Inhalt

LSG München, Beschluss v. 13.06.2019 – L 7 AS 382/19 B ER
Titel:

Grundsicherungsrecht: Ablehnung darlehensweiser Leistungen bei fehlenden Verwertungsbemühungen

Normenkette:
SGB II § 12 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 4, § 24 Abs. 5 S. 1, § 9 Abs. 4
Leitsatz:
Gewährt der Leistungsträger zunächst nach § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II darlehensweise Leistungen im Hinblick auf die in einem Rechtsstreit anhängige Frage, ob Vermögen verwertbar ist, setzt eine Ablehnung darlehensweiser Leistungen wegen fehlender Verwertungsbemühungen neben einem entsprechenden Hinweis (vgl BSG, Urteil vom 24.05.2017 - B 14 AS 16/16 R - RdNr. 35 f) weiter voraus, dass der Leistungsberechtigte - nach dem Hinweis - dem Einzelfall entsprechend angemessen Zeit für eine Verwertung erhält. In dieser Zeit sind ggf darlehensweise Leistungen nach § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II zu gewähren.
Schlagworte:
Ablehnung von (darlehensweisen) Leistungen wegen unterlassener Verwertungsbemühungen, Darlehen wegen Unmöglichkeit der sofortigen Verwertung, Grundsicherung für Abeitsuchende, selbst genutztes Eigenheim
Vorinstanz:
SG Landshut, Beschluss vom 17.04.2019 – S 7 AS 226/19 ER
Fundstelle:
BeckRS 2019, 14393

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17. April 2019 abgeändert und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum 1. März bis 31. Dezember 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iHv 424 € monatlich zzgl des an die AOK Bayern zu zahlenden Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 191,05 € monatlich zu gewähren. Der Antragsgegner kann die Gewährung der vorstehend angeordneten Leistungen davon abhängig machen, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich gesichert wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen.
III. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.

Gründe

I.
1
Streitig ist im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob der Antragsteller und Beschwerdeführer (in der Folge: Antragsteller) gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (in der Folge: Antragsgegner) für die Zeit ab 1.3.2019 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zumindest in Form eines Darlehens besitzt.
2
Der 1971 geborene Antragsteller lebt allein unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Hierbei handelt es sich um ein rd 1 500 qm großes Hanggrundstück, das in den 1960er Jahren mit einem zwischenzeitlich sanierungsbedürftigen Haus bebaut wurde. Das Grundstück steht im Alleineigentum des Antragstellers. Im Grundbuch sind in der Zweiten Abteilung drei Pfändungen des Gesamthandsanteils des Antragstellers sowie in der Dritten Abteilung eine Zwangssicherungshypothek zu 1.591,41 € für den Freistaat Bayern sowie drei Grundschulden ohne Brief für den Antragsgegner iHv insgesamt 22.000 € vermerkt. Während der Gutachterausschuss für Grundstückswerte beim Landkreis Dingolfing-Landau zum 19.10.2016 einen Verkehrswert von 135.000 € ermittelte, kam die vom Sozialgericht in einem Parallelverfahren beauftragte Gutachterin zu einem Verkehrswert von 40.000 €. Die monatlichen Unterhaltskosten bezifferte der Antragsteller regelmäßig mit rd 50 €. Der Antragsteller ist freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse mit einem Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 191,05 € monatlich, wobei die Beiträge seit September 2018 offen sind. Weiter bestehen Stromschulden iHv 242,91 € (Abschlagszahlungen seit Februar 2019, Verbrauchsabrechnung vom 6.2.2019 iHv 124,91 € zzgl Mahnkosten und Gebühren). Die Versorgungssperre wurde mit Schreiben vom 16.4.2019 innerhalb von sechs Werktagen ab dem 24.4.2019 angekündigt.
3
Während der Antragsgegner dem Antragsteller zunächst darlehensweise Leistungen gegen Sicherung bewilligte, lehnte er die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab 1.3.2019 ab. Der Antragsteller verfüge mit dem von ihm bewohnten Hausgrundstück über Vermögen, da das Grundstück mit rd 1 500 qm nicht nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II geschützt sei. Der Antragsteller habe keine Verwertungsbemühungen nachgewiesen, so dass weitere darlehensweise Leistungen nicht in Betracht kämen (Bescheid vom 14.3.2019). Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde - soweit ersichtlich - bislang nicht verbeschieden.
