Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 15.07.2019 – W 5 S 19.597
Titel:

Nachbarklage gegen Bau eines Klinikgebäudes in Wohngebiet

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3
BayBO Art. 59, Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, Abs. 2 S. 2
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 35
BauNVO § 3, § 11 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Weder der Gebietsbewahrungsanspruch noch der Gebietsprägungsanspruch steht einem Eigentümer, dessen Grundstück sich außerhalb des Plangebiets befindet, zu. (Rn. 36 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Begründungspflicht des Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BayBO besteht nur hinsichtlich derjenigen Abweichungen und Einwendungen, die unter den materiellen Prüfungsumfang der Baugenehmigung fallen.  (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Art. 68 BayBO handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, wenn das Vorhaben den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, baurechtliche Nachbarklage, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Parkdeck der AWO neben reinem Wohngebiet, Gebietsbewahrungsanspruch, Gebietsprägungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme, Begründung der Baugenehmigung, Baugenehmigung, Sondergebiet, Bewahrung der Gebietsart, Abstandsflächen, Geltungsbereich des Bebauungsplans, Nutzung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 10.10.2019 – 9 CS 19.1468
Fundstelle:
BeckRS 2019, 15736

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 26. März 2019 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Büro- und Verwaltungsgebäudes sowie eines Parkdecks und begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage.
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1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …1 der Gemarkung Würzburg, … …weg … in Würzburg, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Westlich des Grundstücks des Antragstellers befindet sich, durch den … …weg getrennt, das Grundstück Fl.Nr. …4 der Gemarkung Würzburg, …straße … und …a in Würzburg (Baugrundstück), das im Westen an die …straße angrenzt. Auf dem Baugrundstück betreibt der Beigeladene seit dem Jahr 1996 eine geriatrische Rehabilitationsklinik (im zentralen und westlichen Bereich des Grundstücks); im nordöstlichen Bereich befindet seit dem Jahr 2000 ein Verwaltungsgebäude.
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Das Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung Würzburg des Antragstellers liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „… - Gebiet zwischen E* …, O* … …weg und U* … …weg, sowie Teilflächen südlich des U* … und M* … …wegs“ (künftig: „…“) vom 11.1./21.6.1967, der hinsichtlich der Gebietsart ein reines Wohngebiet festsetzt. Das Bebauungsplangebiet grenzt im Westen (auch auf Höhe des Baugrundstücks) an den hier in Nord-Süd-Richtung verlaufenden U* … …weg an und umfasst südlich des Baugrundstücks auch die Grundstücke auf der Westseite des U* … …wegs, die an diesen angrenzen. Nördlich an das Baugrundstück schließt sich der qualifizierte Bebauungsplan „Wohngebiet am U* … …“ vom 14. August 2015 an, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Das 12.250 m² große Baugrundstück ist nicht überplant. Es befindet sich in einem Bereich, für den im Jahr 1992 die Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans „U* … …“ als Sondergebiet nach § 11 Abs. 2 BauNVO (Klinikgebiet) beschlossen hatte, der jedoch nicht weitergeführt und nicht rechtsverbindlich wurde.
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2. Mit Bauantrag vom 31. Juli 2018, eingegangen bei der Stadt Würzburg am 14. August 2018, beantragte der Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes und eines Parkdecks als Erweiterung eines Verwaltungsgebäudes auf dem Baugrundstück. Ausweislich der Planzeichnungen soll im südöstlichen Bereich des Baugrundstücks (südlich des bestehenden Verwaltungsgebäudes) ein viergeschossiges Verwaltungsgebäude, aufgeteilt in zwei Baukörper, errichtet werden. Das zweigeschossige Parkdeck soll im westlichen Bereich des Baugrundstücks, an der …straße, gebaut werden.
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Mit Bescheid vom 26. März 2019 erteilte die Stadt Würzburg dem Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Baugenehmigung für den Neubau eines Büro- und Verwaltungsgebäudes sowie eines Parkdecks auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 der Gemarkung Würzburg unter Abweichungen und mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Unter Ziffer 2061 findet sich folgende Formulierung: „Die Erschließung des Vorhabens erfolgt antragsgemäß über die Zufahrten in der …straße. Der oberste Treppenlauf (Verlauf parallel zur Grundstücksgrenze Flurstück …2/*2, Gemarkung Würzburg) zum U* … …weg ist zurück zu bauen. Im Zugangsbereich zum Grundstück ist die Einfriedung entlang der Straße zu schließen“.
