Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 18.07.2019 – 1 AR 37/19
Titel:

Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung

Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 251 S. 1
EGZPO § 9
Leitsätze:
1. Das für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erforderliche rechtliche Interesse liegt nicht vor, wenn der Antragsteller selbst vorträgt, dass eine Entscheidung nicht (mehr) erforderlich sei. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren ist es erforderlich, dass neben den Parteien auch der Gegenstand der beabsichtigten Klage (Anträge) hinreichend genau dargestellt wird (Ebenso OLG Düsseldorf BeckRS 2005, 30356135). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsstandsbestimmung, rechtliches Interesse, Zuständigkeitsbestimmung
Fundstelle:
BeckRS 2019, 15099

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2019 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beim Oberlandesgericht München gestellt, der auf ihren Antrag vom Oberlandesgericht München am 13. März 2019 an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben worden ist.
2
Die Antragstellerin bringt vor, sie sei mit Architektenleistungen für ein Bauvorhaben (Erweiterung, Umbau und Generalsanierung eines Schulzentrums) des Landkreises M. im Gerichtsbezirk Aschaffenburg beauftragt worden. Die Antragsgegnerin zu 1) sei Herstellerin einer verwendeten Abdichtungsfolie. Außerdem habe sie eigenständige Beratungsleistungen in Bezug auf die Ausführung der Leistungen erbracht. Die Antragsgegnerin zu 2) sei mit der technischen Dämmung der Lüftungsinstallation beauftragt gewesen.
3
Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Sitz in Bamberg, die Antragsgegnerin zu 2) in Münster.
4
Die Antragstellerin beantragt,
das Landgericht Aschaffenburg als das (örtlich) zuständige Gericht zu bestimmen. Nach Abschluss eines vom Landkreis Miltenberg wegen Mängeln am Bauvorhaben angestrengten Beweisverfahrens vor dem Landgericht Aschaffenburg, in dem sie den Antragsgegnerinnen den Streit verkündet habe, sei von den Antragsgegnerinnen kein Verjährungsverzicht hinsichtlich etwaig bestehender Gesamtschuldnerausgleichsansprüche abgegeben worden. Da Verjährung drohe, müsse sie zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Antragsgegnerinnen Klage auf Feststellung der Verpflichtung auf Freistellung von Ansprüchen erheben, die gegebenenfalls vom Landkreis Miltenberg gegenüber ihr, der Antragstellerin, erhoben werden.
5
Mit Hinweis vom 2. Mai 2019 wurde der Antragstellerin aufgegeben mitzuteilen, welchen konkreten Antrag sie in Richtung gegen die Antragsgegnerinnen mit der beabsichtigten Klage stellen möchte. Hierauf teilte die Antragstellerin mit, sie würde gegen die Antragsgegnerinnen den Antrag stellen, diese zu verurteilen, sie von allen Ansprüchen des Landkreises Miltenberg wegen Mängeln freizustellen, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Aschaffenburg, Az. 32 OH 21/15 seien und die vom Landkreis ihr gegenüber geltend gemacht würden. Zugleich bringt sie vor, der Landkreis Miltenberg habe gegenüber den Baubeteiligten, auch gegenüber ihr, der Antragstellerin, und der Antragsgegnerin zu 2) Klage auf Schadensersatz und Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung erhoben. In diesem Verfahren sei den beiden Antragsgegnerinnen von ihr der Streit verkündet worden. Auf diese Weise sei eine Verjährungshemmung bewirkt worden. Eine Entscheidung sei vorerst somit nicht erforderlich. Es werde daher ausdrücklich das Ruhen des Verfahrens beantragt.
6
Die Antragsgegnerinnen wurden angehört. Die Antragsgegnerin zu 1) wendet ein, es werde unschlüssig vorgetragen, sie habe eigenständige Beratungsleistungen erbracht. Sie sei ausschließlich Herstellerin einer Abdichtungsbahn/Abdichtungsanlage. Anhaltspunkte für einen Fehler des Produkts gebe es nicht und diese seien sachverständigenseits auch nicht festgestellt worden. Dem Ruhen des Verfahrens könne nicht zugestimmt werden, ohne dass die Antragstellerin wenigstens eine Information über das Aktenzeichen bekannt gebe, unter dem der Landkreis Miltenberg die Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren in Anspruch nehme und nicht wenigstens glaubhaft gemacht werde, dass gegen die Antragstellerin Ansprüche (außergerichtlich oder gerichtlich) geltend gemacht würden. Die Antragsgegnerin zu 2) hat dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens zugestimmt.
II.
7
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts hat keinen Erfolg.
8
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über das Bestimmungsgesuch zuständig, weil die Antragsgegnerinnen ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Bamberg und Hamm) haben und das zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.
9
2. Eine Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts kommt nicht in Betracht, da dem Antrag das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
10
Für die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO muss ein schutzwürdiges rechtliches Interesse vorliegen (BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2002, juris Rn. 4 m. w. N.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 37 Rn. 6; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 37 Rn. 3; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. November 1955, II ARZ 3/55, BGHZ 19, 108, juris, dort Rn. 6). Dieses ist zwar im Regelfall gegeben, wenn der Antragsteller behauptet, ein Verfahren vor den Zivilgerichten durchführen zu wollen (BayObLG, a. a. O. m. w. N.). Hier ist das jedoch nicht der Fall.
11
Vielmehr hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15. Mai 2019 selbst vorgetragen, dass eine Entscheidung vorerst nicht (mehr) erforderlich sei. Das gleichzeitig beantragte Ruhen des Verfahrens kann bereits nicht angeordnet werden, weil die Antragsgegnerin zu 1) dem nicht zustimmt (§ 251 Satz 1 ZPO).
12
Aus den genannten Gründen kann offenbleiben, ob dem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung nicht auch deswegen der Erfolg zu versagen wäre, weil die Antragstellerin nach wie vor nicht hinreichend mitteilt, welchen konkreten Antrag sie in Richtung gegen die Antragsgegnerinnen mit einer beabsichtigten Klage stellen will. Im Bestimmungsverfahren ist es erforderlich, dass neben den Parteien auch der Gegenstand der beabsichtigten Klage (Anträge) hinreichend genau dargestellt wird (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 37 Rn. 1; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Mai 2005, 5 Sa 134/04, OLGR Düsseldorf, 2005, 552 Rn. 14 f.). Einen Klageentwurf hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Der angekündigte Antrag ist hinsichtlich seiner Reichweite weiterhin unbestimmt.
13
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Entscheidungen in Zuständigkeitsbestimmungsverfahren erfordern keine Kostengrundentscheidung. Dies gilt auch in den Fällen, in denen keine für die Parteien verbindliche Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt (BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, juris).