4
Am 26.3.2019 ließ der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Tatsächlich habe er sich nicht um eine Verwertung seines Grundvermögens bemüht. Die Entscheidungen des Sozialgerichts betreffend Bewilligungszeiträume bis Februar 2019, wonach das Hausgrundstück nicht nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II geschützt sei, seien mit Berufung zum Landessozialgericht angefochten. Die (dortige) Hauptsache würde vorweggenommen, wenn der Antragsteller nunmehr verpflichtet wäre, das von ihm bewohnte Hausgrundstück zu verwerten. Weiter sei zu berücksichtigen, dass das Hausgrundstück zwischenzeitlich mit Grundschulden für den Antragsgegner und andere iHv rd 23.600 € sowie Pfändungen iHv rd 8.000 € belastet sei. Selbst wenn man mit dem Antragsgegner davon ausgehen wollte, dass das Hausgrundstück nicht nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II geschützt sei, sei dessen Verkehrswert ausgehend von dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten unter den Grundfreibetrag des Antragstellers nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 4 SGB II gesunken. Der Antragsteller verfüge über keine weiteren finanziellen Rücklagen und keinerlei Einkommen. Krankenversicherungsschutz sei nicht gewährleistet. Die finanzielle Situation des Antragstellers sei existenzbedrohlich.
5
Das Sozialgericht lehnte die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft. Für den Antragsteller kämen im Hinblick auf das Grundstücksvermögen lediglich darlehensweise Leistungen in Betracht. Deren Gewährung setze allerdings Verwertungsbemühungen voraus, die der Antragsteller unstreitig nicht getätigt habe. Eine besondere Härte mache der Antragsteller selbst nicht geltend. Sie ergäbe sich insbesondere nicht daraus, dass der Antragsteller für die vergangenen Bewilligungsabschnitte Leistungen als Zuschuss im Berufungsverfahren verfolge (Beschluss vom 17.4.2019, dem Antragstellerbevollmächtigten zugestellt am 26.4.2019).
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Mit seiner am 20.5.2019 beim Sozialgericht Landshut erhobenen Beschwerde sucht der Antragsteller weiter vorläufig zumindest darlehensweise Leistungen für die Zeit ab 1.3.2019 zu erreichen. Dabei lässt er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholen und vertiefen.
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Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des ... vom 17.4.2019, zugestellt am 26.4.2019, aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II ab März 2019 zumindest als Darlehen vorläufig zu gewähren.
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Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
9
Er verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung.
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Der Kläger lässt weiter die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragen.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vorliegenden Akten verwiesen, auch soweit diese vom Sozialgericht und dem Antragsgegner beigezogen wurden.
II.
12
Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.
13
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
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Auf dieser Grundlage sind die Voraussetzung für die tenorierte einstweilige Anordnung erfüllt. Der Anspruch des Antragstellers für die Zeit ab 1.3.2019 auf Leistungen als Zuschuss ist nach der im vorliegenden Verfahren möglichen summarischen Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich (dazu unter 1.). Hingegen ist ein Anspruch auf darlehensweise Leistungen auf der Grundlage der im vorliegenden Verfahren für die Zeit ab 1.3.2019 glaubhaft (dazu unter 2.). Deren Anordnung ist vorliegend erforderlich, aber auch ausreichend, um schwere und unzumutbare Nachteile bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abzuwenden (dazu unter 3.).
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1. Es kann nach aktuellem Sachstand im vorliegenden Verfahren nicht abschließend geprüft werden, ob das vom Antragsteller bewohnte Hausgrundstück seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 12 SGB II entgegensteht, ob es insbesondere nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II als Vermögen überhaupt berücksichtigt werden darf.
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a) Nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein Hausgrundstück von angemessener Größe.