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3. Gegen die Baugenehmigung vom 26. März 2019, öffentlich bekannt gemacht in der Main-Post vom 29. März 2019, ließ der Antragsteller (wie auch sieben weitere Anlieger östlich des U* … …wegs gelegener Grundstücke in den Verfahren W 5 K 19.480 - 486) durch seine Bevollmächtigte am 25. April 2019 bei Gericht Klage erheben (W 5 K 19.479), nachdem er sich bereits im Verwaltungsverfahren gegen das Bauvorhaben gewandt hatte.
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Am 20. Mai 2019 ließ der Antragsteller im Verfahren nach § 123 VwGO (W 5 E 19.599) beantragen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, anzuordnen, die Erschließungsmaßnahmen des Beigeladenen über den U* … …weg einzustellen. Nach Rücknahme des Antrags wurde dieses Verfahren mit Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Mai 2019 eingestellt.
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3. Ebenfalls am 20. Mai 2019 stellte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte im hiesigen Verfahren nach § 80a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO sinngemäß den
A n t r a g,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage W 5 K 19.479 anzuordnen.
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Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vortragen: Der Antragsteller sei alleiniger Eigentümer des dem Baugrundstück gegenüberliegenden Grundstücks und werde durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in seinen nachbarschützenden Rechten verletzt. Die Baugenehmigung verstoße gegen den nachbarschützenden Gebietsbewahrungsanspruch. Bei dem Bauvorhaben handele es sich um die zentrale Verwaltung der AWO in Unterfranken und für Unterfranken. Das Grundstück des Antragstellers liege im reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO. Bei dem Bauvorhaben handele es sich nicht um ein nach § 3 BauNVO zulässiges Vorhaben. Auch ausnahmsweise könne ein zentrales Verwaltungsgebäude für Unterfranken nicht zugelassen werden, da es sich nicht um eine sonstige Anlage für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlage handele. Der Gebietsbewahrungsanspruch gebe den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Dieser Anspruch gelte auch im faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB. Damit verstoße die Baugenehmigung gegen den nachbarschützenden Gebietsbewahrungsanspruch und sei aufzuheben. Wenn die Antragsgegnerin vortrage, dass der geltend gemachte Gebietsbewahrungsanspruch nur innerhalb des beplanten Gebiets oder eines faktischen Baugebiets gelte, stehe fest, dass der Gebietsbewahrungsanspruch nach Aussage der Antragsgegnerin überall gelte. Hieraus sei nicht ableitbar, dass aneinandergrenzende beplante und unbeplante Gebiete keine Rücksicht aufeinander nehmen müssten. Die Baugenehmigung verstoße auch gegen den nachbarschützenden Gebietsprägungsanspruch (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO).
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Die Baugenehmigung verstoße gegen die Art der baulichen Nutzung als reines Wohngebiet, gegen das Maß der baulichen Nutzung hinsichtlich GRZ und GFZ, erkennbar an den extrem vielen Befreiungen für die Abstandsflächen sowie gegen das Maß der Grundfläche, die überbaut werden soll, da die Mindestabstandsflächen der Gebäude zueinander auf dem Grundstück nicht eingehalten würden und füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Baugenehmigung stehe in massivem Widerspruch zum Villencharakter des U* … …wegs, das Klinikgebäude sei als Fremdkörper in diesem Gebiet nicht prägend, das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt. Die jetzt genehmigte Bebauung weiche vom ursprüngliche Planentwurf des Bebauungsplans, der eine Bebauung mit drei Einzelhäusern und zwei Geschosse plus Dach vorsehe, massiv ab.
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Ferner liege ein totaler Ermessensausfall vor, der im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden könne und dazu führe, dass die Baugenehmigung zwingend aufzuheben sei. Die Begründung der Baugenehmigung befasse sich nur mit den ebenfalls vorgebrachten Einwendungen der Nachbarn hinsichtlich der Erschließung, mit keinem Wort werde sich aber mit dem nachbarschützenden Gebietsbewahrungsanspruch beschäftigt. Entgegen seinem Antrag, die Erschließung des Vorhabens über die …straße vorzunehmen und entgegen der Baugenehmigung erschließe der Beigeladene das Vorhaben über den U* … Neubergweg.
