dienstwaffe führen dürfen.
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bb) Der Antragssteller hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass es für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, wenn er eine Entscheidung in der Hauptsache abwarten müsste. Im Grunde wurde von ihm bislang noch nicht einmal ein Anordnungsgrund dargelegt.
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cc) Die Auffassung, das Verbot sei rechtswidrig erfolgt, betrifft hingegen die Frage eines Anordnungsanspruchs, die vorliegend jedoch offen bleiben kann.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht für jeden der beiden eigenständigen Anträge jeweils auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.