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aa) Ausgangspunkt dieser Prüfung ist nach ständiger bundesobergerichtlicher Rechtsprechung zunächst die angemessene Größe des Hausgrundstücks mit Blick auf die Gesamtwohnfläche des darauf errichteten Hauses und insoweit bundeseinheitlich nach den Wohnflächengrenzen des zum 1.1.2001 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetz, differenzierend nach der Anzahl der Personen (stRspr vgl ua BSG, Urteil vom 12.10.2016 - B 4 AS 4716 R - RdNr. 28 mwN). Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das Zweite Wohnungsbaugesetz eine Wohnflächengrenze von 130 qm vor (§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1), die bei einer Belegung von weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren ist, typisierend begrenzt auf eine Belegung von bis zu zwei Personen (BSG, aaO, mwN).
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Weiter hat das BSG stets betont, dass die genannten Wohnflächengrenzen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz nicht als quasi normative Größen herangezogen werden, sondern beim Vorliegen besonderer Umstände einer Anpassung bedürfen, da Entscheidungsspielraum für außergewöhnliche, vom Regelfall abweichende Bedarfslagen im Einzelfall bestehen bleiben muss. Als solche Umstände wurde die Aufnahme von Pflegekindern in Pflegefamilien sowie bei Ausübung eines Berufs oder eines Gewerbes angenommen (vgl BSG, aaO, RdNr. 30 mwN).
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Schließlich wurde im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG erwogen, dass bei einer Überschreitung der angemessenen Wohnfläche um nicht mehr als 10% noch von einer angemessenen Wohnfläche ausgegangen werden kann (BSG, aa0, mwN).
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Vorliegend kann bereits der vorstehend dargelegte (erste) Prüfungsschritt nicht abschließend durchgeführt werden. Insoweit sind die Beteiligten und wohl auch das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die insoweit zunächst maßgebliche Wohnfläche des vom Antragsteller bewohnten Hauses 70 qm beträgt. Dies lässt sich an Hand der vorliegenden Unterlagen nicht ohne weiteres nachvollziehen. Zwar finden sich in den Antragsunterlagen entsprechende Angaben des Antragstellers. Die vom Antragsgegner bzw dem Sozialgericht eingeholten Gutachten enthalten hierzu keine konkreten Angaben bzw bestätigen die entsprechenden Angaben des Antragstellers nicht/nicht ausdrücklich. Das Kurzgutachten des Gutachterausschusses geht auf das vom Antragsteller bewohnte Haus nicht weiter ein. Das vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten geht davon aus, dass das Obergeschoss des vom Antragsteller bewohnten Hauses, in dem sich die Küche, ein Wohn- und ein Schlafzimmer, ein Bad und ein weiteres Zimmer befinden, eine Fläche von 107,5 qm umfasst. Ob diese Fläche der - ggf nach den inzwischen weitgehend aufgehobenen Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (2. BV - idF der Bekanntmachung vom 12.10.1990, BGBl I 2178, mit späteren Änderung) bzw - soweit nicht die Überleitungsvorschrift (§ 5) eingreift - der Wohnflächenverordnung <WoFlV> vom 25.11.2003, BGBl I 2346) - zu bestimmenden Wohnfläche entspricht, ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht abschließend zu prüfen. Nicht abschließend geprüft werden kann schließlich, ob - falls die nach den maßgebenden Bestimmungen bestimmte Wohnfläche 90 qm übersteigt - dasselbe für die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz um 10% erhöhte Wohnfläche von 99 qm gilt.
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bb) Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner und das Sozialgericht in ihren Prüfungen die Grundstückgröße berücksichtigt haben. So ist auch nach der bundesobergerichtlichen Rechtsprechung aus der nach der Wohnfläche beurteilten Angemessenheit des selbst genutzten Hausgrundstücks nicht ohne weiteres zu folgern, dass die Grundstücksgröße keine weitere Bedeutung findet (vgl BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 - RdNr. 29).