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4. Die Antragsgegnerin stellte den
A n t r a g, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde vorgetragen: Der Antrag sei nicht begründet, da die erhobene Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. März 2019 mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werde. Dieser sei rechtsfehlerfrei im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergangen. Die Baugenehmigung begegne planungsrechtlich keinen Bedenken. Das Bauvorhaben sei nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, da es in einem Bereich liege, für den im Jahr 1992 die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen worden sei, der dann aber nicht weitergeführt und damit auch nicht rechtsverbindlich geworden sei. Der geplante Erweiterungsbau füge sich demnach in die großräumig bereits bestehende Klinik- und Verwaltungsnutzung, die einen Bereich mit eigenem städtebaulichen Charakter darstelle, nach Art und Maß der baulichen Nutzung ein. Das Grundstück des Antragstellers liege im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“, das streitgegenständliche Vorhaben aber außerhalb. Da der geltend gemachte Gebietsbewahrungsanspruch jedoch nur innerhalb eines beplanten Bereichs oder eines faktischen Baugebiets gelte, könnten dem Antragsteller bereits aus diesem Grund keine Rechte zustehen. Aber auch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor, da das Baugrundstück deutlich niedriger als das Grundstück des Antragstellers liege, die Abstandsflächen in Richtung des Antragstellers eingehalten seien, die Höhenentwicklung des neuen Verwaltungsgebäudes hinter der Höhe der geriatrischen Klinik zurückbleibe und die Erschließung des Erweiterungsbaus über die Zufahrten in der …straße erfolge, so dass keine unzumutbare Beeinträchtigung vom Bauvorhaben auf das Grundstück des Antragstellers ausgehe.
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5. Der Beigeladene äußerte sich, ohne einen Antrag zu stellen. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er sich selbstverständlich an die im Genehmigungsbescheid geforderten Auflagen halten werde.
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6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt vorliegend, weil er sich gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wendet (§ 212a BauBG). In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Ein derartiger Antrag kann unmittelbar bei Gericht gestellt werden.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
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Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Vorliegend lässt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung anhand der Akten feststellen, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung der Stadt Würzburg vom 26. März 2019 mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird, da der angefochtene Bescheid den Antragsteller nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; insoweit ist die Stadt Würzburg hier zutreffender Weise vom vereinfachten Genehmigungsverfahren des Art. 59 BayBO ausgegangen.
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Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Nachbar eines Vorhabens kann eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. OVG Münster, B.v. 5.11.2013 - 2 B 1010/13 - DVBl. 2014, 532; BVerwG, B.v. 28.7.1994 - 4 B 94/94; U.v. 19.9.1986 - 4 C 8.84; U.v. 13.6.1980 - IV C 31.77; alle juris).
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Aus - den hier allein zu problematisierenden - bauplanungsrechtlichen Gründen spricht nach summarischer Prüfung nichts für einen Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren. Im vorliegenden Fall ist nach Überzeugung der Kammer ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO) nicht gegeben.
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2.1. Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung des Bauvorhabens des Beigeladenen ist - entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerseite - nicht die Regelung des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO. Denn das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt nicht innerhalb eines faktischen reinen Wohngebiets, das - so meint es wohl die Antragstellerseite - sich aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“ als reines Wohngebiet nach Südwesten jenseits des U* … …wegs erstrecken und das Baugrundstück in ein derartiges faktisches reines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO miteinbeziehen würde. Vielmehr endet das Gebiet des Bebauungsplans „…“ - in dessen Geltungsbereich sich das Grundstück des Antragstellers befindet - an dessen im Bebauungsplan festgeschriebenen Grenzen, im fraglichen Bereich an der Ostseite des U* … …wegs. Das Grundstück des Beigeladenen findet sich außerhalb dieses Bebauungsplangebiets in einem unabhängig hiervon zu beurteilenden Bereich.
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist vielmehr nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, da für das Baugrundstück kein qualifizierter Bebauungsplan existiert - der Entwurf des Bebauungsplans „U* … …“, für den die Antragsgegnerin im Jahr 1992 die Aufstellung beschlossen hatte, wurde nicht weitergeführt und nicht rechtsverbindlich - und es auch nicht dem Außenbereich i.S.v. § 35 BauGB zuzuweisen ist.
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Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass die nähere Umgebung hier an den Grenzen des immerhin 12.250 m² großen Baugrundstücks endet, zumal dieses aufgrund seiner Größenordnung und Struktur einen eigenen städtebaulichen Charakter entwickelt hat und sich sowohl in nördlicher, südlicher und östlicher Richtung Bebauungsplangebiete und in westlicher Richtung der mehrspurig ausgebaute M* … … (hier …straße) anschließen. Es spricht nach summarischer Prüfung einiges dafür, dass sich das streitgegenständliche Vorhaben des Beigeladenen hinsichtlich der allein maßgeblichen vorgenannten Kriterien, nämlich der Art der baulichen Nutzung (Büro- bzw. Verwaltungsgebäude bzw. Parkdeck), des Maßes der baulichen Nutzung (vgl. §§ 16 ff. BauNVO), der Bauweise (vgl. § 22 BauNVO: offen oder geschlossen) und der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. § 23 BauNVO) in die Eigenart der so bestimmten näheren Umgebung einfügt. Nicht mehr zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zählt insbesondere der Bereich des Bebauungsplans „…“, in dem sich das Anwesen des Antragstellers befindet und dessen Bereich als reines Wohngebiet ausgewiesen ist, so dass die Kammer der von Antragstellerseite aufgeworfenen These, dass das Bauvorhaben gegen die Art der baulichen Nutzung als reines Wohngebiet verstoße, nicht anschließen kann. Gleiches gilt für die Aussage, dass die Baugenehmigung im massiven Widerspruch zum Villencharakters des U* … …wegs stehe und das Klinikgebäude als Fremdkörper in diesem Gebiet nicht prägend sei. Insoweit bleibt nochmals darauf zu verweisen, dass das Baugrundstück außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „…“ liegt und mit diesem auch kein faktisches reines Wohngebiet bildet, so dass es mangels Zugehörigkeit zu diesem Gebiet hier auch keinen Fremdkörper darstellen kann.
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Im Übrigen werden - wie bereits dargelegt - Nachbarrechte durch einen (objektiven) Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur dann verletzt, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ enthaltene (drittschützende) Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Im Einzelnen:
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2.2. Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22/75 - BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 2016, § 35 Rn. 78). In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 - 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - alle juris). Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab.
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Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben des Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf das Anwesen des Antragstellers im Ergebnis nicht als rücksichtslos. Von einer unzumutbaren Beeinträchtigung kann nicht gesprochen werden.
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Dass das Bauvorhaben des Beigeladenen dem Antragsteller gegenüber erdrückende Wirkung entfalten würde, ist nicht zu sehen. Das anzunehmen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück aufgrund einer außergewöhnlichen Dimension regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft und das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird; dem Grundstück muss gleichsam die „Luft zum Atmen“ genommen werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.2.2009 - 1 ME 282/08 - NordÖR 2009, 179; B.v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 - BauR 2007, 758; OVG Münster, U.v. 9.2.2009 - 10 B 1713/08 - NVwZ-RR 2009, 374). Eine solche Wirkung hat die Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden angenommen (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2007 - 14 AS 07.1855 - juris), so bei einem zwölfgeschossigen Hochhaus in Entfernung von 15 m zum zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - DVBl 1981, 928).
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Solche gravierenden Auswirkungen gehen von dem geplanten Vorhaben des Beigeladenen aber nicht aus. Bereits die Lage hangabwärts des Anwesens des Antragstellers und die am U* … …weg nur zweigeschossig in Erscheinung tretende streitgegenständliche Bebauung sowie die Entfernung des Bauvorhabens von über 40 m vom Wohnhaus des Antragstellers sprechen vorliegend entscheidend gegen eine erdrückende Wirkung.