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Die vorliegende (ständige) BSG-Rechtsprechung lässt aber nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen möglichen Prüfung nicht den Schluss zu, dass eine Grundstücksgröße von mehr als 800 qm stets zur fehlenden Angemessenheit iS des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II führt. Soweit ersichtlich geht das BSG zwar grds davon aus, dass eine entsprechende Grundstückgröße „regelmäßig Anlass zu überprüfen“ gibt, ob nach den tatsächlichen und rechtlichen örtlichen Gegebenheiten die Grundstücksfläche als angemessen anzusehen ist (BSG, aaO). Für eine solche Angemessenheit könnte vorliegend sprechen, dass das Grundstück des Antragstellers ausweislich des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens einer (wirtschaftlichen) Nutzung nur im oberen, ca 700 qm umfassenden Bereich zugänglich ist, da im unteren Bereich ua aufgrund des im Flächennutzungsplans vorgeschriebenen Grüngürtels der Stadt eine Bebauung nicht zulässig ist.
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Selbst wenn eine abschließende Prüfung hier zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Grundstückgröße von rd 1 500 qm unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten als unangemessen anzusehen ist, geben die vorliegenden bundesobergerichtlichen Entscheidungen Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Fall weiter zu prüfen ist, ob eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteiles in Betracht käme (vgl BSG, aaO - RdNr. 29 aE). Die hierfür in Betracht zu ziehende „Option einer Grundstücksteilung“ wurde aufgrund der eingeschränkten Zugänglichkeit und der nur teilweise nutzbaren Bereiche im vom Sozialgericht eingeholten Gutachten als „nicht sinnvoll“ eingeschätzt. Ob diese rechtlich möglich ist und ob eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteiles marktgängig ist, kann vorliegend nicht abschließend geprüft werden.
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cc) Es ist schließlich - soweit ersichtlich - durch die derzeit vorliegende bundesobergerichtliche Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob neben der Größe auch der Wert des Hausgrundstücks Berücksichtigung finden kann. Insoweit hat das BSG insbesondere in den frühen Entscheidungen im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Schutzes des selbstgenutzten Hauses Bedenken gegen die Reduzierung der Prüfung der Angemessenheit allein auf die Größe geäußert. Wenn man davon ausgehe, dass Zweck des Schutzes gerade nicht die Immobilie als Vermögensgegenstand sei, sondern allein die Erfüllung des Grundbedürfnisses „Wohnen“ und die Funktion der Wohnung als räumlicher Lebensmittelpunkt, so erscheine eine Fokussierung allein auf die Größe (zumal in Bezug auf das Grundstück eines Hauses) sachwidrig. Sie ergebe auch dann wenig Sinn, wenn man stärker auf den Aspekt der Vermögensverwertung zur Erzielung von Einnahmen für die Bestreitung der Lebenshaltungskosten abstelle (vgl BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - RdNr. 15). Bedenken im Hinblick auf eine evtl Ungleichbehandlung gegenüber Sozialhilfeempfängern konnten in dem vom BSG zu entscheidenden Fall im Hinblick auf die Privilegierung der dortigen Klägerin hintenangestellt werden (vgl BSG, aaO - RdNr. 16). Sie könnten vorliegend allerdings zum Tragen kommen, wenn die im Leistungssystem der Sozialhilfe maßgebende Kombinationstheorie (vgl BSG, Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 7/08 R - RdNr. 17 ff) eine fehlende Angemessenheit nicht tragen würde.
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b) Für den Fall, dass § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II einer Berücksichtigung des Hausgrundstücks als Vermögen nicht entgegenstehen sollte, wäre hinsichtlich des streitigen Zeitraums weiter zu prüfen, ob das Grundstück zwischenzeitlich aufgrund der nach § 12 Abs. 1 S. 1 SGB II vorzunehmenden Absetzungen einer Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht (mehr) entgegensteht. Hiervon könnte insbesondere dann auszugehen sein, wenn bei der Bewertung des Verkehrswerts - ausgehend von den gutachterlich angenommenen 40.000 € - weiter die im Grundbuch vermerkten Pfändungen und Grundschulden zu berücksichtigen wären. Auch insoweit scheint es - soweit ersichtlich - bundesobergerichtliche Rechtsprechung nicht zu geben.