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Schließlich kann die Kammer eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auch nicht unter dem von der Bevollmächtigten des Antragstellers mehrfach vorgetragenen Aspekt, dass die Ausmaße des geplanten Büro- und Verwaltungsgebäudes im Laufe der Jahre bzw. der verschiedenen Planungsphasen „massiv“ angewachsen seien, erkennen. Es ist der Antragstellerseite zwar zuzubilligen, dass der damalige Entwurf des Bebauungsplans „U* … …“ aus den 1990er Jahren drei Baukörper mit zwei Vollgeschossen und einem zusätzlichen Dachgeschoss vorgesehen hatte, während das nunmehr streitgegenständliche Vorhaben über die Zwischenphase im Rahmen eines Vorbescheidsverfahrens auf eine viergeschossige Bebauung angewachsen ist. Dies führt aber nicht dazu, dass sich das jetzige Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sowie der zu überbauenden Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung auf dem Baugrundstück nicht einfügen oder gar das Maß dessen übersteigen würde, was den Nachbarn billigerweise noch zugemutet werden könnte. Da der Bebauungsplan „U* … …“ nicht rechtskräftig geworden ist und damit als Prüfungsmaßstab herangezogen werden kann, kann es insoweit auch nicht rechtlich erheblich darauf ankommen, dass die jetzt genehmigte Bebauung für den Neubau des Büro- und Verwaltungsgebäudes vom damaligen Planentwurf massiv abweicht, wie die Antragstellerseite rügt.
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2.3. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch die streitgegenständliche Baugenehmigung ergibt sich entgegen der Rechtsmeinung der Bevollmächtigten des Antragstellers auch nicht aus dem sog. Gebietsbewahrungs- oder Gebietserhaltungsanspruch.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Nachbar im Plangebiet sich gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung im Plangebiet wenden, auch wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Nachbar hat also bereits dann einen Abwehranspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Begründet wird dies damit, dass im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können soll (vgl. BVerwG, B.v. 2.2.2000 - 4 B 87/99 - NVwZ 2000, 679; U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151). Derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB (BVerwG, U.v.16. 9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 132. Erg.Lief. Dez. 2018, Art. 66 Rn. 347 und 395). § 34 Abs. 2 BauGB besitzt grundsätzlich nachbarschützenden Charakter (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; Hofherr in Berliner Kommentar zum BauGB, § 34 Rn. 88). Danach hat der Nachbar in einem Gebiet, auf das § 34 Abs. 2 BauGB entsprechend Anwendung findet, einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart.
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Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitig wirkenden Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums bzw. aus der Lage in einem faktischen Baugebiet folgen-den wechselseitigen Eigentumsbindung („rechtliche Schicksalsgemeinschaft“) beruht, kann er einem Eigentümer, dessen Grundstück sich außer-halb des Baugebiets befindet, nicht zustehen (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 18.12.2007 - 4 B 55/07; BayVGH, B.v. 31.3.2008 - 1 ZB 07.1062; U.v. 14.7.2006 - 1 BV 03.2179 u.a. - alle juris). Wenn - wie hier - zwischen dem Grundstück Fl.Nr. …1 des Antragstellers und dem Grundstück Fl.Nr. …4 des Beigeladenen nicht das für ein Plangebiet typische wechselseitige Verhältnis besteht, das die in einem Plangebiet bzw. faktischen Baugebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- oder bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschließt, fehlt es an dem spezifischen bauplanungsrechtlichen Grund, auf dem der nachbarschützende, von konkreten Beeinträchtigungen unabhängige, Gebietserhaltungsanspruch als Abwehrrecht beruht.
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Das Grundstück Fl.Nr. … des Beigeladenen, auf dem dieser eine geriatrische Rehabiliatationsklinik betreibt und das streitgegenständliche Büro- und Verwaltungsgebäude sowie das Parkdeck errichten möchte, befindet sich außerhalb des reinen Wohngebiets, in dem der Antragsteller sein Wohnhaus bewohnt, so dass dem Antragsteller als „Nichtplanbetroffenen“ ein Gebietserhaltungsanspruch nicht zusteht. Ein solcher steht ihm nur für Bauvorhaben innerhalb des „eigenen“ Bebauungsplangebiets, also hier des reinen Wohngebiets „…“ zu.
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2.4. Aus den gleichen Gründen steht dem Antragsteller gegen das streitgegenständliche Vorhaben auch ein sog. Gebietsprägungsanspruch oder „spezieller Gebietsprägungserhaltungsanspruch“, also ein Anspruch auf Wahrung der typischen Prägung des Gebiets als ein aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zu entnehmender Abwehranspruch nicht zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. In seinem Beschluss vom 13. Mai 2002 (4 B 86/01 - NVwZ 2002, 295) hat das Bundesverwaltungsgericht den Leitsatz aufgestellt, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht nur das Gebot der Rücksichtnahme enthält, sondern auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets vermittelt. Insoweit ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie der Literatur bereits umstritten, ob ein derartiger spezieller Gebietsprägungsanspruch überhaupt existiert (zweifelnd etwa BayVGH, B.v. 9.10.2012 - 2 ZB 11.2653 - juris; befürwortend BayVGH, B.v. 4.11.2009 - 9 CS 09.2422 - juris; offen lassend BayVGH, B.v. 3.2.2014 - 9 CS 13.1916 - juris). Hier handelt es sich aber um ein Bauvorhaben, das außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans liegt, in dessen Geltungsbereich sich das Anwesen des Antragstellers befindet und nach § 34 Abs. 1 BauGB zu bewerten ist.