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2. Glaubhaft ist hingegen nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung ein Anspruch auf darlehensweise Leistungen nach § 24 Abs. 5 SGB II.
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Zwar ist dem Antragsgegner und dem Sozialgericht insoweit zuzustimmen, als normative Ausgangspunkte eines Anspruchs auf darlehensweise Leistungen sind, dass Hilfebedürftigkeit trotz zu berücksichtigenden und verwertbaren bedarfsdeckenden Vermögens deshalb besteht, weil dessen sofortige Verwertung nicht möglich ist, und dass sie nur insoweit besteht, als die sofortige Verwertung nicht möglich ist. Ausgehend hiervon setzen die eine abweichende Leistungserbringung für eine Übergangszeit regelnden § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II voraus, dass die betroffene Person Verwertungsbemühungen unternimmt. Werden Verwertungsbemühungen als Voraussetzung für die Fiktion der Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs. 4 SGB II nicht unternommen und sollen solche auch künftig unterbleiben, besteht für die vom Regelfall „abweichende Erbringung von Leistungen“ nach § 24 Abs. 5 SGB II (so die amtliche Bezeichnung des § 24 SGB II) grundsätzlich kein Raum und kommen darlehensweise Leistungen für die Überbrückung der Wartezeit bis zur Verwertung in aller Regel nicht in Betracht (vgl BSG, Urteil vom 24.5.2017 - B 14 AS 16/16 R - RdNr. 35)
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Die Ablehnung darlehensweiser Leistungen erfordert dabei aber regelmäßig, dass das Jobcenter die betroffene Person zuvor auf die Erforderlichkeit von Verwertungsbemühungen und die Folgen von deren Unterlassen hingewiesen hat. Ähnlich wie mit Blick auf den Hinweis auf Kostensenkungsobliegenheiten im Rahmen der Bedarfe für Unterkunft und Heizung und die Folgen von deren Unterlassen im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II treffen das Jobcenter auch im Rahmen der § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II Beratungs- und Hinweispflichten. Hat das Jobcenter auf das Verwertungserfordernis hingewiesen, konkrete Verwertungsmöglichkeiten beispielhaft aufgezeigt, für eine nicht mögliche sofortige Verwertung Zeit eingeräumt und in dieser darlehensweise Leistungen erbracht und hat es darauf hingewiesen, dass ohne den Nachweis von Verwertungsbemühungen und deren Scheitern weitere darlehensweise Leistungen nicht in Betracht kommen, können diese jedenfalls bei unterlassenen und auch künftig nicht beabsichtigten Verwertungsbemühungen abgelehnt werden (BSG, aaO - RdNr. 36).
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Es ist vorliegend nicht glaubhaft, dass diese Voraussetzungen für eine Ablehnung darlehensweiser Leistungen vorliegend erfüllt sind. So hat der Antragsgegner in der zuletzt ergangenen Bewilligungsentscheidung vom 15.3.2018 (Zeitraum März 2018 bis Februar 2019) darauf hingewiesen, dass der Nachweis über der Unmöglichkeit der sofortigen Verwertung von grundsätzlich zu berücksichtigendem Vermögen vom Antragsteller bisher nicht erbracht worden sei. In der Folge wird weiter ausgeführt, dass über eine „derartige Verpflichtung“ im anhängigen Rechtsstreit bezüglich der Unzumutbarkeit der Verwertung und der damit einhergehenden Angemessenheit der Immobilie des Antragstellers bisweilen nicht entschieden worden sei. Die ungeklärte Rechtslage in Verbindung mit den fehlenden Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts begründeten eine besondere Härte, sodass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen zu erbringen seien (vgl Bl 12 des Ausdrucks der elektronischen Akten des Antragsgegners). Auch die Gründe des Widerspruchsbescheides verweisen insoweit lediglich auf die „Streitbefangenheit und die dingliche Sicherung“ (Widerspruchsbescheid vom 16.5.2018, Bl 36 der Akte des Antragsgegners).