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2.5. Soweit die Bevollmächtigte des Antragstellers vorbringt, dass sich die Begründung der Baugenehmigung nur mit den ebenfalls vorgebrachten Einwendungen der Nachbarn hinsichtlich der Erschließung beschäftigt habe, nicht aber mit dem nachbarschützenden Gebietsbewahrungsanspruch, kann dies nicht zum Erfolg des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. der Klage führen. Nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist die Baugenehmigung nur insoweit zu begründen, als ohne Zustimmung des Nachbarn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird (Alt. 1) oder der Nachbar gegen das Bauvorhaben schriftlich Einwendungen erhoben hat (Alt. 2); Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG und Art. 66a Abs. 2 Satz 3 BayBO bleiben unberührt. Die Antragsgegnerin hat hier dem Begründungserfordernis des Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BayBO entsprochen, indem sie sich unter Ziffer 7432 der streitgegenständlichen Baugenehmigung mit den vom Antragsteller vorgebrachten Einwendungen auseinandergesetzt hat. Denn die Begründungspflicht des Satz 2 Alt. 2 besteht - selbstverständlich - nur hinsichtlich derjenigen Abweichungen und Einwendungen, die unter den materiellen Prüfungsumfang der Baugenehmigung (Art. 68 Abs. 1, Art. 59, 60 BayBO) fallen (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Art. 68 Rn. 477). Selbst wenn man von einer fehlerhaften Begründung ausgehen würde - was vorliegend nicht der Fall ist - wäre eine solche hier nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG bzw. nach Art. 46 BayVwVfG geheilt.
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Der von Antragstellerseite gerügte Ermessensfehler („totaler Ermessensausfall“, „keine Ermessensabwägung“, „Baugenehmigung beschäftigt sich mit keinem Wort mit dem nachbarschützenden Gebietsbewahrungsanspruch“) kann schon deshalb nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung führen, weil Art. 68 BayBO die Bauaufsichtsbehörde insofern „bindet“, als er sie verpflichtet, die Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Es ergibt sich hieraus für den vg. Fall ein öffentlich-rechtlicher Rechtsanspruch des Bauherrn auf Erteilung der Genehmigung, es handelt sich um eine gebundene Entscheidung (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Art. 68 Rn. 477), nicht um eine Ermessensentscheidung, so dass ein Ermessensfehler von vornherein nicht in Betracht kommt.
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Soweit von Antragstellerseite die Erschließungsproblematik thematisiert wird, bleibt auf Ziffer 2061 der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung zu verweisen. Nach dessen Satz 1 erfolgt die Erschließung des streitgegenständlichen Vorhabens antragsgemäß über die Zufahrten in der …straße. Des Weiteren ist nach Satz 2 der oberste Treppenlauf (Verlauf parallel zur Grundstücksgrenze Flurstück …2/*2, Gemarkung Würzburg) zum U* … …weg zurück zu bauen. Schließlich ist (Satz 3) im Zugangsbereich zum Grundstück die Einfriedung entlang der Straße zu schließen.
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2.6. Nachdem die Klage des Antragstellers nach allem voraussichtlich mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird, überwiegt das Interesse des Beigeladenen an einer baldigen Ausnutzung der Baugenehmigung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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3. Nach alledem war der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Rahmen des § 80a VwGO abzulehnen.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich der Beigeladene nicht durch eigene Antragstellung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat, entsprach es nicht der Billigkeit, seine eventuell entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Nachbarklagen werden nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache einen Streitwert von 12.500,00 EUR als angemessen, der für das vorliegende Sofortverfahren zu halbieren ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs). Insoweit wird der Streitwertbeschluss in der am 18. Juli 2019 niedergelegten Entscheidung berichtigt (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 118 Abs. 1 VwGO).