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Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller unter dem 6.12.2018 aufgefordert, nunmehr unverzüglich Verwertungsbemühungen zu unternehmen und solche bis zum 28.2.2019 nachzuweisen. Die dem Antragsteller insoweit eingeräumte Zeit von rd drei Monaten erscheint aber im Hinblick auf die vorherige Einlassung, dass Verwertungsbemühungen bis zur (rechtskräftigen) Entscheidung des zwischen den Beteiligten insoweit bestehenden Streits vom Antragsgegner nicht erwartet würden, der Zielsetzung darlehensweiser Leistungen, den Lebensunterhalt bis zur Verwertung sicherzustellen, und den insoweit sehr zurückhaltenden Prognosen des aktenkundigen Gutachtens (das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten enthält hierzu keine Angaben, das Kurzgutachten des Gutachterausschusses geht in seiner unter dem 20.1.2017 korrigierten Fassung davon aus, dass das Grundstück auf dem Grundstücksmarkt nur schwer zu verkaufen wäre) bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung unangemessen kurz. Sind aber die Voraussetzungen für die Ablehnung darlehensweiser Leistungen nicht überwiegend wahrscheinlich, ist ein entsprechender Anspruch des Antragstellers für die Zeit ab 1.3.2019 weiter glaubhaft.
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3. Es ist glaubhaft, dass die tenorierte Anordnung eilbedürftig ist. Der Antragsteller verfügt aktuell über keine bereiten Mittel, aus denen er seinen laufenden Lebensunterhalt bestreiten könnte. Über Einkommen verfügt der Antragsteller nicht. Eine kurzfristige Beleihung seines Vermögens erscheint ausgeschlossen. Gleichzeitig sind Schulden bei der Krankenkasse und dem Energieversorger aufgelaufen. Sowohl die Krankenkasse als auch der Energieversorger haben zwischenzeitlich Leistungen eingeschränkt bzw eingestellt.
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4. Der Anordnungsinhalt steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 ZPO). Dabei muss die angeordnete Maßnahme notwendig sein, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 86b, RdNr. 30).
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Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen erscheint die Anordnung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendig aber auch ausreichend, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die laufenden Leistungen für Unterkunft (Betriebskosten für das Eigenheim) beziffert der Antragsteller selbst mit monatlich rd 50 €. Es erscheint zumutbar, diese vorübergehend aus dem Regebedarf zu bestreiten. Insbesondere schließen auch die besonderen Anforderungen an existenzsichernde Leistungen betreffende Eilverfahren nicht aus, Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - RdNr. 26). Die Auszahlung des Beitragszuschusses unmittelbar an die Krankenkasse berücksichtigt § 26 Abs. 5 SGB II.
34
Die dem Antragsgegner eingeräumte Möglichkeit, den Vollzug der einstweiligen Anordnung von einer dinglichen Sicherung des Rückzahlungsanspruchs abhängig zu machen, beruht auf dem Rechtsgedanken des § 24 Abs. 5 S. 2 SGB II und soll darüber hinaus insoweit eine Vorwegnahme der Hauptsache ausschließen.
35
Die Anordnungsdauer orientiert sich (für die Zeit ab Bekanntgabe des Beschlusses) an § 41 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II.
36
5. Die Zurückweisung der Beschwerde erfolgt insoweit, als ein Anspruch auf darlehensweise Leistungen und in der Konsequenz Leistungen sinngemäß gegen Sicherheitsleistung angeordnet werden. Entsprechendes gilt, soweit der Umfang der angeordneten Leistungen auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts beschränkt bleibt.
III
37
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
IV
38
Dem Antragsteller war antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
39
Ein Beteiligter erhält Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 114 S. 1 ZPO).
40
Der Antragsteller bezieht derzeit keinerlei Einkommen und verfügt nicht über einzusetzendes Vermögen. Dabei hat das in der Hauptsache streitige Hausgrundstück unberücksichtigt zu bleiben (vgl BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 3.3.2014 - 1 BvR 1671/13). Er kann die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen. Wegen der Erfolgsaussichten des Antrags ist auf die Ausführungen unter II zu verweisen.
41
Dem Antragsteller wird aufgegeben, jede Verbesserung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich und unaufgefordert dem Gericht mitzuteilen.
42
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.